"Der wahrscheinlich beste Horrorfilm des Jahres, den niemand kennt" - hieß es mal in einer Headline (hehe) zu dem Film, den wahrscheinlich wirklich die wenigsten bis jetzt gesehen haben dürften und wohl noch werden. Viking Vengeance erschien vor gut anderthalb Wochen in den bundesweiten Wühlregalen. Hierbei handelt es sich um einen kleinen Fantasystreifen aus dem Indie Bereich. Klein in Bezug auf das Budget (30,000 US Dollar) als auch auf die Laufzeit (73 min). Der Film entstand unter der Regie von Jordan Downey (ThanksKilling).
Die Kurzgeschichte handelt von einem namenlosen Krieger ("Vater", gespielt von Christopher Rygh, The Last Kingdom) und dessen Rachedurst auf die eine Bestie, die einst seine Tochter (Cora Kaufman) ermordete. Fortan verdiente er sein Geld im Jagen und Töten von Monstern, die das Königreich tagtäglich bedrohen, in stetiger Suche nach dem einen Ungeheuer von damals, welches sein Kind auf dem Gewissen hat.
Der "deutsche" Titel, lässt anfangs mehr auf billigen Wikinger-Trash schließen und unterscheidet sich – trotz alliterierendem Klang – kaum von solch Kreativgurken wie Viking Legacy, The Last Warriors, The Last King etc. etc. Da macht der Originaltitel schon mehr Sinn, da es der Krieger auf die Köpfe seiner Widersacher abgesehen hat; es sich offenbar bewährte, sich seiner Feinde durch Enthauptung zu entledigen und sich deren Visagen schön brav ins Wohnzimmer auf Pfählen aufgespießt zur Genüge zu führen. Dabei hat er sich eine beachtliche Sammlung, augenscheinlich bestehend aus Orks, Wampas und Lykanern, über die Jahre angelacht. Nur eben DER eine Kopf fehlt ihm noch. Bis er dann endlich eines Tages den Auftrag erhält, auf den er schon so lange brannte und es ihm aus seinem trauten Eremitenheim im Wald verschlägt.
Die Umsetzung erfolgte mittels minimalistischem Aufwand. Der Low-Budget-Produktion merkt man leider schmerzhaft an, dass es für ihr eigenes Vorhaben an Ecken und Kanten mit dem Geld gefehlt hat. So finden tatsächlich alle (!) Auseinandersetzungen (ausgenommen dem Endkampf) mit den Monstern im Off statt. Man hört nur das Brüllen des Berserkers und seines Kontrahenten und das Klirren seiner Axt oder des Schwertes. Zuweilen reitet er auf seinem Pferd davon, sobald ein Horn ertönte, und kehrt Sekunden darauf blutverschmiert und mit siegreicher Ausbeute im Sackgepäck zurück, um kurz darauf die Trophäe in der Bude zu drapieren. Stellt sich dann die Frage, was man sonst die ganze Zeit in einem mittelalterlich angehauchten Fantasy-Creature-Feature zu sehen bekommt, wenn nicht die Kämpfe mit den Ungetümen? Nahezu der gesamte erste Akt begleitet den Vater bei seiner täglichen Routine, wie der Nahrungszubereitung, dem Besuch des Grabes seiner Tochter, dem Herstellen eines seltsamen Selbstheilungsgebräus (womit er seinen geschundenen Körper nach jedem Kampf benetzt, um wieder zu genesen und der im späteren Teil noch eine besondere Bedeutung bekommt) oder wie er in die Schlacht hinaus reitet. Schon nach kürzester Zeit zeichnet sich ab, dass ein Spannungsbogen fehlt, wenn man dem Hünen bloß beim Suppe kochen Gesellschaft leistet, als im Kampfgetümmel. Christopher Rygh trägt zumindest seine One-Man-Show gekonnt allein über die Laufzeit hinweg und wirkt in seiner Aufmachung halt auch einfach authentisch genug, um als mittelalterlicher Bestienbezwinger durchzugehen, der auch gut einer GoT-Folge entsprungen hätte sein können. Dass es sich hierbei nun um einen waschechten Wikinger handeln soll, ist allerdings auch mehr dem deutschen Verleihtitel zu verdanken und eventuell der Tatsache, dass seine Rüstung entfernt an die Marcus Nispel Varianten aus Pathfinder erinnert, als dass man bewusst von einem Wikinger als Ursprungsgedanke ausgegangen ist.
Als der Krieger zu seiner für ihn wichtigsten Jagd gerufen wird, zieht der Film mehr am Gas. Hierbei verschlägt es unseren Protagonisten auch auf eine "längere" Reise, die von durchaus beeindruckenden Landschaftsaufnahmen bebildert wird. Im Grunde genommen, hätte man nach der Voice-Over-Einführung zu Beginn dann auch gleich hier starten können. Dies geschieht allerdings erst nach einer guten halben Stunde, bei einem Film, der für den Rest nur noch praktisch genauso viel Zeit zur Verfügung hat. Wäre er zwar noch etwas kürzer ausgefallen, jedoch ist das Geschehene bis hierher eher Beiwerk und hätte genauso gut in 5 Minuten erzählt werden können. Man braucht nicht dreimal zu zeigen (bzw tut man auch nicht ^^), wie der Krieger zur Jagd losreitet, wenn das Ereignis selbst fehlt.
Im weiteren Verlauf baut sich immerhin mehr Spannung auf, als es dann gegen den eigentlichen Antagonisten geht. Dabei setzt der Film sehr viel auf Suspense, sodass man entfernt an einen Horrorfilm denken kann. Die Bestie selbst enttäuscht dagegen wieder etwas. Hatte was von einer Fright Night-Version von Lispel der Qualle aus Alfred Jodocus Kwak. Aber schauerlich eher nicht. Das Ende mag dann nochmal zu verblüffen; ist es doch in irgendeiner Weise konsequent. Bleibt am Ende ein solider Streifen, der aus seinem geringen Budget an Mitteln wahrscheinlich noch reichlich rausgeholt hat, aber trotz seiner schon mageren Laufzeit gefühlt zu lange geht, da man sich anfangs mMn zu sehr mit Nebensächlichkeiten beschäftigt, als den Film gleich mit der eigentlichen Jagd zu starten, weshalb er zu Beginn viel an Spannung einbüßt.
Kurz noch ein Wort zur Synchro; die in Hamburg bei der SYNCH!SYNCH! angefertigt wurde, unter dem Kommando von Angelika Scharf, die auch das Dialogbuch lieferte. Frank Logemann leiht unserem wortkargen Protagonisten Rygh seine Stimme. Logemann kommt bisher, der SK nach, nur auf vier einzelne Einsätze (mit dem hier fünf). Nach dem Trailer war ich erst skeptisch, im Film hatt' es dann doch gut miteinander harmoniert, wobei ich den O-Ton bevorzugen würde, da Ryghs Organ nochmal ne Spur mehr auflegt. Ein kleiner übler Nachgeschmack war jedoch, dass sich Logemann extrem clean nach Mikro anhörte, was dann doch befremdlich wirkt, wenn er gerade in der Wildnis ist, seine Stimme aber astrein wie Studiosound klingt. Florentine Stein ist für die Tochter zu hören; Tammo Kaulbarsch für die Bestie.
The Man Who Killed Hitler and Then The Bigfoot (2018)
Was für ein Titel! Lässt einen vermutlich zuerst an eine Komödie denken (oder an verrückte Grindhouse-Exploitation)? Wer nun pures Trash-Gelage erwartet, wird auf weiter Strecke jedoch enttäuscht werden. Denn der Film nimmt sich ernster, als es sein Titel vermuten lässt (am besten vorher mal den Trailer sichten) und ist vielmehr ein gewichtiges Charakterdrama mit einem starken Sam Elliott in der Hauptrolle. Für Regisseur Robert D. Krzykowski (Kurzfilm Elsie Hooper) ist es sein Spielfilmdebüt, dessen Grundidee bereits vor 12 Jahren entstand. Da der Film noch relativ neu ist, an dieser Stelle SPOILERWARNUNG!
