Ich denke mir auch, dass es für Schwarzkopf eine andere Rolle gewesen sein muss wie sonstige. Gerade wenn man sich verstecken muss, ist man ja oft sehr empfindlich. Ich kenne von Schwarzkopf sonst keine ähnliche Synchronrolle, ihn selbst habe ich in tuntig angehauchten Rollen aber gesehen. Schwarzkopf war ein sehr distinguierter, feinsinniger Schauspieler und solche Rollen lagen ihm. Ich glaube da weniger an eine Besetzung, nur weil er schwul war. Gewusst haben kann Wolfgang Schick das durchaus. Vermutlich wurde aber nicht darüber gesprochen.
Zitat von fortinbras im Beitrag #1*Dracula (1958) Auch hier vergisst man allzuleicht, was dieser Film damals Neues und Skandalöses bot. Carol Marsh als vampirisierte Lucy war lasziv, sexuell agressiv und voll inzestuöser Begierde. Der gesamte Film war deutsch exzellent besetzt und doch verwundert es mich, dass die damals auf Taylor, Hepburn, Loren, Simmons und anderen weiblichen Stars stark etablierte Marion Degler in dieser kleinen, jedoch einen Tabubruch darstellenden Rolle zu hören war.
Aufgrund deines Kontakts zu Frau Degler hast du sie wahrscheinlich mal auf diesen Film angesprochen. Vermute ich richtig, dass sie sich daran nicht mehr erinnern konnte? Denn andernfalls hättest du sicher entsprechende Aussagen von ihr zitiert.
Das war meine allererste Frage an sie-und sie hat etwas reserviert reagiert. Ich war damals erst 21 und ein wenig unsensibel. Sie spricht am Allerliebsten über "Die Katze auf dem heissen Blechdach" und "Frühstück bei Tiffany". Ich muss jetzt aber mal sagen,dass das alles schon lange her ist und ich nur Kontakt hatte über eine mir sehr gut bekannte Kollegin von ihr. Ich gehörte nie zu ihrem persönlichen Umfeld oder so. Mein letzter Kontakt zu Frau Degler war brieflich im Jahr 2004! Ich kannte sie nicht gut genug, um sie mit "Dracula" wiederholt zu löchern. Dabei ist das eine tolle Rolle. Sie erzählte dies und das über die eher seriösen Sachen, es wurde mir auch manches über sie erzählt, bzw einige ihrer Berichte zum Synchronthema weitergegeben. So etwa, dass ein Kollege, ein in Österreich götzenhaft verehrter "Volksschauspieler" dauernd sagte: "Die Degler kann nix. Weil wenn sie was könnte, tät sie nicht synchronisieren." Vielleicht war ihr so ein Horrorfilm etwas unangenehm und ich muss auch sagen, dass mir jetzt im Moment kein anderer Horrorfilm einfällt, in dem ich sie hörte. Eine gewisse Auswahl haben manche Synchronleute ja schon auch gehabt, abseits gewisser Kontinuitäten mit Stars.
Die Verfilmung des Bühnenstücks "Getrennt von Tisch und Bett" bietet gleich mehrere Beispiele, die für die Entstehungszeit des Films (1958) recht gewagt erscheinen: Burt Lancaster und Rita Hayworth spielen ein Paar, dessen Ehe (wie im Dialog relativ klar ausgesprochen wird) gescheitert ist, weil die Frau sich weigerte, mit ihrem Mann zu schlafen, und dieser darüber so frustriert und aggressiv wurde, dass er sie fast erwürgt hätte. Deborah Kerr spielt (mit der Stimme von Gundrun Genest) eine längst erwachsene Frau, die von ihrer Mutter immer noch wie ein kleines Kind behandelt und am Kontakt mit dem anderen Geschlecht gehindert wird, wodurch sie zur Neurotikerin wurde. Das deutlichste Beispiel betrifft jedoch David Niven als Major Pollock: Der angebliche Kriegsheld ist ein extrem gehemmter und verklemmter Mensch, der (wie sich später herausstellt) in einem Kino während der Vorstellung nacheinander fünf Frauen begrapscht hat. In einer Szene erklärt er dies gegenüber Sybil (Deborah Kerr) damit, dass er genau wie sie "Angst vor dem Leben" habe und fügt hinzu, er wisse, dass Sybil das Wort, dass er eigentlich meine "unsittlich" fände. Nach diesem Gespräch bekommt Sybil einen hysterischen Anfall und schreit, sie beiden hätten "Angst vor den Menschen, vor dem Leben und vor Sex!". Ebenfalls recht heftig wirkt die Rolle der Krimileserin Miss Meacham (May Hallatt): Als sie von Pollocks sexuellen Belästigungen erfährt, meint sie, vergliche mit dem, was Mickey Spillanes Mike Hammer mit Frauen machen, sei das doch gar nichts gewesen. Und wer spricht sie? Ursula Krieg!
