Gute Frage bei seinen vielen Arbeiten. Grob ist er bestimmt, wenn es sein muß. Aber ein Beispiel zu finden, wo er die damals "salonfähig" gewordenen "Schwein, Scheiße..." usw verwendet - das würde mir jetzt echt schwer fallen. Oder weißt Du eins?
Zitat von Jeannot im Beitrag #61Gute Frage bei seinen vielen Arbeiten. Grob ist er bestimmt, wenn es sein muß. Aber ein Beispiel zu finden, wo er die damals "salonfähig" gewordenen "Schwein, Scheiße..." usw verwendet - das würde mir jetzt echt schwer fallen. Oder weißt Du eins?
Mir fällt gerade keines ein, zumal er zu der Zeit, als die Sprache in den Synchros vulgärer wurde, leider immer seltener größere Rollen sprach. Aber da seine Stimme für mich relativ hart (wenn auch nicht automatisch dreckig) klingt, hätte ich keine Schwierigkeiten, mir ihn so vorzustellen. Bei Holger Hagen hätte ich die schon, wenn ihn nicht (gerade bei seinen Einsätzen für Richard Burton) dreckiger erlebt hätte. Oder klingt Engelmann für dich im Zweifel "nobler" als Hagen?
Interessant, wie unterschiedlich die Eindrücke sein können! Engelmann klingt für mich zwar nicht von vornherein "dreckig", aber doch relativ bodenständig und nicht gerade "edel". Immerhin besetzte man ihn zu seinen Glanzzeiten auch eher in "toughen" Rollen.
Also, keine andere Umschreibung als "desillusioniert" passt wohl am Besten auf Randolph Scotts Helden aus den Boetticher-Western, und diese sprach Engelmann ja sehr oft, auch John Waynes Figur in DER SCHWRZE FALKE ist ja auch so eine Art Vorläufer der müden Helden der Spätwestern. Aber es stimmt schon, wenn ich an den sarkastischen, fluchenden Wayne denke, kommt mir immer Marquis in den Sinn. Vielleicht ist ja genau DAS der Grund gewesen, weswegen Engelmann die Staffel an Marquis weitergereicht hat, beginnend mit DER MARSHALL.
Die einzige Engelmann-Rolle mit etwas an Kraftausdrücken, die mir einfällt, ist von 1984. In "Agenten sterben zweimal" spricht er für Laurence Olivier und der hat mal so einen emotional aufgeladenen Moment, wo er irgendwas von Arsch und was man wie hineintreten soll, von sich gibt. Genau weiß ich den Text nicht mehr, aber es fiel mir auf. Hagen konnte schon sehr hart und fies sein, zynisch und eisig. In "The Wild Bunch" war er großartig! In "Duell in Diablo" setzt Hagen James Garners Zynismen, die das Dilemma zwischen Weissen und Andersfarbigen besser zum Ausdruck bringen als langwierige gesellschaftskritische Plattitüden, perfekt um. Natürlich finden sich bei Burtons Rollen einige solcher absolut "unedlen" Züge. John Forythes widerlicher Richter in "Und Gerechtigkeit für alle" war auch sehr überzeugend. Nicht zu vergessen "Die Akte Odessa", wo er Noel Willmans Gestapo-Verschnitt der Geheimorganisation mit grausamer Eiseskälte sprach.
Naja in "Der schwarze Falke" gab's auch schon den einen oder anderen Kraftausdruck samt des kultigen "Soll ich dir 'ne Zeichnung machen!!" Oder auch am Anfang von "Julius Caesar" als Michael Pate die Leute auf dem Markt beschimpft.
Mein Lieblingsrolle von Holger Hagen ist sein Richelieu in den Musketier-Filmen von Richard Lester. Perfekte Besetzung. Das macht sogar den in der Synchro teils völlig blödelnden 2. Teil noch irgendwie sehenswert. Oder auch eine andere Rolle - mit schön ironischen Unterton, wie einst Borchert, in "Die lustige Welt der Tiere".
Durch die Diskussion im Zusammenhang mit anderen Threads ist mir wieder ein Gedanke gekommen, den ich schon früher hatte:
Zitat von fortinbras im Beitrag #66Nicht zu vergessen "Die Akte Odessa", wo er Noel Willmans Gestapo-Verschnitt der Geheimorganisation mit grausamer Eiseskälte sprach.