Sam Elliott spielt den kauzigen Veteranen Calvin Barr, der einst in seinen jungen Jahren (gespielt von Aidan Turner) den Führer höchstpersönlich still und heimlich in dessen Versteck exekutierte. Eine Mission, die ihm seine Jugendliebe Maxine (Caitlin FitzGerald) kostete. Nur die wenigsten wissen von Barrs Tat, wobei es ihm auch nie nach irgendwelchen Ehrungen trachtete, da er eigentlich das Töten wie kein anderer verabscheut. Und nun, nach circa 40 Jahren, soll es ausgerechnet an ihm liegen, das legendäre Mythenwesen zu erlegen. Denn dieser ist nämlich der Überträger einer todesbringenden Seuche und nur Calvin, unter vielleicht einem Dutzend von Leuten, scheint immun gegen dessen Keime zu sein, um dem Haarigen an den Pelz zu gehen.
Das Casting von Sam Elliott und Aidan Turner - jeweils für den alten und jungen Barr - ist exzellent! Turner mit Schnauzer sieht wirklich exakt wie eine jüngere Version von Sam Elliott aus. Die Story springt dabei immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. In den ersten Minuten könnte man tatsächlich noch meinen, einem abstrusen Genre-Klamauk zu bestaunen (Stichwort Uhr mit Hakenkreuz als Zeiger, wie auch immer man da die Uhrzeit ablesen kann XD). Sehr originell. So fährt die Handlung im weiteren Verlauf dann aber nahezu bodenständig fort, mit einem äußerst gelassenen und zugleich charismatischen Elliott in seinen alten Tagen. Versunken in seiner Einsamkeit, in der ihm nur sein Hund Ralph Gesellschaft leistet und die von gelegentlichen Geplänkeln mit seinem Bruder Ed (Larry Miller) aufgelockert wird. Mir gefiel Elliott in der Rolle sehr, trotz der überwiegenden Passivität seiner Figur, die er zugleich eben mit genügend Coolness und trockenem Humor abrundet. Auch in der Synchro kommen die Charakterzüge von Barr perfekt durch einen genauso grandiosen Reiner Schöne mit seinem herrlichen Timbre rüber, der dem Charakter enorme Tiefe und Wehmut verleiht. Die Romanze zwischen Turners Calvin und Maxine ist zudem äußert nett mit anzuschauen und die beiden haben ein paar wirklich schöne Dialoge miteinander. Mag es für den einen vielleicht zu viel Kitsch sein, so konnte ich mich auffallend oft mit der schüchternen Darstellung des jungen Barr identifizieren, der seiner Angebeteten zu gerne einen Antrag machen wollte, sich aber nie getraut oder es die Situation nicht zugelassen hat, bis es schließlich zu spät war. Der tragische Ausgang ließ mich dann auch emotional mitfühlen.
Die Ruhe des älteren Barr wird je gestört, als er vom FBI – zunächst vergeblich – rekrutiert werden soll, dem Bigfoot den Garaus zu machen. Hier macht man es sich in der Story leicht, indem man Barr zum Letzten auf einer Kandidatenliste an potentiell möglichen Monsterjägern erklärt, weil alle anderen bereits tot seien und auch Ron Livingstons FBI-Mensch von seinem Vater (?) Geschichten erzählt bekommen hat, von dem einen Mann, der quasi den Zweiten Weltkrieg im Alleingang beendete. Barr, der die Männer vehement mit seinem Wunsch nie wieder zu töten abweist, lässt sich nach einer kurzen Plauderei mit seinem Bruder dann doch schnell vom dem Auftrag überzeugen, was natürlich schon allein aufgrund des Titels zu erwarten war, aber dann doch leicht unlogisch in der bisherigen Darstellung der Figur und seiner Überzeugungen wirkte.
Die Jagd bzw. Suche nach dem Bigfoot wurde offenbar komplett gecuttet. Stand Elliott kurz zuvor noch vor einer malerischen haushohen Feuerwand, erfolgt in der nächsten Einstellung bereits der Schuss auf das Wesen, die eine ziemlich verwackelte und unglaublich hektisch geschnittenen Verfolgungsjagd nach sich zieht, was sich, durch dessen plötzliches Einsetzen, sehr inkohärent zum vorherigen Erzähltempo des Films für mich angefühlt hat. Der Bigfoot wird überraschend oft gezeigt und dessen Aussehen ist ja mal creepy as fuck! In den Auseinandersetzungen geht es auch teils recht rabiat zu und lässt dann doch einen kurzen Anflug von trashigem Monster-Charme versprühen, wenn Barr ungestüm mit seinem Messer auf die Horrorgestalt einsticht und der Bigfoot im Gegenzug mehrere Kotzladungen auf Elliott abwürgt – was dann schon wieder so over the top und skurril war . Ob jetzt nun genau diese bizarre Prügelei dafür verantwortlich war, dass der Film mit einer 16ner-Einstufung der FSK bedacht wurde? Fände ich dann doch zu übertrieben. Kann mir aber nicht vorstellen, dass es an den Extras liegt...
Wie das Finale ausgeht, möchte ich jetzt natürlich nicht vorweg nehmen, nur, dass ich nicht gänzlich davon überzeugt war und es ein Stück weit doch arg in die Länge gezogen wurde. Nichtsdestotrotz hat mir der Film über weite Strecke sehr gut gefallen. Komplizierter ist es hingegen schon eine Empfehlung auszusprechen, für welch ein Publikum dieser Film nun genau geeignet ist. Im Kern geht es auch hier um einen Mann im Kampf mit seinen eigenen Dämonen, wobei eben die beiden titelgebenden Tötungsopfer stellvertretend für die Aufarbeitung und den Umgang mit der fiktiven Lebensgeschichte des Protagonisten und seines Verlustes und seiner Reue stehen. Fans von Charaktermime Sam Elliott werden sicher voll auf ihre Kosten kommen.
Zitat von WasGehtSieDasAn im Beitrag #242Was für ein Titel! Lässt einen vermutlich zuerst an eine Komödie denken (oder an verrückte Grindhouse-Exploitation)?
Ich persönlich hatte bei dem Titel eher direkt an B-Movie Trash der übleren Sorte gedacht. Das der Film sich dann doch so ernst nimmt und dabei nicht in eine unfreiwillige Komödie wie "The Room" hinabrutscht überrascht mich dann schon. Vielleicht schaue ich mir den Film doch noch irgendwann an, denn bisher hatte ich den Film allein vom Titel schon kategorisch abgelehnt, auch wenn mir bewusst ist, dass man ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen sollte.
Diesen Film habe ich am 01.01.2012 in einem Programmkino in meinem Wohnort gesehen und trotz seiner fordernden Art ist er bei mir hängengeblieben, weswegen ich ihn nochmal sehen wollte, was ich neulich getan habe.
Zentraler Punkt dieser polnisch-schwedischen Co-Produktion ist das Bild "Die Kreuztragung Christi" aus dem Jahre 1564 von Pieter Bruegel d.Ä., um dessen Entstehung es geht. Pieter Bruegel (Rutger Hauer) erhält von dem Kunstsammler Nicolas Jonghelinck (Michael York) den Auftrag zu diesem Bild und überlegt sich die Herangehensweise. Das ist eigentlich auch schon im Wesentlichen der Inhalt. Das Weitere ist eine Aneinanderreihung von Szenen, die einen, größtenteils mit Verzicht auf Dialoge, in diese oftmals bedrückende Zeit eintauchen lassen, in der man einerseits die durchaus spartanische Lebensweise des einfachen Volkes kennenlernt und andererseits die grausame Schreckensherrschaft der Spanier zu Gesicht bekommt, die seinerzeit das Land besetzt hatten und wo die Inquisitoren brutal die Menschen unterdrückten. Die ganze Szenerie dient übrigens auch als Metapher für das Bild, dass eine zeitlich Verfremdung beinhaltet. Mehr zu erklären, wäre allerdings entweder zu verwirrend oder ein unnötiger Spoiler.
Die Musik, die hier sparsam eingesetzt wird, unterstützt die durchaus bedrückende Atmosphäre dieses Films noch zusätzlich. Was man außerdem merkt, ist die Tatsache, dass es sich um eine Studioproduktion handelt; auch, weil desöfteren mal der Bluescreen eingesetzt wird, was den Film einerseits sehr künstlich erscheinen lässt, andererseits aber auch bewusst macht, dass es sich um ein lebendes Gemälde handelt, was schon einzigartig ist, aber auch einen Irritationseffekt erzeugen mag. Letzteres habe ich zumindest so empfunden.
Am Ende sieht man übrigens in einer Kamerafahrt das echte Gemälde, dass im kunsthistorischen Museum in Wien hängt. Die Kamera fährt aus dem Bild heraus und dann noch etwas zurück, so dass man auch noch die Räumlichkeiten zu sehen bekommt.
