Zitat von HarveyDie den Hals riskieren (1969) - MICHAEL CHEVALIER
Kennt jemand den Film und kann diese Angabe bestätigen? Chevalier auf dem zwanzig Jahre älteren Lancaster stelle ich mir sehr merkwürdig vor. Um eine erst längere Zeit nach dem Film entstandene Synchro dürfte es sich wohl nicht handeln. Denn dann hätte man wohl kaum Herbert Stass auf Gene Hackman besetzt.
Michael Chevalier spricht in "Die den Hals riskieren" tatsächlich für Burt Lancaster und ist meiner Meinung nach für diesen Schauspieler genau wie Klaus Schwarzkopf und Gert Günther Hoffmann eine arge Fehlbesetzung!
Chevaliers Einsatz, für den er selbst ja nicht verantwortlich zu machen ist, fügt der langen Reihe dubioser Synchronbesetzungen in einem MGM-Film ein weiteres unrühmliches Beispiel hinzu.
Lancaster und Hackman in einem Film und kein Hauch von Niendorf - sehr schade!
Danke für die doppelte Antwort! Als ich diese Angabe bei Bräutigam gelesen habe, dachte ich, es müsse ihm sowohl bei Lancaster als auch bei Hackman ein Fehler unterlaufen sein. Aber die Angaben bei Arne haben mich dann doch ins Grübeln gebracht.
Tja, wie soll man sich fühlen,wenn man in einer Liste eine Angabe (in diesem Fall sogar gleich zu zwei Besetzungen) liest, die einem mehr als merkwürdig vorkommt? Wenn ma nicht die Möglichkeit hat, den Film selber in Augenschein zu nehmen, fragt man sich, ob die Besetzung eventuell rollenbezogen passen könnte. Wenn man es sich nicht vorstellen kann, wartet man eine Gelegenheit ab, im Synchron-Forum die Frage stellen zu können, ob jemand diese Besetzung erlebt hat. Wenn es einem gar keine Ruhe lässt, wartet man eine Gelegenheit ab, die Synchro selber unter die Lupe nehmen zu können.
Dieser wunderbare Schauspieler, bei dem Sensibilität und Zwischentöne so wunderbar gepaart waren mit Kraft und Autorität, hatte ja im üblichen Sinn keinen Fix-Sprecher und das Publikum konnte (und kann) offenbar dennoch ganz gut damit leben. Manche Schauspieler verkraften das.
Interessant finde ich, daß Lancaster eine Anzahl von Sprechern hatte, die ihn immer wieder mal sprachen und dabei allerdings verschiedene Rollenspektren abdeckten und nicht nach einem gewissen Schema besetzt wurden.
Meine Favoriten sind Horst Niendorf, Wilhelm Borchert, Curt Ackermann und Holger Hagen.
Niendorf passte trotz des Altersunterschiedes immer sehr gut zu Lancaster und dies ebenso in Heldenrollen wie ernsten Figuren. "Der rote Korsar" ist ein irrer Spaß und Niendorf ganz wunderbar leicht und dynamisch. Seine fantastischen Reden in "Der Regenmacher" sind wunderbar und er hält mit seiner Lancaster ebenbürtigen Ernsthaftigkeit auch Filme wie "Airport" und "Treffpunkt Todesbrücke" schön im Griff. Herausragend natürlich "Die tätowierte Rose", in dem Niendorf zusammen mit Eva Eras (für Anna Magnani) zeigt, was Synchronisieren mit Schauspielkunst zu tun hat. Niendorf ist sicher meine Nummer 1 bei Lancaster, dennoch mag ich andere Sprecher so sehr, daß ich nicht lieber ihn hören möchte.
Curt Ackermann passte auch hervorragend in den ersten Jahren der 50er. In "Zelle 17" war er meisterhaft-so wie der Film an sich (dessen Direktheit und Härte bis heute nie erreicht wurde). Mir gefiel er auch sehr in "Der Mann aus Kentucky", weil er hier sehr feinsinnig einen doch recht leichtgläubigen Mann darstellen konnte. In "Massai" war vielleicht Lancaster selbst nicht die optimale Besetzung, aber hier gefiel mir Ackermann keineswegs. Ab den späteren 50ern hätte ich ihn mir aber nicht mehr für Lancaster vorstellen können, vielleicht auch, weil sich dessen Rollen irgendwie änderten. Wo ich Ackermann vermisse: "Dein Schicksal in meiner Hand". Ein besonderes Schmankerl ist natürlich "Vera Cruz".
