Zitat von Pinocchio im Beitrag #90Ach, Alfred Balthoff - ein toller Schauspieler. Die Stimme habe ich schon als Kind bewundert, wie er moduliert, ins Theatralische abgleitet und sich wieder zurücknimmt. Großartig in Weißes Gift, Quo Vadis, natürlich auch als Fuchs in Pinocchio (dagegen ist Juhnke einfach nur laut),in Casablanca und als Don Camillo. Danke für die neuen Infos. Ich wusste bislang nur, dass er im Untergrund die Nazizeit überlebt hat. Die Homosexualität hatte ich leise vermutet als ich seinen Nero hörte. Das war einfach zu perfekt.
"Casablanca"? In der (lange nicht greifbaren) Erstsynchro ist er mir nicht untergekommen. Und als die zweite entstand, war er schon seit Jahren nicht mehr aktiv. Dass er in "Quo Vadis" sehr tuckig klang, muss nicht unbedingt etwas bedeuten, da es an der Rolle lag. Was seine Lebensgeschichte betrifft, so empfehle ich die Beiträge von fortinbras zu Beginn dieses Threads.
Nee, die zweite Synchro ist ja schrecklich. Ich dachte, dass er in der ersten Fassung Peter Lorre synchronisiert. Das war aber Walter Bluhm. Sorry für den Irrtum.
Zitat von Pinocchio im Beitrag #92Nee, die zweite Synchro ist ja schrecklich. Ich dachte, dass er in der ersten Fassung Peter Lorre synchronisiert. Das war aber Walter Bluhm. Sorry für den Irrtum.
Vielleicht ist sie keine Sternstunde, aber schrecklich ist ganz was Anderes. Oder ist das eine weitere Verwechslung, diesmal mit "Berüchtigt"?
Vielen Dank für Nathan der Weise. Eines meiner Lieblingstheaterstücke. Großartig.
Ich kannte Casablanca ursprünglich nur in der neue Synchronisation und habe mich immer gefragt, warum so ein Gewese um den Film gemacht wird. Dann habe ich ihn auf englisch gesehen und konnte es verstehen und kurz darauf habe ich auch die erste deutsche Fassung sehen können. Ein ganz anderer Eindruck. Viel lebendiger. Da knistert es wirklich. Und die rausgeschnittene Szenen haben mich jetzt nicht gestört. Die kann man sich ja sehr gut auf englisch wieder dazu kopieren.
Zitat von Pinocchio im Beitrag #96Ich kannte Casablanca ursprünglich nur in der neue Synchronisation und habe mich immer gefragt, warum so ein Gewese um den Film gemacht wird. Dann habe ich ihn auf englisch gesehen und konnte es verstehen und kurz darauf habe ich auch die erste deutsche Fassung sehen können. Ein ganz anderer Eindruck. Viel lebendiger. Da knistert es wirklich. Und die rausgeschnittene Szenen haben mich jetzt nicht gestört. Die kann man sich ja sehr gut auf englisch wieder dazu kopieren.
Und es hat dich auch "nicht gestört", dass man neben den Kürzungen auch die politische Haltung entfernte, drastisch in die Handlung eingriff und so versuchte, dem Film einen völlig anderen Inhalt zu geben? Die TV-Synchro mag zwar steril klingen, aber man gab sich bei der musikalischen Untermalung und bei den Dialogen viel Mühe, ebenso wie viele Rollen hervorragend und teilweise originell (der kürzlich verstorbene Claus Biederstaedt!) besetzt wurden. Die Eingriffe bei "Notorious" erscheinen da im Vergleich harmlos, da sie (wie schon öfter angesprochen wurde) lediglich den MacGuffin betrafen und die "eigentliche" Geschichte nicht weiter beeinflussten.
Nein, es hat mich nicht gestört. Und auch bei weißes Gift hat es mich nicht gestört. Ich sehe beide Filme lieber in den Erstsychronisationen, weil sie von der Atmosphäre her näher am Original sind. Die beiden neuen Fassungen sind mir einfach zu steril. Sie sind von der Übersetzung her richtig aber der Funke springt für mich überhaupt nicht über.