Noch ein Hinweis: Bei "good movies", wo der Film erschienen ist, kann man ihn noch zu einem vernünftigen Preis erhalten.
"Unsere Sonne stirbt." Während wir zuletzt noch Sonne satt hatten, droht der lebenswichtige Stern in Danny Boyles fiktionaler Zukunftsvision zu verglühen. Die Welt ist bereits in einem eiszeitähnlichen Frühstadium versunken. Abhilfe soll eine gewaltige Nuklearexplosion sorgen: eine Bombe, festgeschnallt an Bord eines Raumkreuzers, der Ikarus II – in dessen Folge durch die Detonation, der Motor der Sonne wieder zum Laufen gebracht werden soll. Soweit in der Theorie. Hört sich erstmal nach einer schönen Idee für effektüberfrachtetes Bombast-Hollywoodkino mit weniger Science-Fakt, als mehr Science-what the f**k an. Die britische Produktion fühlt sich aber weitaus minimalistischer und nahezu bescheidener an, im Gegensatz zu Katastrophenkrachern wie Michael Bays Armageddon oder solch Untergangsstreifen à la Roland Emmerich. Effekte – vordergründig natürlich die Sonne mit ihren Licht- & Farbspektakeln – werden dennoch zelebriert, wenn auch nicht zum reinen Selbstzweck, sondern um als Zuschauer wirklich ihre Ästhetik, aus Sicht der Bordcrew, zu genießen.
Hatte den Film schon lange nicht mehr im Player gehabt; aufgrund eines zuletzt geführten Filmgequatsches unter Freunden aber mal wieder Lust bekommen, ihn mir anzusehen. Die Hauptrollen füllen Cillian Murphy, Chris Evans und Rose Byrne nebst anderen "bekannten Gesichtern" aus. Mark Strong findet man auch auf der Besetzungsbank wieder, in einer nicht unbedeutenden Nebenrolle. Vom effekttechnischen Stand, sieht der Film fantastisch aus und auch wenn es in den Innensets der Ikarus spielt, hat das Ganze irgendwie so einen angenehmen Old School-Charme, mit all den großen blinkenden und piependen Apparaten in der Steuerungszentrale der Raumfähre. Vom Look her, hat es so was leicht "verlebtes" retromäßiges zu sich. Erinnert mich zumindest an so manch alten Sci-Fi-Klassiker wie beispielsweise den Offensichtlichsten: Alien. Die schauspielerischen Leistungen sind solide bis gut und auch an der Synchro gibt es nix zu meckern. Aber was den Film wohl so eindeutig einprägsam bei mir gemacht hat, ist der erstklassige Soundtrack von John Murphy und Underworld. Wenn zwei Astronauten den Sonnenschutzschild ihres Gefährts reparieren müssen und dabei auf Zeit spielen, da sich ihnen das glühend heiße Sonnenlicht wie ein brausendes Inferno von Minute zu Minute nähert, dann lässt vor allem die stetige Präsenz an Musik einen merklich mitschwitzen. Die euphorische Entfaltung des brennenden Nichts wird musikalisch so grandios eingefangen (Stichwort: Adagio In D Minor), was einfach jedes Mal aufs Neue atemberaubend rüberkommt!
"Kaneda, was können Sie sehen?"
In der zweiten Hälfte, nimmt der Film zudem dann noch eine überraschende Genrewendung ein. Zwar war die Situation schon von Anfang an als Weltraum-Thriller ausgelegt, bestehend aus den Spannungen einzelner Crewmitglieder untereinander und den Aneinanderreihungen von Fehlschlägen, entwickelt es sich dann aber fast schon zu einem Slasher in Space. Da hat der Film auch so manch blutige Einstellung parat, was einen nochmal leicht kritisch auf die 12er Freigabe blicken lässt, wobei eine höhere Freigabe dann schon wieder zu übertrieben wäre. An dieser Stelle, entschärft sich der Film quasi irgendwie selbst gekonnt, ohne dass man denkt, hier würde man offensichtlich zensieren (auch wenn der Film solch andere Stilmittel vermissen lässt), sondern man halt ein filmisches Gimmick draus macht. So wird der durch Sonnenlicht komplett entstellte "Nightmare on Elm Street-Lookalike Killer" immer bloß verzerrt und silhouettenhaft gezeigt. Doch Boyle hat sich sicherlich bewusst dazu entschieden, sonst wäre sein Film wohl eher zum Horrorstreifen verkommen und hätte den Fokus vom Eigentlichen verloren. Außerdem sagt man ja so schön, spielt sich der beste Horror immer in den Köpfen der Zuschauer, als auf der Leinwand ab.
Mit The House That Jack Built konnte mich Lars von Trier letztes Jahr abholen, mit dem – was ich so mitbekommen habe – die meisten (auch langjährige von Trier Fans) wohl nichts anfangen konnten; nicht nur aufgrund seiner abstoßenden Gewaltzelebrierung, sondern auch so generell eher meh. Und mittlerweile ist es auch für mich offensichtlich, wie meta der Film doch ist und das "Enfant terrible" damit einfach nur beide Mittelfinger seinen Kritikern entgegen strecken wollte, die seine "Künste" nicht zu schätzen wissen und ihn verschmähen; ihm Frauenfeindlichkeit und dergleichen vorwerfen, halt das ganze Pipapo was man schon kennt. Jack gefiel mir. Dennoch hält sich das Interesse bei mir jetzt die gesamte von Trier Filmografie nachzuholen, doch mehr als gering. Neugierig machte mich dann aber doch Antichrist – immerhin der "meist gehasste Film von 2009" und schließlich der "wichtigste Film des wichtigsten Regisseurs" – von dem ich früher schon gehört hatte und auch was für eine Tortur jener mit sich bringt, wenn du ihn dir ansiehst. Wenn du kein depressiver Mensch bist, dann wirst du es garantiert danach sein. Propaganda at it's best. Tatsächlich litt von Trier ja selbst jahrelang an Depression – meinte womöglich nie wieder einen Film drehen zu können. Was hier einem nun geboten wird, kommt einer fleischgewordenen Depression allzu nah.
Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe mimen ein namenloses Ehepaar, welches jeder auf seine Weise mit der Trauer umzugehen versucht, die durch den tragischen Tod ihres kleinen Sohnes verursacht wurde. Dafoe, dessen Charakter Psychologe ist, versucht seine Frau aus ihrer tiefen Depression zu ziehen und beginnt damit – wider dem therapeutischen Motto – sie eigenmächtig zu therapieren, im Glauben, ihr somit am besten helfen zu können. In Form einer Konfrontationstherapie kommt nach und nach heraus, dass bei ihr eine unerklärliche Angst vor dem Wald "Eden" besteht. Dort hat die Frau zusammen mit ihrem Sohn den vergangenen Sommer verbracht und gleichzeitig an ihrer Dissertation über Hexenverfolgung gearbeitet. Um sich ihren Ängsten zu stellen, machen sich beide auf den Weg zu ihrer Hütte nach Eden. Zum Ende hin, dürfen sich dann beide in aller Genüsslichkeit gegenseitig zerfleischen.
Wie die Filmhistorie mehrmals schon bewiesen hat, nimmt es nie ein gutes Ende, wenn man aus was für Gründen auch immer, eine einsame Hütte im Wald aufsucht. Die Angst der Frau vor dem grünen Draußen endet schließlich in der Äußerung, dass "die Natur Satans Kirche" sei. Nicht grundlos wurde "Eden" als Name für den Wald gewählt, steht er doch metaphorisch für den göttlichen Garten Eden – das Paradies – welches hier zum Teufelswerk verklärt wird und Gainsbourg zur Anti-Eva macht, die nicht nur in sich eine Hexe sieht, sondern gleich in allen Frauen das pure Böse wiedererkennt, die alle mit dem Teufel im Bunde zu stehen scheinen. Der Wald erscheint stets in einer bedrohlichen und unheilbringenden Inszenierung: albtraumhafte Nebelschwaden liegen über dem eh schon tristen Grau der Natur; ein Hagel aus Tannenzapfen prasselt lautstark nächtlich auf das Dach nieder und die Tiere des Waldes, erscheinen als Verkünder des Todes. Das Symbol der drei Bettler - verkörpert durch ein Reh welches seine Totgeburt mit sich rum schleppt, einen sich selbst verschlingenden Fuchs und eine zombiehafte Krähe - die einem erscheinen, bevor jemand stirbt, sind hier wiederkehrende Motive.
