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Dieses Thema hat 136 Antworten
und wurde 14.221 mal aufgerufen
 Allgemeines
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Joha


Beiträge: 180

24.06.2008 09:03
"Veramerikanisierung" der Synchronisation Zitat · antworten

Dieses Thema habe ich in der Diskussion über die "Anti-Synchro"-Seite schon mal aufgebracht, aber es ist da in der Hitze der Diskussion etwas untergegangen, daher würde ich es gern nochmal getrennt behandeln.

Ich habe den Eindruck, dass Synchronsprecher heutzutage in zunehmendem Maße auf eine "deutsche Betonung" verzichten und vielmehr die Betonung des amerikanischen Originals übernehmen.
Mit anderen Worten: Wenn ich mir einen Film von vor 30-40 Jahren anhöre, ist es mir nicht ohne weiteres möglich zu entscheiden, ob ein deutsches Original oder eine Synchro vorliegt. Es klingt beides ungefähr gleich.
Bei heutigen Filmen dagegen ist mir (mit geschlossenen Augen) innerhalb weniger Sekunden klar, ob eine Synchro oder ein deutscher Film zu hören sind. Und dabei meine ich nicht, dass Namen oder ähnliches englisch ausgesprochen werden.
Nach meiner Empfindung betonen viele Synchronsprecher (längst nicht alle, aber zunehmend und sehr gerne in Nebenrollen) ihre Sätze "amerikanisch". Es klingt für mich nicht mehr so, als könnte ein Deutscher diesen Satz im Realen zu einem anderen Deutschen sagen.

Ich erlaube mir an dieser Stelle ein Zitat von Roger Thornhill aus dem "Anti-Synchro-Seite"-Faden zu bringen:

Zitat von Roger Thornhill
Den Unterschied merkt man auch immer mal wieder, wenn sich ein deutscher Schauspieler, der in einer internationalen Produktion mitgewirkt hat, selbst synchronisieren soll. So einer ist nämlich in der Regel kein Synchronprofi. Hier im Forum wird sowas, der Hauch eines Anflugs von Natürlichkeit im Sprachduktus, aber leider von vielen als "schauspielerisch minderwertig" angesehen, weil es eben anders als die vielen Synchron-Vollprofis klingt und dadurch immer heraussticht. Als Paradebeispiele dafür seien Franka Potente in DIE BOURNE IDENTITÄT oder Diane Krüger in SEHNSÜCHTIG oder DAS VERMÄCHTNIS DER TEMPELRITTER genannt.

Ich habe mir jetzt mal die Synchro vom "Vermächtnis der Tempelritter" angehört und ich finde in der Tat, dass Diane Kruger relativ natürlich rüberkommt und eben nicht so übertrieben amerikanisch, wie zum Beispiel Marcel Collé auf Justin Bartha, den ich hier als Paradebeispiel für "veramerikanisierte" Synchronisation anführen möchte.

Wie seht ihr das? Fällt das nur mir auf, weil ich irgendwie "Original-geschädigt" bin und wenn nein, wieso kam es zu diesem Übergang von "den Film tatsächlich eindeutschen" zu der heutigen - in meinen Augen - "Hybridsynchro"?

derDivisor47



Beiträge: 2.087

24.06.2008 09:20
#2 RE: "Veramerikanisierung" der Synchronisation Zitat · antworten
was meinst Du mit amerikansich?

Ich höre zwar den Unterschied zwischen Diane Kruger und sonstigen Profi-sprechern, aber amerikanisch, würde ich das nicht nennen. Wenn überhaupt ist ja eher Frau Kruger amerikansich angehaucht.

Und ja, ich gehöre auch zu denen, die es gut fanden, dass sich Kruger selbst synchronisiert hat. Sie sticht auf jeden Fall bei dem Film heraus, weil sie nicht...
...und da fehlen mir die Worte und klaren Gedanken es zu beschreiben.

