Echt cooler Thread. Eastwood ist einfach kult. Hab von ihm alle Filme da sogar "Die Brücken am Fluss" und "Hexen von Heute" obwohl das überhaupt keine typischen Eastwood-Filme sind und sie mir überhaupt nicht zusagen. Ich finde Eastwood in seinen Actionfilmen von den 70ern bis 90ern mit Kindler einfach geil. Schade das Kindler ihn nicht im ersten "Dirty Harry" gesprochen hat. Schult für Eastwood gefällt mir nicht so dann doch lieber Cramer. Auch "Gran Torino" finde ich klasse. Da hat er nochmal richtig einen raus gehauen. Von seinen Western finde ich "Ein Fremder ohne Namen" mit Abstand am besten auch wenn hier Cramer statt Kindler am Werk ist. Aber er macht seine Sache sehr gut.
FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR (PER QUALCHE DOLLARO IN PIÙ [Italien/Spanien/Deutschland 1965]) Poster artwork_Casaro_MEHR.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Geschaut habe ich die rekonstruierte Erstsynchro in der 132 Minuten-Fassung.
Das besetzungstechnisch Auffälligste an der Dollar-Trilogie ist – wohl ein Ausdruck stetig steigender Budgets -, dass mit jedem neuen Beitrag zur Reihe Eastwood ein weiterer amerikanischer Darsteller zur Seite gestellt wird: hier Lee Van Cleef, bei ZWEI GLORREICHE HALUNKEN später neben Van Cleef nochEli Wallach. Während im dritten Teil alle drei Titelfiguren aber mit mehr oder weniger gleichberechtigten Parts bedacht werden, wobei Eastwood trotz Wallachs „scene stealer“-Auftritten dennoch deutlich als Hauptfigur erkennbar bleibt, kann in Bezug auf FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR von Eastwoods Dominanz nicht mehr die Rede sein. Es ist eindeutig Van Cleefs Film. Dennoch: dass dieser in der Regel trotzdem als Eastwood-Film wahrgenommen wird, hat größtenteils mit dem Eastwood zugedachten Star-Status zu tun.
Der Grund, dass Eastwood hier verleichsweise eher wie ein Gaststar auftritt, liegt nicht allein darin, dass Van Cleefs Mortimer mit einer backstory ausgestattet wird, die allerdings erst im Finale scharfe Konturen annimmt: er will den Tod seiner Schwester rächen – an Indio (Volontè), der ihren Mann getötet, sie dann vergewaltigt und so ihren Freitod verursacht hatte. Diese Schlüsselszene wird in Flashbacks nach und nach vervollständigt – ein erzählerischer Kunstgriff, den Leone später in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD wesentlich gelungener wiederverwenden wird. Daneben führt Leone hier ein weiteres Motiv ein, das er in HALUNKEN später ebenfalls viel origineller und eleganter ausgestalten wird: Eastwood und Van Cleef spielen zwei Kopfgeldjäger - anfangs noch rivalisierend, dann für das Dingfestmachen von Indio und seiner Bande, kollaborierend.
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Eastwoods vergleichsweise marginale Rolle hier hat primär damit zu tun, dass seine Figur - mit dem Spitznamen ‚Monco‘ (oder wie es die Synchronfassung ins Deutsche überträgt „er lässt einen Arm hängen“) - längst nicht so einen souverän Eindruck hinterlässt wie noch sein ‚Joe‘ in HANDVOLL, obwohl er rein äußerlich eine fast exakte Reprise seines Vorgängers ist.
Insbesondere in Relation zu Van Cleefs Figur fällt das deutlich auf: beim ‚Hut-Duell‘ etwa, bei dem ein aus der Rolle fallender Monco gegen den cooleren Mortimer den Kürzeren zieht; bei ihrem Pakt, bei dem Mortimer als der clevere Mastermind in Erscheinung tritt und schließlich beim finalen Duell mit Indio, bei dem Eastwood buchstäblich in die Zuschauerrolle degradiert wird (bzw. wenn man es etwas positiver formulieren will: in die eines inoffiziellen Schiedsrichters).
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Obwohl die meisten Plakatmotive zum Film anderes suggerieren (auf den deutschen wird Kinski, der hier auch dramaturgisch eine sehr kleine Rolle hat, sogar wie eine Hauptfigur lanciert, auf manchen sogar Van Cleef verdrängend), hat FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR mit Eastwoods Monco, Van Cleefs Mortimer und Volontés Indio drei Hauptfiguren – auch dies eine Vorwegnahme von ZWEI GLORREICHE HALUNKEN.
Und das bringt mich – neben Eastwoods marginalisierter Rolle – zu einer weiteren Schwäche des Films, den ich innerhalb der DOLLAR-Trilogie trotz des großartigen Van Cleef mit Abstand am wenigsten mag. Sie hat viel mit Volontés Schauspielstil zu tun: er agiert einfach zu theatralisch. Volonté ist mir schon in FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR ein Dorn im Auge gewesen, aber die Anzahl seiner Auftritte hielten sich dort noch in einem erträglichen Rahmen, aber hier ist er für mich eindeutig ein Störfaktor. Während Eastwood und Van Cleef ihre Rollen mit viel Understatement spielen, kommt Volontés Spiel wie eine italienische Variante des method acting daher.