Zusätzlich macht einem der Psychosound zu schaffen, der einen entfernt an das anhaltend nervenzerreißende Pfeifen/Zischen eines Teekessels erinnert und der Film ansonsten weitestgehend komplett auf Musik verzichtet. Nur am Anfang und am Ende wird jeweils zu einer S/W-Montage die Arie Lascia ch'io pianga geschmettert. Dabei wirken die ersten fünf Minuten schon allein wie der reinste Kunstporno. Das kann man praktisch irgendwo ausstellen. Gainsbourg und Dafoe widmen sich zeitlupenartig ihrem ekstatischen Liebesspiel, während der Sohn anmutig aus dem Fenster spaziert und schlussendlich in den stockwerktiefen Tod auf den schneebedeckten Asphalt klatscht. Die Einstellung, wie er das Fensterbrett erklimmt und dabei als erstes sein mitgeführter Teddybär in Großaufnahme sein Plüschhaupt über den Fensterbalken erhebt, ließ mich doch irgendwie an einen alten Godzilla-Schinken erinnern, wie sich der Urgigant über einen Bergkamm reckt.
Zum Ende hin wird es dann wie von allen versprochen unappetitlich, wobei das Extrem beim zweiten Gucken schon wieder verpuffte. Nichtsdestotrotz haben es die Bilder in sich. Während bei einem Hateful 8 das Kammerschauspiel in einem cartoonartigen Schusswechsel endete, bei dem Köpfe explodieren, so bekommt Dafoe hier sein Bein durchbohrt und im Folgenden eine Eisenstange mit daran befestigten Schleifrad dran montiert. Schräg wird es dann, wenn Schniedel Blut ejakulieren und an Mumus rumgeschnippelt wird. Wenn man sich bei Jack dabei erwischt, wie man ein verdutztes "Höhö... was zum Teufel guck ich mir bloß an!?" los wird, wenn Jack einen zuvor erschossenen kleinen Miesepeter präpariert und ihm in bester Joker-Manier "ein Lächeln aufs Gesicht zaubert" – dann ist das schon aufgrund seiner rotzfrechen Darstellung so absurd komisch, dass man einfach zum Schmunzeln getrieben wird, ja vielleicht sogar sollte. Hier wird einem alles bitterböse in voller Härte serviert, was halt konsequent zum Ton des Films passt, dafür weniger verträglich für einige Gemüter sein wird.
Zur Synchro: wie gewohnt Reiner Schöne für Willem Dafoe und Irina Wanka für Charlotte Gainsbourg. Schöne spricht eigentlich die ganze Zeit in einer gelassenen Monotonie, entsprechend dem Schauspiel Dafoes. Wanka: super! Sie fängt perfekt die Zerbrechlichkeit und vorwerfende Gleichgültigkeit von Gainsbourgs zerbrochener Gestalt zu Beginn des Films ein und wenn sie sich dann gen Ende in eine kreischende Furie verwandelt, legt auch Wanka ordentlich Power auf, du lieber Scholli! Ich denke mal gerade Schreiszenen – so befreiend sie auch sein können – sind zugleich dennoch immer mit einer gewissen Überwindung verbunden. Und dann muss man auch noch unter Beobachtung in einer kleinen Kabine aus der Haut fahren, was sicher zusätzlich eine beklemmende Wirkung mit sich bringt. Aber verdammt klasse gespielt!
Unterm Strich mochte ich Jack mehr. Antichrist war da schon zu sehr bedrückend, aber ohne Zweifel war es eine genauso unvergessliche Erfahrung. Aber ich denke, das wird erstmal der letzte von Trier für mich gewesen sein. Dogville sieht zwar noch interessant und experimentell aus, aber Melancholia und Nymphomaniac (um bei den "neueren" Filmen zu bleiben) scheinen nichts für mich zu sein.
Schön, auf was für versteckte filmische "Sonderlinge" man durch zufälliges Rumstöbern noch stoßen kann. Zuerst konnte ich hierzu gar keinen Eintrag in der SK abrufen. Dachte spontan, ob es den vielleicht gar nicht auf Deutsch gibt? Auf YouTube ließ sich dann doch schnell ein deutscher Trailer zu dem Film finden, der zuweilen noch mit dem viel und gleichzeitig nichts sagendem Zusatz Die Wahrheit trägt viele Masken versehen wurde. Und der erste, der sofort zu hören war, war Everybody’s Darling Dennis Schmidt-Foß auf dem maskierten Hauptprotagonisten – oder genauer gesagt, einer von vieren. Die Geschichte folgt nämlich den Handlungssträngen von vier Charakteren, prominent besetzt mit: Ryan Phillippe, Eva Green, Sam Riley und Bernard Hill. Weiterhin spielt sich die Handlung an zwei Schauplätzen ab: im London der Gegenwart und in einer düsteren comicesken Parallelwelt namens Meanwhile City.
Bernard Hill sucht in London nach seinem untergetauchten Sohn David, der aus dem Irakkrieg zurückgekehrt ist und offenbar dem Wahn verfallen ist. Eva Green spielt die Kunststudentin Emilia, die am Leben und an ihrer zerrütteten Familie verzweifelt und sich mehrmals versucht das Leben zu nehmen; gleichzeitig ihre Suizidversuche jedes Mal auf Band aufzeichnet, um daraus ein makabres Videoprojekt zu gestalten. Sam Riley spielt den sitzengelassenen Bräutigam Milo, der kurz nach der geplatzten Hochzeit seiner Sandkastenkameradin von früher – Sally (ebenfalls verkörpert durch Eva Green) – wiederbegegnet. Und Ryan Phillippe ist als maskierter Rächer Jonathan Preest in Meanwhile City unterwegs, um einen Sektenführer – genannt "Das Individuum" – ausfindig zu machen und zu eliminieren, den er für den Tod eines kleinen Mädchens verantwortlich macht.
Der Film ist ein wahrlich verzwicktes, wenn auch extravagantes Potpourri aus allerlei Filmgenres: vordergründig ein verschrobenes Drama mit Mystery- / Krimi-Elementen, gemischt mit einem Hauch an Fantasy-Sci-Fi, etwas Action und einer dystopischen Zwischenwelt. In Meanwhile City – einem Ort, an dem anscheint nie die Sonne scheint – herrscht ein striktes Regime an Glaubensfanatikern. Und Preest ist der einzige Ungläubige in dieser Welt aus Gläubigen, der von den comichaften klonartigen Wächtern des Ministeriums verfolgt wird. Der ausgefallene Comiclook belebt die Stadt und erinnert an Werke wie V wie Vendetta, Brazil oder vielleicht auch an Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen. Die Aufmachung von Preest lässt wohl ohne Zweifel jeden sofort an Rorschach aus Watchmen denken: selber Trenchcoat (nur der Hut fehlt); weiße Maske, die einem mit zwei riesigen seelenlosen Augen angafft; sogar das stets kommentierende Voice-Over von Preest erinnert an Rorschachs Tagebuch (oder an eine Episode aus Sin City). Ähnlich ruppig und mürrisch, wenn auch nicht ganz so rabiat wie sein anmutender Zwilling, geht auch Preest vor, um von seinen "Zielen" an Infos zu gelangen.
Eva Green – die Frau hat es mir angetan – eine absolut fantastische Schauspielerin, die wie geschaffen in solche "andersartigen" Szenarios passt. Perfekte Besetzung in der genialen Serie Penny Dreadful, bei der ihr Schauspiel schon anmuten ließ, tatsächlich vom Dämon besessen zu sein. Auch wenn es sich hierbei sicher nicht um ihre stärkste Rolle handelt, so legt sie abermals eine solch intensive Spielfreude an den Tag. Green frisst einfach jede Rolle und mag es auch manchmal noch so großer Schund sein, ähnlich wie Michael Fassbender. Es ist so faszinierend in den Bann ziehend, mit was für einer Präsenz sie erscheint und wie viel Ausdruck Green schon allein vermitteln kann, wenn sie dir einen schrägen Blick zur Seite zuwirft oder eine kunstvolle kleine Tanzeinlage wie im Fiebertraum vor die Kamera zaubert. Sie ist ganz klar der Showstealer gegenüber ihren männlichen Kollegen in diesem illustren Ensemble. Ähnlich wie bei 300. Da war es schon echt erschreckend, wenn man Eva Green zusammen mit dem Wasserhydranten Sullivan Stapleton in einer Szene hatte; wie hoch sich da das Gefälle anfühlte und wer hier noch wirklich "spielt".