Wilhelm Borchert fand ich sehr gut besetzt, einmal in "Das Urteil von Nürnberg", wo er die komplexe Figur und deren Umgang mit Schuld eindringlich verkörperte. Und dann natürlich "Die gefürchteten Vier" und "Mit eisernen Fäusten" - Borchert zeigt sich hier nicht nur abseits seiner oft unterstellten "edlen" Klischeefigur, er geht in den Rollen total auf und ist eine echte Offenbarung. Schlitzohrig, rau, sarkastisch, sogar ein wenig wollüstig und boshaft. Zu gerne hätte ich ihn in "Der Leopard" gehört (eine edle Rolle-aber mit Abgründen).
Holger Hagen passte ausgezeichnet, sowohl zum dynamischen als auch ruhigen Lancaster. Mein Favorit hier: "Gewalt und Leidenschaft". Besonders in den letzten Jahren von Lancasters Karriere war er eine würdige deutsche Stimme. Ein Schmankerl allerdings ist sicher "Archie und Harry", wo er im genialen Doppel mit Arnold Marquis sehr witzig sein darf.
Wolfgang Lukschy war ein sehr guter Sprecher für Lancaster, besonders sagte er mir zu in "Die jungen Wilden" und "Elmer Gantry", beides ganz faszinierende Rollen. Auch in "1900" zeigte er sich würdevoll und doch abgründig und doppelbödig. In "40 Wagen westwärts" hätte ich lieber wen anderen gehört, da kam er mir sehr träge vor.
Carl Raddatz-mal so, mal so. In "Der Gefangene von Alcatratz" war er ausgezeichnet, in "Der Leopard" gefiel er mir weniger-er verströmt nicht unbedingt etwas Aristokratisches. Und genau das hätte es hier gebraucht. In "Dein Schicksal in meiner Hand" ist er mir etwas plump vergröbert, es fehlt ihm die Kälte Lancasters. In "Du lebst noch 105 Minuten" drehte er mir auch zu sehr auf. Aber-ich hätte ihn liebend gerne in "Der Zug" gehört.
Arnold Marquis-nicht, daß er schlecht war in "Der Zug", aber er war nicht die optimale Lösung für Lancaster. Als "Moses" fand ich ihn glattweg furchtbar.
Gottfried Kramer gefiel mir eher weniger, etwas eindimensional. Entgegen allen Hypes darum konnte ich auch mit Hans-Dieter Zeidler nichts anfangen. Michael Chevalier in "Die den Hals riskieren" war durchaus interessant an sich, aber deutlich zu jung. GGH spielte die Rolle in "Das Ultimatum" sehr gut, aber ich hätte Holger Hagen oder Horst Niendorf bevorzugt.
Heinz Engelmann-kann man gar nichts dagegen sagen. Besonders als U-Boot-Mann in "U 23" war er super. In vielen Rollen könnte ich ihn mir gar nicht vorstellen.
Eigentümlich vielleicht im ersten Moment: Klaus Schwarzkopf in "Gewagtes Alibi". Aber er paßt perfekt und hätte sicher auch in anderen Rollen überzeugt. Er war emotional, zwiegespalten, von einer merkwürdigen Kraft angezogen, aber auch kraftstrotzdend. Gerade die Mischung, die auch Lancaster auf der Leinwand bot, machte Schwarzkopf absolut glaubwürdig auf Deutsch.
Lieber Prinz von Norwegen, ich stimme sehr häufig mit dir überein. So weitgehend auch hier. Nur: Für mich ist Raddatz neben Nindorf der beste Sprecher von Lancaster, auch und gerade im Leopard. Für mich verkörpert (bzw. verstimmlicht) Raddatz das herrschaftlich Autoritäre verbunden mit den Zweifeln und der Melancholie, geboren aus Wissen darum, sich nicht gegen die Zeitenwende stemmen zu können, perfekt. Ein persönliches Synchronhighlight. Ansonsten stimme ich Dir zu...
