Zitat von fortinbras im Beitrag #22Schielen wir mal kurz ins "Casino Royale"
Im Eingangsbeitrag habe ich angekündigt, diese James Bond-Parodie nicht in die Liste aufzunehmen, da sie nicht zum Canon gehört und auch musikalisch einer ganz anderen Liga angehört. Dennoch will ich den Film kurz streifen…
Wenn das so ist, kann ich an dieser Stelle auch gestehen, dass nicht GOLDFINGER mein allererster Bond-Film war, sondern dieser hier. Ich muss wohl in der zweiten oder dritten Klasse gewesen sein, als ich diesen Film mit meiner Mutter im Fernsehen sah – und total beknackt fand. Er ist wahrscheinlich der einzige Film, der mir als kleiner Bub überhaupt nicht gefiel. Ich guckte damals nahezu alle Filme im TV, die ich sehen konnte/durfte, über alle Genres, über alle Kunst-Richtungen hinweg: DIE FAUST IM NACKEN, DER BESSESSENE, FAHRRADDIEBE, LA DOLCE VITA – alle diese Filme fand ich ausnahmslos toll, ob ich sie nun angemessen verstand oder nicht. Nur CASINO ROYALE fand ich schrecklich und sehr konfus – die einzige Szene, die mir von damals haften geblieben ist, war die, wo David Niven mit seiner Film-Tochter (?)von bewaffneten Männern durch einen Gang geführt wird, sich dann plötzlich auf den Boden wirft und so die Eskorte zum Stolpern bringt. Vor ein paar Monaten habe ich den Film erneut gesehen und konnte abermals ein Gähnen nicht unterdrücken und hoffte nach den ersten Minuten, dass der Spuk endlich vorbei sein möge.
Zitat von fortinbras im Beitrag #22[In der Tradition won "Was gibt's neues, Pussy?" und "Jagt den Fuchs" schrieb Bacharach auch hier eine sehr schmissige Musik, die verrückt war und lebendig, stark trompetenlastig und immens verspielt. Im Rahmen einer Persiflage konnte er sich den komödiantischen Zugang zur Musik auch leisten…
Da finde ich PUSSY doch in einer gänzlich anderen Liga spielden. Das einzige, was ich CASINO ROYALE eigentlich zugutehalten kann, ist, dass es ohne diesen Film die beste Persiflage auf die Bond-Filme wohl nie gegeben hätte, die ersten beiden AUSTIN POWERS-Filme (samt den musikalischen Referenzen und dem Auftritt von Burt Bacharach).
Zitat von fortinbras im Beitrag #23Man lebt nur zweimal - Der Song: Harte Zeiten für J. B. (…) So wie er im Film zu hören ist, hat die Sinatra den Song niemals live dargeboten. Es ist übrigens laut Kennern eines der am Schwersten zu singenden Bond-Lieder, auch wenn es sich sehr einfach anhört.
Das Lied wurde sehr erfolgreich, ist schon lange ein immer wieder im Radio zu hörender Evergreen und ist einer von Barrys besten und lyrischsten Bond-Songs. (…) "You only live twice" war einer von Barrys Favoriten seiner Bond-Songs und er betonte häufig, dass Maurice Binders Vorspann zum Schönsten gehörte, das es diesbezüglich je gab.
Das kann ich in der Tat auch nicht fassen, dass der Song so schwer zu singen ist, ist er doch von einer enormen Geschmeidigkeit und Leichtigkeit in Sinatras Interpretation. Da hat jemand aber einen sehr guten Geschmack, TWICE ist neben DIAMONDS auch mein Favorit unter den Bond-Songs.
Aus Binders Vorspann hatte ich mir übrigens einen Screenshot gemacht, auf Postergröße ausdrucken lassen und habe damit eine Zeit lang meine Wand verziert.
Zitat von smeagol im Beitrag #26Kurze Anmerkung: "You Only Live Twice" in anderen Filmen/Serien. Der besten Einsatz des Songs (außerhalb des Films selbst) ist meiner Meinung nach in "Mad Men" gelungen - am Ende von Staffel 5. Perfekte Wahl für die Szene.
Hab die Serie über den Piloten hinaus nie wieder geguckt, konnte mich für das Konzept überhaupt nicht erwärmen, diesen Ausschnitt hatte ich aber mal auf Empfehlung hin auf youtube angeschaut und fand es auch sehr stimmungs- und wirkungsvoll eingesetzt in dieser Szene.
Zitat von fortinbras im Beitrag #28Man lebt nur zweimal - Die Filmmusik
John Barrys Score liegt zwischen dem fulminanten "Thunderball" und dem innovativen "On Her Majestys Secret Service" und wird häufig stiefmütterlich behandelt. Bei Kritikern kam diese Filmmusik nicht so gut an, auch viele Barry-Fans stufen sie als routiniert bis durchschnittlich ein. Manche wiederum, so etwa David Arnold, sind der Ansicht, der Score wäre massiv unterbewertet und würde zu Unrecht weniger gut besprochen. Wer hat also recht? Die Antwort ist einfach: alle! Der Score beeindruckt auf seine Weise sehr, er steht für sich und ist gut so, wie er ist. Manches seiner "Durchschnittlichkeit" ist erst sichtbar, wenn man sich näher damit befasst. (…) Ein Soundtrack, der zwischen Routine, Unwilligkeit und absoluter Genialität pendelt…
Aha, die zwiespältige Beurteilung dieses Soundtracks war mir ja gar nicht bewusst. Ich habe jedenfalls unter nicht-professionellen Zuschauern eine gänzlich andere Erfahrung gemacht. Da ich die klassischen Bond-Filme schon unzählige Male gesehen habe, macht es mir mittlerweile fast mehr Freude, diese Filme anderen vorzuführen, die sie teilweise noch nie zuvor gesehen haben – und die positivsten Rückmeldungen den Soundtrack betreffend bekomme ich mit großem Abstand über YOU ONLY LIVE TWICE, mit zuverlässiger Vorhersagbarkeit, wenn spätestens „Mountains and Sunsets“ ertönt. Routiniertheit bzw. Durchschnittlichkeit im Auge professioneller Kritiker hin oder her – die Musik zu diesem Film ist nicht nur sehr eingängig, sondern eben auch sehr auffällig und schön. Das gilt natürlich insbesondere für den Titelsong, wie du es sehr treffend ausdrückst:
Zitat von fortinbras im Beitrag #28Seinen lyrischen Titelsong mit der hübschen Melodie und den markanten absteigenden Streichern arbeitete er natürlich intensiv in den Score ein und das ist jedesmal bezaubernd gemacht und teils von intensiver Schönheit im Einklang mit den Bildern. Das ist allererste Klasse und kein anderer Bond hatte hier soviel warm klingende Streicher. Hier ließ Barry seiner Liebe zu Steichinstrumenten erstmals so richtig freien Lauf, später sollte sein gesamtes Soundspektrum sehr streicherdominiert werden.
Zitat von fortinbras im Beitrag #28Barry benutzte für diesen Score einige japanische Instrumente und studierte auch die Folklore, um sie einigermaßen glaubwürdig einbauen zu können. Die japanischen Instrumente benutzte er aber nicht nur für folkloristisch angehauchte Passagen, sondern machte sie zum Teil der Orchestration.
Ob ich der weiter unten gemachten Feststellung, der Soundstrack zu FROM RUSSIA WITH LOVE weise viel Lokalkolorit auf, so ohne Weiteres zustimmen kann, weiß ich zwar nicht, aber hier fällt es auch einem musikalischem Analphabeten wie mir sehr (positiv) auf, vor allem das Stück „The Wedding“ mag ich in diesem Zusammenhang sehr – immerhin das Beste an diesem doch sehr seltsamen Handlungselement.
Um eine letzte Lobhudelei auf diesen Soundtrack anzustimmen: Wahrscheinlich habe ich keinen anderen Bond-Soundtrack so oft gehört wie diesen.
Meine Verbindung von "Casino Royale" zu "Was gibt's Neues, Pussy?" stellte ich in erster Linie musikalisch her, da sie betreffend Burt Bacharach unumgänglich ist. Dass "Pussycat" der definitiv bessere Film ist, steht ausser Frage. Auch wenn ich "Casino Royale" sehr gerne mag, wenngleich mir einiges darin sehr auf den Zeiger geht und ich den Film kürzen würde.