Gen Ende hin verlaufen die vier Handlungsstränge puzzleartig ineinander über und auch wenn man so manchen Twist bereits kommen sieht, fragt man sich dennoch, wie es sich am Ende nun alles zusammenfügen lässt. Der Plot mit Sam Riley wirkte zum Schluss allerdings mehr als nutzlos und die Auflösung hinter Eva Greens Doppelrolle war mit 'nem großen Augenrollen versehen. Der Wechsel zwischen den Storylines ist oftmals sehr hektisch, so dass man wirklich aufmerksam am Ball bleiben muss, um dem Geschehen zu folgen und noch die einzelnen Zusammenhänge für sich miteinander zu verbinden. Mit Sicherheit ein Film den man mehrmals sehen müsste, um ihn voll und ganz zu verstehen. Die Rolle des mysteriösen Hausmeisters/Pastors – gespielt von James Faulkner – blieb mir zum Schluss völlig rätselhaft. Macht es sich der Film eventuell nur selbst vor, etwas ganz Verschachteltes zu sein, als er es schlussendlich ist? Mit seinen gut 90 Minuten (Abspann abgezogen) kommt er jedoch ganz kurzweilig daher. Nur das tatsächliche Ende fand ich ziemlich ungenügend, weil es dann auch sehr plötzlich einsetzte. Für gewöhnlich würde man jetzt damit rechnen, müssten da nicht noch 3-5 Minuten kommen?, um das Geschehene etwas ausklingen zu lassen. Aber nein, mit einem Mal ist Schluss.
Die Synchro ist meines Erachtens ordentlich gelungen und für einen Direct-to-Titel hat man keine Kosten gescheut. Angefertigt in Hannover. Besetzt mit Sprechern aus allen Himmelsrichtungen. Das Quartett setzt sich zusammen aus den Berlinern Dennis Schmidt-Foß für Phillippe, Kim Hasper für Riley, Manja Doering für Green und dem einstigen Kölner Hans Bayer (exzellent passend) auf Bernard Hill. Doering hatte ich anfangs schwer rauszuhören, spricht sie Eva Green deutlich dunkler als man es sonst von ihrer Stimmlage gewohnt ist. Kam dem O-Ton aber erstaunlich nahe, auch wenn ich Katrin Zimmermann heutzutage ungern missen möchte (wohl zu sehr pennybelastet). Daneben finden sich auch Hamburger-Kollegen wie u.a. Sascha Rotermund oder Wolf Frass (für Faulkner) wieder. Frass auch sehr gelungen, der Faulkner hier zum ersten Mal sprach (ein weiteres Mal in Atomic Blonde) und der hoffentlich alsbald mal öfters auch in Berliner Synchros zu hören ist. Bei Dieter Memel als Chef des Ministeriums Tarrant (gespielt von Art Malik), könnte man nun wählen – ist oder war er doch immer so ein Springer zwischen München und Berlin. Erstaunlich, selbst Tom Vogt zu vernehmen, spricht er doch eine sehr kleine gesichtslose Rolle eines der Kleriker-Polizisten.
Unterm Strich ein sehr extravaganter Film, der vom Look oder aufgrund einzelner Versatzstücke vermeintlich oft andere Werke zitiert, sich aber ungewöhnlich und dennoch frisch anfühlt. Die Handlung erweist sich leider manchmal recht wirr, weil sprunghaft erzählt und das Ende-Ende – so logisch die vier Geschichten zuvor auch zusammenmünden – ließ mich etwas enttäuscht zurück.
Grob beschrieben: eine Anne Hathaway-Dramödie mit Riesenmonstern. Dabei fühlt sich Colossal gar nicht so kolossal an. Effekte haben darin maximal 5 Prozent an Show-Anteil. Vielmehr liegt der eigentliche Fokus auf den Problemen zweier Personen, die ihr Leben - jeder von ihnen auf seine eigene Weise - vor die Wand gefahren hat. Bis zu dem Zeitpunkt, da durch eine seltsame Fügung, beide in den Genuss einer wahrlich kolossalen Macht gelangen, um ihren demolierten und unterdrückten Gefühlen ein neues Maß an Ausdruck zu verleihen. Praktisch gesehen, den inneren Schweinehund in einem haushohen Monster zu materialisieren.
Die scheinbar immer zu verkaterte Gloria (Anne Hathaway) verliert nach ihrem Job als Online-Autorin auch ihren Freund Tim (Dan Stevens). Der hat von ihrem durchzechten Leben die Schnauze voll und setzt sie prompt vor die Tür. Gloria verschlägt es alsbald zurück in ihre kleine Heimatstadt. Dort begegnet ihr Oscar (Jason Sudeikis), ein alter Schulkamerad, der ihr bereitwillig eine Stelle als Kellnerin in seiner Bar beschafft - die er im Alleingang schmeißt. Nach sich nächtlich wiederholenden Trinkgelage mit Oscar und seinen Saufkumpanen, schlurft Gloria immer des Morgens über einen Spielplatz hinweg. Kurze Zeit später berichtet alle Welt davon, wie in Seoul ein gigantisches Monster eine Schneise der Zerstörung gezogen hat, bis es sich - so plötzlich wie es erschienen ist - wieder verdünnisierte. Als Gloria sieht wie sich das Ungetüm ebenso wie sie an der gleichen Stelle am Kopf kratzt (ein Tick von ihr) und auch von Mal zu Mal seines Erscheinens, exakt ihre Bewegungen kopiert, erschleicht sich in ihr der üble Verdacht, dass sie selbst immer "zum Monster wird", sobald sie den mysteriösen Spielplatz betritt.
Schon im Trailer wird kein Hehl daraus gemacht, dass Gloria das Monster ist. Allerdings führt einem der Trailer geschickt an der Nase herum, worauf sich dessen eigentlicher Kern der Geschichte konzentriert; da der Trailer eindeutig auf Klamauk als Krawall gebürstet ist. Anfangs gleicht auch vieles einem seichten Beziehungsdrama mit humorigen Einlagen nach Schema-F, was durch die ziemlich gut agierenden Darsteller immerhin amüsant und kurzweilig daherkommt. Überhaupt wirken die Figuren sehr nahbar. Dennoch muss man klare Abzüge machen, dass bei keinem von ihnen allzu weit ausgeholt wird; bestimmte Sachen/Ereignisse nur oberflächlich angedeutet werden. Aber gut - der Film wollte es sich nicht zur Aufgabe machen ein schwergewichtiges Charakterdrama zu portraitieren, sondern das Thema mehr leichtfüßig vom Unterhaltungswert aus anzugehen.
Anne Hathaway und Jason Sudeikis stemmen den Film gemeinsam souverän. Hathaway spielt die verpeilte Gloria mit einem äußerst liebenswerten Touch (genauso charmant dargestellt von Marie Bierstedt), die mit ihrer "Gabe" anfangs auch noch etliche Blödeleien anstellt, doch ebenso an den resultierenden Konsequenzen ihres Handelns wächst. Von Sudeikis war ich angenehm überrascht (von dem ich noch nicht viel kenne), der ja hauptsächlich in der Comedy Abteilung zu verorten ist; hier aber auch mal andere Facetten von sich zeigen darf. So macht auch Oscar eine Wandlung durch, der vom netten Draufgänger und vermeintlich neuen Love Interest von Gloria, stattdessen immer weiter zum Arsch mutiert und von seinen Gefühlen wie Neid, Missgunst und der Freude daran, Macht an anderen auszuleben, zerfressen wird. Seine Wandlung mag konstruiert wirken, ist aber dienlich für die weitere Filmhandlung, wo nun mal ein Counterpart für Gloria noch her musste, damit sie noch irgendwelche Hürden zu überwinden hat. Andere Darsteller wie Dan Stevens, Austin Stowell und Tim Blake Nelson sind nur Beiwerk - kein zwingend überflüssiges, aber dienen halt nur als "Anspielpartner", um Gloria und Oscar in deren eigener Arc zu definieren.
