Das "James Bond-Theme" dürfte wohl die berühmteste Filmmusik weltweit sein, die auch ganz konkret mit einer Figur oder Filmreihe in Verbindung beracht wird. Mögen Melodien wie "Moon River", "Love Story" oder "Laras Theme" aus "Dr. Schiwago" für sich genommen noch so bekannt sein, die Verbindung zu einem Film oder einer Figur ist bei weitem nicht so stark gegeben.
Der Musikwissenschaftler Kurt Pahlen meinte einmal, dass es nur zwei Filmmusik-Themen geben würde, deren Zusammengehörigkeit zu einer Figur selbst über die Fans dieser hinaus identifiziert werden könne: James Bond und Paulchen Panther. Und das kann durchaus stimmen.
Kaum ein Filmthema wurde so oft gecovert, persifliert oder zitiert und fand in der ein oder anderen Weise Eingang selbst in Werbespots oder Liedern.
Das Thema beginnt mit dem sogenannten "Vamp": daaa-daaa-daaa-daaa. Das kam als Einleitung oder Überleitung vereinzelt schon in den 1920ern vor, wurde später häufig benutzt und war aufgrund bestimmter Kompositionslehrbücher "Public Domain". Nelson Riddle benutzte es als Einleitung und zweite Stimme (Hintergrundmelodie zum Hauptthema) seiner "The Untouchables"-Musik: vor James Bond kam! Dennoch: hört man diese vier Noten heute in dieser Folge, so denkt man sofort an James Bond. Auf jeden Cent gierig, haben auch die erfolgsverwöhnten Bond-Produzenten kurzfristig versucht, etwas gegen Nachahmer zu unternehmen - sie erkannten erst langsam, dass sie einen Trend gesetzt hatten und jeder Nachahmer im Grunde ein Kompliment war. Es wurde auch jeder Agentenfilm auf die Musik hin überprüft und da stieg den Herren Broccoli und Saltzman die Wut auf (oder zumindest ihren Anwälten): waren doch tatsächlich häufig diese vier Noten zu hören. Es gab natürlich auch andere Anleihen bei der Bond-Musik. Hier hätte John Barry klagen müssen, was er aber nie tat - zum Erstaunen der Produzenten fühlte er sich ausserordentlich geschmeichelt, dass sein Musikstil etwas losgelöst hatte und man ihm nacheiferte. Das viernotige "Vamp", musste er auch mitteilen, war zudem "Public Domain". Das wusste wohl auch Bruno Nicolai, als er für "Kiss Kiss Bang Bang" die Musik schrieb. Den Titelsong gab es in mehreren Versionen, eine nannte sich "007 Style" - sie begann mit dem "Vamp". Aber ein Zeichen, wie sehr diese Noten damals bereits mit dem besten Geheimagenten der Welt in Verbindung beracht wurden.
Darüber hinaus boten die James Bond-Filme ein ungeheures Ausmaß an musikalischer Vielfalt und Qualität. Vor allem John Barry setzte die Eckpfeiler fest. Diese sind in letzter Zeit filmmusikalisch den Bond-Filmen abhanden gekommen, finden sich teilweise aber bei den Songs. Und natürlich in Agentenfilmen anderer Herkunft und Parodien. Barry selbst, das muss klar gesagt werden, leugnete stets die Existenz eines "James Bond-Sounds". Und damit hatte er recht: denn es war John Barry-Sound. Und der Stil durchzog sämtliche seiner Arbeiten, auch wenn er für die Bond-Filme natürlich auf ein unverwüstliches Thema zurückgreifen konnte (das er im übrigen nicht mochte und gerne ohne dem gearbeitet hätte, es aber akzeptierte und immer wieder um neue Versionen bereicherte). Sämtliche Bond-Komponisten abseits von Barry waren meist sehr bemüht, den typischen Bond-Sound ihrem Stil anzupassen. Das gelang mehr oder weniger erfolgreich.
Kurz und gut: diesen Thread möchte ich den Filmmusiken der James Bond-Filme widmen und nach und nach chronologisch alle Teile durchgehen. Die Bond-Parodie "Casino Royale" mit der herrlichen Musik von Burt Bacharach werde ich allerdings nicht mit in die Liste nehmen, da sie musikalisch einer ganz anderen Kategorie entspricht und in keinem Kontext zu den Bond-Scores steht. "Sag niemals nie" ist natürlich unverzichtbar.
Ich werde die Filme chronologisch durchgehen und mich natürlich auch mit der Kontroverse um die Entstehung des James Bond-Theme befassen.
Für die Kontroverse und auch die Verwendung des Themas in den unterschiedlichen Scores ist es aber unverzichtbar, die Struktur des Themas anzuführen als Leitfaden. Da habe ich gut ein Dutzend verschiedener Versionen gefunden und mich für die einfachste entschieden:
Vamp (Daa-daa-daa-daa) Riff 1 (Dang dang-dang-dang) Riff 2 (wie oben, aber mit Kontrastierung Bepop1) Vamp Bepop (Tata-Tataaa-Ta-Tata, usw) (manche bezeichnen die Schlusssequenz des Bepop auch als Bepop2: tatata ta ta taa) Bridge (Dada dadada dada, usw) Intro (Dada-tamm, Dada-tamm) Vamp Riff 1 Coda (basierend auf den ersten vier Bepop-Noten)
Müsste ich einen Bond-Titelsong auswählen, den ich auf die berühmte Insel mitnehmen dürfte, so wäre dies "Diamonds are forever". Hervorragende Struktur, exzellente Orchestration, schöne Melodie, sehr elegant, dabei durchaus lasziv, richtig sexy und 100% Bond!