"Man lebt nur zweimal" hat einen meiner liebsten Bond-Soundtracks. Das dürfte aber tatsächlich in erster Linie am Titelsong liegen und dessen fantastische Wirkung in allen Varianten.
"Mountains and Sunset" ist für mich ein "Magic Moment" der Filmmusik überhaupt, damit meine ich innerhalb des Scores, der Bond-Filme und des Kinos im Allgemeinen. Ich mache das auch gerne, einen Film Leuten zu zeigen, die sie nicht kennen oder die man überzeugen muss, ihn nach Jahren wieder anzusehen und Vorurteile vielleicht ausräumen. Die Reaktion auf genau diese Sequenz ist immer wieder verblüffend.
"Man lebt nur zweimal" ist und bleibt einer meiner Lieblings-Bonds, vermutlich auch, weil er mir als Kind sehr wichtig war und er mir mit 12 Jahren besser gefiel als jeder andere.
Der Vorspann ist eigentlich mein Favorit unter all jenen Kunstwerken, die Maurice Binder geschaffen hat - der hätte dafür mehrere Auszeichnungen verdient. "Diamonds are forever" ist natürlich auch großartig, vor allem wegen der Katze im Vorspann. "For Your Eyes Only" ist schrecklich...
Zurück zum Thema "Katze" und eine Frage in den Raum gestellt: ist Blofeld wirklich so böse? Kann es sein, dass man ihm nie eine wirkliche Chance gegeben hat? Jemand, der Katzen liebt und sie überall hin mitnimmt, der kann so schlecht ja nun auch wieder nicht sein, oder?
Zitat von fortinbras im Beitrag #62Meine Verbindung von "Casino Royale" zu "Was gibt's Neues, Pussy?" stellte ich in erster Linie musikalisch her, da sie betreffend Burt Bacharach unumgänglich ist. Dass "Pussycat" der definitiv bessere Film ist, steht ausser Frage. Auch wenn ich "Casino Royale" sehr gerne mag, wenngleich mir einiges darin sehr auf den Zeiger geht und ich den Film kürzen würde.
Kürzungen bieten sich bei einem Episodenfilm natürlich an. Wirklich den Vorzug würde ich im Vergleich höchstens in einer Hinsicht einem der beiden geben: Bei der Synchronbesetzung hat "Pussycat" die Nase vorn, da Schott, Sachtleben und Glemnitz mit Thomalla, Draeger und Fischer für dieselben Schauspieler nicht mithalten können.
Zitat von fortinbras im Beitrag #62Zurück zum Thema "Katze" und eine Frage in den Raum gestellt: ist Blofeld wirklich so böse? Kann es sein, dass man ihm nie eine wirkliche Chance gegeben hat? Jemand, der Katzen liebt und sie überall hin mitnimmt, der kann so schlecht ja nun auch wieder nicht sein, oder?
Demnach wäre Telly Savalas der einzig wirklich "böse" Blofeld, da er im Film nur in einer kurzen Szene (als er am Telefon sitzt und von oben gezeigt wird) mit einer solchen zu sehen ist. Und diese dient eher der Identifikation.
Da kann man diskutieren, wer denn nun der böseste Blofeld ist. An der Katze allein dürfte es nicht liegen. Vielleicht hat die Irma Bunt ein bisserl zu wenig mit ihrem Ernstchen gekuschelt und darum ist er so, wie er ist.
Insgesamt würde zu jemandem wie Blofeld ein Hund viel besser passen, aber die Katze macht ihn natürlich auch etwas geheimnisvoll und gibt ihm den Hauch eines "Schattenwesens".
Wie dem auch sei - es war ein schöner Zug von Maurice Binder, die Katze im Vorspann zu "Diaminds are forever" zu besetzen. Eine deutlich bessere Wahl als Sheena Easton Jahre später. Die Vorspänne von "Man lebt nur zweimal" bis zu "Leben und sterben lassen" sind die für mich perfektesten Arbeiten dieses großartigen Künstlers.
"I hate that song and I hate that score. It's by far the worst thing I did on Bond and maybe one of my worst scores ever." ("Ich hasse diesen Song und ich hasse diese Musik. Sie ist bei weitem das Schlechteste, das ich für Bond machte und vielleicht eine meiner schlechtesten Filmmusiken überhaupt.") -John Barry-
Aber ehe wir hier mal auf diese Filmmusik eingehen, fangen wir am besten an mit...dem Anfang!
"Leben und sterben lassen" war ein riesiger Erfolg und kam ausgesprochen gut an. Aus diesem Grund versuchte man sich schon ein Jahr später am nächsten Abenteuer. "Der Mann mit dem goldenen Colt" wurde in vielerlei Hinsicht eine sehr schwierige Produktion. Es war Harry Saltzmans letzte Arbeit als Co-Produzent, ehe er bei Eon ausstieg oder besser gesagt: mit viel Druck ausgestiegen wurde. Einigen Mitarbeitern gegenüber war er betont freundlich und charmant, mischte sich weniger ein als sonst, andere wiederum ließ er erst recht seine Wut spüren. Mit Saltzman konnten viele überhaupt nicht mehr arbeiten. Vieles dieser Stimmung zog sich in die Produktion hinein. Saltzman hätte gerne Jack Palance gehabt als Scaramanga, wurde aber glücklicherweise überstimmt. Natürlich ließ er Christopher Lee wissen, dass dieser als "Horrorman" unter der Bond-Würde wäre, was nicht unbedingt positiv für die Atmosphäre war. Saltzman hatte ja in seinem Film "Die Luftschlacht um England" die Mitwirkung Lees verweigert, weil er Horrorfilme hasste und Dracula in keinem Flugzeug sehen wollte. Neben diesen Schwierigkeiten gab es technische Probleme bei den Draharbeiten und nicht zuletzt erkrankte der Großteil des Teams und der Schauspieler an einer langwierigen Darmgrippe, was neben heiteren Scherzen natürlich auch sehr mühsam war. Insgesamt ist es verwunderlich, dass der Film überhaupt noch mit Qualität zu Ende geführt werden konnte. Roger Moore sah in diesem Film teilweise älter aus, als es in späteren Teilen der Fall war. An der Kinokasse war der Film durchaus sehr erfolgreich, blieb aber dennoch hinter den Erwartungen zurück und es sollte bis zum nächsten Streifen länger als gewöhnlich pausiert werden.
Zuviel wollte man vom Erfolg des ersten Moore-Bonds profitieren, so ließ man erneut Clifton James als Pepper auftreten, der den Film vollkommen störte. Was beim ersten Mal Spaß gemacht hatte, war hier nur noch peinlich. Das Konzept, Scaramanga als dunkles Spiegelbild Bonds zu präsentieren, klappte leider auch nur ansatzweise. Der Film wirkt heute deutlich verstaubter als andere Moore-Bonds, hat aber natürlich dennoch einen Unterhaltungswert und einige Pluspunkte.
