2x09
Jimmy (Nikolai Witschl): Matthias Ransberger
Railings (Kelly McCabe): Tobias Kern
Henry Collins: Martin Halm
Bill: Uwe Thomsen
Kempeitai-Polizist an Schranke (Carlo Yu): Martin Bonvicini
Stimme TV-Sprecher "Das amerikanische Reich": Mike Carl
Stimme Telefonistin: Stephanie Marin (?)
Stimme Nachrichtensprecher: Fabian von Klitzing
2x10
Gary Connell: ---
Feldmarschall: Gerd Meyer
Amy Smith: kein Text, glaube ich
SS-Sicherheitsbeamter (Adam Klassen): Tobias Kern
Gruppenführer Keller: Jakob Riedl
Stimme Nachrichtensprecher: Martin Bonvicini
Nun zur Serie selber. In Kurzfassung: Ich fand die zweite Staffel deutlich besser.
Bei Staffel 1 hatte ich noch die Befürchtung, die Serie sei mehr ein Vehikel, um, wie du es so schön formuliert hattest, den Voyeurismus der Zuschauer anzusprechen. Eine insgeheime Faszination für diese "exotische" Nazi-Welt. Die meisten Staffel-Eins-Folgen fand ich deutlich langatmiger als die der zweiten, ohne dass ich für die langsame Erzählweise einen literarisch-ästhetischen Mehrwert hätte ausmachen können. Freundlich gedeutet könnte man vermuten, man hätte dem (amerikanischen) Zuschauer die Zeit gegeben, sich auf diese fremdartige Welt einzulassen. Doch es beschlich mich eher das Gefühl, dass man ihm die Zeit gab, um diese böse Welt einfach zu
genießen ...
Was mich auch störte, war diese Andeutung, dass zwar Amerikaner schon vom Bösen verführbar sind (siehe John Smith), dass aber alles Böse grundsätzlich von außen kommt, sei es nun von Nazi-Deutschland oder dem Japanischen Kaiserreich. Vermutlich brauchen Amerikaner das, um sich identifizieren und angesprochen werden zu können, aber diese latente Vorstellung, dass wenn überhaupt es nur die Amerikaner sind, die gut sein könnten, finde ich doch recht scheinheilig. [1]
Staffel 2 fand ich da deutlich angenehmer, weil differenzierter. Ich kann dein grundsätzliches Unbehagen darüber verstehen, wenn Figuren offenbar nur um der Erzählung willen plötzlich anders dargestellt werden oder überhaupt ohne jede Kontinuität aus sonstigen zweifelhaften Gründen dem Erzählfortgang untergeordnet sind. [2] Überhaupt fühle ich mich irgendwie beleidigt, wenn eine Serie intelligent sein will, aber gerade das Gegenteil ist. Entweder echauffiere ich mich dann innerlich über die verblendete Überheblichkeit der Macher, dass sie ihre Unzulänglichkeit in ihrer Verblendung nicht erkennen [3], oder dass es ihnen am Ende schlicht sogar egal zu sein scheint [4].
Da ist es mir dann schon lieber, wenn die Serie klar kommuniziert, dass sie auf philosophischen Tiefgang pfeift [5].
Auch nervt es mich, wenn viel Zeit, also folgenübergreifende Handlungsbögen auf Veränderungen aufgewandt wird, aber nach einem kurzen Deus Ex Machina bald wieder alles beim Alten ist. [6] Auch da fühle ich mich als Zuschauer nicht ernstgenommen und muss mir Rückschlüsse auf die Macher erlauben. Ganz besonders gilt das nun, wenn, wie du oben schreibst, auf einmal mit irgendwelchen Ausreden die abscheulichsten Dinge gerechtfertigt oder harmlos geredet werden.
Doch sehe ich die Sache in diesem speziellen Fall etwas anders.