Nun bin ich endlich dazu gekommen, das Buch zu lesen und zitiere daraus etwas zu einem von fortinbras erwähnten Punkt:
Zitat von Gast im Beitrag #1Balthoff konnte aber im Getümmel flüchten und tauchte bis 1945 unter. Wo genau er in dieser Zeit war, das lässt sich nirgendwo belegbar eruieren. Kollegen, die ihn vor- und nachher kannten, mussten aber eine vollständige Wesensveränderung feststellen. Vage Andeutungen lassen darauf schließen, daß er jahrelang in kleinsten schrankgrossen Kämmerchen hauste, nur mit minimalen sozialen Kontakten. Um abermals Wolfgang Gasser zu zitieren: "Die Isolation, in der er sich hier offenbar befand, hat er wohl den Rest seines Lebens weitergetragen."
Bereits zu Beginn (S. 10f.) heißt es, dass Alfred Balthoff zu den Verfolgten gehörten, denen das in einer "privilegierten Mischehe" lebende Ehepaar Trude und Fritz Wisten half und die sie zeitweise auch bei sich beherbergten: "Immer wieder verließ ´das Nervenbündel Freddy´, aufgeputscht durch Pervitin, geradezu tollkühn die Betazeile 3, um allerlei zu organisieren (´Er brachte immer irgendwelche Lebensmittelkarten an, mit der Zuteilung konnte man ja nicht leben.´), um ins Theater zu gehen, um seinen Freund Ernst zu treffen, einen deutschen Landser, der bald darauf in Sizilien fiel, oder abends am Schlachtensee neue Bekanntschaften zu schließen - gefährdet nicht zuletzt durch jüdische ´Greifer´ im Dienst der Gestapo und erst in den letzten Monaten vermeintlich geschützt durch einen schlecht gefälschten, aber nervenberuhigenden dänischen Pass auf den Namen Alfred Petersen." (Als Quellen für die Zitate werden Aussagen der beiden Wisten-Töchter genannt.) An anderer Stelle (S. 7781) geht es etwas genauer um die Umstände seiner Flucht und seines Lebens im Versteck. Dort heißt es, dass er vor dem Kontakt zur Familie Wisten über sechzig "Flitzquartiere" gehabt habe, zuvor eine heimliche Ausbildung zum Koch gemacht hatte (um davon in der erhofften Emigration leben zu können) und ein sehr starkes Interesse an Musik und Literatur hatte, das sein damaliger Liebhaber nicht im geringsten teilte. Gegen Ende des Buches gibt es einige Informationen zu seiner Theater- und Synchronkarriere sowie seinem Lebensweg und seiner Persönlichkeit, die sich weitgehend mit dem von fortinbras bereits geschriebenen decken (S. 118f.). U. a. werden dort die Direktoren des Wiener Burgtheaters Gerhard Klingenberg und Achim Benning zitiert, die ihn als einen durch Traumatisierung stark geprägten Mann beschreiben, der "von einem Tag auf den anderen von innigster Freundschaft in größte Feindschaft (...) verfallen" konnte und "ein sehr komplizierter Bursche" gewesen sei.
Ich wollte auf einen früher angesprochenen Punkt zurückkommen:
Zitat von Gast im Beitrag #2Auch hier ist ein Irrtum erkennbar: Balthoffs Weggang nach Wien war auch nicht Schuld für das Ende seiner Synchronarbeit, denn die war 1971 bereits vier Jahre vorbei.