Aber ich habe nicht den Eindruck, dass da früher anders war.
Joha


Beiträge: 180

24.06.2008 09:38
#3 RE: "Veramerikanisierung" der Synchronisation Zitat · antworten

Mit "amerikanisch" meine ich die ans Original angelehnte Satzmelodie. Das heißt, die Wörter sind zwar Deutsch, aber es klingt eben nicht nach "echtem" Deutsch, so wie du und ich es sprechen.
Hör dir mal mit geschlossenen Augen einen Ausschnitt aus einem deutschen Film an und anschließend eine aktuelle Synchro und stell dir bei beidem vor, du würdest eine Unterhaltung deiner Nachbarn belauschen.
Und dann berichte, welches sich eher nach deinen Nachbarn anhört. (Möglicherweise fällt dir auch kein Unterschied auf...bei mir ist dieses Bewusstsein irgendwie auch erst nach und nach entstanden...mit zunehmendem Abstand zu Synchronisationen)
Ich werde dir auch gerne Hörbeispiele raussuchen, an denen ich dir genau zeigen kann, was ich meine, aber jetzt muss ich erstmal schlafen gehen.

derDivisor47



Beiträge: 2.087

24.06.2008 09:45
#4 RE: "Veramerikanisierung" der Synchronisation Zitat · antworten

Du kannst mir ja mal ein paar Beispiele sagen, vielleicht besitze ich die ja zufällig.

Edigrieg



Beiträge: 3.093

24.06.2008 10:00
#5 RE: "Veramerikanisierung" der Synchronisation Zitat · antworten

Es ist doch logisch das ein rein deutscher Film "runder und melodischer" klingt als eine Synchro eines ausländischen Films. Bei unseren Produktionen sprechen die Akteure zwar nach Drehbuch, aber doch in ziemlich eingängigen Sätzen. In einer Synchro wird halt auf Lippengenauigkeit wert gelegt und da bastelt und friemelt man an den Vokabeln rum, bis es einigermaßen hinhaut. Dass dabei die "Melodie" flöten geht, ist doch vorprogrammiert. Jaja, und bevor es ein anderer sagt : FRÜHER hatte man mehr Zeit, rhetorisch begabtere Synchronregisseure und aktiver einschreitende Sprecher.

Reineck


Beiträge: 89

24.06.2008 10:35
#6 Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten

...ob es mit der Überschrift gemeint ist, und es wurde auch schon an anderen Stellen wiederholt angemerkt - aber bei dem Stichwort "Veramerikanisierung" fällt mir immer wieder die schlampige Übersetzung amerikanischer Redewendungen ein. Es ist nicht absolut falsch, aber halt im Deutschen ungebräuchlich.

"character" heißt meistens soviel wie Rolle, Figur - kommt aber völlig unsinnig als "Charakter" daher. "realize" heißt "bewusst werden, erkennen" und nicht "realisieren". "not really" heißt nicht "nicht wirklich", sondern "eigentlich nicht".

Die amerikanische Formulierung, eine Bitte als verneinte Frage auszudrücken ("Why don´t you go..."), heißt bei uns dann treudeutsch "Warum gehst du nicht..." anstatt "Geh doch mal bitte...".

Das hat alles nichts mit Lippensynchronität zu tun, das ist einfach nur unüberlegte Übernahme.

Und das, meine ich, wäre früher nicht so gewesen. Und daran erkenne ich mit geschlossenen Augen, ob es sich um einen deutschen Film oder eine (schlechte) Synchronfassung handelt.

berti


Beiträge: 17.884

24.06.2008 10:44
#7 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten

Zitat von Reineck
"character" heißt meistens soviel wie Rolle, Figur - kommt aber völlig unsinnig als "Charakter" daher. "realize" heißt "bewusst werden, erkennen" und nicht "realisieren". "not really" heißt nicht "nicht wirklich", sondern "eigentlich nicht".
Die amerikanische Formulierung, eine Bitte als verneinte Frage auszudrücken ("Why don´t you go..."), heißt bei uns dann treudeutsch "Warum gehst du nicht..." anstatt "Geh doch mal bitte...".



Viele Anglizismen oder Formulierungsarten (z. B. "nicht wirklich") sind mittlerweile längst in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Es wäre eine interessante Frage, ob das durch das zunehmend wörtliche Übersetzen bei der Synchronisation mit gefördert wurde oder umgekehrt die Dialogautoren meinen, die Formulierungen seien eh inzwischen im Deutschen normal, deshalb könne man sie auch gleich wörtlich übersetzen.
Vor einigen Jahren ist mir allerdings eine Formulierung untergekommen, die mir noch heute im Ohr schmerzt. In einer Synchro fiel der Satz "Ich verstehe Ihren Skeptizismus", obwohl vom Kontext her klar war, dass nur "Skepsis" (engl. "scepticism") gemeint war.

derDivisor47



Beiträge: 2.087

24.06.2008 10:50
#8 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten

Zitat von berti
In einer Synchro fiel der Satz "Ich verstehe Ihren Skeptizismus", obwohl vom Kontext her klar war, dass nur "Skepsis" (engl. "scepticism") gemeint war.