Das Gegenstück: "Die Another Day" von Madonna. Das Lied, wenn man es so nennen kann, ist dermaßen grauenvoll, dass selbst eine schlimme Komposition wie "Another Way To Die" dagegen gut abschneidet.
Ab morgen wird nun gebondet - musikalisch natürlich.
Zitat von fortinbras im Beitrag #1Müsste ich einen Bond-Titelsong auswählen, den ich auf die berühmte Insel mitnehmen dürfte, so wäre dies "Diamonds are forever". Hervorragende Struktur, exzellente Orchestration, schöne Melodie, sehr elegant, dabei durchaus lasziv, richtig sexy und 100% Bond!
Von diesem Song gibt es übrigens einen tollen Remix, den ich bei dieser Gelegenheit nicht vorenthalten wollte. Remix-Version sind ja öfter mal misslungen, aber die hier ist richtig klasse:
Danke für den Link, diese Version mag ich auch sehr gerne. Shirley Bassey, die ich gern auch als "Mrs. Bond" bezeichne (Tracy Bond möge mir verzeihen!), ist wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie mit ihren Bond-Titelsong auf mein Kinder-/Teenagerleben immensen Eindruck machte, zu einer meiner Lieblingssängerinnen geworden.
Die erste LP, die ich mir in meinem Leben kaufte, war der Soundtrack zu "The Living Daylights". Ich bekam damals 200 Schilling Taschengeld. Bei Libro gab's die LPs günstiger. Eigentlich wollte ich "Goldfinger", aber die kostete 199 und ich wollte ja was anderes auch noch. Aber die 149 für "The Living Daylights" waren drin, auch wenn es sehr viel war in der Relation. Da wurde ich dann richtiger John Barry-Fan, über diesen entwickelte ich dann eine Leidenschaft für Filmsoundtracks. Natürlich hatte ich vorher schon immer gerne auf Film- und Fernsehmelodien geachtet, aber das dann war der Startschuss. Und auch wenn ich schon als Kind klassische Musik mochte und nach Möglichkeit hörte, waren es die sinfonischen Filmmusiken mit Zitaten, die mich auch so richtig in die Materie eintauchen ließen. So richtig begann das alles aber mit John Barrys Soundtrack-LP zu "The Living Daylights".
Den Titelsong fand ich damals nicht so besonders, aber "Ice Chase" hörte ich mir ohne Ende an, meine erste Version des James Bond-Themas.
In meiner ersten Soundtracksammelphase war ich so auf Bond und Barry fixiert, dass ich mir mit etwas anderem schwer tat. Ich bekam auch LPs mit Filmmusik geschenkt, so die Melodien zu den Karl May-Filmen und eine mit Western-Musik von Ennio Morricone. Die May-Filme mochte ich damals schon nicht, aber die Musik fand ich fade und eintönig. Morricone fand ich damals aber auch als nicht sehr hörenswert. Das wurde alles nach dem "ist nicht so gut wie John Barry"-System eingeordnet. Man muss sich aber auch erst entwickeln. Nach Barry kamen dann in rascher Folge Peter Thomas, Jerry Goldsmith, Bernard Herrmann, James Bernard und auch Bruno Nicolai, den ich Morricone stets vorzog (bis heute). Bis heute ist John Barry einer meiner musikalischen Dauergäste zuhause, auch wenn ich großteils "nur" seine Scores aus den 60ern und 70ern anhöre.
Auweiah, ich schreibe dem armen Forum ja ein weiteres Kapitel meiner Memoiren...
Zitat von Lammers im Beitrag #2Von diesem Song gibt es übrigens einen tollen Remix, den ich bei dieser Gelegenheit nicht vorenthalten wollte.
Furchtbar!!! Gerade die effektvolle Ruhe, welche mit den düsteren Nachtszenen des Films harmoniert, ist völlig zerstört. Ich bin in meinem negativen Urteil über Remixes leider voll und ganz bestätigt.
Musikalische Arrangements und Leitung: Noel Rogers
Arrangement (und Nachkomposition) des James Bond Themas: John Barry
Zuerst etwas zu "Dr. No", das heute oft verzerrt dargestellt wird: der Film war keine A-Produktion und auch wenn man Potential erkannte, war United Artists nicht gewillt, den Film mit großem Budget zu finanzieren. Eine Million Dollar waren nicht übel, entsprachen allerdings für einen Film dieser Art nicht dem Standard. Der Film entspricht einer britischen Besonderheit, dem sogenannten "B+ Film", den die Rank-Produktion sozusagen erfand. Ein Film zu B-Bedingungen, aber mit erhöhtem Budget für Sonderausgaben.
Ohne den Verzicht auf Stars hätte das Geld für "Dr. No" auch schwer ausgereicht. Das wirkte sich auch auf die Musik aus.
Saltzman und Broccoli, die einem gewissen (kalkulierten) Größenwahn stets verfallen waren, dachten ursprünglich daran, diesen neuen, innovativen Film musikalisch von der ersten Garde machen zu lassen. Die Wunschkandidaten waren William Walton und Malcolm Arnold. Walton war nicht nur zu teuer, er interessierte sich für solche Kleinprojekte nicht. Arnold war auch viel zu teuer und hatte mit dem Ansinnen, der Filme solle Elemente von Populärmusik enthalten, nichts im Sinn. Arnold schrieb distinguierte, mit modernen Elementen bereicherte Scores, blieb jedoch immer im traditionell orchestralen Feld. Musik spielte übrigens schon in den Köpfen der Produzenten eine große Rolle, noch ehe die erste Klappe fiel. Ein Bestreben war klar: sollte der Film eine Reihe auslösen, brauchte es ein Thema, das von Film zu Film weitergetragen werden sollte.