Sehen wir uns zunächst Joe an, den ich in S1 fast für die einzig gut geschriebene Rolle hielt: Er scheint aus Zuneigung zu Juliana in seinen Überzeugungen verunsichert, aber letztlich bleibt unklar, was in ihm genau alles vorgeht, und sein Handeln ambivalent.
Bevor wir uns in S2 den von dir angesprochenen Japanern zuwenden, betrachten wir zunächst John Smith: Er ist in S1 der Nazi-Ideologie völlig hörig, geht skrupellos über Leichen, schreckt insbesondere auch vor eigenhändigem Mord nicht zurück. Als sich diese Ideologie gegen seinen geliebten Sohn zu wenden droht, beginnt ihn ihm etwas vorzugehen. Es ist nichts als echte menschliche Empfindung, die ihn zu einem kleinen Umdenken bewegt. Gleichwohl legt er seine Ideologie nicht ab, sondern dehnt sie nur aus. Sein Vaterinstinkt setzt sich durch, wiederum in Form von Gewalt. Helen und er trösten Thomas, dass sein Leben (gegen Nazi-Ideologie) auch unabhängig von seiner Gesundheit einen Wert an sich habe, bekräftigen in der Gesellschaft aber mehr oder weniger Gegenteiliges. Auch seine Motivationen in der Nazi-Hierarchie bleiben ambivalent. Er ist zu menschlichem Empfinden fähig, tut richtige Dinge aber nicht unbedingt uneingeschränkt aus richtigen, gar vernünftigen Gründen. Er hat etwas Gutes in sich, aber das ändert nichts daran, dass er sehr böse Dinge tut.
Tagomis Wandel ist ebenfalls nicht ernsthaft in Vernunft begründet, sondern aus einem empfundenen Defizit an Glückseligkeit heraus. Er weiß einerseits, dass er eigentlich nicht so viel zu melden hat. Aber sonderlich zu bedauern scheint er es auch nicht, dass er nicht immer genau weiß, was in seinem Gebiet vor sich geht. Er gibt sich immer sehr grüblerisch, aber eigentlich ist jedes Wissen für ihn eine Last. Wie entspannend ist es da doch, sich in eine sonderbare Parallelwelt flüchten zu können, in welcher er eine Familie hat und Dinge gerade biegen kann, die verglichen mit einem japanisch besetzten Amerika weitaus kleiner sind, aber für ihn gerade dadurch bedeutender. Ob er das Wissen darum, wie es besser sein könnte, nutzt, um endlich aktiver zu werden, bleibt zweifelhaft. Seine Motivation scheint nicht das große Ganze, sondern das kleine private Glück.
Auch Kido bekommt in dieser Staffel seine Defizite vor Augen geführt: Er fühlt sich in Gesellschaft sichtlich unwohl und hat keinen Vergnügen am Spaß. Insgeheim würde er vielleicht schon gern Freude haben können, wie in den Szenen mit der Freudendame Gina klar wird, aber seine falsch verstandene Tugend erlaubt das nicht. Auf gewisse Weise ist er eine tragische Figur. Das ändert nichts daran, auch zutiefst grausame Handlungen zu begehen oder zu veranlassen. Doch am Ende der Staffel zeigt sich, dass auch im Politischen seine Tugenden unzureichend sind und er nach seinen eigenen Maßstab ein unwürdiger Versager ist. Ob ihm das den Glauben an die Ideologie nimmt und er seinen Lebensgang als Irrtum erkennt, ist eher zweifelhaft und wird erst Staffel 3 zeigen, seine grausames Inneres nimmt es ihm sicherlich nicht und macht auch nichts ungeschehen.
Am Widerstand wird deutlich gemacht, dass nicht jeder, der gegen ein Unrechtsregime ist, auch automatisch ein Guter ist. Ich glaube, wenn wir über die Haltung "Wir müssen schlimmer als die sein" empört sind, dann ist genau das beabsichtigt. Auch Julianas aufgebrachte Spiegelung zeigt dies deutlich.