Speziell bei Herrn Schoenfelder würde mich interessieren, ob ihm diese Rolle in Erinnerung geblieben ist. Immerhin war er damals noch recht "neu" in der Branche, es war sein erster Einsatz für David Niven, dessen Rolle war mit einem Oscar ausgezeichnet worden, und das Thema "sexuelle Belästigung" einschließlich des Versuchs, diese zu erklären, dürfte damals nicht gerade alltäglich gewesen sein. Leider kann er nicht mehr danach gefragt werden.
"Getrennt von Tisch und Bett" ------------------------------------
Da hast du ganze Arbeit geleistet! Die Frage wegen Schoenfelder wäre wirklich interessant. Das Theaterstück dazu war auch hierzulande ein Hit, aber es gab Schauspieler/innen, die gewisse Textpassagen gestrichen haben wollten. Da hier ein "neuer" David Niven zu sehen war (ich finde es großartig, dass er die Rolle annahm!)-vielleicht wollte man auch eine andere, nicht vorbelastete Stimme? Und weil's dann das Oscarchen gab, kam's eben zu mehr Aufträgen.
Zitat von fortinbras im Beitrag #20Da hier ein "neuer" David Niven zu sehen war (ich finde es großartig, dass er die Rolle annahm!)-vielleicht wollte man auch eine andere, nicht vorbelastete Stimme? Und weil's dann das Oscarchen gab, kam's eben zu mehr Aufträgen.
Allerdings dauerte es danach mehrere Jahre, bis Friedrich Schoenfelder etabliert war. Die Ultra z. B. besetzte an seiner Stelle danach Paul Klinger ("Bonjour Tristesse"), Holger Hagen ("Die Kanonen von Navarone") oder Curt Ackermann ("Der Rosarote Panther"). Bevor ich diesen Film (Ende 2001) erstmals sah, dachte ich deswegen, Schoenfelder hätte Niven erst ab "Die Dolche in der Kasbah" gesprochen.
Dazwischen hat Schoenfelder aber auch "Liebenswerte Gegner" gemacht, "Die Wolken sind überall" kam um Jahre verspätet auf den deutschen Markt auch zu dieser Zeit und ich glaube, da gab es noch was in dem Zeitraum. Bei Niven gab's auch einiges Hin- und Her mit Stimmen.
Heute sind mir diese Beispiele (ebenso wie "Ehegeheimnisse") natürlich bekannt, aber 2001 kannte ich weder Internetseiten mit Sprecherlisten noch genügend Filme mit David Niven. Meine einzige Quelle war damals Bräutigams Buch.
Zitat von fortinbras im Beitrag #22Bei Niven gab's auch einiges Hin- und Her mit Stimmen.
Ich glaube, dass trotz all seiner unbeabsichtigten Fehler (die man heute ja wesentlich besser recherchieren kann) Bräutigams Synchronlexikon eine immense Offenbarung war. Da nehme ich mich nicht aus.
Ansonsten ist's/war's wohl auch Glückssache, welche Filme man zu sehen bekam und wer sich wie einprägte ganz subjektiv. Ich kannte David Niven, zumindest seit dem bewussten Hören, nahezu nur mit Schoenfelder, dazu kam zweimal Hagen (was ich passend fand) und der etwas farblose Dieter Borsche in "Lady L." Meine Begegnung mit Curt Ackermann im "Pink Panther" war fast schockierend im ersten Moment.
