Manchmal scheint es das Phänomen zu geben, dass in einer bestimmten Synchron-Ära ein Sprecher oft auf einen Rollentypus besetzt wird, für den man in einer früheren Zeit oft einen bestimmten anderen Sprecher genommen hat. Thomas Bräutigam schreibt über Eduard Wandrey, dieser hätte "eine knarrige Stimme" gehabt, "die es poltern und krachen ließ, und wenn Wandrey richtig loslegte, schien es, als würden Fässer umhergerollt". Sie sei das "richtige Organ für knorrige Rauhbeinne, für rustikale Typen aus Schrot und Korn, aber mit dem Herz auf dem rechten Fleck" gewesen. Für mich würde diese Charakterisierung sowohl vom Stimmen- als auch vom Rollentypus her auf Wolfgang Hess zutreffen, ohne dass die beiden direkt ähnlich klingen würden. Walter Suessenguths Stimme wird als "ein männlich-volles, leicht angerautes Organ" beschrieben, "das Abgeklärtheit, Lebenserfahrung und listige Überlegenheit ausstrahlt". Zumindest im Bezug auf die letzten beiden Punkte musste ich früher schon oft an Wolfgang Völz denken. Ob es wohl ein Zufall ist, dass er bei der Synchronisation fehlender Szenen sowohl in "Lohn der Angst" als auch bei der ZDF-Fassung von "Der Mann, der Liberty Valance erschoß" als "Ersatz" für Suessenguth eingesetzt wurde?
Mücke hat sich vor einiger Zeit darüber gewundert, dass man in "Die Teufelsbrigade" Wolf Martini auf Gary Cooper besetzte. Er meinte, man wollte wohl seinerzeit eine Rauhbein Stimme und hätte einige Jahre später vielleicht sogar Arnold Marquis genommen. Zum Zeitpunkt der Synchro sei er aber "noch nicht groß genug" gewesen. Thomas Bräutigam beschreibt Martinis Stimme als ein "dumpf-polterndes Organ, das eine Mischung aus Kasernenhof und Kohlenkeller" evoziere; sein Rollentypus dei der "Rohling" gewesen, "der keine Gefühle zeigt bzw. diese per Schnauze kaschiert". Diese Beschreibung von Stimmen- und Rollenimage dürfte auch auf viele Einsätze von Arnold Marquis zutreffen. Martini starb 1959 (offenbar plötzlich) mit nur 48 Jahren. Ungefähr um diese Zeit scheint Marquis in die Kategorie der Top-Sprecher aufgestiegen zu sein. Könnte man sagen, dass er eine Lücke füllte, die durch Martinis Tod entstanden war? Damit meine ich jetzt nicht, dass er dessen Schauspieler übernommen hätte. Lee J. Cobb und Anthony Quinn sprach er ja nur gelegentlich, und Kirk Douglas, Richard Widmark, Robert Mitchum oder John Wayne wurden vor 1959 nicht von Martini gesprochen. Sondern eher, dass Marquis fortan Stammkraft für alle Arten von Rüpeln, Gangstern und Rauhbeine wurde, für die man vorher gerne Martini genommen hatte.
Manfred Lehmann hat ja gewissermaßen die "coolen Säue" (entschuldigt bitte den Ausdruck, das ist nicht negativ gemeint) für sich gepachtet; also Typen die hart drauf und manchmal auch schlagkräftig sind, aber sich trotzdem die Sympathie des Publikums erspielen wie z.B. Bruce Willis oder Kurt Russell, die ja von Lehmann gesprochen werden. Früher dürfte dieser Rollentyp auf Klaus Kindler zugetroffen haben, der eigentlich auch den selben Rollentyp synchronisierte, sprich Clint Eastwood (z.B. in "Dirty Harry") oder Steve McQueen. Letzterer hatte zwar auch noch jede Menge anderer Leute, die ihn gesprochen haben aber da McQueen auch zu dem gerade angesprochenen Rollentyp gehört, würde ich ihn dazuzählen.
Würde Horst Gentzen noch leben, wäre er wohl der einzige ernstzunehmende Konkurrent für Santiago Ziesmer (nervige Cartoon-Figuren, kleine bebrillte Nerds). Und sollte nochmal ein Frühwerk von Peter Lorre synchronisiert werden, würde ich ernsthaft Ziesmer befürchten.