Wahrscheinlich kam Holger Hagen auch öfter in die Situation, Nazi-Rollen synchronisieren zu müssen. Neben diesem Part und Gregory Peck in "The Boys from Brazil" fielen mir noch zwei seiner drei Auftritte in "Casablanca" ein. Ob ihm dieser Gedanke wegen seiner eigenen Mitgliedschaft in der amerikanischen Armee grotesk vorkam? Oder vielleicht umgekehrt ins Grübeln brachte, nach dem Motto: "Was wäre, wenn meine Eltern nicht 1924 in die USA gegangen wären?"
Da Schauspieler nun mal Schau-SPIELER sind, wirds in den meisten Fällen wohl auch nicht mehr sein. Aber ab und an wird's schon einen privaten Bezug gegeben haben, bei allen, die irgendwie in diese Zeit verstrickt waren (egal in welcher Funktion). Eine Rolle, wenn auch eine entgegengesetzte, sollte man noch hinzuzählen: für Jack Benny in "Sein oder nicht sein" von Ernst Lubitsch. Abgesehen davon, daß Hagen hier herrlich "Screwball"-Timing unter Beweis stellt und formidable Shakespeare-Darbietungen gibt, darf er auch schön hintergründig gegen das damalige Deutschland agieren. Da könnte ich mir vorstellen, daß so etwas sicherlich großen Spaß gemacht hat-nicht nur in Bezug auf die Rolle.
In "Sein oder Nichtsein" fand ich ihn (wie sowohl in diesem Thread als auch unter "Sternstunden" erwähnt) herrlich und kann mir keinen Besseren vorstellen. Zumal er sich hier komödiantisch zeigen konnte.
Ein andere, dem vorhin angesprochenen Punkt verwandte Sache: Generell stelle ich es mir merkwürdig vor, wenn bei der Synchronisation von Kriegsfilmen Schauspieler, die den Krieg als Erwachsene aus deutscher Perspektive erlebt hatten, nun in die Rolle der "Anderen" schlüpften. Holger Hagen war in diesem Genre öfter zu hören ("Die Kanonen von Navarone", "Gesprengte Ketten", "Agenten sterben einsam"). In seinem Fall war es wahrscheinlich zusätzlich merkwürdig, dass er den Krieg wiederum aus einer anderen Position heraus erlebt hatte. In dem vor ein paar Jahren hier zitierten offenen Brief von 1985 betonte er selbst seine Vergangenheit als Offizier in der amerikanischen Armee und Träger einer Tapferkeitsauszeichnung. Es ist bekannt, dass nach dem Krieg viele Jahre zurückkehrende Emigranten Opfer von Angriffen, Diffamierungen und Feindseligkeiten wurden. Hagen war zwar kein solcher (da seine Familie seit 1924 in Amerika lebte), aber dafür Soldat auf alliierter Seite und nach dem Krieg einige Jahre Besatzungsoffizier gewesen. Hat jemand Informationen, ob er deswegen von manchen Kollegen (natürlich keine Namen!) schief angesehen oder sogar geschnitten wurde?
Apropos Peckinpah: In Peckinpahs TV-Serie THE WESTERNER, von der leider nur 6 Folgen synchronisiert wurden, spricht Holger Hagen die zweite Hauptrolle, den schlitzohrigen John Dehner, in einer Mischung aus Ernsthaftigkeit und Komödie, und zwar äußerst perfekt (wogegen Michael Chevalier für Hauptdarsteller Brian Keith doch arg gewöhnungsbedüftig ist).
Zu Heinz Engelmann: Edel klingt seine Stimme für mich überhaupt nicht. Das mag aber daran liegen, daß ich ihn auch als Schauspieler kenne und ihn auch nie in edlen Rollen gesehen habe. Er klingt eher autoritär, eine Stimme, die keinen Widerspruch duldet und die mir deshalb für Heldenrollen doch etwas suspekt ist.
Zitat von kogenta im Beitrag #71Er klingt eher autoritär, eine Stimme, die keinen Widerspruch duldet und die mir deshalb für Heldenrollen doch etwas suspekt ist.
"Autoritär" fand ich Engelmann als Sprecher eher selten, aber durchaus selbstbewusst und durchsetzungsfähig, teilweise auch draufgängerisch und selbstironisch (was nicht unbedingt "autoritäre" Eigenschaften wären).
