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Dieses Thema hat 106 Antworten
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 Off-Topic
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John Connor



Beiträge: 4.883

07.05.2015 22:20
#31 AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

AGENTEN STERBEN EINSAM (WHERE EAGLES DARE (USA/GB 1968)]
Eagles_Italienisches Poster.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
AGENTEN STERBEN EINSAM ist ein Spionage-Abenteuer vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs und gehört zu den populärsten Eastwood-Filmen – besser gesagt: zu den populärsten Filmen mit Eastwood. Grund für diese Einschränkung ist nicht so sehr, dass Richard Burton hier die Hauptrolle spielt. Wem nämlich Eastwoods Filmographie in ihrer ungefähren Chronologie nicht so präsent ist, kann angesichts des Films leicht dem Irrtum erliegen, AGENTEN wäre eine von Eastwoods ersten filmischen Gehversuchen, die er während seiner RAWHIDE-Zeit unternommen haben könnte.

So ganz abwegig wäre diese Annahme eigentlich nicht, denn hier wie dort spielt Eastwood einen nicht so hellen sidekick. Bis zum Action-Finale beschränkt sich sein Beitrag zum Film nämlich hauptsächlich darin, seine Waffen zu reinigen, planlos durch die Gegend zu schauen („Sie haben mich in den letzten 20 Minuten so verwirrt, dass ich kaum noch wusste, wer ich war“), als Stellvertreter des Publikums sich von den Wendungen der Geschichte ebenso überrascht zu zeigen wie hoffentlich der Zuschauer auch und Burton so geistvolle Fragen zu stellen wie: „Was machen wir hier eigentlich?“, damit die nötigsten Informationen irgendwie doch noch vermittelt werden können.

Dass AGENTEN so immens populär ist (imdb-Wertung von 7.7), ist aber sehr gut nachvollziehbar. Akzeptiert man die etwas hanebüchene story und die genre-typische Bearbeitung des Stoffs (Krieg als Abenteuerspektakel), wird man bestens unterhalten.

AGENTEN dürfte nach ZWEI GLORREICHE HALUNKEN derjenige Eastwood-Film mit den imposantesten production values sein. Das schneebedeckte Alpen-setting ist atemberaubend, in der visuellen Umsetzung ist der Film eine wahre Augenweide, von einigen Ausrutschern abgesehen (die Flucht mit dem Motorrad!), sind selbst die Rückpro-Aufnahmen (die Seilbahn-stunts) echte Hingucker.
Auch Ron Goodwins für so ein Sujet ungewöhnlich zurückhaltende und dennoch sehr eingängige und mitreißende Musik passt zum flüssigen, unaufgeregten Inszenierungsstil.

Und hat man sich erstmal auf die Prämisse der Geschichte eingelassen, kann man sich an einer sehr geschickt entfalteten Dramaturgie mit mehreren Spannungskurven erfreuen. Auf der Makroebene, der Ebene der Gesamthandlung, ist der Film pointen-orientiert. Er hat sogar zwei mehr oder weniger gut platzierte Pointen, eine in der Halbzeit und eine im Finale.

Agenten_1.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Die Geschichte basiert auf einem Originaldrehbuch des Thriller-Spezialisten Alistair MacLean, dessen KANONEN VON NAVARONE quasi das Subgenre des Sonderkommando-Films begründet hat. AGENTEN ist im Vergleich dazu im Ton leichter, augenzwinkernder, Bondisher – die Nazis hier sind eher Bilderbuchbösewichte, wie sie später vor allem in den INDIANA JONES-Filmen auftreten werden.

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Hier nun soll eine geheime britische Kommandotruppe mit Eastwood als einzigem Amerikaner, angeführt von Burton, einen in Gefangenschaft geratenen amerikanischen General aus einer Festung in den bayerischen Alpen, die nur über eine Seilbahn erreichbar ist, befreien. Es stellt sich jedoch heraus, dass die gesamte Operation nur das Ziel hatte, Verräter in den eigenen Reihen zu enttarnen. Es geht also um Agenten, Doppelagenten und in einer ironischen Volte sogar um einen Tripelagenten. Das Ganze wird, wie gesagt, innerhalb des Genrerahmens sehr hübsch dargeboten.