Wenn das schon der Fall ist, dann muss Ziesmer sich aber mit der Stimme zurücknehmen. Peter Lorre mit Santiago Ziesmers Stimme in der "Spongebob-Tonlage" stelle ich mir gruselig vor.
Gerhard Jilka für Gernot Duda. In letzter Zeit ist Jilka auch immer häufiger auf größeren Rollen zu hören. Allerdings sind es auch oft Nebenrollen oder mehrere Kleinstrollen im selben Film/der selben Serienfolge. Diese Art der Besetzung traf auch auf Duda zu. Ich rede aber vor allem auch von einer recht ähnlichen, "dicklichen" Stimmfarbe und dem leicht süddeutschen Zungenschlag. Selbes gilt auch für die Besetzung bei Trickfilm-Rollen.
Zitat von Lord Peter im Beitrag #5Würde Horst Gentzen noch leben, wäre er wohl der einzige ernstzunehmende Konkurrent für Santiago Ziesmer (nervige Cartoon-Figuren, kleine bebrillte Nerds). Und sollte nochmal ein Frühwerk von Peter Lorre synchronisiert werden, würde ich ernsthaft Ziesmer befürchten.
Das ist ulkig. Es gab da mal eine Folge der "Simpsons", in der Sohn Bart nach einer Behandlung vorübergehend eine dicke schwarze Brille tragen musste und eine belegt-schräge Stimme hatte. Damit galt er in der Schule auf einmal als nerdiger Trottel. "Zufällig" sah er damit genau aus wie ein junger Jerry Lewis und klang auch so. Während man im Original dafür sogar eine andere Stimme benutzte, blieb es im Deutschen bei einer höher sprechenden Sandra Schwittau. Ich hätte damals, um den Gag auf andere Weise zu behalten, Bart für die besagten Szenen mit Santiago Ziesmer besetzt, um auf seinen Steve Urkel anzuspielen. Die Serie "Alle unter einem Dach" war ja damals ziemlich populär hier.
Zitat von Lord Peter im Beitrag #5Würde Horst Gentzen noch leben, wäre er wohl der einzige ernstzunehmende Konkurrent für Santiago Ziesmer (nervige Cartoon-Figuren, kleine bebrillte Nerds).
Ich fürchte er wäre heute mit 83 zu alt dafür und würde sich so anhören... Mir ist akternativ noch Sven Plate in den Sinn gekommen. Hannes Maurer könnte für mich genau so in Frage kommen.
Wenn ich mir so ansehe (höre), was für Typen Thomas Danneberg und Randolf Kronberg in jüngeren Jahren so sprachen und das mit neueren gleichwertigen Typen vergleiche - dann würde ich den wunderbaren Carlo Hackenberger als passendsten Nachfolger sehen. Er ist cool (aber nicht so aufgedreht verblockbustert), gewitzt, aber auch feinfühlig, mit einem Hauch alle Zeiten überdauernder Jungenhaftigkeit und kann schon auch hart sein. (Einer der wenigen Sprecher seiner Generation mit einem echt hörbaren Charakter in der Stimme und absolut nicht zu verwechseln-den erkennt man immer!)
Benjamin Völz ist ein großartiger Synchron-Schauspieler. Bei Keanu Reeves gelingt es ihm sogar ganz wunderbar, jeden Anflug von Schauspieltalent aus seiner Arbeit verschwinden zu lassen und sich dem Original somit anzupassen. Völz mag ich am Liebsten in etwas tiefgehenden Rollen, oft sensible Typen, die nicht unbedingt die strahlendsten Helden sind. Der nette Typ von nebenan, der aber irgendwie ganz schön aus sich herausgehen kann und etwas vollbringen kann. Der witzige Kerl, der eigentlich schüchtern ist und unsicher. Oder ein etwas jungenhafter Typ, hinter dem einige Härte lauert. Wären Filme, in denen Völz zu hören ist, in den 50er/60er-Jahren gedreht worden-ich bin überzeugt, daß Eckart Dux viele dieser Rollen gesprochen hätte. Für mich ist das eine logische "Amtsübergabe". Auch in weiterer Hinsicht: Dux konnte oft spielend Leute sprechen, die deutlich jünger waren als er. Dito Benjamin Völz. Und dennoch paßt es perfekt, wenn sie gleich alt sind.