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Viel ist in der Begleitliteratur zu FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR darüber zu lesen, dass das im Vergleich zum Vorgängerfilm höhere Budget hierfür sich auf der Leinwand auch deutlich bemerkbar mache und dass dies dem Film eindeutig zugutekomme. Das kann man freilich auch anders sehen – und das tue ich: zum einen trug die spartanische Ausstattung von FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR sehr zu dessen eigentümlichem Charme bei und passte auch perfekt zur lakonischen Erzählhaltung; zum anderen wecken in FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR die Szenen in der Stadt und im Saloon bei mir sehr ungute Assoziationen zu den deutschen Karl May-Filmen - diese wirken sehr künstlich, nicht im Sinne einer stilisierten Gestaltung, eher wie Fremdkörper in der Gesamtästhetik des Films. Schließlich scheint die niedrigere Budgetierung von FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR Leone doch sehr beflügelt und zu einer kreativeren Erzählweise inspiriert zu haben - jedenfalls bilde ich mir das gerne ein. Dass allerdings zwischen beiden Faktoren - Budget und Erzählweise - nicht unbedingt ein negativer kausaler Zusammenhang bestehen muss, beweist ZWEI GLORREICHE HALUNKEN (dazu mehr im nächsten posting: ZWEI GLORREICHE HALUNKEN).
Während ich der Besprechung des ersten Dollar-Films gern zustimme, möchte ich beim zweiten Dollar-Film doch Widerspruch anmelden: In Sachen Gian Maria Volonte bin ich unbedingt der Meinung, dass hier genau diese theatralische Darstellung richtig und notwendig ist. Würde die Rolle mit dem gleichen Understatement wie die von Eastwood und Van Cleef gespielt, wär's doch ziemlich wirkungslos und geradezu langweilig. Volonte, der damals noch eher unbekannt war und vom Theater kam, ist von Leone ganz bewusst genommen worden, genau der von Dir monierten Wirkung wegen.
Wie auch schon im ersten Dollar-Film, wo er dem ungemein intensiven Part von Tatsuya Nakadai im japanischen Original entsprechen sollte.
An der Besetzung mit Volonte gibt es also in beiden Filmen nichts zu kritisieren, im Gegenteil, das ist aus meiner Sicht jeweils das Salz in der Suppe!
Zitat von fortinbras im Beitrag #12Für mich war er stets ein bisschen so etwas wie der einzig legitime Nachfolger des Duke, zumindest was ein gewisses Kassen- und Ikonenpotential betrifft.
Laut den berühmt-berüchtigten, seit 1932 alljährlich unter den US-Kinobetreibern erhobenen, Quigley’s Top Ten Money Making Stars-Umfragen (siehe hier und hier) rangiert Eastwood in der Tat mit insgesamt 21 Platzierungen an zweiter Stelle direkt nach John Wayne mit 25 Nennungen. Eastwood schaffte es in diesen 21 Jahren auf folgende Platzierungen: 1968 (Platz 5), 1969 (5), 1970 (2), 1971 (2), 1972 (1), 1973 (1), 1974 (2), 1975 (6), 1976 (4), 1977 (3), 1978 (5), 1979 (2), 1980 (3), 1981 (2), 1982 (2), 1983 (1), 1984 (1), 1985 (3), 1986 (7), 1992 (8), 1993 (1).
Eastwoods etwas verzögerter Einstieg, nämlich erst 1968, ist dem Umstand geschuldet, dass die europa- und auch weltweit phänomenal erfolgreiche DOLLAR-Trilogie erst 1967 in den USA in den Verleih kam. Die Platzierungen bis zu seiner ersten Nr. 1 im Jahre 1972 dank DIRTY HARRY sind einerseits auf Eastwoods sehr hohe Produktivität zurückzuführen und andererseits seiner Mitwirkung an sehr verschwenderisch ausgestatteten Groß-Filmen bis zu diesem Zeitpunkt.
Seine ununterbrochene Präsenz bis 1986 ist umso bemerkenswerter, da Eastwoods Filme in diesem Zeitraum (und auch generell) alles anderes als hoch budgetierte Blockbuster waren (und nach wie vor sind), sondern eher Filme der mittleren Produktionsklasse.
Seine Absenz bis 1992 ist mehr oder weniger Ausdruck einiger kreativer Fehlentscheidungen für enttäuschende Starvehikel. Sein Comeback nach 6 Jahren verdankt sich dem außerordentlichen Kassenerfolg von IN THE LINE OF FIRE. Mit seinem Schwanengesang im Jahre 1993, dank UNFORGIVEN sein erfolgreichstes Jahr als Schauspieler und Regisseur gleichermaßen, scheint er sich vorläufig von der Quigley-Liste verabschiedet zu haben. In der Tat machte Eastwood ab diesem Zeitpunkt auch mehr als Regisseur von sich reden denn als Schauspieler (obwohl ihm auch seitdem sehr feine Porträts gelangen).
