Erst kürzlich hatte ich das Vergnügen, Bernhard Grzimeks legendäre Dokumentation "Serengeti darf nicht sterben" in einem Programmkino auf der Leinwand zu erleben. In den ersten Minuten hört man Grzimek selber als Erzähler, danach übernimmt Hagen. Seine Stimme zu hören, war eine Wohltat! Kein Wunder, dass er in Spielfilmen oft als Erzähler eingesetzt wurde. Sprach er neben diesem Film und der Reihe "Die lustige Welt der Tiere" eigentlich noch weitere Dokumentationen?
Zitat von Stefan der DEFA-FanIch finde, Hagen war immer dann am besten, wenn er sich nicht auf seine angenehme Stimme verliess und dagegen sogar anspielte. So finde ich ihn in der Titelrolle von "Odysseus" eher schwach (weil steif und pathetisch), großartig dagegen für Tony Randall in "Abenteuer am Mississippi" (bei dem man eher Runze erwarten würde), für Jack Benny in "Sein oder Nichtsein" (hier hätte ich eher mit Miedel gerechnet)
Hallo Berti! Danke für den Tipp-das ist ein ausgesprochen interessanter Thread, den zu lesen sehr spannend und informativ war.
Holger Hagen zählt natürlich auch zu den ganz Großen im Metier, an dem man einfach nicht vorbei kommt. Aus einem ganz konkreten Grund zählt er auch zu meinem persönlichen Kinder-Nostalgieprogramm, auch wenn ich lange Jahre brauchte, um seiner als Holger Hagen wirklich bewusst zu werden. Ich kannte es auswendig, meine Schulkollegen und Spielkumpels konnten es im Schlaf sprechen:
"Der Weltraum-unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise..."
Wenn das mal nicht prägend ist! Gehört habe ich Hagen sehr oft, aber ich brauchte lange, um ihn zu erkennen und mit gewissen Schauspielern zu verbinden. Vieles davon kam auch erst im Erwachsenenalter. Vorher aber gab es im Vorabendprogramm etwas, das mich nicht weniger begeisterte als die Enterprise. Das war "Das Haus am Eaton Place", das ich erstmals mit etwa neun Jahren sah, zusammen mit meiner Oma. Die Serie hatte auch zur Folge, daß ich heute noch bei Renate Danz immer an Rose (Jean Marsh) denke und nie an ihre Shirley. Holger Hagen für David Langton als Richard Bellamy war wunderbar. Bis heute eine meiner Lieblingsrollen von ihm. Im Lauf der Serie kann er eine immense Bandbreite an Emotionen und Situationen ausspielen. Dann natürlich Richard Burton-muß ich dazu viel sagen? Eine traumhafte Kombination, die in allen Rollen funktionierte. Hier konnte Hagen auch seine Theatermagie spielen lassen. "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" war großartig. Genial fand ich ihn in "Der Widerspenstigen Zähmung"-da merkt man den klassisch trainierten Schauspieler: das Versmaß geht ihm von der Zunge, als würde er immer so sprechen. Den Film finden die meisten schlecht-ich liebe ihn: "Hammersmith flippt aus", da ist Hagen als emotionslose, rein nach kühler Logik agierende Titelfigur grandios. Wenn er am Ende dem dummen Billy auseinandersetzt, warum und wie er sterben muß-da kriegt man die Gänsehaut. Letztere konnte einem Hagen für Burton auch in "1984" bescheren.
Dean Martin und Hagen-das war auch eine tolle Beziehung. Die Paarung Martin/Miedel ist absolut ideal-aber Hagen hätte ich mir dennoch als Standardstimme gut vorstellen können. Er gefiel mir sehr gut in "Rio Bravo", ebenso in "Zärtlich schnappt die Falle zu"-aber absolut hinreissend fand ich ihn in den vier Matt Helm-Filmen, da hatte er Charme, Esprit und immense Ironie im Spiel. Billie Wilders "Küss mich, Dummkopf" hat GGH für Dean Martin, womit ich nicht sehr glücklich bin-hier hätte ich sehr gerne Hagen gehört! James Garner und er passten wunderbar zusammen-meine Highlights sind hier "Gesprengte Ketten" und "Duell in Diablo". Er passte auch gut zu David Niven, besonders in "Die Kanonen von Navarone" und in "Gauner gegen Gauner". Wobei mir einfällt, daß ich Hagen nie mit dem Attribut "edel" verbinde-sondern meistens mit "Charme und jungenhaftem Esprit", aber er konnte sehr bedacht, getragen und emotional sein. Gregory Peck, William Holden, Lee Van Cleef, Stewart Granger, Rex Harrison, Charlton Heston-da war er immer passend. Auch für Burt Lancaster-da fand ich ihn besonders überzeugend in "Gewalt und Leidenschaft". Aber auch für Gregory Peck als eiskalten Josef Mengele war Hagen großartig. Robert Ryan in "Im Kreuzfeuer" schätze ich sehr. Dirk Bogarde gab er in "Der Tod in Venedig" eine verletzlich-depressive Seele. Auch James Mason stand er gut zu Gesicht, wenn er hier auch nicht mein Favorit ist. Für John Mills in "X-Boote greifen an" fand ich ihn auch großartig: wie er da die Militäraktion souverän plant, das ist absolut glaubwürdig. Peter Cushing in "Die sieben goldenen Vampire"-damit hadere ich etwas. Wenn er als Van Helsing die Legende erzählt, ist er großartig. Er hat auch wunderbare Momente, aber insgesamt klang er mir zu vital für den ausgemergelten Cushing. Für Donald Pleasence fand ich ihn absolut fehlbesetzt. Ein wenig problematisch erschien er mir auch für Alec Guinness. Hagen gefiel mir auch sehr für Mastroianni-den hätte ich fast vergessen. Insgesamt verbinde ich Hagen mit der gesamten Palette an Charaktereigenschaften, keineswegs nur mit gut und edel. Das weise ich hier ebenso strikt von mir wie bei Borchert. Für's Erste war es das einmal-wobei mir noch viiiiiel einfallen könnte!
