Von all den Sprechern, die noch synchronisieren, gefällt mir Lelle auch am besten. Ist eine gute Mischung aus O-Ton-Nähe und eigener Interpretation ohne dabei so krass zu klingen wie Ziesmer. Petruo gefiel mir damals rollenbezogen (Gangster) immer ganz gut, beinahe perfekt war Wolfgang Bahro und mein heimlicher Favorit, der es nie war, ist Martin Semmelrogge. Die Besetzung wäre doch was Feines für "Boardwalk Empire" gewesen.
Zitat von dlh im Beitrag #93[...] und mien heimlicher Favorit, der es nie war, ist Martin Semmelrogge. Die Besetzung wäre doch was Feines für "Boardwalk Empire" gewesen.
Überrascht mich eh, dass Martin Semmelrogge nie groß synchronisiert hat.
Früher gab's ihn ja durchaus öfter mal in Plaza-Synchros ("Mit Schirm, Charme und Melone", "Cheers" z.B.). Ich vermute mal, dass er nie dauerhaft irgendwo eingesetzt worden ist, dürfte u.a. an seinem Lebensstil liegen/gelegen haben.
Nahezu allen Synchronbesetzungen, die ich für ihn erlebt habe, konnte ich etwas abgewinnen. Und die, die ich noch nicht kenne, kann ich mir meist sehr gut vorstellen. Einige hätte ich gerne öfter gehört, wie Oliver Grimm. Selbst Bernd Schramm, der auf dem Papier reichlich seltsam wirkte, hat erstaunlich gut gepasst. Überhaupt ein Wunder, wieviele Stimmen auf diesem Charaktergesicht funktionieren.
Nur mit einem hadere ich: Das ist, richtig geraten, Santiago Ziesmer.
Mag sein, dass ich bei ihm zu sehr in Schubladen denke. Sonst bin ich immer sehr dafür, etwas unkonventioneller zu besetzen, ausgerechnet bei Ziesmer funktioniert das für mein Empfinden nicht (mehr). Dass er seit fast 20 Jahren nur noch Kleinwüchsige und Zeichentrickfiguren spricht, hat abgefärbt. Und beim Trickfilm finde ich ihn wirklich klasse, aber auf echten Schauspielern... Meh. Es ist garnicht so sehr die Stimme an sich, sondern die Spielweise. Er bekommt dieses Chargenhafte nicht mehr aus seiner Stimme heraus. Das war früher anders, hört euch einmal seine Rollen aus den 70ern an. Rein stimmlich ist er da schon klar zu erkennen, aber klingt viel zurückgenommener. Ab Anfang der 90er ging's dann schon los, und spätestens seit "Spongebob" klingen auch sämtliche Realfilmrollen nach Cartoon. Meines Erachtens trifft hier genau das zu, was VanTobias neulich im "Rollencast"-Thread schrieb. Ich will nicht ausschließen, dass Santiago Ziesmer unter der richtigen Regie besser auf Buscemi läge, aber warm werde ich mit dieser Besetzung nicht mehr.
Wirklich schlimm war sonst eigentlich nur Gerhart Hinze (nicht seine Schuld, passte einfach null), aber der zählt ohnehin nicht richtig.
Tobias Lelle finde ich auf dem Papier eine echt schöne Idee - quasi als Kompromiss zwischen Semmelrogge und Ziesmer. Verstehe da Ablehnung einiger nicht. Zumal Lelle Ziesmer von den möglichen Besetzungen noch am nächsten kommt und gerade Lelle in Berlin in jüngerer Vergangenheit oft wesentlich unpassender besetzt wurde. Kontinuität ist nicht alles, Leute.
Bei Santiago Ziesmer war das Problem gewesen, dass man ihm nicht die Chance gab sich auf ernsteren Rollen zu beweisen. Er wurde wegen seiner Stimme schon damals auf schrille (Cartoon-)Figuren festgenagelt. Das ist so ähnlich wie damals bei Elsholtz gewesen. Nur hatte man sich bei ihm doch noch ein Herz gefasst und ihn auf die ernsteren Hanks-Rollen besetzt, nicht zuletzt da seine Stimme gut gereift war. Ziesmers Stimme hingegen ist verglichen zu Elsholtz nahezu unverändert geblieben. Stellt sich nur die Frage, ob er heute wandlungsfähiger wäre, wenn er früher auch mal auf ernstere weniger comichafte Rollen besetzt würde.
Ich hätte mir Ziesmer gut als Feststimme von Buscemi vorstellen können, wenn man ihm damals eine Chance gegeben hätte seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, ähnlich wie damals bei Elsholtz. Leider befürchte ich, dass der Zug mittlerweile abgefahren ist. Seine Stimme ist spätestens seit "Spongebob" zu stark vorbelastet und den schrillen "Cartoon-Makel" wird Ziesmer wohl nicht mehr los.
Wenn Ziesmer nicht chargiert, passt er perfekt auf Buscemi und kann problemlos jede erdenkliche Facette von ihm spielen ohne das es cartoonhaft wirkt. In normaler Stimmlage würde ihn auch niemand mit Spongbob verwechseln.
Hat Santiago Ziesmer in seiner gesamten Synchronkarriere schon einmal richtig bedrohlich geklungen? Vielleicht überrascht er uns ja ähnlich wie Wolfgang Spier, der trotz oder GERADE WEGEN seiner sehr hohen Stimme extrem angsteinflößend wirken konnte.
Ich fand irgendwie, dass Ziesmer in Jugendjahren sowas leicht Psychopathisches in der Stimme hatte. Auch in FERRIS kann man das noch heraushören meiner Meinung nach.
Also böse und bedrohlich klingen kann Ziesmer problemlos und ich traue ihm das auch heute noch ohne weiteres zu. In einigen Zeichentrickfilmen hat er schon böse Rollen gesprochen wie z.B. "Huy" in "Der Prinz von Ägypten", wobei er bei dem Lied "Nun tritt's du gegen Profis an" stellenweise schon diesen "Spongebob-Einschlag" hatte.
In CON AIR klang er auch sehr bedrohlich (die Szene mit dem kleinen Mädchen im Sandkasten).
Es gab mal ein Video, in dem hatte jemand diese Dialoge über einen SPONGEBOB-Ausschnitt gelegt. Klang doch sehr gruselig. Leider finde ich das nicht mehr.
In einigen Karl-May-Hörspielen war Ziesmer in jugendlichen Jahren (und er könnte sich heute noch selbst doubeln) auch in völlig anders gearteten Rollen zu hören - weich, sympathisch, zurückgenommen. Es müsste nur mal jemand ihn wieder auf eine solche Rolle besetzen, dann würde er sie meiner Meinung nach ohne Probleme meistern.