Eine generelle häufige Kritik an Synchronisationen betrifft das "Synchronesisch", das oft verbrochen werde: unnatürliches Deutsch, das der Lippensynchronität geschuldet ist und/oder auf Unkenntnis von Alltagssprache basiert. Umso erstaunlicher, wie selten eigentlich derlei sprachliche Fehlgriffe hier thematisiert werden.
Aus aktuellem Anlass möchte ich daher einmal eine Sammlung starten von wiederkehrenden Übersetzungsphrasen, die uns auf den Zeiger gehen.
"Das macht (keinen) Sinn" Nicht etwa, weil es unlogisch wäre, da man Sinn ja nicht herstellen könne. Nein, Sprache war noch nie 100%-ig logisch, sondern meistens praktisch. Die Verwendungsmöglichkeiten von "machen" sind schon recht vielfältig im Deutschen und theoretisch könnte es auch die Phrase "Sinn machen" geben - tut es aber nicht. Die Formulierung ist schlicht phraseologisch falsch. "Das hat keinen Sinn" oder "Das ergibt Sinn" bietet das Deutsche an, wenn schon.
"Das ergibt (keinen) Sinn" Wie jetzt, werden sich die Leute fragen, aber das ist doch richtiges Deutsch und wurde gerade eben noch als bessere Alternative vorgeschlagen? Das schon, aber oft genug ist es eine falsch angwandte Phrase, die in den jeweiligen Situationen einfach nur hochtrabend und daneben klingt. Hier wurde einfach die eine ignorante Dummheit gegen die andere ausgetauscht: Irgendwie hat man akzeptieren müssen, dass "Sinn machen", obwohl es doch so 1:1 dem Englischen entspricht, unschön ist, aber komplett ohne Einsicht oder Bestreben, tatsächlich den Kopf einzuschalten und gute Texte zu schreiben. Stattdessen wird wieder nur kopflos die eine Einheitsphrase (PS: <- DAS IST der eigentliche Punkt dieses Postings!) gegen die andere ausgetauscht.
Gerade bei einem knappen "Makes sense!" passt oft viel besser sowas wie "Das leuchtet ein!", "Das passt zusammen/gut!".
"Entspann dich!" Niemand, aber auch wirklich niemand, der nicht gerade wie ein pseudocooler Vollidiot wirken will, sagt "Entspann dich!", wenn es nicht gerade um tatsächliche körperliche Entlastung geht, v.a. nicht mit die englische Betonung mit einem langgezogenen "Relaaax" nachäffend.. Dem englischen "Relax" entspricht viel eher ein "Bleib locker!", "Ruhig Blut", "Immer mit der Ruhe" etc.
"Schon vergessen?" Meine Mutter hatte mich irgendwann mal darauf aufmerksam gemacht, wie inflationär häufig diese Formulierung in STAR TREK: VOYAGER auftauchte. Es ist aber auch gemein, weil das eigentlich für das nachgesetzte "Remember?" ein guter Einfall ist - wenn es nur eben nicht zur Standardphrase wird, wofür man aber teilweise auch schon den Originalautoren einen Vorwurf machen muss.
Statt mir Alternativübersetzungen aus den Fingern zu saugen, hier ein ausgefallenerer Vorschlag: Abschwächen oder nach Möglichkeit auch einfach mal ganz weglassen. Zur Not, wenn sich sonst eine unnatürliche Phrase ergäbe, frei übersetzen. "Du warst doch dabei!" oder dergleichen, nur bitte herrgottnochmal nicht einfach jedesmal stupide das Gleiche.
Überhaupt sind solche wiederkehrende Phrasen oder Formulierungen im Deutschen seltener als im Englischen und man tut gut daran, je nach Situation eigen zu übersetzen, wenn auf dieser Einförmigkeit und Parallelstruktur nicht gerade ein Wortwitz des Originals beruhen sollte.
Zu diesem längst überfälligem Thread fallen mir ad hoc drei Beispiele ein:
Ich mein... In der US-Umgangsprache taucht die Phrase "I mean..." sehr häufig auf, aber das ist noch lange kein Grund jedes "I mean" mit ich "Ich mein(e)" zu übersetzen - Das kann man mal machen, aber nicht immer - Da ist man mit dem Weglassen der Floskel besser beraten oder einer freien Übersetzung. Inflationär aufgefallen ist mir dieses "Ich mein" übrigens in Matthias von Stegmans FAMILY-GUY-Synchro. Und gerade hier findet man noch einige synchronesische Unarten, wie dieses "Gestotter", was dann teilweise Silbe für Silbe übertragen wird.
Ich denke.. Ähnlich wie die dem ersten Beispiel muss man nicht jedes "I think/you think" mit "ich denke/denkst du" übertragen Da fällt mir wieder FAMILY GUY ein -> Brian:"Denkst du, du hast die Haut dafür?". Daraus hätte man auch ein "Meinst du", "Glaubst du" oder "Findest du" machen können. Alternativ gilt auch hier: Weglassen wenn möglich.