Ich war von Colossal doch positiv überrascht. Der Film versucht auch ernste Themen aufzuarbeiten, die er anfänglich noch vorzugeben versucht, hinter einer komödiantisch anmutenden Membran zu verbergen; im Umkehrschluss sich dann aber nicht traut allzu stark in die Tiefe zu gehen, weil er wieder unterhalten will. Ob dieser Spagat zwischen Extremen gelingt und ob man damit was anzufangen weiß, ist wohl jedem Betrachter selbst zu überlassen. Weder eindeutig Komödie noch Psychothriller und gerade der Mix ist doch irgendwie irre komisch!
Das Media Paten Interview mit Natascha Geisler hatte mich auf den Film neugierig werden lassen. Geisler wurde hier erstmals für Jennifer Lopez besetzt. J.Lo spielt darin die Rolle der Psychiaterin Catherine Deane, die über ein spezielles Therapieverfahren, in die Gedankenwelt ihrer komatösen Patienten abtaucht, um sie von innen heraus zu "reaktivieren". Eines Tages tritt das FBI mit einem brisanten Fall an sie heran: Sie soll sich in die Abgründe des schizophrenen Serienkillers Carl Stargher (Vincent D'Onofrio) begeben. Der ist nämlich, kurz bevor ihn das FBI stellen konnte, der Katatonie verfallen und konnte so den Standort seiner letzten Geisel nicht preisgeben. Das Doofe an der Sache: die Zelle mit seinem Opfer flutet sich automatisch nach Ablauf einer bestimmten Zeit. Für Catherine entpuppt sich der Gedankentrip in Starghers Psyche schnell als reinste Geisterbahnfahrt. Eine Alice im Wunderland der Groteske. FBI-Agent Peter Novak (Vince Vaughn) soll sie aus dem Strudel aus Wahn und Realität retten.
Tarsem Singh bewies schon in seinem Erstlingswerk, mit wie viel Fantasie er seine Szenerien auszustaffieren wusste. Die Szenen (besonders kreativ zur zweiten Hälfte hin) spielen sich in überwiegend echten Settings ab, deren Schauplätze immer etwas "bühnenkulissenartiges" an sich haben, ausgeschmückt mit aufwendigen Kostümen, die ihren Trägern eine opulente Form von Majestätik und Präsenz verleihen. Gemixt aus Motiven verschiedenster Stilrichtungen, sind vordergründig Singhs orientalische Einflüsse zu erkennen, die sich auch größtenteils in der Musikuntermalung von Howard Shore wiederfindet - die im Großen und Ganzen aber ziemlich enttäuschend während des Schauspiels nebenher leiert, ohne besonders einprägsame Titel oder Melodien, die einem im Kopf bleiben. Die CGI-Effekte sind mit Bedacht und meist hintergründig eingesetzt worden, sodass es nicht weiter störend ist, wenn der ein oder andere Effekt, mit dem heutigen Auge gesehen, doch schon veraltet ausschaut.
Schauspielerisch ist das Ganze solide bis gut. J.Lo funktioniert als Hauptakteurin im Stück recht passabel. Vince Vaughn wird in seinem Können eher gedrosselt. D'Onofrio kann hingegen ein paar Mal mit seiner Narrenfreiheit als kruder König des Bizarren voll auftrumpfen, auch wenn man ihn nicht ganz von der Ketten loslassen wollte und sein dämonisches Ich in zu wenig Szenen vorkommt. So sind ihm aber ein paar fiese Momente gegönnt, etwa wenn er Novak foltert und dessen Darm an einem Spieß wie eine Grillfackel genüsslich aufkurbelt. Die 18ner Freigabe (für den Director's Cut) ist mittlerweile, denke ich, in die Jahre gekommen - wenn es um die blutigen Einstellungen geht, die auch bereits im Kino Cut (ab 16) alle enthalten waren. Zudem sind sie nicht so volle Kanne überzogen dargestellt, wie in Singhs überstilisierten Krieg der Götter. Dem Schnittbericht nach, bezog sich die 18ner-Einstufung des DC hauptsächlich auf eine Nekrophilie-Szene am Anfang, in dessen Akt sich Stargher an seinen Rückenpiercings über dem toten Opfer aufhängt, um "in Stimmung" zu kommen.
Christian Weygand war im Trailer noch für Vince Vaughn zu hören, final wurde es dann Alex Brem. Weygand hätte ich mir auch sehr passend für Vaughn vorstellen können. Brem erschien mir noch etwas unreif. Für D'Onofrio hätte es Weygand nicht benötigt, der war mit Oliver Mink ideal bedient - dessen Gespür für geisteskranke Töne mir bereits seit seinem Carnage aus der Animated Spider-Man Serie im Ohr geblieben sind. Natascha Geisler hat sich ja bekanntlich für Lopez danach gemacht. Vaughns Partner hat mich im Übrigen die ganze Zeit an einen jungen Tim Roth erinnert. Oliver Stritzel war mir da für den Sidekick-Bubi wiederum zu brutal. Vielleicht mehr was für Brem.
Singhs The Fall schaut auch sehr fantasievoll aus, der schon längst von der Watchlist hätte runter gehört, aber sich bis dato noch keine Gelegenheit für aufgetan hat. Zumindest waren sich da Kritiker einig, dass Singh in seinem Folgefilm eine (auch qualitativ) ausgereiftere Form von The Cell abgeliefert hat. Bei imdb mit sportlichen 7.9 vertreten - dessen Wert man schon in etwa als gesundes Maß für den Geschmack der Allgemeinheit hernehmen kann, macht immerhin einen guten Eindruck.
Kürzlich hab ich tatsächlich zwei Filme mal im O-Ton gesehen bzw. wir haben diese in der Ausbildung im Englischunterricht angeschaut. "Dirty Dancing" und "Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse". Zweiterer ist ein wirklich sehr schräges Werk, dass zeitweilig an Tim Burton erinnert hat. Und es kam irgendwie gut, dass ich beide Filme noch nie in der deutschen Synchronfassung gesehen habe. Ja, tatsächlich auch "Dirty Dancing" noch nicht. Trotz der Tatsache, dass ich noch immer für das Thema Synchron brenne, muss ich sagen, dass ich beide Filme nach Sichtung der Originalfassung gar nicht in der Synchro sehen will. Weiß auch nicht. Bei "Dirty Dancing" z.B. spielt in einer größeren Nebenrolle eine jüngere Schauspielerin, die laut Synchronliste von Karin Buchholz gesprochen wurde. Da schüttelt es mich ehrlich gesagt ein bisschen. Und "Lemony Snicket"... naja, auch wenn Stefan Fredrich immer toll ist, kann ich ihn mir gerade hier für diese wahrhaft ausgeflippte Rolle überhaupt nicht vorstellen. Aber jut, ich hab länger gebraucht um Jim Carrey überhaupt zu erkennen.
Fazit: ich bin natürlich noch weiterhin leidenschaftlicher Synchronfan, aber so ein Perspektivwechsel tut ab und an schon mal gut.
mrmisery
(
gelöscht
)
Beiträge:
29.08.2020 00:00
#251 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen...
Bei Amazon Prime ist derzeit der britische TV-Film The best of men aus dem Jahr 2012 zu finden. Eddie Marsan spielt darin Dr. Ludwig Guttmann, den "Vater" der Paralympics. Ein Jahr vor Kriegsende übernimmt ein deutsch-jüdischer Arzt die Abteilung für Kriegsinvalide in einem englischen Krankenhaus und stellt ebenso hartnäckig wie herzensgut alles auf den Kopf um seine Patienten aus der Lethargie zu reißen. Klingt nach einer Mischung von "Zeit des Erwachens" und "Patch Adams"? Es hat mich ähnlich begeistert! Schade nur, dass es den Film trotz des deutschen Titels Die besten Männer nur im Original mit deutschen Untertiteln zu sehen gibt. Ich wollte eigentlich die Gelegenheit nutzen und den Film im Thread "Unsynchronisiert: TV-Filme [Spekulation-Sammelthread]" vorzustellen, doch offenbar gibt es bereits eine deutsche Synchronfassung. Die Synchronkartei hat zumindest einen Eintrag (https://www.synchronkartei.de/film/28116 - Emily Behr spricht die von Leigh Quinn gespielte Krankenschwester Carr). Auf Heidelberg.de ( https://www.heidelberg.de/hd,Lde/HD/Rath...in+der+IGH.html ) findet sich ein Artikel zur Premiere der deutschen Synchronfassung, deren Projektleiter Kevin Schultes (Stiftungsrat der Manfred-Sauer-Stiftung) war. Weiß jemand mehr zu dieser Synchronfassung?