Warum nur habe ich das Gefühl, es müßte aus einer der neueren Star Trek Serien sein?

berti


Beiträge: 17.884

24.06.2008 10:54
#9 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten
Zitat von derDivisor47
Zitat von berti
In einer Synchro fiel der Satz "Ich verstehe Ihren Skeptizismus", obwohl vom Kontext her klar war, dass nur "Skepsis" (engl. "scepticism") gemeint war.

Warum nur habe ich das Gefühl, es müßte aus einer der neueren Star Trek Serien sein?


Es war Jürgen Thormann für James Fox in dem TV-Film "Die vergessene Welt".
Commander



Beiträge: 2.300

24.06.2008 12:59
#10 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten
So etwas hätte es bei "Voyager" oder den Staffeln 2 - 4 bei "Enterprise" aber auch gut geben können.

Also in der Regel finde ich nicht, dass eine aktuelle Synchro "amerikanisiert" wirkt. Es gibt zwar wirklich immer mal wieder einige Sätze in Synchros, die tatsächlich im deutschen sehr ungewohnt klingen (wegen falschem/englischen Satzbau und/oder 1:1 Übersetzungen/Anglizismen), aber das hält sich IMO doch eher in Grenzen. Eben auch, wie schon genannt, weil einige Anglizismen ihren Weg auch in die deutsche Umgangssprache gefunden haben und es somit nicht falsch wirkt (auch wenn es nach deutscher Grammatik vielleicht tatsächlich falsch wäre).

Ich bin jedoch froh, dass z.B. (englische/amerikanische) Militärränge in den (meisten) Synchros der letzten 40 Jahre auch englisch ausgesprochen werden und nicht aufeinmal der Colonel der US Army zum Oberst umbennant wird oder noch schlimmer der US Colonel eher französsich ausgesprochen wird. Das fand ich ja manchmal bei ganz alten Filmen der 40er/50er schrecklich.
ElEf



Beiträge: 1.910

24.06.2008 13:39
#11 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten

Ich denke ich weiss, was der Joha meint. Er meint einfach nur die Sprachmelodie, die sozusagen alle Synchronsprecher einsetzen. Oder vielleicht auch den Zwang deutlich und so zu sprechen, dass es für unsere Ohren schön klingt. Vielleicht wird das Synchronsprechen deshalb auch als "Kunst" angesehen?
Promis wie z.B. Benno Führmann, Franka Potente oder Diana Krüger achten darauf vielleicht nicht und versuchen ihre Rolle die sie spielten 1:1 ins deutsche zu übertragen.
Viele mögen das nicht, ich finds aber sehr cool da es sehr natürlich klingt. Thomas Kretschmann in King Kong ist auch ein sehr cooles Beispiel.

Wotan


Beiträge: 111

24.06.2008 14:16
#12 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten

Ich hab auch mal irgendwo gelesen, daß es früher (60er/70er Jahre) in Deutschland völlig unüblich war jemanden mit "Hallo" zu begrüßen.
Das Wort gab es zwar, aber erst durch die permanente Synchronisation des im Englischen zur Begrüßung üblichen "Hello" sei auch "Hallo" im Deutschen als Begrüßungsfloskel übernommen worden und ist heute ganz normal.
Ob's stimmt weiß ich nicht.

Isch


Beiträge: 3.402

24.06.2008 14:23
#13 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten

Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Die Amerikaner sagen doch noch seltener "Hello" als wir "Hallo".
Aber die Geschichte passt auf das englische "See you".

derDivisor47



Beiträge: 2.087

24.06.2008 14:31
#14 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten

Ich finde es schön, dass es doch mehr Leute gibt, die die Selbstsynchronisation als angenehm empfinden.

Bisher fühlte ich mcih da allein auf weiter Flur.

berti


Beiträge: 17.884

24.06.2008 14:55
#15 RE: Ich weiß ja nicht... Zitat · antworten

Zitat von Wotan
Ich hab auch mal irgendwo gelesen, daß es früher (60er/70er Jahre) in Deutschland völlig unüblich war jemanden mit "Hallo" zu begrüßen.
Das Wort gab es zwar, aber erst durch die permanente Synchronisation des im Englischen zur Begrüßung üblichen "Hello" sei auch "Hallo" im Deutschen als Begrüßungsfloskel übernommen worden und ist heute ganz normal.
Ob's stimmt weiß ich nicht.


Es könnte auch sein, dass z. B. "Mein Name ist..." so ins Deutsche gelangt ist, aber ab wann die Formulierung hierzulande üblich wurde, weiß ich auch nicht.

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