Zitat von Jeannot im Beitrag #36Ich muß noch mal auf den QUO VADIS zurückkommen. Wer den (älter wirkenden) und körperlich ausgezehrten Balthoff in EHE IM SCHATTEN gesehen hat, der wundert sich schon, daß ein kühner und kluger Besetzer auf die Idee kommt, diesen für den fast halb so alten Ustinov-Nero-Mops zu besetzen. Wer genau hinhört merkt, daß Balthoff höher als gewöhnlich spricht. Für mich ist dieser Streich (wenn man so will) einer der ganz großen Höhepunkte der Synchrongeschichte. Klingt pathetisch - ist aber so. Vielleicht hätten sie auch Gentzen nehmen können, aber der war durch das Lewis-Geblödel vielleicht zu viel vorbelastet. U. U. hätte er diesen Nero (der ja so ohnehin nicht gewesen ist) im Übermaß als Weichei dargestellt.
Balthoff war damals wirklich nicht unbedingt naheliegend, für spätere Ustinov-Rollen könnte ich ihn mir auch nicht vorstellen. Aber hier war er trotz des Altersabstands perfekt; der höhere Klang soll diese vielleicht sogar kaschieren, mit Sicherheit jedenfalls die tuntig-wehleidige Art dieses Nero betonen.Gentzen wäre sicher zu befürchten gewesen. Ansonsten könnte ich mir eventuell auch Niendorf vorstellen, der durchaus weinerlich klingen konnte, aber zu dieser Zeit kaum interessantere Rollen bekam.
Niendorf hätte für meinen Geschmack zu männlich und aufrecht geklungen. Balthoff flackerte stimmlich nah am Irrsinn, schwebte immer auf einer Schwelle, die man unbewusst wahrnahm. Und konnte sich grandios in den Abgrund fallen lassen, wie hier als Nero. In der Tat eine der ganz großen Sychronleistungen.
Mir gefällt Alfred Balthoff deutlich besser als Ustinov selbst - der gab eine gute Fassade ab, aber irgendwie war seine sprachliche Gestaltung etwas zu kindisch. Der Altersunterschied macht recht wenig aus, nicht nur, weil Balthoff etwas höher spricht. Ustinov sah nicht aus wie 30. Er sah auch nicht aus wie 40 oder 50. Er hatte so ein undefinierbares Alter, das alles von 30 bis 60 sein konnte. Nie und nimmer denke ich, dass jemals ernsthaft wer wie Horst Gentzen in Betracht gekommen wäre für die Rolle, obwohl der Film erst 1954 synchronisiert wurde. Gentzen war nicht nur neun Jahre jünger, er hörte sich auch mit 24 an, als wäre er gerade mal 20. Da hätten Stimme und Gesicht nicht zusammengepasst, selbst wenn man das Jerry Lewis-Getue ausgeblendet hätte.
Balthoffs Ustinov ist ein Highlight seiner Synchronkarriere, während Ustinov eigentlich kaum mehr als eine stereotype Karikatur liefert, die Charles Laughton imitiert. Im Rahmen dessen ist er natürlich großartig, aber die Rolle ist überbewertet.
Ohne die Szenen mit Ustinov und Leo Genn, beide kongenial synchronisiert, könnte man diesen Film als absolut ungenießbar einstufen.
Ich könnte mir Niendorf durchaus in der Rolle Neros vorstellen, wenngleich das 1954 eher unwahrscheinlich gewesen wäre.
Ich denke, dass eine ganze Reihe von Sprechern für die Nero-Rolle in Frage gekommen wären und da Ustiniv kein echter Star war und keine Kontinuität vorlag, hätte man einiges ausprobieren können: Werner Peters, Fritz Tillmann, Ernst Schröder, Martin Held - und im Grunde genommen wäre sogar Friedrich Joloff in Frage gekommen (was sicher interessant gewesen wäre).
Insofern ist die Besetzung mit Alfred Balthoff natürlich auch als Geniestreich zu werten und sein Zusammenspiel mit Joloff hat knisternde Magie.
Den bereits aufgelisteten Filmen, in denen Balthoff in einer Richter-Rolle zu hören ist, möchte ich noch "Die Rache der Pharaonen" hinzufügen, wo er den Coroner (John Stuart) spricht.
Diese Tage erschien das Buch "Das Haus am Waldsängerpfad" von Thomas Blubacher, das neue und bisher weitgehend unbekannte biographische Erkenntnisse über Alfred Balthoff enthält, insbesondere darüber wie er die Kriegsjahre im NS-Deutschland überlebte.
Die österreichische Tageszeitung "Kurier" veröffentlichte begleitend dazu sogar einen Artikel Was den Schauspieler Alfred Balthoff so ärgerte. Das dort gezeigte Foto mit Heinz Drache stammt übrigens aus "Madeleine Tel. 13 62 11" (1958).
Balthoffs Zeit in den Kriegsjahren war für mich lange Zeit eine Blackbox gewesen wo ich nicht wirklich was konkretes in Erfahrung bringen konnte.
Das Leben von Alfred Balthoff ist wirklich eine einzige Tragödie die man durchaus gut verfilmen könnte. Nur leider fehlt da das allgemeine öffentliche Interesse an der Person, um das mit angemessenem Budget und Aufwand zu machen selbst wenn da ein Wille vorhanden wäre.
Auch von mir danke für den Hinweis! Das Buch werde ich mir zulegen; sollte es bisher noch nicht erwähnte Informationen zu Alfred Balthoff enthalten, würden die natürlich dann auch hier erwähnt. Dass er homosexuell war, war mir bisher noch nicht bekannt. Neben seinen traumatischen Erlebnissen vor 1945 (die schlimm genug gewesen sein müssen) kam das natürlich in der Adenauer-Zeit noch dazu.
Danke! Wenn man ihn bisher nur älter kennt, ist es natürlich interessant, Bilder von ihm in jüngeren Jahren zu sehen (auf denen er allerdings schon unverkennbar ist).
Ach, Alfred Balthoff - ein toller Schauspieler. Die Stimme habe ich schon als Kind bewundert, wie er moduliert, ins Theatralische abgleitet und sich wieder zurücknimmt. Großartig in Weißes Gift, Quo Vadis, natürlich auch als Fuchs in Pinocchio (dagegen ist Juhnke einfach nur laut),in Casablanca und als Don Camillo. Danke für die neuen Infos. Ich wusste bislang nur, dass er im Untergrund die Nazizeit überlebt hat. Die Homosexualität hatte ich leise vermutet als ich seinen Nero hörte. Das war einfach zu perfekt.