Zitat von fortinbras im Beitrag #12Das ist eine gute Idee gewesen, die Einspielergebnisse inflationsbereinigt anzuzeigen. Diverse PR-Abteilungen kämen ja nie auf den Gedanken, sonst wären manche Werbemaßnahmen deutlich verzerrt.
Den Erfolg eines Films am Einspielergebnis festzumachen, ist eine Unsitte, die inflationsbedingt natürlich alle 2 oder 3 Jahre einen neuen 'erfolgreichsten Film aller Zeiten' hervorbringt. Richtig wäre, den Erfolg an den Besucherzahlen festzumachen, dann sähen die 'Hitlisten' nämlich ganz anders aus.
Das ist wohl wahr. Wie es die deutsche Kinobranche praktiziert, nämlich die Besucherzahlen zu erheben, ist wohl wesentlich aussagekräftiger (den Bruch nach der Wiedervereinigung müsste man dabei freilich immer mitberücksichtigen).
Kritisieren muss man an Rankings anhand von Umsatzzahlen aber auch einen weiteren Umstand, nämlich dass solche Angaben dazu verleiten, Filme primär als Wirtschaftsprodukte, als Waren wahrzunehmen, und so je nach ideologischer Gesinnung Filme als purer Kommerz zu verteufeln oder zu feiern – dabei sind Umsatzzahlen in erster Linie nur ein Indikator für’s Publikumsinteresse, wobei Ergebnisse des Startwochenendes in der Regel eher den Erfolg von Marketingkampagnen ausdrücken.
So oder so – über die Beliebtheit der Filme sagen solche Zahlen nicht unbedingt etwas aus, erst recht nichts über ihre 'Qualität'. Allerdings: wenn man in Bezug auf heutige Klassiker vergleicht, ob die zeitgenössischen Zuschauer oder die zeitgenössischen Rezensenten/Berufskritiker ‚richtiger‘ lagen, dann folge ich ohne mit der Wimper zu zucken der Meinung der Masse: das betrifft nicht nur die DOLLAR-Trilogie, sondern auch die Hammer-Filme, die Bond-Filme usw. usf., bei denen das jeweilige zeitgenössische Publikum einen viel besseren Sinn für ‚Qualität‘ demonstrierte als die Zunft der Berufskritiker.
Im Großen und Ganzen finde ich die Urteile der imdb-User (ob nun in aggregierter Form als 'votes', als 'comments' oder als 'board discussions') viel intelligenter, treffender und unmittelbarer als das Meiste, was ich sonst von Professionellen über Filme lese.
Zitat von kogenta im Beitrag #18Während ich der Besprechung des ersten Dollar-Films gern zustimme, möchte ich beim zweiten Dollar-Film doch Widerspruch anmelden: In Sachen Gian Maria Volonte bin ich unbedingt der Meinung, dass hier genau diese theatralische Darstellung richtig und notwendig ist. Würde die Rolle mit dem gleichen Understatement wie die von Eastwood und Van Cleef gespielt, wär's doch ziemlich wirkungslos und geradezu langweilig.
Das ist sehr gut möglich. Allerdings spielt Van Cleef seinen Bösewicht in ZWEI GLORREICHE HALUNKEN auch mit sehr viel Understatement - aber es funktioniert trotzdem. Andererseits: Eli Wallach übertrifft Volonte in Sachen Theatralik um Längen, dennoch mag ich seine Interpretation sehr, die er auch mit viel kindlichem Witz ausstattet. Vielleicht liegt es ja daran - dass Volonte seinen Part so durch und durch humorlos gestaltet und so viel von der Leichtigkeit und dem playfullness des Films nimmt.
ZWEI GLORREICHE HALUNKEN (IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO [Italien, Spanien, Deutschland 1967]) Italienisches Filmposter mit falschem Van Cleef-001.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) ZWEI GLORREICHE HALUNKEN ist für mich ein Film der Widersprüche: Ich bin eigentlich kein Fan von Italo-Western, aber HALUNKEN ist bis heute mein Lieblingswestern geblieben; es ist der witzigste Western, der keine Western-Komödie ist; es ist der längste kurzweiligste Film, den ich kenne; und obwohl ich eher das klassische Erzählkino mit seiner finalorientierten Dramaturgie gegenüber episodenhaft-verlaufsorientierten plots bevorzuge, gehört HALUNKEN mit seiner ornamentalen und episodischen Erzählweise – eigentlich eine Aneinanderreihung von Kabinettstückchen – zu meinen Lieblingsfilmen überhaupt.
Ich finde, es ist auch Leones gelungenster Film. Einerseits fehlen hier die Holprigkeiten der Vorgänger fast gänzlich, andererseits aber auch das Prätentiöse seiner nachfolgenden Werke, die überambitioniert sind und nicht die selbstsichere Leichtigkeit besitzen, die HALUNKEN auszeichnet - und seine mehrfache Sichtung möglich macht. Leones Neigung zu Stilisierung und formalem Exzess befindet sich hier noch in perfekter Balance, bleibt selbst in ihren selbstzweckhaftesten Momenten noch unterhaltsam. HALUNKEN ist auch sein eigenständigster Film – er muss sich nicht mehr als (kritischer) Kommentar zu Hollywood-Western positionieren und liebäugelt auch noch nicht mit dem europäischen Kunstkino. Es ist ein Film, der aus eigener Kraft Spaß macht – und dadurch viel unterhaltsamer ist als konventionelle Schema-Filme einerseits, und auch viel origineller als das Arthouse-Kino mit seinen ebenfalls sehr starren Stilmustern andererseits.