Man wollte etwas, das auch "Popmusik" entsprach, den Begriff gab es damals allerdings noch nicht, ich werde ihn der Einfachheit halber aber benutzen. Drehbuchautor Wolf Mankowitz stellte den Produzenten einen guten Freund vor: Monty Norman. Norman war nicht sehr bekannt, hatte aber einige Erfolge als Songschreiber und im Musicalbereich gehabt. Vor allem sein Musical um "Dr.Crippen" hatte sich Reputation erworben. Er hatte auch kleinere Erfahrungen mit Filmmusik, so etwa schrieb er (zusammen mit Arrangeur David Heneker) die bemerkenswerte Musik zum Hammer-Film "Schlag 12 in London". In diesem allerdings kam viel zeitgenössisch-viktorianische Sourcemusik vor, die live im film zu hören war. Die wohldosiert gesetzte Untermalungsmusik wurde von John Hollingsworth, dem musikalischen Leiter, dem in dieser Sache sehr unsicheren Norman genau vorgegeben im Rahmen der kompositorischen Freiheiten. Zu diesen Bedingungen klappte es ganz gut, auch war Norman hier relativ "zuhause", da es einem Musicalstil entsprach und der Score auf diese Themen aufbaute.
Heute wird Norman oft beschuldigt, eine schlechte und ganz und gar unbondige Musik geschrieben zu haben. Das ist unfair und stimmt so nicht. Wahr ist, Norman hatte wenig Gespür für die dramatischen Möglichkeiten einer Filmmusik und war in erster Linie dem Musical und dem Pop verhaftet. Primär lautete sein Auftrag aber auch, in Jamaika die dortige Musik zu studieren und dem Film einen entsprechend exotischen Klang zu geben. In erster Linie sollte das durch "Source-Musik" geschehen, also Musik, die sozusagen auch als solche im Film live zu hören ist (Radiomusik, Schallplatte, Barmusik oder Gesang). Zusätzlich bedurfte es einiger spannungsfördernder Themen zur Untermalung entsprechender Szenen. Die gab es im Film durchaus und Monty Norman äußerte sich einmal dahingehend, dass man ihm auftrug, etwas im Stile der Hammer-Filmmusiken zu komponieren. Teils nahm er das wohl zu wörtlich, denn erhebliche Teile seines Scores hören sich nach typischer Horrorfilmmusik an und das Finale erinnert an James Bernards dynamische Dramatik, wenn im Climax Van Helsing Dracula bezwingt. Trotzdem, Normans Musik ist nicht schlecht, aber es gab keine Vorgaben und eine großorchestrale Musik wurde nicht gewünscht, diese zu komponieren hätte er auch abgelehnt. Der Bond-Sound entstand erst durch die zwei Nachfolgefilme und neue Ansätze, weswegen man Normans Musik nicht damit vergleichen sollte.
Norman schrieb herrliche Songs wie "Kingston Calypso", "Jump Up" oder "Underneath the Mango Tree" - der Letztere wurde von seiner Frau Christine gesungen und wurde zu einem kleinen Evergreen. Jazz- und Twistnummern als Sourcemusik rundeten das ab. Über allem lag ein exotischer Touch, der die Locations des Filmes perfekt einfing.
Viele Passagen des Filmes blieben ohne Musik, allerdings lag dies nicht nur an Norman, sondern auch an den Anweisungen bei den Gesprächen zur Musik. Terence Young war zwischendrin mal soweit, gar keine Musik zu verwenden oder Elektronik. Sehr viel Hilfe bekam Norman also nicht, er wurde sogar ziemlich alleine gelassen und der vielbeschäftigte Arrangeur und musikalische Leiter Rogers, dem er seine Ideen vorlegte, widmete dem nur wenig Zeit. Also darf man sagen und muss dafür auch Anerkennung finden, dass Monty Norman im Rahmen der Bedingungen und mit seiner mangelnden Erfahrung keine grundsätzlich schlechte Arbeit geliefert hat.
Neben konventioneller Spannungsmusik, die wirklich nicht berauschend war, aber ihre Funktion erfüllte (und die man auch nicht veröffentlichte), gab es wenige Momente des Scores, die beeindruckten. Dazu zählt jedenfalls die etwas unkonventionelle, fast minimalistische Musik, die bei der Bootsreise auf Dr. Nos Insel zu hören ist, für mich der Höhepunkt von Normans Filmmusik. Das als Endtitel gedachte Stück "Love at Last", das im fertigen Film nur ganz kurz zu hören ist und am Ende vom Bond-Thema ersetzt wurde, passt im Prinzip perfekt in die ursprüngliche Konzeption der Musik und zeigt auch Normans ganz und gar romantischen Ansatz zum Film, zu einer exotischen Urlaubsstimmung.
Jene Passagen in der Orchestermusik, die das Bond-Thema andeuten, wurden übrigens im Nachhinein bearbeitet. Denn das wesentliche Problem an Normans Score war: es gab kein einziges Leitmotiv und das ist dramaturgisch unverzichtbar. Mehr dazu später.