Zu dieser Frage gab es in der Steinzeit des Forums sogar mal einen eigenen Thread, der aber schnell dazu überging, das typische Strickmuster eines Reinecker-Drehbuchs zu beschreiben:Warum hat Alfred Balthoff sich so relativ früh vom Synchronisieren zurückgezogen Aber sein plötzlicher Abgang 1967 erscheint schon auffallend, wenn man bedenkt, dass er einige Jahre zuvor (wie Stefan mal meinte) "praktisch nicht aus den Synchronateliers herauskam". Wenn man sich die chronologische Auflistung in der Synchronkartei und -Datenbank ansieht, scheinen seine Rollen ab etwa 1961/62 von Jahr zu Jahr weniger geworden zu sein. Bei Edward G. Robinson etwa wurden nach 1960 Klaus W. Krause und Walther Suessenguth jeweils zweimal besetzt, Suessenguth beide Male bei der MGM, Krause einmal bei der BSG und einmal in München, aber bei der Ultra, so dass theoretisch auch ein Gast aus Berlin denkbar gewesen wäre. Letzteres galt auch für den Einsatz von Hans Hinrich in "Leih mir deinen Mann". Nach 1965 sind bei Arne und Slartibartfast nur fünf Rollen verzeichnet: neben "Tanz der Vampire" noch "Der Man, der zweimal lebte", "Hotel Paradiso", "Lady L" und "Privileg". Ob Balthoff allmählich das Interesse an der Synchronarbeit verlor bzw. ihm das Pendeln zwischen Berlin und Düsseldorf lästig wurde? Daneben wäre der Synchronsprecher-Streik möglicherweise ein Grund: Auch wenn er an diesem nicht aktiv beteiligt war, könnte es ihn vielleicht abgeschreckt haben, dass Einige für ihr Engagement abgestraft wurden. Aber das ist nur eine Vermutung.
Es ist auffällig, dass einige der ganz Großen sich ab 1966/67 auf München umorientierten (Dux, Lukschy) und/oder verstärkt für spezielle berliner Studios tätig waren (Ackermann und Martienzen für Brunnemann). Durchaus denkbar, dass sie sich mit dem Streik solidarisierten bzw. frustriert darüber waren (vielleicht auch keine Lust, mit "Streikbrechern" zusammen zu arbeiten - blanke Spekulation). Durchaus denkbar, dass Balthoff die konsequenteste Entscheidung diesbezüglich traf. Oder geriet er direkt mit Erich Fiedler aneinander? Sie haben ja ordentlich gemeinsame Szenen in "Tanz der Vampire" (und die markant unterschiedliche Vergangenheit beider in der NS-Zeit wurde ja schon thematisiert). Präzedenzfälle gibt es (Rolf Ludwig), dass nach einem ordentlichen Krach Schluss war mit der Synchronarbeit überhaupt. Aber auch das ist ausdrücklich blanke Spekulation!
Viele gemeinsame Dialogszenen mit Erich Fiedler gab es zuvor aber auch schon in vielen anderen Filmen, da sehe ich weniger einen möglichen Grund. Und wie bereits erwähnt, scheinen Balthoffs Rollen auch in den Jahren zuvor kontinuierlich immer weniger geworden zu sein.
Zitat von Gast im Beitrag #4Peter Ustinovs Nero hauchte er in "Quo Vadis" ordentlichen Wahnsinn ein und übertrumpfte dabei durchaus das Original (vor allem im Zusammenspiel mit Friedrich Joloff!).
Eine seiner "großen" Szenen aus diesem Film steht in deutscher Fassung online:https://www.youtube.com/watch?v=TBw7gZN8NMw Hier wäre zum Vergleich das Original:https://www.youtube.com/watch?v=fEj1h7BC2b4 Zumindest bei dieser Szene würde ich jetzt nicht sagen, dass Balthoff "das Original übertrumpfte"; aber eine kongeniale Umsetzung bot er auf jeden Fall.
Hier war Balthoff wirklich toll für Ustinov, ich bin aber nicht sicher, ob er generell als Stammsprecher funktioniert hätte. Könntest du ihn dir noch in anderen Ustinov-Rollen vorstellen?
Zitat von Oliver Laurel im Beitrag #104Könntest du ihn dir noch in anderen Ustinov-Rollen vorstellen?
Ehrlich gesagt nicht, obwohl ich ihn hier auch sehr überzeugend finde. In späteren Jahren hätte sich der Altersabstand sicher bemerkbar gemacht, und für den immer schwerer werdenden Ustinov hätte Balthoff sicher irgendwann zu zerilich geklungen. Übrigens fällt wirklich auf, dass er hier (wie von fortinbras mal bemerkt) etwas höher als gewohnt spricht.