Einer der größten Vorzüge von HALUNKEN gegenüber den vorangegangenen Dollar-Filmen ist das Dialogbuch – es dient nun nicht nur dazu, mehr oder weniger hemdsärmelig handlungsrelevante Informationen zu vermitteln, sondern es ist jetzt eine der Hauptattraktionen des Films. Der Witz, der zuvor noch etwas kindisch daher kam, wird hier geschliffener, pointierter und sardonischer dargeboten. Mit seinen running gags – verbalen und visuellen – sorgt der Film ständig für Aha-Effekte.
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HALUNKEN führt auch perfekt vor, wie wichtig das richtige Casting für Spielfilme ist. Und das ist für Zuschauer letztlich dann der Fall, wenn sie sich für die Rollen keine anderen Darsteller vorstellen können. Verglichen mit den Vorgängern ist das Personal um ein Vielfaches reicher, mengenmäßig und auch in Bezug auf die Konturen, und doch wirkt es weder überladen noch überpsychologisierend.
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Zwar erfährt man über Eastwoods Fremden ohne Namen auch diesmal nicht sonderlich viel – er wird hier sogar noch nicht einmal mit einem Platzhalter-Namen angesprochen, sondern schlicht auf ein äußeres Merkmal reduziert: „Blonder“. Aber Eastwoods Spiel ist hier wesentlich schillernder, kultivierter – er bewegt sich viel selbstbewusster, katzenhafter und bis er im Finale in seine aus den Vorgänger-Filmen vertraute Kluft schlüpft, wirkt er mit seinem überlangen hellen Mantel, seinem breikrempigen hellen Hut und seinem Schal fast wie ein Wildwest-Dandy. Und endlich hat er in diesem Film mit Wallach auch einen Mitspieler, der ihn viel lebendiger, witziger und entspannter erscheinen lässt.
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Wallachs hypernervöses, hibbeliges Chargieren ist das perfekte Gegenstück zu Eastwoods minimalistischem Spiel. Wallachs Tuco ist sicher der rundeste Charakter des Films – nicht nur ist er permanent am Schwatzen und Philosophieren, sondern er ist auch der einzige, der mit sowas wie einer Biografie ausgestattet und mit einer satirischen Form des Lebenslaufs vorgestellt wird.
Und obwohl Lee Van Cleefs Sentenza vergleichsweise bis zum letzten Drittel eher wie eine Nebenfigur behandelt wird, ist der Handlungsbogen um ihn herum derjenige, der die losen Handlungsfäden am Ende zusammenführt. Freilich ist Van Cleef mit seinem raubtierhaften Aussehen ein kongenialer Bösewicht: ein Opportunist, der auf der moralischen Skala des Films Tucos Kleinkriminellen und Eastwoods Glücksjäger sympathischer erscheinen lässt, als sie eigentlich sind.
Rundum genießen kann ich den Film allerdings nur in der deutschen Kino-Fassung (Zur Forumsdiskussion über die diversen Synchronfassungen geht es hier entlang: Zwei glorreiche Halunken (1966)). Die englische Synchronfassung wirkt nicht nur amateurhafter, vor allem Wallach ist mit eigener Stimme nicht so sympathisch und charismatisch wie mit Preuss (andererseits: ich habe mich Jahre lang gefragt, warum Preuss nicht viel häufiger in Synchros zu hören war – insbesondere nach dem ich ihn auf Orson Welles in CASINO ROYALE gehört habe, ahne ich den Grund: seine Performance in HALUNKEN war wohl eine absolute Ausnahme und ein seltener Glücksfall. Wallach und Preuss gehen hier eine Symbiose ein, an die beide schauspielerisch davor und auch danach nicht annähernd wieder nahe kamen). Begrüßenswert ist für mich auch, dass man Tucos Akzent nicht übernommen hat. Auch Petruo macht aus Van Cleef einen viel wirkungsvolleren Bösewicht, womöglich nicht die originellste Besetzungsidee, aber auf jeden Fall und absolut zum Vorteil des Films. Der eigentliche Synchron-Höhepunkt für mich ist aber GGH auf Eastwood – auch wenn Eastwoods eigene Stimme, höher und sanfter, eine andere Besetzung nahe gelegt hätte und obwohl diese Paarung hier im Forum nicht sonderlich viele Befürworter hat. Trotzdem – oder gerade deswegen: Eastwood war davor nicht und auch danach nie wieder so cool wie hier – ich finde, GGH potenziert Eastwoods Wirkung sogar noch. Auch wenn ich nie ein besonderer Fan von Kindler war, vor allem in seinen späteren Einsätzen für Eastwood habe ich ihn in letzter Zeit sehr schätzen gelernt, aber hier hätte ich ihn niemals hören wollen.