Als die Filmmusik eingespielt war, erkannte man das "Desaster" und es war Feuer am Dach. Es musste etwas geschehen, das den Film musikalisch markant machte. Aber das ist der Inhalt des nächsten Beitrages und auch der Auftritt des prägendsten Mannes in dieser Angelegenheit: John Barry.
Nelson Riddle hatte auch für die kongeniale und legendäre Batman Serie gemeinsam mit Billy May die Musik gemacht. Die wirklich meiner Meinung nach zu den gelungensten Soundtracks gehört! Und überhaupt das Batman Thema der Serie kennt glaube ich auch fasst jeder und wird mit einem popkulturellen Phänomen in Verbindung gebracht!
Zitat von fortinbras im Beitrag #1 Nelson Riddle benutzte es als Einleitung und zweite Stimme (Hintergrundmelodie zum Hauptthema) seiner "The Untouchables"-Musik
Ich schulmeistere nicht sehr gerne, aber das Batman-Thema selbst ist natürlich nicht von Nelson Riddle und Billy May. Das hat Neal Hefti beigesteuert, aber die anderen haben tolle Episodenmusiken geschrieben (die ich interessanter finde als die - sorry! - unendlich dämliche Serie). Hefti schrieb ja auch die berühmte Titelmusik zu "Ein seltsames Paar", die allerdings die Latte so hoch steckt, dass der (halblustige) Film die Erwartungshaltung nur schwer erfüllen kann.
Obwohl ich die Serie nie mochte, fand ich die Musik gut und das "Batman"-Thema ist verdientermaßen ein Kult. Und es hat auch etwas gemeinsam mit dem James Bond-Theme: es ist im Grunde von einer betörenden Einfachheit und vermeidet jede komplizierte Auswüchse.
Zitat von fortinbras im Beitrag #7Ich schulmeistere nicht sehr gerne, aber das Batman-Thema selbst ist natürlich nicht von Nelson Riddle und Billy May. Das hat Neal Hefti beigesteuert.
Da stand man nun und hatte kein markantes Thema, das man zu Beginn des Filmes spielen konnte. Die Teile der "Maintitles", die aus "Kingston Calypso" und Percussionphrasen bestanden, waren fertig. Aber es benötigte ein starkes Thema, eines, das eine Reihe zusammenhalten sollte.
Wie wenig Monty Norman von dieser filmmusikalischen Möglichkeit verstand zeigt, dass er als Hauptthema für eine Filmreihe "Underneath the mango tree" vorschlug, was schlichtweg undenkbar war. Seine nächste Idee war es, das Stück "Dr. No's Fantasy" als zentrales Thema einer Filmreihe zu benutzen. Abgesehen davon, dass es einen asiatischen Anklang hatte und bestenfalls für eine "Dr. No"-Filmserie geeignet war, hatte es keinen markanten Wiedererkennungseffekt.
Harry Saltzman kam auf die Idee zurück, man könne doch von Malcolm Arnold oder William Walton zumindest ein Thema komponieren lassen.
So wie die Anzahl der Leute ständig zunahm, die für die Besetzung von Sean Connery als James Bond verantwortlich waren, mehrten sich auch jene Menschen, die John Barry zum Bond-Team brachten. Mehr als ein Dutzend Leute behaupteten das für sich, fast drei Jahrzehnte später sollte sogar Monty Norman behaupten, er habe Barry vorgeschlagen.
Vermutlich dürfte die Idee von Musikchef Noel Rogers und Peter Hunt gekommen sein, die auch wegen dem musikalischen Schnitt eng zusammenarbeiteten. Barry war ein "Popmusiker" und mit den "John Barry Seven" als Beatgruppe sehr bekannt, ausserdem hatte er etwas Filmerfahrung. Man hörte sich Nummern an wie "Beat Girl" oder die Titelmusik zu "Never let go" und Barry wurde angerufen.
Dieser erkannte natürlich die Chance, allerdings wurde Monty Norman nicht übergangen. Ihm wurde als offiziellen Komponisten aufgetragen, John Barry als Arrangeur etwas zu liefern. Norman brachte Auszüge zweier nicht verwendeter Musicalnummern. Die Noten waren einstimmig, also ohne Gegenstimme(n) oder Orchestrationsanweisungen. Eines davon war das "Dang dangdangdang" (also Riff 1), allerdings ohne die Schlußnoten (dadada dada da-da-da). Die zweite "Notenskizze" entsprach der Bepop-Sequenz, allerdings wiederum ohne die Finalnoten.
Mit diesem Material wurde John Barry ans Werk geschickt und hatte nur wenige Tage Zeit. Es wurde ihm eine exakte Laufzeit vorgegeben und einige "Sync-Points". Er sollte ein modernes, markantes Stück daraus machen.
J. B. traf also auf J. B. - eine perfekte Wahl. In späteren Jahren wirkte John Barry, der zeitlebens an bipolaren Störungen litt (was er aber erst spät erfuhr) und vor allem mit über 50 immer wieder langanhaltend krank war, häufig unsicher und zurückhaltend, mitunter fast gehemmt. Dabei war er in seinen besten Jahren der perfekte Bond: ein Womanizer mit Hang zu schnellen Autos, schönen Frauen, dem Luxus zugetan und nicht immer konform mit den Autoritäten. Nicht zu vergessen: er liebte gutes Essen, legte wert auf schicke Kleidung und war ein Weltmann. Nichts destotrotz hatte er nie soziale Berührungsängste. Also im Prinzip der perfekte Komponist für den besten Geheimagenten der Welt.