Was man auch wiederholen wollte, war der Erfolg des rockigen Titelsongs des vorangegangenen Filmes. Paul McCartney wurde angeblich gefragt, nochmals mitzuarbeiten, lehnte dies aber ab - sicher eine vernünftige Entscheidung. Über das weitere Herangehen gibt es widersprüchliche Aussagen. Klar war, man wollte einen Rocksong für den Film. Unklar aber ist, wie nun Alice Cooper ins Spiel kam. Der war damals erfolgreich, aber dennoch eine etwas ungewöhnliche Wahl, da er bei weitem nicht das kommerzielle Potential besaß, das etwa McCartney hatte und den Produzenten wichtig war. Coopers Version besagt, man habe ihn mit dem Schreiben eines Songs beauftragt und diesen auch eingespielt, er wäre dann aber zugunsten des Songs von John Barry abgelehnt worden. Eon wiederum hält daran fest, dass man Alice Cooper in die nähere Auswahl zog, dieser aber von sich aus einen Song vorstellte, der dann abgelehnt wurde. John Barry wiederum war in diese Angelegenheit nur sehr am Rande involviert und meinte, er hätte von Vornherein den Vertrag für Song und Score gehabt, allerdings hätte man ihm bereits existente Demos vorgespielt. Es sei auch ein grauenerregender Rocksong dabei gewesen, aber Barry wollte sich nicht ganz auf Cooper festlegen. Da Barrys Titelsong auch nicht unbedingt ein Hit ist, relativierte der Komponist später das Wort "grauenvoll", räumte allerdings ein, dass sein eigenes Konzept des Titelsongs wiederum sabotiert wurde und zugunsten rockiger Klänge abgewandelt werden musste. Hier der Song von Alice Cooper, der durchaus bondige Einschübe hat und vom Stil her etwas an das grauenvolle "Another Way To Die" erinnert: https://www.youtube.com/watch?v=R500VKA9-Zo
John Barry war etwas ausgelaugt, da er 1973/74 viel gearbeitet hatte. Vor allem die langwierige Produktion des erfolgreichen Musicals "Billy" hatte ihn sehr in Beschlag genommen. Ausserdem begann zu jener Zeit sein Kampf gegen die britische Steuerpolitik, die damals sehr viele Künstler aus dem United Kingdom vertrieb. Wer sich nicht in einem Geflecht aus Stiftungen und Sub-Firmen absichern konnte, hatte immense Steuern zu bezahlen. Barry sollte seiner Heimat bald den Rücken kehren, zu jener Zeit allerdings war die Situation für ihn sehr belastend. Generell war er enttäuscht von den Filmangeboten, die er bekam und beobachtete erstaunt einen ungeheuren Abfall von Kreativität im Kino. Das alles sollte noch eine Rolle spielen, warum sich Barrys Musikstil stark veränderte während der 70er, das werde ich aber noch ausführen in einem eigenen Beitrag. John Barry sagte auf Drängen Albert R. Broccolis und Guy Hamiltons zu, dass er den Film musikalisch betreuen werde. Er wunderte sich etwas, dass man nicht George Martin nahm, dessen Score für "Leben und sterben lassen" Barry für ausgesprochen gelungen und exzellent hielt. Aus Zeitmangel hatte Barry nicht Richard Lesters "Die drei Musketiere" machen können, er musste nun die Angebote für "Die vier Musketiere" und "18 Stunden bis zur Ewigkeit" ablehnen, was er aber nicht mit viel Bedauern tat. Nur, es geschah einstweilen nichts - "Der Mann mit dem goldenen Colt" dauerte viel länger, als geplant und Barry hatte zwei Deadlines vor Augen: zum Einen musste der Film rechtzeitig zum Kinostart fertig werden und das würde heissen, er habe ausgesprochen wenig Zeit. Zum Anderen musste er wegen steuerlichen Gründen England zwischendurch verlassen, ansonsten hätte er noch mehr an den Fiskus zahlen müssen, als er es ohnehin schon tat.
Barry hatte ein paar Skizzen zur Filmmusik. Er wollte ein Hauptthema, das sowohl für Bond, als auch für sein dunkles Spiegelbild Scaramanga eingesetzt werden sollte. Dass der Film sehr wenig aus dieser Grundidee machte, enttäuschte ihn. Das Thema war sehr streicherlastig und langsam und sollte natürlich auch der Song sein. Für "The Man with the golden Gun" schwebte ihm Shirley Bassey vor und das Lied sollte in etwa so langsam und geschmeidig sein, wie es später bei "Moonraker" der Fall war. Wenn man die große, streicherlastige Version des Songs im Score hört, kann man sich in etwa vorstellen, wie sich Barry das vorstellte. Die Lyrics schrieb Don Black. Dann geschah wiederum nichts, bis die Lage akut wurde.
John Barry wurde informiert, dass er gerade einmal zweieinhalb Wochen habe um die Filmmusik zu komponieren, den Song zu machen und beides auch noch einzuspielen. Vor allem Harry Saltzman ließ ein letztes Mal seine Machtspielchen an Barry aus, dem man tröstend auf die Schulter klopfte, es wäre ja bald vorbei. Barry fiel nach diesem Film offenbar eine Zeit lang in einen Erschöpfungszustand und in eine Depression. Auch deshalb, weil man ihn für einige Defizite verantwortlich machte.
Anordnung Nummer 1: Shirley Bassey würde den Song nicht singen, die hätte kein Chartpotential. Anordnung Nummer 2: Lulu würde den Song interpretieren. Diese hatte trotz einiger Erfolge zu dem Zeitpunkt allerdings auch kaum Chartpotential, allerdings konnte Barry mit dieser Entscheidung leben und Lulu stellte sich auf den langsamen Song ein. Der musste wegen diverser Verpflichtungen relativ spät aufgenommen werden und in der Zwischenzeit kam Anordnung Nummer 3: der Titelsong solle schnell sein und möglichst rockig. Dafür eignete sich der Song nun schon gar nicht. Aber Barry stand unter Zeitdruck und musste nehmen, was da war. Don Black schrieb ein paar zusätzliche Lyrics für den neuen Refrain. Diesen gab es ursprünglich im Song nicht, er wurde erst zuletzt eingebaut und klang laut Barry "unmotiviert". Statt der sanften, geheimnisvollen Streichereinleitung ließ er den song mit jenem kurzen Thema beginne, das er im Score in Actionszenen eingebaut hatte. Alles wurde stark beschleunigt und mit rockigen E-Gitarren untermalt, mit entsprechender Percissionslinie ergänzt. Lulu war nicht begeistert, da ihr das Lied nicht mehr sonderlich gefiel. Zudem war sie erkältet. Das hätte der Originakonzeption vielleicht einen rauchigen Touch verliehen, so aber überschlug sich ihre Stimme, hörte sich kratzig an und es war auch keine Zeit, das Lied neu aufzunehmen. Der Mittelteil wurde am Ende des Filmes mit den neuen Lyrics "Goodnight, goodnight..." über die Schlußtotale gespielt, ehe der Song von neuem losging und den Abspann begleitete. John Barry fand den Song missglückt und damit stand er nicht alleine da. Erstmals in der Geschichte der James Bond-Filme wurde ein Titelsong weder in Großbritannien, noch in den USA auf Single veröffentlicht. So kam er auch nie in die Charts und bis heute wird er relativ selten im Radio gespielt. Die meisten schnellen Instrumentalfassungen wirken nicht überzeugend, da sich die Musik schnell gespielt, wie Barry selbst meinte, einfach nur "chinesisch" anhöre.
Der Score ist nun aber bei aller Durchschnittlichkeit in Anbetracht der schwierigen Umstände kein Grund zum Schämen, es ist sogar erstaunlich, dass Barry überhaupt einige großartige Sequenzen zustande gebracht hat. Das zentrale Thema war natürlich "The Man with the golden Gun", das von Barry interessanterweise als Liebesthema sowohl für Bond, als auch für Scaramanga eingesetzt wird und dadurch unbedingt die Gemeinsamkeiten der beiden reflektiert. Das Thema wird auch majestätisch eingesetzt, um etwas Geheimnisvolles zu präsentieren. Der leicht fernöstliche Klang in den Hintergrundsstimmen, der bei einigen Einsätzen des Themas zu hören ist, ist natürlich dem Handlungsort geschuldet und passt perfekt. Mit seinem großangelegten Streicherarrangement ist dieses Thema ein absoluter Höhepunkt und erreicht zwischendrin beinahe ein wenig die Größe von "Mountains and Sunset" in "Man lebt nur zweimal". Wenn Bond gegen Ende des Filmes auf Scaramangas Insel fliegt, wird das Thema in ein anregend düsteres, gleichzeitig Abenteuer verheissendes Stück eingebaut ("In Search of Scaramangas Island"). Hier werden Landschaft, Charaktere und Musik zu einer Symbiose, es ist einer der wenigen wirklichen musikalischen Höhepunkte des Scores und dauert leider nicht sehr lange.
Das James Bond-Theme benutzte Barry nur selten. Die Gunbarrel bot ein Novum: Barry entfernte die berühmte Gitarre und ließ den Riff mit Streichern und Trompeten spielen. Während der Vortitelsequenz ertönte kurz die Intro. Später sind Vamp und Riff im Stück "Chew me in Crisly Island" in neuer, stark sinfonischer Form zu hören, wenn Bond zu Scaramangas Waffenhändler durch den Markt geführt wird. Der Vamp ist noch kurz im Finale zu hören. Für die Actionszenen vermischte Barry die Riffpassage des Bond-Themas mit einer Speed-Up-Version der Hauptmelodie. Der Bepop des Bond-Themes kam erstmals in einem Bond-Film überhaupt nicht vor. Der Riff wurde auch im Score ausnahmslos von Streichern gespielt und mit Trompeten kontrastiert.