Nochmal zu "Getrennt von Tisch und Bett": ich finde es sehr eigentümlich, dass Deborah Kerr, die hier ja mit Marianne Kehlau schon eine etablierte Standard-Stimme hatte und sonst mit Edith Schneider, Marion Degler und Eleonore Noelle ähnlich passend besetzt wurde, plötzlich die Stimme von Gudrun Genest bekam, die sich viel kratziger, altjüngferlicher und uneleganter anhörte. Ähnliches Beispiel Olivia de Havilland, die auch stets "elegant" besetzt war und als psychisch schwer kranke Insassin einer Nervenheilanstalt in "Die Schlangengrube" auch eine nicht so elegante Stimme bekam-wiederum Gudrun Genest. Passte eine "schöne" Stimme nicht zu einer so gegensätzlichen Rolle? Ich glaube, dass die meist eingesetzten Sprecherinnen das genauso gemeistert hätten. Damit will ich nicht Gudrun Genests Leistung herabsetzen, die hier großartig gespielt hat.
In einem Buch über das Wiener Theater in der Josefstadt, wo Rattigans Stück ("Einzeltische") auch erfolgreich gespielt wurde, steht drin, dass die Rolle des in einer Fantasiewelt lebenden Aufschneiders, der Frauen begrapscht, schwer zu besetzen war. Alles war für den Darsteller vertretbar, aber da die Rolle mit einem "Gentleman und Sympathieträger" besetzt werden sollte, hatten diese eben gerade wegen der sexuellen Belästigungen, um die es geht, grosse Bedenken. Zu den Leuten, die bereits in Deutschland abgelehnt hatten, zählen Willy Birgel, Paul Klinger (!) und Paul Hubschmid. In Wien übernahm dann Jochen Brockmann die Rolle, der allerdings häufig in zwielichtigen Rollen zu sehen war. Klinger war ja Bösewicht-Rollen nie abgeneigt und konnte auch rauher sein, aber als Grapsche wurde es ihm wohl doch zuviel.
Ähnlich problematisch war ja die Bühnen-Erstbesetzung von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?". In Berlin war Erich Schellow so mutig, den George zu spielen. In Wien tat dies, völlig unerwartet und für viele seiner Fans skandalöserweise Hans Holt. Er war bis an sein Lebensende stolz darauf, während Hilde Krahl noch kurz vor ihrem Tod bedauerte, jemals in diesem schmutzigen, obszönen Stück mitgewirkt zu haben. Hier ist auch wiederum interessant, dass man bei Elizabeth Taylor in der Verfilmung mit Hannelore Schroth auch eine ganz gegensätzliche Stimme besetzte. Zu dem Zeitpunkt war Marion Degler nicht mehr wirklich ihre Stimme (auch wenns kurz vorher nach drei Ausfällen wieder sie gab in "The Sandpiper"), aber Rosemarie Fendel auch noch nicht etabliert (trotz "Cleopatra"). In den USA umging man ja die Zensur, denn die wollten den Film ja teils von 125 auf bis zu 78 (!!!) Minuten kürzen (je nach Bundesstaat). Der Film ging ohne Bewertung auf den Markt und es ist eine grosse Leistung von Warners gewesen, das zu unterstützen. Damals muss der Film heftig auf's Publikum gewirkt haben, bei uns ungekürzt hatte er ja teils FSK 18. Die Synchronsprecher (Hagen, Schroth, Kindler, Lutz) haben das grossartig gemacht.