John Barry hielt, höflich ausgedrückt, wenig von Normans Noten. Mit James Bond verband er auch nicht mehr als Comicstrips, die er gelegentlich sah und "Dr. No" wurde ihm nicht einmal vorgeführt, nur inhaltlich abgerissen. Doch das genügte scheinbar, aus den Noten etwas besonderes zu machen. Er brachte Normans Noten in eine andere Tonlage, ergänzte sie, damit sie abgerundeter waren. Die Einleitung begann er eher aus Verzweiflung mit einem "Vamp" aus dem Lehrbuch. Dies habe er schon beim Musikstudium gelernt: ein klassischer "Vamp" funktioniert immer. Und in der Tat, es harmonierte mit dem Riff, den er sofort als Gitarrenthema vor sich hatte, entsprechend seiner Popmusikkompetenz. Um einen ganz speziellen Klang zu erzielen, wurde die Gitarrenseite seines Solisten Vic Flick allerdings durch eine viel stärkere einer Bassgitarre ersetzt und der Mann saß zudem abgeschottet in einem kleinen Aufnahmeraum. So entstand auch der ganz spezielle Klang, der niemals wieder genauso effektvoll reproduziert werden konnte (auch nicht mit Hilfe von Elektronik von David Arnold).
Nach dem Riff kam die Bepop-Musik. Damals war das etwas Revolutionäres, den Beat von Bepop ablösen zu lassen und dann wieder zurückzukehren. Die Bepopsequenz wurde viermal wiederholt, mit viel Echo aufgenommen und dann folgte die "Bridge" als Überleitung zur Wiederholung des Anfanges. Um den Übergang der Bridge zum Vamp effektvoller zu gestalten, schrieb Barry eine kleine Intro (Tata-tamm, Tata-tamm) - mit dieser sollten ab 1963 fast alle Bond-Filme in der Gunbarrelsequenz beginnen.
Kurz und gut: in relativ kurzer Zeit, für ganze 250 Pfund, arrangierte Barry das Thema. Mehr oder weniger komponierte er es auch, basierend auf einem Minimum an Noten. Das Resultat war beeindruckend und alle waren begeistert.
Dennoch: zu dem Zeitpunkt sah es nicht so aus, als würde John Barry zum Bond-Universum stoßen. Das folgte nach der Premiere...
Wirklich sehr informativ und interessant geschrieben! Bin schon gespannt, wie der neue SPECTRE Soundtrack sich in den Kanon (den du hier ja nach und nach aufzurollen gedenkst) einfügen wird!
Man war also durch die Bank hellauf begeistert von dem, was John Barry geliefert hatte. Vor allem die spezielle "Twang"-Technik der Riff-Passage haute praktisch alle um: das war hypermodern, innovativ und passte perfekt zur Hauptfigur.
Nachdem Barry das Thema mit seinen "Seven" plus Verstärkung bei den Bläsern aufgenommen hatte, engagierte Noel Rogers auf die Schnelle ein paar Musiker und spielte mit diesen drei Passagen neu ein, die man in Monty Normans bestehende Scoretitel einbauen konnte. Hierbei handelte es sich jeweils um die Riff-Sequenz, allerdings wurde diese ohne John Barrys Endnoten eingespielt (Rogers war sich eventuell der Ambivalenz bewußt, was das Urheberrecht anbelangte).
Der Film begann wie geplant mit der Gunbarrelsequenz, die von Elektronik begleitet wurde. Mit dem Knall von Bonds Pistole (war das noch die Barretta oder schon die Walther PPK?) ging die Bepopsequenz los. Mehr Begeisterung löste aber dann die Riffpassage mit dem "Twang" aus, so etwas hatte man im Kino noch nicht gehört.
Peter Hunt war es, der auf ein Problem aufmerksam machte: wenn alle Beteiligten so auf die Musik reagierten, wäre das beim Publikum wohl auch so. Es erwarte sich "mehr" davon, da können die in den Score verarbeiteten Passagen wenig ausrichten. Also wurde das Thema noch bei James Bond's Vorstellung gespielt (und hier kongenial von Hunt platziert!), ebenso tauschte man Normans "Love at Last" gegen das neue Thema aus bei den Endcredits.
Harry Saltzman war übrigens sehr begeistert davon, dennoch war er es, mit dem John Barry dauernd Differenzen haben sollte und der kaum einen Song oder Score zu 100% guthieß - zumindest nicht, ehe die Verkaufszahlen eintrafen und die Kritiken.
John Barry sah den Film im Kino, ganz privat und ohne besondere Erwartung. Er hatte einen Arrangeurvertrag unterschrieben für die Titelmusik und diese sollte nur zu Beginn des Filmes erklingen. Da sie aber auch von ihm mitkomponiert wurde, störte er sich ein wenig daran, dass die Titelmusik während des Filmes wiederkehrte. Er war leicht verbittert, weil ihm an sich an Co-Composercredit zugestanden hätte.
Noel Rogers hatte Barrys Anruf bereits erwartet. Am Vertrag wollte man rückwirkend nichts ändern, was viele Jahre später als bedeutsam eingestuft wurde, um Barry einen Co-Credit am Thema zu verweigern. Rogers aber machte Barry ein verlockendes Angebot: einerseits dürfe er, unentgeltlich, mit seinen "Seven" eine eigene Version des Themas aufnehmen und vermarkten, andererseits erhielt er die Option, für den nächsten Bond-Film die vollständige Musik zu schreiben.