Die Musik zu den Actionsequenzen ist ok, aber nicht überragend. Nur im Falle von "Kung Fu-Fight" gelingt es Barry, das Stück zu Beginn ironisch aufzulockern. Der Mix aus Hauptthema samt Intro und dem Bond-Riff ist im Grunde eine zulässige Komposition, es fehlt allerdings der Charme vergleichbarer Barrykompositionen. Er hat in diesem Film im Unterschied zu sonst kein brauchbares alternatives Actionthema zu bieten. Der musikalische Effekt, wenn Bonds Wagen einen Looping macht über den Fluss, hört sich ziemlich lächerlich an.
Die Vortitelsequenz führt gleich zu Beginn ein geheimnisvolles Thema ein, das auch zu Scaramanga gehört. In der "Fun House"-Sequenz spielt Barry sehr gekonnt mit Horrorfilmmusik-Klischees und bereichert sie um Varianten des Hauptthemas, z. Bsp als Dixie und Saloonmusik. Das Finale des Films macht den Fehler, die Vortitelsequenz nahezu 1:1 zu wiederholen. Barry kam um das auch musikalisch nicht herum, gestaltete hier die Musik aber noch eine Spur dunkler und düsterer, um die Bedeutung der gleichwertigen Gegner zu unterstreichen. Das alternative Scaramanga-Thema war in düsterer Streicherversion zu hören.
Schnickschnack, Scaramangas kleinwüchsiger Diener, bekam ein comichaftes kurzes Thema, das gelegentlich anklingt, aber sehr klischeehaft wirkt. Ein kleiner musikalischer Gag wurde von Barry eingebaut, der nicht im Drehbuch stand: wenn Pepper James Bond erkennt, hört man kurz "Live and let die" anklingen.
Ein recht interessantes Stück ist auch "Hips Trip", das sehre gelungen den Handlungsablauf reflektiert und ein sehr hübsches pseudo-asiatisches Thema beinhaltet, das im restlichen Film leider nicht mehr zu hören ist.
Wenn Bond die Bauchtänzerin besucht, ist für die Szene zunächst eines der langweiligsten Liebesthemen zu hören, das Barry je schrieb und das nichts als unmotivierte "Tapete" ist, von Saxophonen gespielt ohne jegliche Kontrastierung mnit anderen Instrumenten. Das folgende, nur einmal zu hörende Prügelthema ist nichts anderes, als eine leicht veränderte Fassung des entsprechenden Themas aus "Diamantenfieber".
Insgesamt ist die Musik reichlich konventionell, beinhaltet aber mehrere starke Momente und mit mehr Zeit und einem anders arrangierten Song hätte womöglich ein ausgezeichneter Soundtrack entstehen können. Den Score so zu hassen, hätte Barry nicht brauchen - da spielte wohl auch seine Abneigung gegen generelle Probleme jener Zeit eine Rolle. Ausserdem ist ein durchschnittlicher Barry-Score mitunter besser, als ein guter bis sehr guter Score eines anderen Komponisten, innerhalb und ausserhalb der Bond-Reihe.
Ein positives Nachspiel hatte der Film für John Barry: ein Produzent war von dem Score dermaßen begeistert, dass er den Komponisten bat, die Musik für den Bruce Lee-Film "Game of Death" zu schreiben. Barry wollte nicht so unhöflich sein und sagen, dass er Bruce Lee-Filme und dergleichen als "Scheisse auf Celluloid" einstufe und zog sich mit einer unverschämt hohen Gagenforderung aus der Affäre. Er verlangte die dreifache Gage, die er für einen Bond-Score bekam. Das Resultat: man bezahlte die gewünschte Summe und Barry tat seine Pflicht.
James Bond will return in "The Spy Who Loved Me"...
Zitat von fortinbras im Beitrag #66Die Gunbarrel bot ein Novum: Barry entfernte die berühmte Gitarre und ließ den riff mit Streichern und Trompeten spielen.
Obwohl Barry diese Version fortan in allen Gunbarrells "seiner" Bonds verwendete (also bis DAYLIGHTS), wurde die Version jedesmal leicht verändert eingespielt. So ist das "Riff" in GOLDEN GUN einen Takt länger als in sämtlichen anderen Filmen (also drei Durchgänge). In MOONRAKER hatte es wieder zwei Durchgänge, wie gehabt. In Octopussy wurde es deutlich langsamer gespielt und in A VIEW dafür etwas schneller. DAYLIGHTS und MOONRAKER haben als einzige, wenn ich mich recht entsinne, identische Gunbarrel-Untermalungen.
Sehr feine Ohren und viel Gespür für Musik! Die Gitarre kehrte bei Barry tatsächlich nicht mehr beim James Bond-Theme zurück, weder in der Gunbarrelsequenz, noch sonst.
Aber auch wenn er fortan eine sehr ähnliche Grundorchestration benutzte, waren die Elemente des Themas häufig unterschiedlich lang. Die Gunbarrelmusiken von "Moonraker" und "Der Hauch des Todes" unterscheiden sich nur ein ganz klein wenig voneinander in der Orchestration.
Ich schätze diese kleinen Intros auch deshalb so, weil sie in jedem Film anders sind. Barry führte das so ein und andere Komponisten haben es ihm nachgemacht - dabei wäre es innerhalb der Reihe durchaus legitim gewesen, eine einheitliche Orchestration zu benutzen oder ein bestimmtes Arrangement wiederzubenutzen.
Und ich komme langsam, aber sicher in die Nähe von "Der Spion, der mich liebte" und weiss noch immer nicht, wie ich die Musik beurteilen soll.
"Spy Who Loved Me" war anders als bei "Live and let Die" ein deutlicher Schritt in die Pop bzw. Disco-Ecke, wie man an den Synthieinsätzen und Schlagzeugcomputern hört. Marvin Hamlish schuf einen Score der dennoch episch wirkt (z.B. "Ride to Atlantis"), obwohl er meist auf große Orchestereinsätze verzichtet. Die BeeGees sollen für Teile davon Pate gestanden haben, vor allem für "Bond 77", das während der Skijagd zu hören ist. Dass an einer Stelle die Musik aus "Lawrence of Arabia" erschallt, war ein gelungener Gag, der gleich in "Moonraker" kopiert wurde (dort war es die Musik aus "The Magnificent 7". Sogar der Beach Boys-Song in "A View To a Kill" nimmt letztlich Bezug hierauf.) Der Titelsong von Carly Simon wirkt beim ersten Hören extravagant und gar nicht "bondig", da er sich weder in Instrumentierung noch musikalisch auf frühere Bondthemen bezieht. Er funktionierte für mich erst, als ich den Main Title dazu gesehen hatte. Binder verwendet hier erstmals die Silhouette Roger Moores - also Bond selbst - was von da ab fester Bestandteil der Titelsequenzen (ich glaube mit Ausnahme von "Der Morgen stirbt nie"?) sein sollte. Besonders der Teil mit den marschierenden Wachen funktioniert prächtig in Kombination mit dem Song. Im Abspann wird ähnlich wie wie "Golden Gun" ein alternativer Anfang des Titelsongs gespielt, hier von einem Männerchor, der so nicht auf dem Soundtrack erschien. Der Titelsong war Oscar-nominiert, aber erst der sehr ähnlich aufgebaute "Let the River Run" aus "Die Waffen der Frauen" sollte ihr ganze 12 Jahre später diese Trophäe einbringen. In gewisser Weise war die Musik ihrer Zeit voraus, da sie viele Elemente enthält, die in den 80er Jahren Gang und Gäbe werden sollten. Bill Contis Musik vier Jahre später in "For Your Eyes Only" wäre wohl ohne "The Spy Who Loved Me" so nicht möglich gewesen. Er benutzt ebenso Synhtipop-Klänge, verbindet diese aber wieder mit klassischen Bläsern und schafft somit einen postmodernen Score, während Hamlishs Musik aus damaliger Sicht zukunftsgewandt war. Das schlechteste an "Spy" war für mich immer die Musik zum Intro. Das erste Mal beginnt das Gun-Barrel mit dem Vamp (statt wie sonst mit dem Ende des Beebops), wie es erst David Arnold wieder in "Morgen" und "Welt" tun sollte. Was Arnold jedoch stimmig und klassisch wirken ließ (vielleicht mal abgesehen von den unnötigen Club-Echoes in "Welt"), klingt hier in "Spion" total daneben. Zunächst wirkt das Tempo viel zu hektisch, was darin gipfelt, dass der Vamp ein drittes Mal begonnen wird, was an sich schon den Rhythmus versaut. Beim Schuss wird dann auch noch vorzeitig in den Riff übergeblendet, so das ein halber Takt einfach fehlt. Das Riff wird zwar auf einer E-Gitarre gespielt, diese hat jedoch die Dynamik eines Eierschneiders. Die Tragödie endet schließlich mit einem gurgelnden Synthi-Ton, der auf die Unterwasserszene bzw. das Radargeräusch des U-Boots vorbereiten soll, was (anders als bei der Beebop-Variante am Anfang der Thunderball-Titelsequenz, wo man die Größe des Ozeans förmlich spürt) aber vor allem wegen der Flachheit des Geräusches misslingt.