Agenten_3.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Freilich verlässt sich der über 150 Minuten lange Film nicht auf diesen Überraschungs-zentrierten Hauptplot, sondern arbeitet auf der Mikroebene, in den einzelnen Segmenten, mit bewährten suspense-Techniken, wobei der Höhepunkt – auch visuell - im wahrsten Sinne des Worte sicherlich der Kampf auf dem Dach der Seilbahn ist. Nach dem vergleichsweise geschwätzigen ersten Teil, wird der Film nach der Halbzeit-Pointe erzählerisch teilweise sehr interessant. Der Dialoganteil des Films wird drastisch zurückgefahren, von den kontrapunktisch eingesetzten Explosionen und Schusswechseln abgesehen (für mich die langweiligsten Szenen des ganzen Films), gibt es sehr lange, ausgedehnte wortlose Passagen, lediglich von Goodwins Musik untermalt.

Agenten_4.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Auch wenn der Film vor dem Hintergrund des Eastwoodschen Rollenrepertoires letztlich weniger interessant ist, so fügt sich Eastwood doch recht gut ins Ensemble ein. Zur Rollenanlage passt der eher unauffällig agierende Herbert Stass zwar nicht schlecht, aber einen besonderen Eindruck hinterlässt er auch nicht.

Nächster Film: WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND

berti


Beiträge: 17.492

08.05.2015 11:08
#32 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Zitat von John Connor im Beitrag #31
Wem nämlich Eastwoods Filmographie in ihrer ungefähren Chronologie nicht so präsent ist, kann angesichts des Films leicht dem Irrtum erliegen, AGENTEN wäre eine von Eastwoods ersten filmischen Gehversuchen, die er während seiner RAWHIDE-Zeit unternommen haben könnte. So ganz abwegig wäre diese Annahme eigentlich nicht, denn hier wie dort spielt Eastwood einen nicht so hellen sidekick. Bis zum Action-Finale beschränkt sich sein Beitrag zum Film nämlich hauptsächlich darin, seine Waffen zu reinigen, planlos durch die Gegend zu schauen („Sie haben mich in den letzten 20 Minuten so verwirrt, dass ich kaum noch wusste, wer ich war“), als Stellvertreter des Publikums sich von den Wendungen der Geschichte ebenso überrascht zu zeigen wie hoffentlich der Zuschauer auch und Burton so geistvolle Fragen zu stellen wie: „Was machen wir hier eigentlich?“, damit die nötigsten Informationen irgendwie doch noch vermittelt werden können.

Bei der Aufzählung seiner Tätigkeit hast du die wichtigste vergessen: das Umlegen der Feinde!
Was seine Rolle hier betrifft, meinte ein Amazon-Rezensent, er habe selten einen Hauptdarsteller gesehen, der im Bild so präsent sei (man sieht ihn noch vor Burton), aber so wenig zu tun bekomme. Anders als in seinen Westernrollen oder später als Dirty Harry werde er hier auf eine reine Killermaschine reduziert, die nicht einmal Humor habe, von Zwischentönen ganz zu schweigen.
Finanziell hat es sich jedenfalls für ihn (und seinen Kollegen Burton) gelohnt! Ein anderer Rezensent meinte, immerhin sei der Film ein schönes Zeitdokument, da er unberührte Alpenlandschaften zeige, die so heute meist nicht mehr existierten.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

08.05.2015 13:12
#33 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Wiederum ein sehr schöner Beitrag zu einem Film, den ich natürlich vor allem als Burton-Freund sehr schätze.

Interessieren würde mich, WARUM Eastwood überhaupt besetzt wurde, er sticht in der nahezu rein britischen Besetzung hervor, wurde groß vermarktet und hat im Grunde keine bedeutsame Rolle. Vermutlich ein Fall von perfekt kalkulierter "Ausbeutung" eines Starnamens, der Zugkraft besitzt. Im Unterschied zu anderen Sonderkommando-Filmen wie eben "Die Kanonen von Navarone" oder "Die Wildgänse kommen", wo man populäre Stars nach einem bestimmten, exakt kalkulierten Muster typgerecht besetzt, fällt hier wirklich auf, dass es im Grunde eine Rolle ist, die nahezu jeder hätte spielen können - sie hat keine Eastwood-Facetten zu bieten. Womöglich kam man ja erst kurz vor Drehbeginn auf die Idee.