Zu dem Augenblick war das die Verheissung des Paradieses für den jungen Komponisten, der noch keine 30 war. Er wollte unbedingt richtige Filmmusik komponieren, seine vorangegangenen Arbeiten waren eindeutig seinen Fähigkeiten als Beat-Experte geschuldet. Hier tat sich also die große Chance auf, weswegen Barry auf jegliche Ansprüche auf das James Bond-Thema verzichtete.
John Barry mochte das James Bond-Theme zeitlebens nicht wirklich. Das resultierte vielleicht auch daraus, dass er es als ein Kind sah, das man ihm weggenommen hatte oder er weggab, mögen die zusammenhangslosen Noten auch von Monty Norman gestammt haben. Er arrangierte sich aber sehr frühzeitig damit und wusste, dass es zu Bond gehörte. Er mied es, so oft er konnte, aber benutzte es immer wieder in seinen Scores. Allerdings: das originale James Bond-Theme, wie es in den Filmen von 1963, 65, 67 und 69 zu hören ist, wurde niemals von Barry in seine Musik aufgenommen. Zumeist war es Peter Hunt in Absprache mit Saltzman, der es ohne Barrys Wissen in den Film integrierte und im Regelfall ursprüngliche Musik ersetzte. Das ärgerte Barry natürlich sehr und obwohl er sich mit Hunt gut verstand und dessen musikalisches Gespür schätzte, kam es doch zu Differenzen. Von Vornherein war es ein Bestreben von John Barry, dass in jedem Film das Thema, wenn er es schon benutzen musste, in einem neuen, abwechslungsreichen Arrangement erklingen sollte - und das tat es auch.
Im Laufe der Jahre sollte es gelegentliche Querelen geben, wer denn nun der eigentliche Urheber des James Bond-Theme sei. Doch erst zu Beginn des neuen Jahrtausends sollte es zu einer großen Schlammschlacht kommen.
Vorerst war aber alles ruhig und sollte sich entwickeln. Monty Norman verdiente gut am James Bond-Theme und für Barry eröffnete sich eine neue Chance, in die richtige große Filmwelt einzusteigen und wegzukommen von Genrefilmen, für die er stets denselben Pop-Stil einbringen musste.
Das Publikum reagierte wie erwartet: das James Bond-Theme schlug ein, als Single kam es auf einen recht guten Chartplatz und hatte international Erfolg. Auch John Barrys Cover-Version verkaufte sich gut, als "Liebesgrüße in Moskau" gedreht wurde, erschienen schon erste Coverversionen anderer Orchester oder Bands.
Ein ikonografisches Filmmusikthema war also geboren und sollte auch Jahrzehnte später noch präsent sein.
Zu den aktuelleren Filmmusiken der Bond-Reihe werde ich aber vermutlich eher dürftiger schreiben. Einerseits weil die Musik soviel konventioneller iund anders geworden ist, aber auch weil die Hintergründe sich verändert haben und vieles im Dunkeln liegt. Aber da werde ich dann die Gerüchteküche wohl ausbreiten - genüßlich!!!
Im Laufe der Jahre wurde immer wieder diskutiert, wer nun den Löwenanteil der Komposition des Themas eingebracht hätte.
Gliedert man das Stück auf, wäre das nach rein mathematischem Vorgehen Monty Norman. Allerdings nur, weil Barry dessen Noten so häufig wiederholte.
Grundsätzlich ist es so, dass ein Arrangeur kaum ohne eigene Noten auskommt, das ist auch Teil seines Jobs. Wenn das Material sehr dürftig ist, erschwert das natürlich die Ausgangslage.
Normans Noten machten ungefähr 20 Sekunden aus und wirkten zusammenhangslos. Barry veränderte die Tonlage und ordnete die Notenfolgen um, baute sie in Wiederholungen auf. Das ist typische Arbeit eines Arrangeurs.
Der "Vamp" ist nichts als "Public Domain" und so etwas zu benutzen, auch um eigene Noten bereichert, fällt auch in den normalen Bereich eines Arrangeurs.
Allerdings schrieb Barry äußerst markante eigene Noten, mit denen er Normans Komposition erheblich ergänzte: da wären die letzten Noten der Riff-Sequenz, ohne die das Gitarrenthema nur halb so gut ist. Auch die Endpassage der Bepop-Sequenz ist von Barry, ebenso die "Bridge" (die er selbst übrigens kein einziges Mal in einen seiner Scores eingebaut hat). Am Markantesten aber dürfte die Intro zur Wiederholung des Themas sein. Mit dem markanten "Tata-Tamm, Tata - Tamm" fingen ja dann praktisch alle Filme an.
Musikexperten kamen natürlich zu dem Schluß, dass mehr als 80% der Noten von Norman stammten, wie gesagt hauptsächlich durch Wiederholungen. Dennoch kann man in diesem Falle nicht von einer regulären Arrangeurarbeit sprechen, da von Norman ja ausser den Grundnoten mit jeweils einer Stimme nichts geliefert wurde. Keine Idee, keine Anweisung - nichts. Barry hätte also durchaus der Credit eines Mitkomponisten zugestanden und wie man später hören konnte, war man sich bei der Musikabteilung der United Artists darüber im Klaren.
Für Norman bedeutete das James Bond-Theme eine bequeme Einnahmequelle. Er verdiente an Tantiemen für jeden Verkauf eines jeden Bond-Albums (ausser "Moonraker", da war das Thema auf der LP/DC nie zu hören), verdiente generell an jedem Film, Fernsehausstrahlungen und Coverversionen. Norman war als eigenständiger Komponist nicht sehr wohlhabend geworden, später hatte er überhaupt kaum noch Einnahmen. Die "Royalities" für das James Bond-Theme machten für ihn den Unterschied aus zwischen bescheidenem Leben und gesichertem Wohlstand. Nach Abzug aller Steuern dürfte Norman an Tantiemen eine runde Million Pfund verdient haben. Durch den vergrößerten Weltmarkt und Neuauflagen der Soundtracks verdoppelten sich ab den 90er-Jahren die regulären Jahreseinnahmen für ihn.