Durch die kurze Diskussion im Thread über Wilhelm Borchert ist mir ein Beispiel wieder eingefallen: Stanley Kramers "Urteil von Nürnberg" diskutierte die Frage des Verhaltens im Nationalsozialismus aus verschiedenen Perspektiven. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Haltung des (fiktiven) Richters Ernst Janning (Burt Lancaster), der vor 1933 zu den führenden Juristen der Weimarer Republik gehörte, als solcher im In- und Ausland großes Ansehen genoss und trotzdem im Nationalsozialismus Karriere machte und sogar Justizminister wurde. Nach langem Schweigen erklärt Janning in einer Szene seine Gründe: Wie Millionen andere Deutsche habe er die Verbrechen der Nazis in Kauf genommen, da er meinte, Deutschland würde durch den Nationalsozialismus wieder stärker werden. Dies sei ein moralisches Versagen gewesen, zu dem man sich schonungslos bekennen müsse, was neben ihm auf für Millionen anderer Deutsche gelte, auch wenn es "schmerhaft" und "erniedrigend" sei. Solche Aussagen sind mittlerweile durch ihre ständige Wiederholung in der Gedenkkultur längst gängig geworden, aber auf das deutsche Publikum von 1961 mussten sie ungeheuer provokant wirken. Synchronisiert wurde Burt Lancaster von Wilhelm Borchert, der seine Partei- und SA-Mitgliedschaft nach dem Krieg zunächst zu verschleiern versuchte und wegen dieses Versuchs einige Monate in einem amerikanischen Militärgefängnis saß. Die Frage, ob seine Mitgliedschaft aus Opportunismus, damaliger Überzeugung oder anderen Gründen erfolgte und wie er dies später selber bewertete, kann niemand mehr beantworten. Da Synchronaufnahmen 1961 ohnehin viel Zeit in Anspruch nahmen und es sich hier um mehrere lange Monologe handelt, dürfte er sich mit der Rolle intensiv beschäftigt haben. Und diese dürfte ihm sicherlich nahe gegangen und auf keinen Fall eine "wie jede andere" gewesen sein.
Wilhelm Borchert/Das Urteil von Nürnberg -----------------------------------------
Das ging sicher weder an ihm, noch an anderen spurlos vorrüber. Es gab auch in Deutschland ein paar Filme zum Thema, denen man keine Vorwürfe machen konnte, die Geschichte zu verfälschen-aber das waren Ausnahmen. Und hatten kaum mit dem Holocaust zu tun, eher mit der Sinnlosigkeit des Krieges (Die Brücke/Unruhige Nacht/Der 20. Juli/Der letzte Akt). Bei manchen dieser anglo-amerikanischen Filme, die das zum Thema hatten und ungeschönt waren, mussten sich deutsche Schauspieler im Synchronstudie schon Ansichten und Einsichten "fügen", mit denen sie sonst beruflich kaum konfrontiert waren. Gerade die Generation jener, die zum Zeitpunkt der Machtergreifung schon erwachsen waren, müssen das deutlicher empfunden haben als jene, die im Lauf der 20er geboren wurden-die ja schon ganz anders "hineinwuchsen".
Zitat von fortinbras im Beitrag #24Hier ist auch wiederum interessant, dass man bei Elizabeth Taylor in der Verfilmung mit Hannelore Schroth auch eine ganz gegensätzliche Stimme besetzte. Zu dem Zeitpunkt war Marion Degler nicht mehr wirklich ihre Stimme (auch wenns kurz vorher nach drei Ausfällen wieder sie gab in "The Sandpiper"), aber Rosemarie Fendel auch noch nicht etabliert (trotz "Cleopatra").
Im Falle von Richard Burton beließ man es dagegen bei Holger Hagen, obwohl dieser zu diesem erst zwei Einsätze gehabt hatte, also keineswegs schon etabliert war und seine eher edle Stimme angesichts von Georges heftigeren Momenten auf den ersten Blick auch nicht gerade ideal erschien.
Zitat von Gast im Beitrag #1* Zwischen Madrid und Paris (1956) Wenn es auch nie mit diesem Wort ausgesprochen wird, aber Tyrone Power spielte einen Mann, der durch eine Kriegsverletzung kastriert wurde und dadurch traumatisiert ist.
Allerdings liegt bei der Wortwahl eine kleine Abschwächung vor: Im Original sagt der Militärarzt (Henry Daniell) drastisch: "You´re going to be impotent!", während Schürenberg es etwas umschreibt: "Mit den Frauen ist es aus!" In der Sache ist es zwar klar, aber der Gebrauch des Wortes "impotent" (Ob dieses zuvor jemals in einem Hollywoodfilm fiel? Ich bezweifle es sehr.) wird vermieden.