Für Burton, der neben seiner fürstlichen Gage auch an den Einspielergebnissen beteiligt war, wurde der Film ja ein besonders lukratives Geschäft. In einem Artikel zu seinem zehnten Todestag vor auch schon wieder zwei Dekaden war zu lesen, dass "Agenten sterben einsam" noch immer für die Erben Profit abwerfe.

Ron Goodwins beinahe monothematische Filmmusik trägt tatsächlich sehr zur Atmosphäre bei. Bemerkenswert, dass er keinen typischen heroischen Marsch schrieb, sondern eine eher gehaltvolle typisch barocke Fuge, die er dann mit harter, militärischer Perkussion vermengte.

Auf Burg Hohenwerfen wird übrigens heutzutage mit den Dreharbeiten zum Film etwas geworben. Aber um mal die Realität mit dem Film zu vergleichen: die Burg hatte keinerlei Bedeutung zur NS-Zeit, sie verfügt über keine Seilbahn dieser Art (sie war schon seit jeher sehr einfach über eine ansteigende Strasse zu erreichen) und die im Studio entstandenen Innenräume der gigantischen Anlage stehen in krassem Gegensatz zur tatsächlichen Beschaffenheit der Räume und deren Architektur. Auch entspricht die gezeigte Umgebung der Burg im Tal absolut nicht der Wirklichkeit, da schnitt man unterschiedliche, weit entfernt liegende Orte perfekt zusammen. Rund um die gigantische Festung ist das Tal so eng, da hätten die gezeigten Militärunterkünfte und Bauten nicht einmal Platz, die man im Film sieht. Aber das nur nebenbei bemerkt und keinesfalls als Vorwurf, denn Film ist eine Illusion und das darf er umso mehr auskosten, je weniger wahr die Vorlage ist.

berti


Beiträge: 17.492

08.05.2015 13:34
#34 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Vielleicht wurde Eastwood besetzt, weil man einen amerikanischen Namen für den US-Markt brauchte? Warum seine Figur aus dramaturgischen Gründen Amerikaner sein muss, wird im Film ja begründet.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

08.05.2015 15:50
#35 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Ja, das wird begründet, aber ist im Prinzip nicht mehr, als eine fadenscheinige Sache,die man verschiedentlich variieren hätte können. Ich denke auch, dass für den amerikanischen Markt ein Name gebraucht wurde, auch wenn dort Burton sehr gut zog. Aber doppelt genäht hält ja bekanntlich besser.

John Connor



Beiträge: 4.883

09.05.2015 21:40
#36 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Zitat von berti im Beitrag #32

Bei der Aufzählung seiner Tätigkeit hast du die wichtigste vergessen: das Umlegen der Feinde!


Ich schrieb ja auch vorsorglich: ... bis zum Action-Finale.

Zitat von berti im Beitrag #32
Anders als in seinen Westernrollen oder später als Dirty Harry werde er hier auf eine reine Killermaschine reduziert, die nicht einmal Humor habe, von Zwischentönen ganz zu schweigen.


So ganz stimmt das ja nicht. Das Ganze wird schon recht humoristisch dargeboten, comichaft sowieso. Und für eine Killermaschine zeigt Eastwoods Mimik fast schon zuviel Beweglichkeit, zumindest verglichen mit Mary Ures unbeweglicherer Mimik. [Übrigens habe ich es ja schon immer irgendwie bedauert, dass man Ures und Ingrid Pitts Rollen nicht getauscht hat - ich hätte lieber Pitt prominenter besetzt gesehen].
Außerdem gibt es ja eine zentrale Szene, wo Eastwoods kurzes Zaudern zur Folge hat, dass der Alarm ausgelöst wird - und Burton in dieser Szene viel geistesgegenwärtiger und routinierter reagiert.