John Barry ließ bereits 1974 Normans Originalnoten und sein Arrangement abdrucken, was allerdings nicht auf viel Echo stieß. Barry selbst nannte sich oft den Komponisten des Themas, worüber Norman sich nie beklagte. Ende der 70er machte Barry auch klar, dass es ihm nicht ums Geld ging, er möchte nur eine Anerkennung für das Thema als Komponist haben, zumindest in einem geteilten Credit.
Richtig los ging das Theater aber erst 2001, als eine britische Zeitung Barry als Komponisten nannte und Norman als inkompetent darstellte. Seine Klage auf Schadenersatz führte zu einem Prozess, in dem es um die Urheberrechte ging. Barrys Anwälte hatten einen folgenschweren Fehler gemacht, als sie Norman mitteilten, dass Barry das verdiente Geld einfordern würde - Barry wusste davon nichts, weswegen er sich unwissentlich in Widersprüche verwickelte.
Es ging im Prozess hin und her, Normans Sachverständige billigten Barry 10-15 % des Themas komponiert zu haben. Barrys Sachverständige sahen das anders.
Norman hatte hier einiges zu verlieren: zu dem Zeitpunkt lebte er von den Bond-Tantiemen und selbst wenn Barry keine Nachzahlung haben wollte, würden sich künftig die Einnahmen halbieren.
Norman, ein durchaus sympathisch auftretender Mann, punktete deutlich besser vor Gericht. Barry war zwischenzeitlich erkrankt und sehr unsicher vor Gericht, auch hatten seine Anwälte kaum etwas mit ihm abgesprochen, weswegen er sich in Widersprüche verwickelte. Zeugen wie Peter Hunt hatten sich in ihren eigenen Legendenbildungen schon so verheddert, dass sie keine konrete Aussagen machten und aus Gründen von Krankheit und Alter dem Prozess fernblieben. Auch der Arrangeurvertrag wurde gegen Barrys Kompositionsanspruch eingebracht.
Norman wurde als Komponist des Themas anerkannt und bekam 30.000 Pfund Schadenersatz zugesprochen (von der Zeitung, nicht von Barry).
John Barry hätte durchaus den Prozess neu aufrollen können, aber er war zu müde und zu krank zum Kämpfen.
Von Eon gab es nie eine andere, als die offizielle friedliche Linie. So wurde bei Dokus dieser Prozess und seine Kontroverse stets ausgeklammert.
In Fachkreisen gilt John Barry als Urheber des Themas, auch wenn man es offiziell immer Monty Norman zuschreiben wird.
James Bond will return in "From Russia with Love"...
Nach dem sensationellen Erfolg von "Dr. No" war für den nächsten Film gleich ein viel größeres Budget da. Da durfte man auch mehr in die Musik investieren, weshalb Harry Saltzman eine Idee hatte: man könnte doch jetzt William Walton engagieren.
Dies konnte man ihm ausreden. Also dachte er, es brauche einen populären Komponisten mit Hitpotential und Erfahrung. Also ging er zu John Ba...NEIN! Falsch: er ging zu Lionel Bart, der mit "Oliver!" erfolgreich war. Bart war ein musikalisches Genie, allerdings konnte er Noten weder lesen, noch schreiben und pfiff oder summte seine Melodien stets, die dann jemand zu Papier brachte. Bart fühlte sich geschmeichelt, teilte aber mit, dass er von Filmmusik nichts verstünde und diese nicht schreiben würde. Der Song blieb ihm.
Noel Rogers, Peter Hunt und Albert R. Broccoli konnten Saltzman überzeugen, dass der Film perfekt für Barry wäre und sie ihm diesen sozusagen schuldeten. Zum Verständnis: als gleichwertige Produzenten hatten Broccoli und Saltzman wesentliche Dinge gemeinsam zu entscheiden.
John Barry war nicht allzu begeistert, dass er mit einem vorgefertigten Lied arbeiten musste. Er hatte bereits ein Konzept für einen Song, allerdings benutzte er daraus auch im Score keine Elemente und es ist nicht bekannt, ob er diese musikalische Skizze jemals benutzte. Lionel Bart suchte sofort Kontakt mit Barry, als er von dessen Kompositionsauftrag hörte. Bart hatte den Song getextet und Noel Rogers die Melodie als einfache Stimme ohne Gegenstimme(n) zu Papier gebracht. Bart gab das in Barrys Hände und ließ ihm vollkommen freie Wahl mit dem Arrangement, er wünschte sich nur viele Streicher.
Die Zusammenarbeit lief perfekt und Barry bat den Komponisten, die Melodie in der Filmmusik verwenden zu dürfen, da dies einen musikalischen Rahmen abgeben würde. Bart fühlte sich geschmeichelt und nachdem er Barrys Arrangement hörte, bot er diesem freiwillig einen Co-Credit an. Barry verzichtete darauf, er hatte ja ein Thema bekommen und die Männer verstanden sich hervorragend. Nur eines störte Barry am Lied: es hatte vom Text her nichts mit dem Film zu tun. Barry war es auch, zusammen mit Lionel Bart, der sich für Matt Monro als Sänger stark machte. Das Lied wurde kein großer Chartstürmer, aber ein hübscher Evergreen und wurde oft von Instrumentalbands/Orchestern gecovert.