1) als ich ihn das erste Mal sah, fand ich das erschütternd. Ich hatte ihn mir ganz anders vorgestellt. Vom Typ her so irgendwie wie Henry Fonda.
2) Hagen muß typischer Theaterschauspieler gewesen sein. In seinen Film- und Fernsehrollen fand ich ihn immer gut, aber nicht besonders in der Wirkung.
Oh-jaaa-eine meiner Lieblingsrollen von Hagen: für Vittorio de Sica in "Andy Warhols Dracula". Da ist er hinreissend für diesen weltfremden alten Charmeur. Wenn de Sica in verschiedensten Varianten (Tonhöhe, Betonungen) in einzelne Silben zerteilt immer wieder "Dra-cu-la" sagt und seiner genervten Familie beinahe eine Vorlesung beschert-das ist eine der komischsten Szenen im Film!
Danke für die ausführliche Liste! Abgesehen von Richard Burton und (in dessen späteren Jahren) Burt Lancaster wurde Holger Hagen nie wirklich dauerhaft als Feststimme etabliert, obwohl er recht viele Stars sprach. Hättest du ihn neben Dean Martin noch für andere gerne regelmäßig gehört? Vor einiger Zeit hatte ich mal überlegt, ob er als Sprecher von Vincent Price funktioniert hätte. Könntest du ihn dir hier auch vorstellen?
Holger Hagen für Vincent Price??? Nein-niemals! Das kann ich mir absolut nicht vorstellen. Nicht einmal bei gedämpfteren Rollen von ihm. Mich wunderte es eigentlich immer, daß Hagen nie einen zweiten Schauspieler regelmäßig bekam. Mir fällt aber auf, daß er bei Schauspielern sehr präsent war, bei denen über einen kürzeren oder längeren Zeitraum alternierende Besetzungen Usus waren: Marcello Mastroianni, Burt Lancaster, David Niven. Interessant gefunden hätte ich übrigens, Hagen mal auf Cary Grant auszuprobieren. Na gut, John Forsythe hatte nie einen Stammsprecher-aber für ihn hätte ich mir Hagen absolut dauerhaft vorstellen können. In den 50ern, in seinen besten 60er-Rollen (auch wenn Helmo Kindermann in "Kaltblütig" grandios ist!), auch in den 70ern und später. Leid hätte er mir vielleicht getan, Jahre des Denver-Clans durchzustehen, als der Zenit überschritten war. "Und Gerechtigkeit für alle" ist ein toller Film-darin wird Forsythe von Hagen gesprochen. Das ist absolut ausgezeichnet. Forsythe ist in dem Film ein richtiges Schwein-und Hagen auch, das klappt ausgezeichnet. Ich hätte ihn mir auch regelmäßig für George Nader vorstellen können, obwohl ich "Shannon klärt auf" nie gesehen habe, wo diese Kombi existierte. Eine tolle Rolle Hagens fällt mir auch noch ein: für Peter Sellers in "Die nackte Wahrheit". Habe ich früher nur gelesen, die Vorstellung ging gar nicht. Umso erstaunlicher das Resultat! Die Wirkung war verblüffend und Hagen gab eine immense Bandbreite verstellter Stimmen von sich, da Sellers ja in diverse Verkleidungen und Verstellungen flüchtet. Wobei: Rollencast, als Dauersprecher hätte mir das nicht gefallen.
Ich finde es auffällig, dass man ihn zu der Zeit, als er seinen Schwerpunkt in München hatte, dort öfter in Rollen und auf Schauspieler besetzte, bei denen man in Berlin teils auf Friedrich Schoenfelder, teils auf Wilhelm Borchert zurückgegriffen hätte. Apropos Berlin: Ist dir auch aufgefallen, dass er dort einige Jahre (1960-66/67) relativ stark vertreten war, danach aber deutlich seltener?
Zitat von fortinbras im Beitrag #36Gehört habe ich Hagen sehr oft, aber ich brauchte lange, um ihn zu erkennen und mit gewissen Schauspielern zu verbinden. Vieles davon kam auch erst im Erwachsenenalter.
Ich habe auch nach Erscheinen von Bräutigams Buch ein paar Jahre gebraucht, um ihn wirklich erkennen zu können. Und auch davor hatte ich ihn schon öfter gehört, ohne ihn mir wirklich einzuprägen. Da seine Stimme alles andere als farblos klang, ist das eigentlich merkwürdig. Er passte jedenfalls zu erstaunlich vielen Schauspieler, die optisch und vom Alter her relativ verschieden waren. Apropos Alter: Mücke schrieb mal, Holger Hagen sei auf Schauspieler aus relativ vielen Altersklassen einsetzbar gewesen. Hattest du früher, als du nur seine Stimme kanntest Mühe, ihn einer bestimmten Generation zuzuordnen?
Noch nicht erwähnt wurde Holger Hagen als Sprecher für Gian Maria Volonte, den er in den 70er Jahren oft sprach, und zwar ganz hervorragend. Ich denke da an die Filme von Francesco Rosi und an Damianis 'Ich habe Angst'. Das ist mindestens ebenbürtig mit Heinz Petruo, der ebenfalls oft für Volonte sprach.
Und Hagens 2 Einsätze für Max von Sydow ('Der Denunziant', 'Gestohlene Herzen') möchte ich ebenfalls hervorheben. Für mich passender als Jürgen Thormann, der oft für Von Sydow zu hören ist.