Was "Goldfinger" für Sean Connery (aber auch Bond generell) war, war dieser Film für Roger Moore. Nach dem großartigen Start mit "Leben und sterben lassen" und dem eher halbgaren "Der Mann mit dem goldenen Colt" wurde hier ein Stil gefunden, der Bond mit Moore perfekt vereinte und die Blaupause war für alle folgenden Filme mit dem dritten 007-Darsteller.
Musikalisch ging es in eine teilweise vollkommen andere Richtung, die erstaunliche Frische in die Reihe brachte. Der folgende Beitrag zur Filmmusik ist nicht ganz so einfach zu schreiben, da es in der einschlägigen Literatur erstaunlich wenig darüber nachzulesen gibt. "Analysen" des Scores beruhen also hauptsächlich auf eigenem Gehör und Mutmaßungen. Auch ist Marvin Hamlischs Score in gewisser Weise sehr idiosynkratisch, was ein Einordnen in den Kanon etwas schwierig gestaltet. Was Hamlisch auf jeden Fall gelang: die Synthese zwischen einem neuen, frischen musikalischen Klang und dem, was das Publikum sich musikalisch erwartete, wenn James Bond die Welt rettete.
Aber zunächst einmal zum Anfang. Wer genau auf die Idee kam, Marvin Hamlisch zu engagieren, darüber habe ich nichts stichhaltiges herausgefunden. Hamlisch war damals bereits mehrfacher Oscar-Gewinner, als Film-, Musical- und Popkomponist etabliert, aber keinesfalls ein Vertreter der klassischen Filmmusiker-Elite. Die erste Wahl als Komponist war er jedoch nicht. Wie sollte es anders sein, zunächst wurde John Barry für die Musik anvisiert. Dieser hatte mittlerweile Großbritannien verlassen, hatte im Kampf gegen die Steuer den Kürzeren gezogen. Seit 1975 waren alle seine Tantiemen für den englischen Markt eingefroren und Gagen für Kompositionsaufträge wären sofort gepfändet worden. Barry war nur einer von vielen hochrangigen Künstlern, die damals durch die drastische Steuerpolitik ganz oder teilweise vertrieben wurden. Er war nun in New York ansässig, wo er sich wohl und recht frei fühlte, aber auch nie ganz zuhause war. "Spion" konnte er nicht annehmen, da er in Großbritannien nicht arbeiten durfte. Den ganzen musikalischen Bereich auszulagern und in die USA zu verlegen, wäre selbst Eon zu kostspielig gewesen. Ausserdem hatte Barry damals genug von James Bond und brauchte eine Pause. Barry soll angeblich auf die Frage, welcher Komponist für den Film geeignet wäre, Michael J. Lewis und (erneut) Howard Blake vorgeschlagen haben.
Am Wahrscheinlichsten dürfte es sein, dass Marvin Hamlisch von Lewis Gilbert aufs Parkett gebracht wurde. Hamlisch war damals sehr populär, teuer und für die Superproduktion somit ein zusätzlicher Prestige-Faktor. Damals war er 32 Jahre alt und enorm erfolgreich. Mit 21 hatte er seinen ersten Score geschrieben und war seit mehr als zehn Jahren in sämtlichen Musikbereichen gut im Geschäft. Anbetracht des Filmdrehbuches und des idealistischen, die Kunst und die große Szene liebenden Stromberg, lag es nahe, den musikalischen Klang etwas "operatic" zu machen, wie Gilbert es formulierte. Dennoch sollte die Filmmusik dem Zeitgeist entsprechen. Hier war Hamlisch sicher ähnlich perfekt wie Barry zu Beginn der Reihe, da er mit Bearbeitungen klassischer Musik für Filme vertraut war, sie arrangieren und dirigieren konnte und auch in der Populärmusik zuhause war. Bei aller Bewunderung für John Barry muss ich zugeben, dass es mit ihm als Komponisten vermutlich nicht machbar gewesen wäre, ein nicht unbeträchtliches Maß an klassischer Musik in den Score zu verarbeiten. Dafür war er zu stur, allerdings nicht, weil er sich in den Mittelpunkt rücken wollte - es widersprach nur seinen Arbeitsmethoden und seinem Zugang zur Komposition von Filmmusik. Er hätte damit gearbeitet, wäre er mit einem Projekt betraut worden, in dem es um klassische Musik ging. Bei Bond hätte er eher "No!" gesagt - auch wenn er in "Moonraker" klein beigeben musste und sogar eigene Ideen in die Klassik-Richtung einbrachte.
Hamlisch war zum Zeitpunkt von "Spion" am Zenit seiner Karriere und filmmusikalisch stufe ich diesen Score als seinen qualitativen Schlußpunkt ein. Trotz vieler kommerzieller Erfolge später gelang ihm keine Filmmusik mehr, die innovativ oder frisch war, er sackte recht rasch in Routine ab und komponierte in einem immer musicalhafteren Stil, der wie "Klangtapete" wirkte, aber nur mehr wenig ausdrückte.
Als der Komponist den Zuschlag bekam, brach er laut eigener Darstellung in Jubelrufe aus. Was gäbe es Tolleres, als für einen James Bond-Film Song und Score schreiben zu dürfen? Vor allem freute er sich darauf, das James Bond-Theme benutzen zu dürfen - laut ihm der geheime Wunschtraum von 90% aller Komponisten, auch wenn es nur maximal 10% zugeben würden.
Mit seiner Ankündigung, dass es nach all den tollen Titelsongs endlich einen geben sollte, der Bond selbst zum Inhalt hatte, lag er zwar etwas daneben, denn "Thunderball" besang bereits den Agenten, aber "Nobody does it better" war auf jeden Fall eine mehr als ausgelassene "Ode an James Bond". Das benannte Hamlisch absichtlich so, da er das Drehbuch und den Film für sehr barock empfand und das musikalisch umsetzen wollte. Carole Bayer-Sager, deren Texte zahlreiche Hits zierten und die schon mehrfach mit Hamlisch zusammengearbeitet hatte, schrieb die Lyrics. Erstmals hieß der Song anders als der Film, wenngleich der Satz "The Spy Who Loved Me" im Text vorkam (übrigens schätzt Julie Andrews diesen Song sehr, für ihre Coverversion änderte man aber die "Spy"-Passage zu "The Man Who Loved Me"). Hamlisch schrieb eine Einleitung für Klavier, für die er sich etwas an eine Mozart-Komposition anlehnte. Das Klavier sollte auch das wichtigste Instrument für den Song sein, dazu gab es sanfte Percussion, sowie Streicher und Bläser, und Gitarren als Hintergrundsstimme für zusätzlichen Rythmus. Stilistisch brach Hamlisch mit so ziemlich allen Vorgängern, generell sollte es lange dauern, ehe ein Titelsong wieder so richtige Bond-Zutaten haben würde. "Spion" war inhaltlich nicht viel mehr als ein Remake von "Man lebt nur zweimal", nur dass es einen idealistischen Bösewicht gab, der bei all seinem Tun letztendlich der Menschheit eine neue Chance geben wollte und dabei, anders als später Hugo Drax, keinesfalls faschistische Züge hatte. Lewis Gilbert wünschte sich einen Song so ähnlich wie "You only live twice", allerdings gab es Hamlisch dann doch noch um einiges leichter und verspielter. Interpretiert wurde das Lied von der damals sehr populären Carly Simon und es wurde nach "You're so vain" ihr zweiter großer Hit und generell einer der kommerziell erfolgreichsten Bond-Songs überhaupt. Bis heute zählt "Nobody does it better" zu den am häufigsten im Radio zu hörenden Bond-Songs. Erstmals war ein Bond-Darsteller selbst Teil des Vorspannes und zusammen mit Maurice Binders großartigem Titeldesign wurde der Song trotz fehlendem Bond-Klang zur perfekten Symbiose.