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Was die unterschiedlichen Fassungen des Films angeht: ich bevorzuge eindeutig die deutsche Kino-Fassung von 1967. Die nachträglich integrierten Segmente in den rekonstruierten Fassungen schwächen den Film ungemein bzw. sind auch meiner Sicht völlig überflüssig. Als eher erläuternde, Informationen liefernde Passagen tragen sie nichts, aber auch rein gar nichts zur Steigerung seines Unterhaltungswertes bei. Ganz zu schweigen von dem Synchron-Flickwerk der Gold-Edition, indem sogar bereits in der deutschen Kino-Synchro existierende Dialoge neu und völlig inspirationslos und stümperhaft vertont wurden.
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Schließlich: Morricones Score zu IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO gehört für mich zu den schönsten Soundtracks aller Zeiten, insbesondere mag ich (natürlich) das Leitthema, Il Deserto, L’estasi Dell’oro und das finale Duell untermalende Il Triello:
THE WITCHES (LE STREGHE [Italien/Frankreich 1967])
Geschaut habe ich die US-Fassung, für die Eastwood sich selbst synchronisiert hat, besser gesagt: nur das 5. und letzte Segment des Episodenfilms mit dem Titel: „An Evening like the others“, das von Vittorio De Sica inszeniert wurde. Die Anthologie, ein in den 60ern beliebtes Format, ist ein Star-Vehikel für die Hauptdarstellerin Silvana Mangano, die in allen fünf Episoden in unterschiedlichen Rollen zu sehen ist. Produziert hat den Film der damalige Ehemann der Mangano, Dino De Laurentiis.
Erwähnt wird der Film heutzutage hauptsächlich nur noch im Zusammenhang mit Eastwoods Filmographie, und hier auch eher als kuriose Fußnote – oder gar mit falscher Inhaltsangabe, wie hier in dem englischsprachigen Wikipedia-Eintrag). Ein eher unbedeutender Film also, obwohl neben De Sica mit Pasolini und Visconti noch zwei weitere Größen des italienischen Kinos daran als Episodenregisseure mitwirkten.
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Sollte das Eastwood-Segment typisch für den gesamten Film sein, so ist es ein selten spritziger, wenn auch recht kurzweiliger Streifen mit einigem Leerlauf. Hier nun spielt die Mangano die frustrierte Ehefrau Giovanna , die sich von ihrem permanent übermüdeten Mann Carlo (in der US-Fassung: Charlie) vernachlässigt fühlt und sich in Tagträume flüchtet, in denen sie sich ihren Mann wechselweise in Wunschrollen als Fred Astaire-Verschnitt, als Rosenkavalier und einen eifersüchtigen Pistolero imaginiert, oder als jammernden Narzissten und langweiligen Büroarbeiter.
Die Rolle des Carlo dürfte die ungewöhnlichste sein, die Eastwood je gespielt hat. Schon optisch ist er mit seiner akkurat gescheitelten Gelfrisur und dicker Hornbrille kaum wiederzuerkennen, auch in den Traumsequenzen erinnert er eher an einen feinen Pinkel als an seine sonstigen erdverbundenen, wenn auch mythisch überhöhten Leinwandfiguren. Und in den 25. Minuten, die diese Episode dauert, hat er mehr Text als beinahe in all seinen Star-Filmen zusammen.
Und er macht keine so schlechte Figur, eigentlich. Ich habe ihn schon viel hölzerner agieren gesehen und auch viel deplatzierter. Sein Carlo erinnert in vielen Passagen teilweise an jenen Rollentypus, auf den Jack Lemmon in den 1950ern und frühen 1960ern abonniert war. Wenn Eastwood nach dem Erfolg der DOLLAR-Filme seine Karriere nicht weiter in Richtung physisches Kino gepusht hätte, hätte aus ihm vielleicht ein ganz passabler Komödiant werden können – oder auch nicht, denn bereits Mitte der 60er war die Zeit der klassischen Komödien mehr oder weniger schon vorbei.
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Die US-Fassung erlaubt sich an einer Stelle übrigens einen Insider-Gag. Als Charlie seiner Frau das aktuelle Kinoprogramm aus der Zeitung vorliest, stolpert auch über einen Western mit dem Titel: A FISTFULL OF DOLLARS. Ob man in der deutschen Synchronfassung mit dem Titel HEXEN VON HEUTE, wo Jürgen Thormann für Eastwood zu hören sein soll, diesen Gag auch gemacht hat?
Da ich den kompletten Film HEXEN VON HEUTE kenne, ein paar Anmerkungen:
Die Eastwood-Episode ist nicht typisch für den gesamten Film, denn alle 5 Episoden haben einen ganz eigenen Stil. Das war ja damals - da gab's sowas sehr oft - gerade das Besondere an diesen Episodenfilmen. Das Highlight ist zweifellos die Pasolini-Episode mit dem Duo Toto und Ninetto, wogegen die Visconti-Episode doch sehr zähflüssig (um nicht zu sagen langweilig) ist. Die anderen beiden Episoden sind nur ganz kurze Sketche und kaum der Rede wert.