Ein Titelsong, wie heute oft behauptet wird, war "From Russia With Love" jedoch nicht. Für den Vorspann benutzte Barry eine etwas wildere und kantigere Instrumentalversion, die er mit der Bepop-Sequenz des James Bond-Themes ergänzte. Eingerahmt wurde dies von einem kurzen markanten Thema, das "Bond back in Action" genannt wurde. Ein eingängiges Motiv, das leider von Barry nie wieder benutzt wurde. Ursprünglich sollte es musikalisch den Film einläuten: die Gunbarrel-Sequenz sollte mit der Elektronik aus "Dr. No" beginnen und nach dem Knall Barrys Musik einsetzen und zum Vorspann übergehen. Man bastelte jedoch etwas herum und setzte dem Vorspann eine ab sofort obligate Sequenz voran, die stets mit der Gunbarrel begann. Die Musik dafür konnte nicht so wie geplant gemacht werden, Peter Hunt wollte die Elektronik nach dem Knall mit der Bepop-Sequenz auffüllen. Barry fand es eine gute Idee, das Thema hier zu benutzen, allerdings sollte es nicht erst nach dem Knall beginnen. Er nahm Intro/Vamp und Riff, das sollte nun Standard werden. Hunt wollte den Teil aus dem vorhandenen James Bond-Theme zurecht schneiden, Barry lehnte das aber ab. Relativ spät während der Aufnahmesessions spielte er die Nummer so ein, wie er das James Bond-Theme im Film neu arrangiert hatte.
Das markante Eröffnungsthema der Titelmusik hat David Arnold später nicht nur in seinem "Shaken and Stirred"-Album benutzt, sondern es auch in seinen Score zu "Der Morgen stirbt nie" eingebaut.
Vom James Bond-Theme machte Barry wenig Gebrauch, der Vamp kam gelegentlich vor, Riff und Bepop nur während einer Sequenz - allerdings in einer vollkommen neuen Anordnung und Orchestration. Für die Szenen im Hotel sollte offenbar das auf dem Album veröffentlichte, aber im Film nicht zu hörende Stück "The Golden Horn" zu hören sein, was allem eine Leichtigkeit und Verspieltheit gegeben hätte. Hunt schnitt jedoch hier das originale James Bond-Theme hinein, was aber durchaus funktionierte und keinesfalls verkehrt war.
Vom Song benutzte Barry fast ausschließlich die Noten zum gesungenen Titel. Insgesamt ist der Score sehr auf Spannung ausgerichtet, arbeitet auch mit russischen und orientalischen Motiven, die jedoch nie den Score dominieren oder klischeehaft verkitschen. Barry, der Bernard Herrmann sehr verehrte, bemühte sich teils um einen "Hitchcock-Sound", was ihm sehr gut gelang. Das "herrmannesque" Thema zum Kampf der Frauen oder "Stalking" zu Beginn des Filmes seien als Beispiel genannt. Marvin Hamlisch nannte das Stück "Stalking" beeindruckend in seiner geradezu ungeheuerlichen Einfachheit und zollte ihm Tribut, indem er eine ähnliche Musik in "Der Spion, der mich liebte" benutzte, wenn sich Bond und Beisser in einem Wüstentempel einen Kampf liefern. Ein weiterer Exotikbonus waren die autentisch klingenden Anleihen bei türkischer Zigeunermusik.
Mit "007" schuf Barry ein alternatives Bond-Thema, das noch in vier Filmen wiederkehren sollte. Ein marschähnliches, sehr perkussionslastiges und temporeiches Stück mit überlagerter leichter Melodie. In der Erstform erklang es aber noch relativ "barbarisch". Auch diese Melodie wurde häufig gecovert, zuallererst von Barry selbst für seine Beatband "The John Barry Seven", hier wurde die tragende Melodie von einer E-Gitarre gespielt. Dass Barrys Band gerne mit JB7 abgekürzt wurde, birgt auch eine kleine Ironie.
Die Szene mit dem Hubschrauber wurde von Barry nicht vertont, er fand Musik hier überflüssig. Peter Hunt jedoch nicht, er schnitt das Finale aus "Dr. No" hinein, was stilistisch absolut nicht passte, aber letztendlich nicht störte. Begeistert war Barry davon natürlich nicht, aber er hielt mit Kritik sehr zurück.
Barry bekam übrigens in erster Linie von Peter Hunt und Noel Rogers Unterstützung. Terence Young sei immer ein fleissiger Kritiker gewesen, durchaus auch besserwisserisch, habe aber Komponisten kaum je unterstützt.
John Barry hatte sich hier mit einem sehr guten Score aufgewärmt, der dem Film ausgesprochen gut tat und eine bedeutsame Stufe wurde in Richtung des ultimativen Bond-Klanges des nächsten Abenteuers.
Lieber fortinbras, da ich momentan wegen urlaubsbedingter tippfaulheit nur passiv am forumstreiben teilnehme, an dieser stelle ersteinmal nur ein einfältiger 08/15-kommentar: ich lese mit großem erkenntnisgewinn und noch größerem vergnügen deine essays zu den klassischen bond-soundtracks (ab diamonds are forever habe ich praktisch überhaupt keine - von den filmen losgelöste - kenntnis von den bond-alben) und zu einem meiner absoluten all time-favourists unter den filmkomponisten. John barry war schlicht ein genie!