Hamlisch schrieb den Song in einer einzigen Langfassung, an deren Ende das Lied sehr fröhlich und ausgelassen wird, mit viel "Trompeten-Gejubel" und wiederkehrendem Text, dass Bond "the best" sei. Dieses gesamte Finale könnte direkt vom Broadway stammen. Da die Haupttitelsequenz aber kürzer war als das Lied, wurde die Länge angepasst. Dies geschah mit einem musikalischen Soundeffekt, den man nicht anders beschreiben kann, als dass er den Song regelrecht "abwürgt". Es ist deutlich hörbar, dass hier etwas überlagert wurde und es sollte nicht der einzige Patzer Hamlischs sein, der sich für all das verantwortlich zeigte und beim Abmischen das letzte Wort hatte. Am Ende des Filmes begann der Song mit einem Männerchor und hörte sich an wie der gut gelaunte Ausklang zu einem Doris Day-Film, ehe es überging in die Carly Simon-Fassung. Für meinen Geschmack wirkt diese Chorversion etwas unangebracht, sie ist definitiv viel zu amerikanisch, um für Bond wirkungsvoll zu sein. Da in "Spion" das Britische so betont wird, wirkt diese Amerikanisierung des Songs fehl am Platz. Nach dieser Song-Intro gibt es eine etwas ungeschickt montierte, gitarrenlastige Überleitung zu Carly Simons Version, die hörbar auf das originale Master gespielt wurde und einen erneuten Patzer darstellt. Der Chorgesang fehlt auf der Soundtrack-CD, der harsche Übergang vom Instrumental zum Lied ist aber zu hören und ein weiterer Patzer Hamlischs, eigens für die Soundtrack-LP. Hart ausgedrückt: John Barry hätte hier auf jeden Fall professioneller agiert und vermutlich den Song in einem jeweils eigenen Arrangement für den anfang und das Ende eingebracht.
Der Titelsong wurde für den Oscar nominiert, gewann allerdings nicht. Es war die zweite Nominierung eines Bond-Songs für den Oscar nach "Live and let die".
"Nobody does it better" eignete sich natürlich nicht sehr, um instrumental dramatisch eingesetzt zu werden, weswegen es im Laufe des Filmes nur als Liebesthema in Verwendung ist und musikdramaturgisch keine besondere Rolle spielt. Ein klein wenig ist das zu bedauern, da vor allem der Schluss des Songs mit den verrückten Trompeten durchaus als ironische Untermalung zu einigen Actionsequenzen geeignet gewesen wäre.
Vorweg sei eines zum Soundtrack-Album gesagt: es ist das einzige, das eigens für die Veröffentlichung großteils neue Aufnahmen beinhaltete und nicht auf die Originalmaster zurückgriff. Zwei der Titel waren im Film überhaupt nicht zu hören. Da das Album erst nach dem Einspielen der Filmmusik entstand, ist das umso verwunderlicher, da eine Unmenge an Titeln vollkommen fehlt und es somit unnütz war, nicht verwendetete Musik in eigenen Arrangements nur für die LP draufzupressen. Bis heute wurde die Musik zu "Spion" nicht vollständig veröffentlicht, obwohl die Tapes dazu noch existent sein sollen. Das Stück "Bond 77" ist im Film so auch nicht zu hören, es wurde von Hamlisch aus verschiedenen Versionen zusammengesetzt, teils verlangsamt und leicht umarrangiert. Es beinhaltet sogar Passagen, die im Film nie zu hören sind und auch nicht für den Score komponiert wurden. Es ist sehr bedauerlich, dass es bis dato die vollständige Musik nicht auf Tonträger gibt.
Das James Bond-Theme spielte für Hamlisch eine wichtige Rolle, er wollte es aber natürlich nicht zu oft spielen. Nachdem es im Vorgängerfilm keine E-Gitarre oder Gitarre generell für das Thema gegeben hatte, hieß es hier "back to the roots" - die E-Gitarre kehrte wieder zurück als Hauptinstrument für den Riff, Hamlisch benutzte aber auch eine "Acoustic Guitar". Das James Bond-Theme in seiner Urform wurde von Hamlisch eingesetzt, wenn Bond mit dem Fallschirm abspringt, sein Wagen aus dem Meer auf den Strand fährt und wenn er gegen Ende des Filmes auf einer Kameragondel balanciert. Hamlisch benutzte hier John Barrys originale Orchestration. Dass sie dennoch etwas anders klingt, liegt an der kleineren Besetzung und einer anderen Aufnahmetechnik. Beides war möglicherweise dem leichteren Gesamtklang der Filmmusik geschuldet, jedenfalls ist es sehr homogen. Mehrfach im Film ist das James Bond-Theme Element einer Actionmusik, die jeweils in einem ähnlichen Grundklang und Arrangement daherkommt und rythmisch an den typischen Stil der "BeeGees" erinnert, also enorm zeitgeistig ist und dem Disco-Sound der 70er huldigt. Jede dieser musikalischen Sequenzen hat denselben rythmischen Teil, aber ansonsten andere Kontrastierung und unterschiedliche zusätzliche Motive. Dazwischen sind immer wieder Vamp und Riff des Bond-Themes zu hören. Aus all diesen Musikpassagen konstruierte Hamlisch dann, wie bereits erwähnt, das Stück "Bond 77" - das aber meiner Meinung nach das spannendste, mit markanten Streichern kontrastierte Stück nicht beinhaltet (wenn Bond im Lotus nach dem Besuch bei Stromberg verfolgt wird). Der Bepop wird ausserhalb des eigentlichen James Bond-Themes jedoch nicht verwendet. Die Gunbarrel hatte ein Novum zu bieten: erstmals nach acht Filmen begann sie nicht mit der markanten Intro Barrys (Dada-tamm, Dada-tamm), sondern mit dem Vamp, der dann in den Riff überging. Abgesehen davon, dass man das Gefühl hat, es fehlt zu Beginn etwas, ist es allerdings auch etwas unglücklich zusammengesetzt. Da Hamlisch die popmusikhaften Stücke mit einzelnen Musikergruppen aufnahm, dürfte die Gunbarrelmusik wohl aus diesen Elementen zusammengesetzt worden sein und nicht eigens eingespielt. Zudem endet das Stück auch sehr unrund mit einem billig klingenden Effekt, der zur Handlung überleitet. Das ist ein weiterer Patzer des Komponisten.
Der Musik zu "Spion" wird oft nachgesagt, sie huldige dem "Disco-Style" der 1970er und sei stark poplastig. Dabei ist das Gegenteil der Fall - abgesehen von den "Bond 77"-Sequenzen ist die Musik sehr orchestral gehalten, benutzt fallweise das, was man heute "Easy Listening" bezeichnet und ist alles andere als poplastig. Das machte erst Bill Conti mit seiner Musik zu "In tödlicher Mission" und übertrieb es damit reichlich.