Prinz von Norwegen??? Schön, daß da jemand seinen Shakespeare kennt...! Mein Nickname wurde meist für die Figur aus einem Computerspiel gehalten und meine Unkenntnis darüber als Bildungslücke betrachtet...
So kurz überflogen kann man natürlich nicht differenziert auf jede einzelne Rolle eingehen. Carl Raddatz war in "Der Leopard" keineswegs schlecht, er war sogar sehr gut. Aber es ist eben dieses subjektive Empfinden, das den Geschmack ja bekanntermaßen ausmacht. Raddatz war ein ausgesprochen interessanter Synchronsprecher und auch ein exzellenter Schauspieler. Aber trotz aller Würde, die er haben kann, hat er für mein Empfinden nichts "Aristokratisches". Naja, wer sagt eigentlich, daß sich ein Aristokrat wie Wilhelm Borchert anhören muß??? Myn hat aber so seine Vorstellungen darüber. Raddatz war sehr gut besetzt in bürgerlichen Rollen, bei Abenteurern, bei einfachen Menschen und durchaus auch bei Charakteren mit dunkler Seite. Aber er verkörpert für mich nicht eine jahrhunderte alte Aristokratie. Raddatz ist für mich in erster Linie ein durch und durch "amerikanischer" Schauspieler (auch wenn Robert Taylor, dessen ultimative Stimme er für mich ist, fallweise englische Ritter spielte) und vielleicht Heinz Engelmann stärkster Konkurrent. Lancaster ist für mich wiederum trotz seiner Herkunft ein fast klassischer europäischer Schauspieler. In "Elmer Gentry" hätte er mir auch sehr gefallen, hypothetisch. Besonders fehlt er mir aber in "Der Zug", ein echt positiver amerikanischer Actionfilm mit einer tollen Rolle für Lancaster. Auch "Vierzig Wagen westwärts" wäre optimal für ihn gewesen. Raddatz selbst gefiel mir ausgezeichnet in der ersten Folge von "Buddenbrooks" als alter Konsul. Eine Rolle, die Lancasters Figur im "Leopard" verwandt ist-aber sie ist bürgerlich-bodenständigen Ursprunges. ________________________________________________________________________________________________________________________
In meiner Auflistung oben habe ich vergessen, daß ich ja zwei weitere Sprecher kenne:
Heinz Petruo-er war keineswegs schlecht für Lancaster, aber ein klein wenig schablonenhaft. In "Die Insel des Dr.Moreau" ist er zwar so schön durchgeknallt wie als Hugo Drax, aber es fehlt mir etwas eine gewisse "Eleganz des Bösen", die Holger Hagen so schön verkörpern konnte. Durch seine warme Stimme, aus der ganze Abgründe hervortreten konnten, wäre er wesentlicvh wirkungsvoller gewesen als Petruo einmal mehr in einer Bösewicht-Rolle.
Helmo Kindermann-der paßte ausgezeichnet zu Lancaster. Trotz des Altersunterschiedes klappte es ganz gut, er wirkte dynamisch und ziemlich "cool" auf mich. Hätte er sich nicht so früh zurückgezogen, wäre er sicher eine Alternative gewesen bei einigen Filmen (etwa jenen mit Gottfried Kramer).
Zitat von fortinbras im Beitrag #44Lancaster ist für mich wiederum trotz seiner Herkunft ein fast klassischer europäischer Schauspieler.
Interessant, dass du ihn so beurteilst! Denn in Karsten Prüßmanns Buch über Jeremy Irons von 1995 wird ein Interview mit Irons aus dem Jahr 1988 über den Gegensatz zwischen amerikanischen und britischen Schauspielern zitiert. Irons nannte darin Lancaster als Beispiel für einen uramerikanischen Darstellertypen. Er "habe einmal gehört, wie Burt Lancaster über Sir Laurence Olivier gesprochen hat. Das war so, wie Reagan über die Russen spricht." (S. 50)