Zu Hagens Zeit nach dem Krieg, bzw generell bei solchen Themen:
Warum keine Namen nennen? Wenn es belegbar ist, kann man das tun. Und wenn es nur ein Gerücht ist, ist das auch gut-sofern es als solches präsentiert wird. Als Diskussionsbasis ist es stets brauchbar, sofern das Niveau des Gerüchtes passabel erscheint!
Zu Hagens Zeit als Besatzungsoffizier weiß ich nichts. Da er vor dem Krieg keinen Namen hatte, war es wohl für ihn und seine Zeitgenossen in manchen Dingen weniger schwer. Aus Wien weiß ich, daß etwa Hans Jaray und Friedrich Torberg nach ihrer Rückkehr kein einfaches Leben hatten. Ersterer wurde zwar vom Publikum sofort wieder heiss geliebt, aber die einen Kollegen warfen ihm die Flucht vor, während andere sich wiederum ganz anders verhielten. Folgendes ist ein weit bekannter Fakt hierzulande: der beliebte und wirklich großartige Schauspieler Erik Frey war ein überzeugter Nazi, Denunziant und Gestapo-Spitzel. Als Jaray und andere retour kamen, war er es, der sich ihnen am intensivsten an den Hals warf. Später wurde Frey immer bekümmerter und vergrämter, weil er mit seiner Vergangenheit schwer zurecht kam. Paula Wessely wurde wegen ihrer distanzlosen Haltung scharf verurteilt (sie machte bereits vor dem Anschluss in für's Reich hergestellten "Werbefilmen" mit, die einen Anschluss befürworteten). Beim Wiederaufbau der Theater war sie unter Kollegen als Helferin unerwünscht. Ebenso erging es Werner Krauss, der ein gefürchteter Nazi-Sympathisant war. Bei beiden hatten Heimkehrer wie Jaray und Torberg aber versöhnliche Gesten gesetzt. Da die Wessely später munter mit Harlan weiterfilmte (Anders als du und ich-den machte sie aus "Überzeugung"), ebenso mit anderen solchen Regisseuren, hat das unter Künstlern für einige Irritation gesorgt. Mehr, als dass es "eine schlimme Zeit" war und sie es bedauere, in "Heimkehr" den Satz "Kauft nicht bei Juden!" gesagt zu haben, gab es bei ihr nicht. Ihre Töchter thematisierten das scheinbar stark, aber sie blieb sehr uneinsichtig. Das hat jetzt mit Hagen nichts zu tun, aber fiel mir gerade ein. Sollte vielleicht mal ein Thread her zu so einem Thema-werde mich darum bemühen!
Zitat von fortinbras im Beitrag #73Warum keine Namen nennen? Wenn es belegbar ist, kann man das tun. Und wenn es nur ein Gerücht ist, ist das auch gut-sofern es als solches präsentiert wird. Als Diskussionsbasis ist es stets brauchbar, sofern das Niveau des Gerüchtes passabel erscheint!
Allerdings würde das Gerücht eine von heute aus gesehen äußerst problematische Haltung betreffen, und es würden sich auf Menschen beziehen, die nicht mehr unter uns weilen, so dass es im Zweifelsfalle nicht mehr zu widerlegen wäre.
Berti, da muß ich dir leider ganz klar widersprechen. Natürlich ist bei Gerüchten Vorsicht geboten und auch hier wäre es vielleicht nicht schlecht, einen Urheber für das Gerücht nennen zu können. Gestorben sind nahezu alle, die irgendwie mit dieser Zeit zusammenhängen. Wenn ein Gerücht mit einigermaßen Niveau eingebracht wird und, das möchte ich schon nochmals sagen, auch als Gerücht ERKENNBAR ist, hat es aus meiner Sicht schon eine Berechtigung. Man kann nämlich dann darüber diskutieren und Pro/Kontra herausarbeiten, Zusammenhänge entdecken oder es vielleicht gar aus der Welt räumen. Bei Gerüchten, die etwas Nettes vermitteln, hat auch keiner etwas dagegen, wenn man darüber spricht und die Betroffenen verstorben sind.
Es gibt da den alten Witz von dem Kind, das mit der Mutter über den Friedhof geht, die Grabinschriften liest und fragt: "Mama, wo sind eigentlich die bösen Leute begraben?"
(Wobei das natürlich bei Diskussionen differenzierter zu machen ist, weil ja keiner rein gut oder böse ist.)