Ein weiteres zentrales musikalisches Motiv ist "The Tanker". Es kann nicht unbedingt als Actionthema bezeichnet werden, ist aber in bedeutsamen Passagen zu hören, wenn Strombergs Tanker die U-Boote ähnlich verschluckt werden wie die Raumschiffe von Blofelds gefräßiger Rakete zehn Jahre früher. Das Stück ist in erster Linie für Streicher, Bläser und Percussion orchestriert, es gibt aber auch kleinere Synthesizereinschübe als Verfremdungseffekt. Das ist vermutlich eine Huldigung Hamlischs an John Barry, der dessen Synthesizer-Einsatz in "OHMSS" sehr gelungen fand und diesen Score generell als seine Topmusik innerhalb der Reihe nannte. Es liegt nahe, wenngleich es dazu keine Aussagen gibt, dass die in "The Tanker" zwischendrin zu hörenden dramatischen Streicherglissandi auch eine Hommage an entsprechende Einsätze im Score von "OHMSS" ist. Zum Vergleich: dort sind nahezu idente Streicherarrangements z. Bsp. in der Titelmusik als Hintergrund der "Bridge" zu hören, ehe die Hauptmelodie zum letzten Mal erklingt. David Arnold benutzte diese Technik auch in seinem Score zu "Der Morgen stirbt nie". Die Anfangstakte des "Tanker"-Stückes, wenn man genau hinhört, sind nichts anderes als ein Teil des Riffs des James Bond-Themes. Es wäre noch zu sagen, dass Hamlisch in diesem Stück ein eigentümliches, lang anhaltendes, relativ hohes Streichermotiv als Hintergundsstimme eingebaut hat, das auch in "Ride to Atlantis" und anderen Score-Titeln vorkommt und Camille Saint-Säens' "Aquarium" aus dem "Karneval der Tiere" entlehnt ist. Diese Einschübe Hamlischs sollen offenbar über weite Strecken "Wasser" oder das "Meer" symbolisieren. Ein unglaublich einfacher Trick, der das Unterbewusstsein subtil anspornen soll. Die Gesamtstruktur von "The Tanker" ist übrigens sehr simpel und hat Anleihen bei Barockmusik, auch wenn das nicht sehr offensichtlich zu hören ist. Die Schlusscoda kann mit sämtlichen Klassik-Standardwerken mithalten.
Betreffend "The Tanker" und der "Unterwassermusik" generell wird Hamlisch häufig vorgeworfen, das nicht so effektvoll umgesetzt zu haben wie John Barry in "Thunderball". Das wurde auch schon in einem der Beiträge vorher ähnlich ausgedrückt. Natürlich stimmt das - Hamlischs Musik ist hier nicht so eindrucksvoll und mächtig, stilisiert das Meer auch nicht wie Barry zum großen "unbekannten Faktor", also dem Raum, in dem für alle Beteilgten die Gefahr steigt. Andererseits aber ist es so, dass "Spion" ein deutlich leichterer und verspielterer Film ist als der harte "Feuerball". Musik im Stile des Filmes von 1965 hätte "Spion" womöglich etwas erdrückt. Interessant ist hier ein Schieler zu John Barry und seiner Musik zum Abenteuerfilm "Die Tiefe". Es gelingt ihm dort ganz hervorragend und fast atemberaubend, die maritime Atmosphäre einzufangen. Allerdings wirkt das ganz anders als in "Thunderball", da der Grundton des Filmes anders ist. Das Mysthische des Meeres wird hier von Barry unvergleichlich eingefangen. Hamlisch indes kann weder die Macht des Ozeans, noch dessen Mystik ähnlich wirkungsvoll ausdrücken - allerdings setzte er hierfür auf klassische Musik und einen oben erwähnten bestimmten Ton in den Arrangements, die immerhin für den Versuch zeugen, dass er dies einfangen wollte. Auch "Ride to Atlantis" gehört in diesen Kontext, nur leider wurde dieses Stück, das Potential gehabt hätte wie die Themen Barrys in "Die Tiefe", nicht optimal wirkungsvoll eingesetzt.
Die Musik zu einigen Szenen, in denen Bond und Beisser aufeinandertreffen, hat Hamlisch als Hommage an das Stück "Stalking" aus "Liebesgrüße aus Moskau" geschrieben und in ähnlichem Stil komponiert wie John Barry. Laut Hamlisch wäre "Stalking" aus der Vortitelsequenz des zweiten Bond-Filmes eines seiner Lieblingsstücke aus den Scores der Reihe. Für die Source-Musik zu den Pyramidenszenen schrieb Hamlisch geheimnisvolle, etwas epische Musik mit einem Hauch Miklos Rozsa. Es wurde auch arabische Folklore als Source-Musik eingesetzt und floss gelegentlich in die Score-Titel ein. Die arabische Source-Musik stammte jedoch nicht von Hamlisch, sie wurde aus dem legendären Musikarchiv von De Wolfe geborgt.
Die spannungsdramaturgischen Musikelemente erfüllen vollends ihren Zweck und werden wirkungsvoll eingesetzt. Ein Highlight des Soundtrackalbums ist "Ride to Atlantis", das man im Film leider nicht in seiner vollen Schönheit und Länge hören kann. Ein leichtes, dem "Easy Listening" verhaftetes Stück, das ein einfaches, aber ungeheuer effektvolles Thema ständig wiederholt. Es wird hauptsächlich auf Synthesizer gespielt, aber mit Streichern kontrastiert, die das Thema später dann selbst aufnehmen und zu voller Dramatik entfalten. Kontrastiert wird das durch Jazzelemente in den Übergängen. Schade ist, dass Hamlisch aus diesem Stück keinen weiteren Nutzen zieht und es regelrecht vergeudet. Es hätte als Basis für ein alternatives Hauptthema in Spannungsszenen mit Bond hervorragend eingesetzt werden können als Alternative zum berühmten Bond-Theme.
Von Bedeutung für "Spion" ist die Benutzung klassischer Musik, innerhalb der Bond-Reihe ein Novum und nur noch ein weiteres Mal im Nachfolgefilm eingesetzt, wenngleich nicht im selben Umfang. Diese musikalischen Einsätze erfüllen sowohl die Ansprüche von Source-Musik, als auch von filmmusikalisch ausgeklügelter Dramaturgie. Wenn Strombergs Unterwasser-Palast hochfährt und man dazu Bach und Mozart hört, verleiht das Curd Jürgens' großartigem Bösewicht eine ungeheure Noblesse und lässt an ein Zitat von Vincent Price denken: "Kein Bösewicht ist so furchterregend wie jener, der die Kunst liebt!". Curd Jürgens, zusammen mit Gert Fröbe mein absoluter Favorit unter Bonds Gegenspielern, dazu diese Musik, die klingt, als wäre sie für ihn geschrieben worden - das zählt zum Besten, das der Film und die Reihe zu bieten hat und präsentiert eine Klasse und Größe, die späteren (jüngeren) Filmen der Reihe vollkommen fehlt - vor allem den Bösewichtern, die nichts mehr anderes sind als konventionelle Groß-Kriminelle ohne Stil, Würde und Ideale.
Für "Spion" wurden jedoch nicht fertige Bandaufnahmen benutzt. Hamlisch spielte die Titel eigens ein mit dem Orchester und passte das Arrangement innerhalb der Originalorchestrationen geringfügig an den musikalischen Klang der Filmmusik an.Im Film sind zu hören: das berühmte "Air" aus Johann Sebastian Bachs "Orchestersuite No. 3 in D-Dur", das Andante aus dem "Klavierkonzert No. 21" von Wolfgang Amadeus Mozart, sowie eine kurze Passage eines Nocturnes von Frederic Chopin und eine Sequenz aus dem bereits erwähnten "Aquarium" aus "Karneval der Tiere".
Der epische Einsatz vor allem der ersten beiden Stücke ist natürlich großartig gelungen, dennoch darf man ein klein wenig in Richtung John Barry schielen und wie er wohl diese Szenen untermalt hätte. Barry hätte sicherlich eine Eigenkomposition geliefert und die stelle ich mir so ähnlich vor wie "Flight into Space" aus "Moonraker". Ein wenig wehmütig macht einen der Gedanke durchaus, wenngleich ich mit dem Resultat im Film mehr als zufrieden bin.
Beim Rohschnitt des Filmes benutzten die Cutter als Gag für die Wüstensequenz Maurice Jarres "Lawrence von Arabien"-Thema als Temp-Track (für die nicht Informierten: Temp-Tracks sind vorgefertigte Musikstücke, die man für Rohschnitte als Stimmungsmittel einsetzt. Diese bei der Besprechung der Filmmusik zu hören ist aber der Alptraum mancher Komponisten.). Marvin Hamlisch ließ über Eon die rechtliche Situation abklären und nachdem es Grünlicht gab, benutzte er ein paar Takte aus Jarres berühmtem Thema. Dieser fühlte sich übrigens geschmeichelt und fand den Scherz sehr gelungen. Der musikalische Gag mit "Dr.Schiwago" als Spieldosenmotiv stand allerdings bereits im Drehbuch, auch ein Stück von Jarre. Dass in einigen Online-Quellen Jarre als Urheber von Sourcemusik ausgewiesen ist, dürfte den Schreiber eines Jarre-Nachrufes für eine nicht besonders anspruchsvolle österreichische Zeitung dazu animiert haben, Jarre als Komponist der Musik zu "Spion" zu benennen.