Heute haben wir im Rahmen des Themas Kindeswohlgefährdung, was wir eh zurzeit in der Ausbildung dran haben, den deutschen Film "Stumme Schreie" gesehen. Schwere Kost, das mich heute noch einige Zeit ratlos zurückgelassen hat. Schockierende, teils schonungslose Szenen. Hier wird auch ziemliche Kritik an Instituten wie Jugendamt und Sozialarbeitern geäußert, die wegsehen und eine heile Welt aufrecht erhalten wollen. Berichte werden gefälscht oder verschönt, Tatsachen verschwiegen, Kinder von brutalen Eltern eben nicht rausgeholt um ja den Ruf von Jugendämtern und Kinderärzten nicht zu schaden. Hört sich zynisch und pervers an, aber ich fand es gut, dass auch in einem Nebenerzählstrang eine Mutter als Täterin überführt wurde. Zu oft werden klischeehaft nur Männer als Täter beschuldigt bzw. fast schon vorverurteilt. Das ist es auch was ich ein stückweit bei "Law & Order: Special Victims Unit" nicht mag. Die Dunkelzimmer bei Frauen ist mindestens genauso hoch. Wie auch immer, keine leichte Kost. Es gab schon lange kein Film mehr, der mich so sehr mit "offenen Mund" zurückgelassen hat. Das ich sämtliche der deutschen Schauspieler überhaupt nicht kannte, war vielleicht auch noch ein zusätzlicher Pluspunkt. Hört sich schräg an, aber ich wollte da kein Schweiger, Schweighöfer, Brühl, Tschirner oder Herbst agieren sehen. Für mich unbekannte Schauspieler machten das für mich irgendwie authentischer.
Vor kurzem erwarb ich auf einem Second-Hand-Flohmarkt sehr preisgünstig Romeo + Julia (1996) von Baz Luhrmann, den ich mir gestern Abend dann zum ersten Mal angeschaut habe. Ich denke mal es ist neben „Titanic“ der Film, der Leonardo DiCaprio in den 90ern dann letztendlich hat groß rauskommen lassen und den wahrscheinlich auch die große Mehrheit der Kinozuschauer neben besagtem maritimen Katastrophen-Liebesdrama mit DiCaprio verbindet.
Wie gesagt, mir war der Film selbst nur dem Namen nach bekannt, Shakespeares Werk dagegen schon, dementsprechend tauchte ich ohne allzu große Erwartungen in das Filmerlebnis ein. Die Story folgt in recht einfacher, geradliniger Weise Shakespeares Vorlage, der Unterschied ist allerdings, dass die Handlung in die USA Mitte der 1990er Jahre verlegt wurden. Die Geschichte findet in und um „Verona Beach“ statt (einem Strand welcher der Flora und Architektur nach, entweder im Raum Miami und Umgebung oder irgendwo in Kalifornien liegt), statt historischen Gewändern werden „zeitgenössische“ 90er-Klamotten getragen und anstelle der Schwerter sind Schusswaffen die gebräuchlichen Kampfuntensilien. Den Soundtrack liefern ebenfalls „zeitgenössische“ Songs von z.B. den Cardigans, Des'ree oder One Inch Punch. Aus heutiger Sicht betrachtet ist das ganze natürlich ebenfalls schon wieder irgendwie historisch, denn der Film verbreitet ein recht nettes 90s-Feeling.
Romeo selbst, wird von dem hier noch sehr jungen Leonardo DiCaprio mit Backstreet-Boys-Gedächtnisfrisur dargestellt, der seine Sache recht gut macht. An der ein oder anderen Stelle war er mir n‘ Ticken zu aufgedreht, aber im Großen und Ganzen liefert er eine anschaubare Perfomance ab und legt hier seinen Grundstein für das ihm kurze Zeit später - noch zusätzlich durch Titanic befeuerte - angeheftete Attribut „Mädchenschwarm“, was er m.E. erst mit den 2010er Jahren durch „Inception“ oder „Django Unchained“ langsam wieder loswerden konnte. Bei Claire Danes‘ Julia bin ich ein bisschen zwiegespalten. Auf der einen Seite wirkt sie im Film ziemlich farblos und eher unscheinbar, andererseits empfand ich sie teilweise als sehr anstrengend. Möglicherweise mag das auch an den ganz in klassischer Shakespeare-Manier vorgetragenen Dialogen liegen, aber ab und zu dachte ich mir „Meine Güte, geht die mir aber auf den Sack“. In anderen Rollen sind u.a. Paul Rudd (Paris), Brian Dennehy (Romeos Vater), der aus „GoodFellas“ bekannte Paul Sorvino (Julias Vater) oder Pete Postlethwaite (Pater Lawrence) zu sehen. Julias Mutter stellt die aus „Heat“ bekannte Diane Venora dar, viele andere Darstellerinnen und Darsteller waren mir hingegen gänzlich unbekannt. Die Familienclans als solches präsentieren sich immer wieder durch eine Art ledertragende Hinterhof-Schlägerbande (á la „Scorpions“ aus „Grease“), was gerade in Zusammenhang mit den klassischen Texten ziemlich absurd wirkt.
Kurz zur Synchronfassung: Hut ab vor Joachim Kunzendorf, der mit seinem Dialogbuch es geschafft hat eine deutsche Shakespeare-Übersetzung nahezu lippensynchron auf die Münder zu bekommen. Ich stelle mir das sehr schwierig vor, eine teilweise in Reimform geschriebene deutsche Sprachversion auf einen englischen Originaltext zu modulieren. Was ihm und seinem Team da gelungen ist, ist sehr beachtlich. Auch in der Regie bewies er großes Fingerspitzengefühl und schaffte es die Dialoge so „theaternah“ wie möglich herüberzubringen, jedoch ohne allzu sehr ins pathetische Bühnendeutsch abzudriften. Wir hören Gerrit Schmidt-Foß auf Romeo (hier erst sein zweiter Einsatz auf DiCaprio), Nana Spier auf Julia, Frank Schaff für Benvolio sowie Roland Hemmo auf Pater Lawrence. In weiteren Rollen sind u.a. Monica Bielenstein (Julias Mutter), Wolfgang Dehler (Julias Vater), Werner Ehrlicher (Romeos Vater) und Claudio Mansicalco (Mercutio). Die gesamte Besetzung liest sich sonst sehr kunzendorftypisch (Helmut Müller-Lankow, Katharina Koschny, Michael Bauer, Matthias Hinze usw.)
Schlussendlich muss ich aber sagen, dass mir der Film nur teilweise zugesagt hat. Ich bin kein allzu großer Theaterfan und auch sonst sind "Teenie-" oder Liebesfilme o.ä. nicht unbedingt mein bevorzugtes Genre. Die Aufmachung und Grundidee des Filmes fand ich garnicht mal so dumm, allerdings wirkte sie dann unterm Strich doch sehr erzwungen. Man hatte stellenweise den Eindruck, es sei das Werk eines Englischlehrers, der seinen desinteressierten Schülern krampfhaft Shakespeare nahbringen will und es zu diesem Zweck auf „cool“ getrimmt hat. (lustigerweise gehört der Film in Englisch-Lehrbüchern zu den vorgeschlagenen Standardfilmen, die man beim Thema ‚Shakespeare‘ im Unterricht gucken sollte. Wenn ich mich an meine Schulzeit zurück erinnere, meine ich auch dass der Film bei uns zumindest zur Debatte stand) Dadurch erhält der Film allerdings eine unfreiwillige Komik und durch die Kombination des gewählten proto-amerikanischen Settings (Kamerabild mit 90er-typischem Goldstich) und der verwendeten Bühnensprache wirkte der Film eher ein bisschen wie „Michael Bay trifft Kenneth Branagh“. Leider fand ich auch die gesprochene Theatersprache ab einem gewissen Zeitpunkt sehr anstrengend anzuhören, die Reimformen verlangten ein dauerhaftes Zuhören und da ebenso die Gedanken der Figuren über Selbstgespräche zum Ausdruck gebracht wurden, gab es quasi keinen ruhigen Moment, da immer irgendjemand vor sich hin schwadronierte. Auch sonst waren einige Darstellungen der Figuren mir zu überzeichnet und übertrieben gespielt und auch das ganze Set wirkte auf mich stellenweise recht überladen.