Jürgen Thormann passt ganz ausgezeichnet zum Eastwood-Charakter des gelangweilten Ehemannes. Wie er die zur Auswahl stehenden Filmtitel (incl. 'Für eine Handvoll Dollar') aus der Zeitung vorliest, da vergeht einem - wie auch seiner Frau Silvana Mangano - wirklich jede Lust, sich irgendeinen der Filme anzusehen.
Wer den Film irgendwo erwischt, ansehen lohnt sich (nachdem man sich durch die erste Visconti-Episode gequält hat). Und die groteske Pasolini-Episode 'Die Erde, vom Mond aus betrachtet' ist ein funkelndes Juwel (ungemein amüsant, Klaus W. Krause für Toto ist göttlich) und bleibt einem auf ewig im Kopf hängen.
HÄNGT IHN HÖHER (HANG 'EM HIGH [USA 1968]) Poster_Hang.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Eastwoods erster US-Film als Hauptdarsteller nach seinen Italo-Western, die kurz zuvor auch in Amerika mit Verspätung sehr erfolgreich angelaufen waren. HÄNGT IHN HÖHER ist auch der erste Film, den seine neugegründete Produktionsfirma MALPASO hergestellt hat – und bezeichnenderweise kann man an diesem Film auch recht gut beobachten, wie Eastwood versucht, sich seinen in Europa erlangten Superstarstatus auch vom amerikanischen Mainstream-Publikum bestätigen zu lassen.
Es ist ein in mancher Hinsicht vergleichsweise ambitionierter Western, in anderer aber auch ein recht konventioneller Film – eigentlich ein typisches Beispiel dafür, wie der US-Western damals versuchte, gleichzeitig traditionelle Versatzstücke des Genres mit innovativen Elementen des Italo-Western zu kombinieren. Erstaunlicherweise ist HÄNGT IHN HÖHER aber trotz Eastwoods Mitwirkung verglichen mit den ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen US-Western den Italo-Western weniger nah als imitative Filme wie etwa BANDOLERO (was nicht unbedingt wertend gemeint ist, denn BANDOLERO mag ich auch sehr).
In formaler Hinsicht orientiert sich HÄNGT IHN HÖHER eher an der Serien-Ästhetik des US-Fernsehens und am Erzählstil der 50er Jahre-B-Western (Dominanz von Nah- und Halbnah-Einstellungen, Verzicht auf ausgestellte Montage-Extravaganzen usw.). Interessanter ist der Film da schon eher auf der inhaltlichen Ebene.
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Die Exposition lässt eine typische Rachegeschichte erwarten, nach dem ‚Graf von Monte Christo‘-Muster: Eastwood wird von einer Posse fälschlicherweise für einen Viehdieb und Mörder gehalten und an Ort und Stelle am nächsten Baum aufgehängt. Wenig später, aber noch rechtzeitig genug, wird er von einem vorbeireitenden Marshal, der im Auftrag eines berüchtigten ‚Galgenrichters‘ arbeitet, gerettet. Eastwood kann seine Unschuld beweisen (er ist ein ehemaliger Sheriff, der Rancher werden wollte) und wird daraufhin vom Richter (gespielt von einem großartigen Pat Hingle), der Eastwood davon abhalten will, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen, zum Marshal ernannt. Das alles wird sehr zügig im ersten Akt abgehandelt.
SPOILER Als Zuschauer vermutet man zunächst, dass Eastwood unter dem Deckmantel eines Rechtsvertreters Selbstjustiz üben und die neun Vigilanten, die ihn aufgehängt haben, einen nach dem anderen erledigen wird. Das würde dem Film wie in unzähligen Rachegeschichten auch die Erzählstruktur quasi vorgeben, sieht die Dramaturgie üblicher Selbstjustizgeschichten doch vor, dass eine rechtschaffene Figur nach persönlich erfahrenem Unrecht exakt nach demselben Muster agiert wie seine Peiniger. Diese Dramaturgie wird hier aber auf den Kopf gestellt, der Film schlägt im Folgenden mehrere Volten. Zunächst einmal entpuppt sich Eastwood überraschenderweise als ein sehr liberaler Gesetzeshüter, der die Vigilanten nur festnehmen will, damit sie rechtskräftig verurteilt werden. Bei einem der Vigilanten plädiert er sogar für dessen Begnadigung, zeigt sich von den Massenhinrichtungen des Richters regelrecht angeekelt und liefert sich mit diesem hitzige Wortgefechte über Sinn und Unsinn pauschaler Rechtsprechung.
Interessanterweise nimmt HÄNGT IHN HÖHER in mancher Hinsicht die DIRTY-HARRY-Filme vorweg. Auch in diesen späteren Filmen liefern sich die Eastwood-Figuren ideologische Wortgefechte mit ihren Vorgesetzten, nur dass dort die Rollen vertauscht werden: Eastwoods Vorgesetzte werden liberalere Positionen beziehen (oder aus Eastwoods Perspektive: laxere), Eastwoods Helden pragmatische.