Es war - aus heutiger Sicht kurioserweise - ein Anhänger der Piratenpartei, der zu mir mal wörtlich meinte: "Wenn man eine sehr gute Ansicht hat, ist es auch völlig in Ordnung, sie mit allen Mitteln durchzusetzen." Aber egal welche politische Ansicht man vertritt: Der Zweck heiligt niemals die Mittel und ein Denken in Extremen kann niemals richtig sein. Dass die Realität zumeist anders aussieht, steht auf einem anderen Blatt. Der Widerstand hat einige richtige Beweggründe, aber greift letztlich ebenfalls zu bösen Mitteln. [7]
Insgesamt betrachtet werden Tugenden, Intelligenz und Glück als Selbstzwecke letztlich abgelehnt – ganz im Sinne Kants. Die Serie zeigt aber auch klar und deutlich, dass sich Umwälzungen zum Besseren niemals ereigneten, weil sich die größere Vernunft durchgesetzt hätte. Das ist traurigerweise eine romantische Verklärung, die man aufgeben muss, schon auch, um in einer gesunden Demut zu verbleiben. Umwälzungen brauchen Motivation, und Umwälzungen geschehen aus falschen Gründen und mit falschen Mitteln. Das soll nichts rechtfertigen und romantisieren. Aber es sollte nachdenklich machen, dass die Welt nicht Schwarz und Weiß ist, jedoch oft genug das eigene Urteilen, wenn es mit zweierlei Maß vor sich geht. Wenn es dann doch noch wenige echt aufrichtige, achtsame Menschen gibt, von denen zu bemerken, welchen Unterschied sie ausmachen, es schon einen Mann im Hohen Schloss benötigte, ist die Hoffnung nicht ganz verloren.
[1] So erging es mir auch schon bei dem oftmals kaum erträglichen THE NEWSROOM in der berühmten Anfangstirade beim Satz: "Amerika ist nicht das großartigste Land, aber das könnte es sein." Der Satz war natürlich als Ansporn gemeint, offenbart aber noch mehr eine fragwürdige Selbstgefälligkeit.
[2] Ganz grauenvoll fand ich da REVOLUTION, nicht viel besser ist THE 100, und ich habe seit jeher das Gefühl, dass es bei THE WALKING DEAD eigentlich nicht anders ist. Ich habe allerdings zugegebenermaßen noch keine einzige Folge gesehen, da mich das gesamte Setting schon abschreckt und jede einzelne Sache, die an der Serie angeblich als interessant gilt
[3] Ging mir z.B. so nach drei Folgen CRIMINAL MINDS – keine Ahnung, ob das je besser wurde.
[4] THE MENTALIST lässt grüßen.
[5] Wie z.B. derzeit das erheiternd frische LIMITLESS. Abgesehen von der Kleinigkeit, dass es sich als Serien-Ableger zum wirklich tiefgründigen Film OHNE LIMIT gibt, dessen kluge Botschaft hier geradezu negiert wird.
[6] THE GUARDIAN ist für mich so eine Art Paradebeispiel, und selbst das sonst überragende GOOD WIFE war vor dieser Status-Quo-Falle nicht immer gefeit.
[7] Diese schwierige Ambivalenz zeigt sich zum Beispiel daran, dass das missglückte Stauffenberg-Attentat auf Hitler als mutige Heldentat gefeiert, der Putsch gegen Erdogan jedoch allgemein verurteilt wird. Ohne darauf einzugehen, inwieweit die Personen jetzt charakterliche Ähnlichkeit haben, handelt(e) es sich in beiden Fällen, das ist ja gerade das Erschreckende, um zumindest formal-legal gewählte Anführer, wie genauso auch Donald Trump. Das soll einen nicht daran hindern, die Personen aus moralischen Gründen abzulehnen, zeigt aber klar die Notwendigkeit einer philosophisch-ethisch fundierteren Argumentation auf.
So, das ist ja aber doch lang geworden. Aber es freut mich, dass du dich hier als Experte für anspruchsvolle Serienkost herauskristallisiert hast.
Gruß,
Tobias