Vor zwei Wochen habe ich „Excalibur“ von 1982 auf Arte aufgenommen und dann letztendlich dieses Wochenende (bzw. am letzten Samstag) zum ersten Mal geschaut. Mir war die Thematik des Filmes (bzw. die der unterschiedlichen Vorlagen) zwar durch diverse Wikipedia-Artikel schon grob bekannt und auch die Artus-Legende an sich war mir nicht vollkommen fremd, dennoch tauchte ich relativ unbeleckt in die Geschichte ein.
Direkt zu Beginn wird eine Schlacht gezeigt, in der „Uther Pendragon“ (dargestellt von Gabriel Byrne) gegen den Herzog von Cornwall kämpft. Zauberer Merlin kommt ihm unterstützend zu Hilfe und übergibt ihm das Schwert „Excalibur“ (aus der Hand der „Herrin der See“; Fans von „Ritter der Kokosnuss“ werden sich erinnern). Durch die magische Überlegenheit Uthers ergibt sich der Herzogs, ein Frieden wird geschlossen. Uther Pendragon begehrt Igerne (des Herzogs Frau). Er attackiert schließlich die Burg des Herzog, Merlin trifft erneut ein, unterstützt Uther in seinem Kampf um Igerne, setzt diese Unterstützung jedoch an eine Bedingung. Uther muss das Resultat des Liebesaktes – in diesem Falle der spätere Artus – Merlin überlassen. Uther willigt diesem ein, schläft (in Gestalt des Herzogs von Cornwall, was jedoch nur die Tochter des Herzogs und Igerne bemerkt) – mit Igerne und diese gebährt 9 Monate einen Sohn - Artus. Der Herzog indes, fällt in der von Uther initiierten Schlacht. Nachdem Merlin das Kind an sich genommen hat, gerät Uther, der seine Tat Merlin das Kind zu überlassen nun bereut, auf der Suche nach ihm in einen Hinterhalt und stirbt, kann aber noch mit letzter Kraft Excalibur in einen Stein rammen. Es folgt nun die übliche Sage „Wer das Schwert aus dem Stein zieht, soll König sein“. Artus, inzwischen erwachsen, hat das Schwert des Ritters Kay (dessen Knappe er ist) im Lager vergessen und sucht nun schnellstmöglich einen Ersatz…er findet keinen, sieht das „Schwert im Stein“ und zieht es dann – gemäß der Prophezeiung – heraus. Dadurch erlangt Artus die Königswürde, schart ein Heer Gefolgsmänner um sich, hat Zoff sowohl mit seiner Halbschwester Morgana als auch mit seiner Gemahlin Guenevre, die eine Affäre mit Lancelot hat und sucht nach dem „Heiligen Gral“. Ich bin jetzt zu faul den gesamten Inhalt des Filmes nachzuerzählen, wer sich für die gesamte Handlung interessiert, dem diene dieser Link (https://de.wikipedia.org/wiki/Excalibur_(Film).
Meine Unlust die Geschichte hier jetzt im Detail nachzuerzählen, hat einen gewissen Grund. Aus meiner Sicht krankt der ganze Film definitiv an einem völlig überhetztem Erzählstil und einer viel zu begrenzten Erzählzeit. Hätte man den ganzen Film in zwei Teile aufgeteilt, wäre man deutlich besser gefahren und hätte auch mehr Zeit gehabt, die einzelnen Charaktere etwas intensiver zu beleuchten. Regisseur John Boorman hat nämlich bei diesem Film den ambitionierten Versuch gewagt, die ganze Artus-Epik in einen Film zu packen (also inklusive Gral, Ritter der Tafelrunde und, und, und). Dadurch wird aber jeder Erzählstrang immer nur kurz angerissen. Mit vielen Figuren kann man sich überhaupt nicht identifizieren und wer mit der Artus-Legende gar nicht nicht bewandert ist, ist sehr schnell aufgeschmissen, da aufgrund der komplexen Handlung und den vielen eingeführten Figuren indirekt sehr viel Vorwissen vorausgesetzt wird. Es fehlen aus meiner Sicht auch erklärende Hinweise oder Untertitel etwa „9 Monate später“ (der Film springt ganz gerne in der Zeit) oder auch eine genaue Differenzierung zwischen Traumsequenzen und Realität, die überhaupt nicht stattfindet. Aus historischer Sicht ergeben sich ebenfalls einige Patzer: die gesamte Kostümierung - insbesondere Rüstungsbild und Habitus der Protagonisten - entspricht eher dem gängigem ritterlichen Ideal des Hochmittelalters, wodurch der Film quasi 500-600 Jahre vorweg nimmt. Die Artussage ist nämlich laut Historikern im 5-6. Jahrhundert nach Chr., also dem Übergang der Spätantike zum Frühmittelalter zu verorten. Auch einige Requisiten wirken seltsam anachronistisch: König Artus‘ Schloss zeichnet sich durch eine sehr reine, glatte und goldsilbern schimmernde, artifiziell wirkende Aufmachung aus, die viel zu prunkvoll und zu „unnatürlich“ wirkt und eher in ein 60er-Jahre-Star-Trek-Bühnenbild passt, als in das sich betont mystisch und keltisch gebende „Excalibur“. Die nebeligen und typisch-englischen Landschaftsaufnahmen erzeugen dementsprechend auch einen krassen Kontrast zum königlichen „Barbie-Palast“. Auch das Spiel einiger Darsteller ist hin und wieder etwas gewöhnungsbedürftig, man merkt irgendwie, dass alle mal vom Theater kamen (es sind ausschließlich Britische Schauspieler): die Darstellung schwankt von sehr shakespeare-geprägtem Heroismus bis hin zu so überpathetischem "Oh weh, Ich sterbe!"-Szenen, was mich ein bisschen an William Shatners gespielte Dialoge erinnerte. Man kann jedoch nicht verhehlen, dass Excalibur (wie auch in Wikipedia beschrieben) Einfluss auf spätere Fantasy-Stücke wie „Herr der Ringe“ o.Ä. hatte. Gerade Artus‘ Tod erinnert doch sehr an den Boromirs im ersten Teil. Ich muss aber dennoch leider sagen, dass mich der Film überhaupt nicht überzeugt hat. Er wirkt streckenweise eher wie ein deskriptiver Dokumentarfilm, der alle Lebensstationen von Artus kurz beleuchten will, aber kaum Raum für Identifikation oder Mitfiebern mit den einzelnen Charakteren bietet. Es wird einfach nur die Handlung dahinpräsentiert, was ich sehr schade fand.
Kurz zur Synchronfassung: das von Hans-Bernd Ebinger verfasste Dialogbuch schafft das Kunststück sowohl originalgetreu als auch atmosphärengetreu, jedoch nicht allzu schnörkelig und altbacken zu wirken – fast wie der Vorläufer von Jan Odles „Game of Thrones-Bücher“, die einen ähnlichen Stil gegangen sind. Wir hören einen Anfangs schön naiv-spielenden Randolf Kronberg als König Artus, einen majestätischen Frank Glaubrecht als verführerischen Lancelot, Horst Schön als Merlin, Evelyn Maron als Guenevre sowie Joachim Kerzel als Artus‘ Vater Uther. Rita Engelmann (Morgana, bzw. Helen Mirren) habe ich hier überhaupt nicht erkann. In weiteren Nebenrollen sind u.A. Patrick Stewart, welcher laut SK von Harald Dietel gesprochen wurde (den ich aber nicht im Ohr habe) sowie der noch junge Liam Neeson zu sehen, dessen Sprecher ich jedoch nicht identifizieren konnte und dessen Rolle auch merkwürdigerweise nicht in der SK aufgelistet ist.
Zitat von Ludo im Beitrag #254Aus historischer Sicht ergeben sich ebenfalls einige Patzer: die gesamte Kostümierung - insbesondere Rüstungsbild und Habitus der Protagonisten - entspricht eher dem gängigem ritterlichen Ideal des Hochmittelalters, wodurch der Film quasi 500-600 Jahre vorweg nimmt. Die Artussage ist nämlich laut Historikern im 5-6. Jahrhundert nach Chr., also dem Übergang der Spätantike zum Frühmittelalter zu verorten.
Das Problem entsteht natürlich, weil man mittelalterliche Könige und Ritter eben stark mit Schlössern und Burgen aus Stein assoziiert; Hlozhäuser würden da seltsam wirken, selbst wenn sie zur Handlungszeit passen. Das gilt z. B. auch für "Die Wikinger" von 1958 (in Bezug auf die Szenen, die in England spielen).