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Dass HÄNGT IHN HÖHER sein brisantes Thema nicht unbedingt als spektakulären Aufhänger instrumentalisieren will, erkennt man auch an einer längeren Passage, die den linearen Erzählbogen um die Verfolgung der Vigilanten einfach unterbricht und recht ausgedehnt eine Massenhinrichtung als eine Art kirchlich sanktionierte Karnevalsveranstaltung zeigt, mit sich amüsierenden Schaulustigen und geschäftstüchtigen Limonadenverkäufern.
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Weniger motiviert wirkt da eine Nebenhandlung, die eine Liebesgeschichte zwischen Eastwood und einer Witwe erzählt, was einerseits als Mainstream-Zugeständnis erscheint, andererseits aber auch Eastwood als romantischen Helden einführt – ein Element, das in Eastwoods Italo-Western komplett fehlte.
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Ebenso fehlt hier der Humor der Leone-Western. HÄNGT IHN HÖHER ist ein sehr grimmiger und humorloser Film, was den Film aber auch wirkungsvoller macht. Das Erzählelement des Hängens und Gehängtwerdens, das in ZWEI GLORREICHE HALUNKEN noch als makabrer Spaß inszeniert wurde, ist hier zu einem todernsten Hauptthema geworden.
Eastwood macht in diesem Film eine sehr gute Figur, finde ich. Und obwohl die Anlage seiner Figur so ganz anders ist als sein ‚Blonder‘ in ZWEI GLORREICHE HALUNKEN, passt GGH auch hier ausgezeichnet. Schade, dass dies auch schon sein letzter Einsatz auf diesem Schauspieler war. Auf dem jungen Eastwood ist er schon immer mein absoluter Favorit gewesen.
Wiederum eine sehr schöne Filmanalyse, die ich mit Begeisterung gelesen habe.
Ich fand es übrigens als einen der größten Vorteile der ersten großen Italowestern, dass sie auf eine herkömmliche Mann-Frau-Liebesbeziehung verzichteten.
Fast alle klassischen "Männerfilme" kommen ins Stocken, wenn aus welchen Gründen auch immer, die Liebe in Form einer Frau die Handlung betritt (es sei denn sie ist nicht von gewöhnlicher Bilderbuchweiblichkeit und Katalysator für etwas Fatalistisches). Die Liebesepisode in "Hängt ihn höher" ist für sich genommen sehr schön: der verletzte Eastwood, seelisch und körperlich malträtiert, wird durch Berührungen und Körperwärme wieder reanimiert. Diese in positivem Sinn sehr intimen, keinesfalls spekulativen Sequenzen könnten Teil eines komplexen Dramas sein. Nur leider hemmen sie den Handlungsablauf des Filmes. Es mag politisch manchem nicht korrekt erscheinen, aber ich würde gerne aus sämtlichen Männerfilmen unterschiedlicher Art nahezu alle Frauenrollen eliminieren. Mancher gute Film würde dadurch ein sehr guter werden.
Eine kleine Anekdote zu HÄNGT IHN HÖHER und zum Liebesplot darin. Dieser Film war der erste Eastwood-Film, den ich gesehen habe, sogar einer der ersten Filme überhaupt, die ich im Kino sah. Der Film lief damals in einem Münchner Programmkino. Kaum hatte ich beim Spaziergang mit meinem Vater das Filmposter und die Aushangfotos im Schaufenster gesehen, drängte ich ihn, unbedingt reinzugehen. Mein Vater, selbst ein Westernnarr, willigte ein. Als wir reingingen, lief der Film aber schon - und ich kann mich noch sehr genau erinnern, welche Szene es war. Es war die Picknickszene mit Eastwood und Inger Stevens, bei der Eastwood, nachdem er ein gekochtes Ei gegessen hatte, Anstalten machte, die Stevens zu küssen. Einen Western stellte ich mir freilich ganz anders vor. Als kleiner Bub waren mir solche Filme auch immer sehr unangenehm, im Kino langweilten mich solche Szenen, im TV brachten sie mich immer zum Kichern. Glücklicherweise konnte man in diesem Programmkino, sobald man ein Ticket gekauft hatte, solange verweilen, wie man Lust hatte und sich die jeweiligen Filme sooft anschauen, wie sie neu eingefahren wurden. Das tat ich hier auch - und sah mir den Film anderthalbmal hintereinander an. Der Rest des Films gefiel mir da schon wesentlich besser. Vielleicht mag ich diesen Film auch deshalb so gern, weil er eines meiner ersten und nachhaltigsten Kinoerlebnisse war.
Also, zumindest bei mir ist es so, dass ich die screenshots nur dann sehen kann, wenn ich eingeloggt bin. (Erstmals war mir das vor einiger Zeit bei VanTobys 'Look, i'm not your father'-Bildchen aufgefallen.)