Hey... In den USA ist es ganz normal sich mit "Hey" zu begrüßen, im Deutschen hört es sich meines Erachtens einfach nur aufgesetzt cool und plump an. Leider beginnt dieses "Hey" sich bereits in der deutschen Umgangssprache auszubreiten, insbesondere unter Jugendlichen (siehe auch das allseits beliebte "Okääiii"). Aus dem "Hey" kann man auch problemlos ein "Hi" machen (das schon längst Teil unserer Alltagssprache geworden ist), oder sich etwas anderes einfallen lassen (gerade wenn das "Hey" aus dem Off kommt).
Wie gesagt, längst überfälliger Thread. Hier wird in Zukunft noch so einiges zusammenkommen.
Zitat Überhaupt sind solche wiederkehrende Phrasen oder Formulierungen im Deutschen seltener als im Englischen und man tut gut daran, je nach Situation eigen zu übersetzen, wenn auf dieser Einförmigkeit und Parallelstruktur nicht gerade ein Wortwitz des Originals beruhen sollte.
Bitte einrahmen und an die Wand hängen. Damit kann im Prinzip meinen ganzen vorherigen Beitrag zusammenfassen.
Ähnliches gilt übrigens für die Nennung des Namens einer angesprochenen Person am Ende eines Satzes (á la "Er ist tot, Jim" -Wobei dieses Beispiel Kult ist und deswegen nicht anders übersetzt werden darf ). Das muss auch nicht jedes Mal mit übertragen werden - Wurde, wenn ich mich recht entsinne, auch im "Handbuch Synchronisation" thematisiert.
FAMILY GUY ist so ein Fall, wo so ein "Gestottere" in bestimmten Zügen meiner Meinung nach Stilmittel ist. Aber jetzt, da du es sagst, mir ist dieses "Ich meine" auch schon aufgefallen. Verwandt damit ist "Ich schätze" ("I guess").
Aber eigentlich ist mir dabei noch was anderes eingefallen:
"Warum ... nicht?" Warum gehst du nicht hinaus und spielst? ... sagt man so nicht. Das klingt auf Deutsch nur aufgeblasen. Diese rhetorischen, als höflicher Vorschlag gemeinten Fragen mit "Why not...?" übertragen sich besser mit einer tatsächlichen Aufforderung. "Geh doch mal raus spielen".
Allgemein gesagt: Im Englischen neigt man viel zu Verbalphrasen, wenn man eigentlich nur eine Färbung hineingeben will. Das Deutsche hat hier die besondere Stärke der sogenannten Abtönungspartikel: Wörter wie "halt", "ja", "doch", die einem im Englischen manchmal zu fehlen scheinen, und dabei umgekehrt leider auch häufig in deutschen Übersetzungen fehlen. Dabei wären sie in diesen und ähnlichen Fällen oft das Mittel erster Wahl!
(Wenn sie nicht gerade so inflationär eingesetzt werden wie bei Janina Richter, um Lippenbewegungen zu füllen. )
Sie erfordern nur dummerweise etwas Sprachgefühl ...
Zitat FAMILY GUY ist so ein Fall, wo so ein "Gestottere" in bestimmten Zügen meiner Meinung nach Stilmittel ist.
Da hast du recht, nerven tuts mich trotzdem manchmal (womit gerne mein Sinn für Humor in Frage gestellt werden darf ). Da kaum englische Folgen kenne - Gabs das schon in den frühen Folgen, die unter Combrinck synchronisiert wurden? Wenn ja, hat er es konsequent ausgemerzt, das ist mir jedenfalls erst ab Stegmann aufgefallen (den eigentlich für sehr kompetent halte, gerade wenn es um die Übersetzung der Witze (fast hätte ich "Gags" geschrieben) geht, aber bei ihm kommen synchronesische Ausfälle häufiger vor, als bei seinem Vorgänger).
Und die "Why don't you"-Sätze gehören auf jeden Fall hier rein. Viele Dialogbuchautoren scheinen eine Phobie vor Abtönungspartikeln zu haben, die kann man in den meisten Dialogbüchern mit der Lupe suchen. Schade, dabei tragen die immens zur Natürlichkeit und Authentizität bei (wird jeder merken, der mal selbst versucht hat, einen Dialog zu texten.)
Zitat von VanToby im Beitrag #1Überhaupt sind solche wiederkehrende Phrasen oder Formulierungen im Deutschen seltener als im Deutschen und man tut gut daran, je nach Situation eigen zu übersetzen, wenn auf dieser Einförmigkeit und Parallelstruktur nicht gerade ein Wortwitz des Originals beruhen sollte.