Erstmalig in der Geschichte der James Bond-Filme wurde ein Score als beste Filmmusik für den Oscar nominiert, gewann allerdings nicht. Hollywood-Insider führten dies in der Regel auf Hamlischs Renomme innerhalb der Academy zurück, was aber nicht beweisbar ist. Bisher wurden nur zwei Bond-Scores für den Oscar nominiert und in beiden Fällen handelte es sich um einen in Hollywood und den USA sehr bekannten und angesehenen Komponisten.
Ob der Score zu "Spion" der Zeit weit voraus war, wie manchmal zu hören ist, lässt sich wohl nicht zuverlässig sagen. Er ist genauswenig altmodisch und die Discomusik-Einschübe wirken keinesfalls skurril oder "badly dated". Die Musik hat eine anhaltende Frische und ist auf ihre Art einzigartig innerhalb der Musikgeschichte der James Bond-Filme, auch wenn es durchaus Minuspunkte gibt. Marvin Hamlisch ist kein John Barry, grundsätzlich bediente er musikalisch eine vollkommen andere Welt. Teilweise ist es sicher zu bedauern, gerade bei den epischen Anforderungen des Filmes, dass Barry nicht an bord war. Dennoch ist die musikalische Gestaltung innovativ auf eine Weise, die John Barry zu dem Zeitpunkt abhanden gekommen war und die er auf längere Zeit nicht mehr in seiner alten Form liefern sollte. "Spion" hatte genau die Musik, die es für diesen unterhaltsamen und rundum gelungenen Film brauchte, um ihn optimal zu unterstützen. Leicht verdaulich und verspielt ist der Score - John Barry hätte zu dem Zeitpunkt den Film musikalisch vielleicht in einigen Passagen "erdrückt", da er sich auch in einer schwierigen Lebensphase befand und alles todernst nahm.
Mit der Hoffnung, dass es zu "Spion" endlich einmal ein vollständiges soundtrack-Album geben wird, bleibt mir nur noch zu sagen:
Wäre es möglich, dass Nobody does it better der einzige Bond-Song ist, der nicht nur für den Titel eines Bond-Films sondern auch eines anderen verwendet wurde - auch wenn ich das für eher peinlich halte? Wenn ich nicht irre beginnt einer der "Bridget Jones" Filme damit.
Ich habe keinen "Bridget Jones"-Film gesehen, aber der teil von 2004 steht in der Liste der Filme, in denen der Song zu hören ist. Er soll auch in "Mr. und Mrs. Smith" und "Lost in Translation" zu hören sein, hier aber offenbar nur während des Filmes. Ihn als Titelsong zu benutzen, wäre wirklich etwas kurios.
Ich hätte ansonsten nie gehört, dass ein Bond-Song auch andernorts als Titellied benutzt wurde, da dürfte "Bridget Jones" wohl die einzige Ausnahme sein.
Der ORF benutzte übrigens mal für Wiederholungen alter "Derrick"-Folgen sowohl "Nobody does it better", wie auch "For your eyes only" im Ankündigungstrailer.
Mir fällt gerade noch ein, dass auf der ersten(?) Bond-Sampler-LP "James Bond Greatest Hits", welche immerhin alle Originalsongs bis For Your Eyes Only enthielt, "Nobody Des it Better" in der gesungenen Version fehlte. Sattdessen war die sehr langsame Instrumentalversion enthalten, sowie die Plattenversion von "Bond 77". Kann es hier rechtliche Probleme gegeben haben? Warum gerade hier? Erst eine spätere Neuauflage mit blauen statt rotem Cover enthielt die Carly-Simon-Version, dafür kein Bond 77 mehr.
Des weiteren möchte ich mir erlauben, kurz off Topic zu gehen und das Drehbuch zu TSWLM zu kritisieren. Es wird bekanntlich oft geschrieben, der Film sei der GOLDFINGER der Roger Moore-Bonds. Die Paralelle liegt offenkundig in der Besetzung eines ähnlich agierenden, deutschen Schurken. Die Story weist jedoch enorme Schwächen auf, die mir beim Lesen der interessnaten Zeilen zur Musik wieder ins Gedächtnis gekommen sind. Die Geschichte um Anya und ihrer Rache für den Tod an ihrem Verlobten ist wirklich hanebüchen: Es mag noch plausibel sein, dass der KGB einen Killertrupp auf Bond hetzt. Warum aber verschweigt Gogol Anya beim Briefing, dass es einen klaren Auftrag gab, Bond zu töten und erfindet "einen Zusammenstoß mit dem Secret Service"? Noch seltsamer ist, dass Gogol, der als netter galanter Gentleman auftritt und mit M per Du ist, viel zu nett ist, als dass er in der Lage gewesen wäre, Bond töten zu lassen. Es wird mithin nie geklärt, welchen Sinn der Angriff in Österreich gehabt hat und so wirkt alles nur wie ein schlechter Kniff des Drehbuchs, um einen späteren Konflikt zwischen Bond und Anya möglich zu machen. Als Anya später beim Anblick eines Feuerzeugs Bond nach ihrem Verlobten fragt, wird sie aufgrund eines bloßen Ortsnamens(!) misstrauisch. Bond erklärt zunächst, er habe sich bei einer solch rasanten Fahrt auf Skiern kein Gesicht merken können, gibt dann aber kurz darauf zu, der Mörder gewesen zu sein. Anya schwört, ihren Geliebten nach Abschluss der Mission zu rächen, lässt sich dann aber auf allzu läppische Weise umstimmen, als Bond sie quasi im Handumdrehen verführt. Von der als ebenbürtige Agentin charakterisierten Frau scheint keine Spur mehr vorhanden zu sein. In Moonraker wiederholte man das Motiv der Bond ebenbürtigen Frau, die zunächst unterschätzt wird, als Bond ausdrücklich bemerkt, dass Dr. Goodhead "eine Frau" ist. Erst bei In tödlicher Mission hat man es nicht mehr nötig darauf hinzuweisen, dass Melina weiblich und Bond gleichgestellt ist - und deshalb funktioniert es dort plötzlich auch.
Zitat von Slartibartfast im Beitrag #74Es mag noch plausibel sein, dass der KGB einen Killertrupp auf Bond hetzt. Warum aber verschweigt Gogol Anya beim Briefing, dass es einen klaren Auftrag gab, Bond zu töten und erfindet "einen Zusammenstoß mit dem Secret Service"?
Vielleicht möchte er selbst gegenüber einer Untergebenen nicht als Aggressor dastehen oder ihr verschweigen, dass ihr Liebhaber einen Killerauftrag hatte? Dieser Punkt ist mir nie als Ungereimtheit erschienen, im Gegensatz zu der Frage, wie man mit einem Nachtzug von Ägypten nach Sardinien reisen kann, oder wieso Stromberg, der keine moralischen Bedenken hat, einen Weltkrieg auszulösen, trotzdem die Mannschaften der beiden zu Beginn gekaperten U-Boote über mehrere Wochen (!) an Bord seines Tankers als Gefangene am Leben lässt, obwohl sie keinerlei Nutzen für ihn haben.
Zitat von Slartibartfast im Beitrag #74Erst bei In tödlicher Mission hat man es nicht mehr nötig darauf hinzuweisen, dass Melina weiblich und Bond gleichgestellt ist - und deshalb funktioniert es dort plötzlich auch.
"Gleichgestellt" ist sie ihm dort auch in Sachen Rache. Aber komischerweise hat Bond sowohl in der Anfangssequenz als auch später bei der Szene mit Locque keine Skrupel, einen wehrlosen Gegner aus Rachsucht zu töten, während er im Finale Melina ins Gewissen redet, als sie das auch tun will; in einem Bond-Forum fühlte sich jemand bei dem Satz "Das ist keine Antwort!" unangenehm an Derrick erinnert.