Von allen Eastwood-Filmen der Übergangsphase zwischen der DOLLAR-Trilogie und dem endgültigen Durchbruch mit DIRTY HARRY, ist COOGANS GROSSER BLUFF vielleicht der bemerkenswerteste. Er hat zwar auch für sich genommen seine Meriten (flüssige Kamerabewegungen, ökonomischer Erzählstil, hervorragend choreographierte Action-Sequenzen, schöne on location-Aufnahmen des herbstlichen New York, Lalo Schifrins ironischer Score), aber von größerem Interesse ist er vor allem im Rückblick – als Teil der Eastwoodschen Gesamtfilmographie.
Es wäre gewiss nicht übertrieben, ihn als eine Art Blaupause für DIRTY HARRY anzusehen – nicht nur, weil dies Eastwoods erste Zusammenarbeit mit Don Siegel ist, einem Regisseur, der für seine Karriere mindestens so wichtig ist wie Leone –, COOGAN ist auch sein erster Film als Hauptdarsteller in einem zeitgenössischen setting.
Einen Großteil seines Charmes bezieht COOGAN denn auch daraus, dass er Eastwoods bekannte Western-Persona ins urbane New York versetzt. Als ein Deputy Sheriff aus Arizona ist er in der Großstadt mit seinem großem Stetson-Hut, der Schnürsenkelkrawatte und den Cowboystiefeln so auffällig wie ein bunter Hund. Aber nicht nur äußerlich, auch mit seinem ganzen Habitus und seinem Moral-Kodex gibt sich sein Coogan bei jeder Gelegenheit als ein dem Mythos des alten Westens verhaftetes Relikt zu erkennen.
Und ob man es letztlich nun eher deplatziert finden mag oder darin doch mehr eine gelungene Travestie sieht: die finale Verfolgungsjagd auf Motorrädern statt auf Pferden demonstriert sehr gut, wie Eastwood schon sehr früh mit seinem Image spielte – freilich nicht selbstzweckhaft, sondern im Einklang mit dem Konzept des Unterhaltungskinos eher als Inspirationsquelle für interessante Variationen bekannter Muster.
Im Grunde ist COOGAN ein Charakter-zentrierter Film, weniger eine dramaturgisch ausgefeilte Erzählung. Der Auslöser der Haupthandlung – Coogan soll einen Gefangenen nach Arizona überführen -, ist nicht mehr als ein Vorwand, um die Geschichte am Laufen zu halten und als roter Faden die einzelnen Segmente des Films lose zu verknüpfen.
Das konventionelle culture clash-‚Motiv des Provinzlers in der Großstadt‘ wird gekonnt mit Eastwoods Westerner-Image kombiniert und erlaubt eine originelle Variation dieses Erzählmusters, wie man es aus zahlreichen klassischen Filmen mit Gary Cooper oder James Stewart kennt. Eastwood spielt hier zwar auch einen waschechten Provinzler im Rahmen einer fish out of water-Geschichte, aber er ist alles andere als der gutmütig-trottelige Naivling in der Tradition von Cooper und Stewart, COOGAN macht sich immer wieder einen Spaß daraus, wie die Klischees dieses Motivs an der Lakonie und am trockenem Humor seines Helden abprallen.
Anders als die Helden der Capra-Komödien ist Eastwoods Coogan keineswegs eine sympathische Identifikationsfigur. Er stattet seine Figur durchaus mit arroganten und sadistischen Zügen aus, spielt ihn als einen oft rechthaberischen Mann, der auch sehr brutal und egoistisch sein kann. Vor allem fügt Eastwood hier seinem bisherigen Leinwandimage eine Facette hinzu, die seinen frühen Figuren völlig abging: Coogan ist ein sexuell aggressiver Mann, mit der Direktheit eines Vorstadtcasanovas.
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Erstaunlicherweise hat Eastwood diese Facette, mit Ausnahme von EIN FREMDER OHNE NAMEN und IM AUFTRAG DES DRACHEN, nicht nachhaltig in seine Leinwandpersona integriert. Jedenfalls sind in COOGAN die Szenen mit weiblichen Charakteren die wenigen Momente, in denen sich Eastwoods sonst sehr strenge Mimik auflockert und die ihm ein spöttisch bis ironisches Grinsen ins Gesicht zaubern.
Lediglich seine Beziehung zu einer liberal eingestellten Bewährungshelferin weicht seine professionelle Grimmigkeit und seine übliche Flirtroutine auf. Man kann vermuten, dass es größtenteils an dieser Begegnung liegt, dass er am Ende seinem Gefangenen gegenüber, der ihm beinahe das Leben genommen hätte, Menschlichkeit zeigt und ihm eine Zigarette anbietet – eine Geste, die er zu Beginn des Films einem anderen Gefangenen auf geradezu sadistische Weise verwehrt hatte.
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COOGANS GROSSER BLUFF ist auch der erste von fünf Filmen, in denen man Kramer auf Eastwood hört. Es ist m.E. auch seine beste Leistung für Eastwood. Er transportiert die trockene Lakonie und die selbstbewusste Coolness der Figur ebenso hervorragend wie ihre direkte no-nonsense-Mentalität. Es fällt mir schwer, mir Kindler in dieser Rolle vorzustellen, aber ich denke, mit GGH wäre das Endergebnis auch sehr schön ausgefallen.