Sie sind "im Deutschen seltener als im Deutschen"? Scherz beiseite: Ein anderes Beispiel (das ich früher schonmal erwähnt hatte) wäre die zwanghafte Übersetzung von "to fire" mit "feuern". Mal kann man es so übersetzen, sollte aber dabei nicht vergessen, dass es genügend andere Formulierungen wie "rausschmeißen", "rauswerfen" etc. gibt. In dieser Hinsicht ist es (ich weiß, auch das ist eine Wiederholung!) lohnenswert, bei Synchros aus früheren Jahrzehnten darauf zu achten, welche Formulierungen jenseits von Synchronesisch damals gewählt wurden.
Zitat von VanToby im Beitrag #4"Warum ... nicht?" Warum gehst du nicht hinaus und spielst? ... sagt man so nicht. Das klingt auf Deutsch nur aufgeblasen. Diese rhetorischen, als Vorschlag gemeinten Fragen mit "Why not...?" übertragen sich besser mit einer tatsächlichen Aufforderung. "Geh doch mal raus spielen".
Eine Ausnahme wäre natürlich, wenn der Angesprochene so reagiert, als wäre ihm eine Frage gestellt worden und diese z. B. mit einer Gegenfrage kontert ("Und warum machst du das nicht selber?").
Zitat von Wilkins im Beitrag #2Ich denke.. Ähnlich wie die dem ersten Beispiel muss man nicht jedes "I think/you think" mit "ich denke/denkst du" übertragen Da fällt mir wieder FAMILY GUY ein -> Brian:"Denkst du, du hast die Haut dafür?". Daraus hätte man auch ein "Meinst du", "Glaubst du" oder "Findest du" machen können. Alternativ gilt auch hier: Weglassen wenn möglich.
Täusche ich mich, oder war die Formulierung "Ich denke" noch vor wenigen Jahren in Synchros deutlich seltener zu hören, so wie sie früher im Sprachgebrauch auch deutlich seltener verwendet wurde? Ähnlich dürfte es mit der Übersetzung von "I guess" mit "Ich schätze" aussehen, die in den meisten Fällen problemlos durch ein eingeschobenes Füllwort wie "wohl" ersetzt werden könnte.
Auch "No Problem!" kann man natürlich mit "Kein Problem!" übersetzen, muss es aber nicht zwangsläufig. Angesichts der Penetranz dieser einen Formulierung scheint es manchmal so, als seien alternative Formulierungen wie "Macht nichts!" etc. völlig in Vergessenheit geraten.
"Ganz recht!" Auf "That's right" mag das lippensynchron gut passen, aber aus dem Mund eines normal sprechenden Menschen habe ich diesen Unsinn ehrlich gesagt noch nie gehört.
Zitat Täusche ich mich, oder war die Formulierung "Ich denke" noch vor wenigen Jahren in Synchros deutlich seltener zu hören, so wie sie früher im Sprachgebrauch auch deutlich seltener verwendet wurde?
Durchaus nicht, das deckt sich nämlich mit meinem Eindruck. Wobei mir das "Ich mein(e)" noch auffälliger erscheint.
Eine seit einiger Zeit ähnlich auftretende Floskel ist "ihr Jungs", was einfach nur die wortwörtliche Übersetzung von "you guys" ist, eine gänige Anrede im Englischen. "You guys" muss im Prinzip NIE übersetzt werden, da durch das Pronomen "ihr" klar wird, dass mehrere Personen angesprochen werden (was beim englischen "you" nicht der Fall ist). Wenn man "you guys" trotzdem ums Verrecken mit übernehmen will, kann man auch einfach ein "Leute" oder "Jungs" an das Ende des Satzes hängen. Oder man zieht die von der Situation abhängige Anzahl der Personen mit ein und macht ein "ihr beide(n)/ihr drei/ihr vier..." daraus.
Zitat von VanToby im Beitrag #13Bezüglich Gegenfragen: Nö. "Geh doch einfach selber!"
Ich hatte dabei eher einen Dialog aus der "guten alten Zeit" in Erinnerung: In "Die Kanonen von Navarone" meint David Niven gereizt: "Schemißen Sie ihn doch einfach die Klippe runter!", worauf Gregory Peck kontert: "Und warum halten Sie nicht einfach die Klappe?", was in diesem Fall merkwürdig wirkt, wenn man nicht bedenkt, dass Niven im Original natürlich "Why don´t you..." gesagt hatte. Natürlich wäre "Halten Sie doch einfach (mal) die Klappe!" als Reaktion auch möglich gewesen.
Also, ich sag ganz oft "entspann dich". Und ich hör das ziemlich oft. All die genannten Beispiele gehören doch seit langer Zeit schon zur Umgangssprache. Statt sich darüber aufzuregen, kann man sich z.B. draußen in die Sonne legen. Ich mein, es gibt doch wichtigeres, also entspannt euch und don't eat the fucking candy und make my day.