Apropos Mienenspiel: eine der - schauspielerisch - gelungensten Szenen für mich ist ja die, wo Burton dem enttarnten Ober-Verräter "entgegenkommt" und bei dieser Szene peinlich berührt seinen Blick senkt. Überhaupt ist Burton ja sehr gut aufgelegt bei diesem Film, spielt sehr professionell und genre-affin und vermittelt nicht den Eindruck, als wäre er im falschen Film oder würde sich darin unwohl fühlen.

Zitat von fortinbras im Beitrag #33
Interessieren würde mich, WARUM Eastwood überhaupt besetzt wurde, er sticht in der nahezu rein britischen Besetzung hervor, wurde groß vermarktet und hat im Grunde keine bedeutsame Rolle. Vermutlich ein Fall von perfekt kalkulierter "Ausbeutung" eines Starnamens, der Zugkraft besitzt.


Auf der einen Seite sicherlich das - auf der anderen kann man komplementär dazu auch fragen, warum Eastwood sich auf einen - besetzungstechnisch gesehen - solchen Rückfall eingelassen hat. Für ihn, der in dieser Transformationsphase auch auf dem angloamerikanischen Mark Fuß fassen wollte, war die Mitwirkung an einem hochbudgetierten Großprojekt unter diesem Gesichtspunkt sicherlich auch lohnend (neben der hohen Gage natürlich). Seine Rollenauswahl auch bezüglich der nachfolgenden zwei Projekte - WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND und STOSSTRUPP GOLD - bestätigt ja die Stichhaltigkeit solcher strategischer Überlegungen; und diese gingen in allen drei Fällen eigentlich auf, wenn auch in erster Linie karrierestrategisch, nicht unbedingt artistisch.

berti


Beiträge: 17.492

10.05.2015 10:17
#37 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Zitat von John Connor im Beitrag #36
Zitat von berti im Beitrag #32

Bei der Aufzählung seiner Tätigkeit hast du die wichtigste vergessen: das Umlegen der Feinde!


Ich schrieb ja auch vorsorglich: ... bis zum Action-Finale.

Beginnt er damit nicht schon viel früher?
Siehe diesen amüsanten Clip (der natürlich mächtig spoilert):https://www.youtube.com/watch?v=pRHqtbt3ORc

John Connor



Beiträge: 4.883

10.05.2015 21:33
#38 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Ja, so kann man den Film freilich auch zusammenfassen, mediengerechter allemal.

berti


Beiträge: 17.492

10.05.2015 21:38
#39 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Zitat von John Connor im Beitrag #38
Ja, so kann man den Film freilich auch zusammenfassen, mediengerechter allemal.

Hier wäre ein (ebenfalls schon vor einiger Zeit verlinktes) noch knapperes Fanvideo:https://www.youtube.com/watch?v=VMxxhE1gQ6M&feature=related

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

11.05.2015 17:11
#40 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Aus Eastwoods Sichtweise habe ich es noch gar nicht betrachtet, aber in Zusammenhang mit "Westwärts zieht der Wind" (ein scheußliches Ding) und "Stoßtrupp Gold" ergibt das durchaus ein Muster und dürfte wohl klug gewesen sein.

Trotzdem finde ich es ein wenig schade, dass Eastwood in AGENTEN eben nur mal so dabei ist, denn man hätte die Rolle durchaus kantiger und konfliktreicher gestalten können. Ich rechne es ihm selbst aber hoch an, dass er sich niemals darum bemüht, die Rampensau zu geben und nicht an der eigentlichen Hauptrolle rüttelt.

Wenn jetzt wieder die widerlich warm-heisse Schlechtwetterphase eintritt, bis der Herbst endlich kommt, ist der Film eine willkommene Abkühlung zwischendurch, den sollte ich mir dann wieder mal geben.

berti


Beiträge: 17.492

11.05.2015 18:23
#41 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Zitat von fortinbras im Beitrag #40
Wenn jetzt wieder die widerlich warm-heisse Schlechtwetterphase eintritt, bis der Herbst endlich kommt, ist der Film eine willkommene Abkühlung zwischendurch, den sollte ich mir dann wieder mal geben.

Ich nehme an, neben Abkühlung wecken die vielen österreicischen Außenaufnahmen bei dir auch nostalgische Gefühle?

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

11.05.2015 19:31
#42 RE: AGENTEN STERBEN EINSAM Zitat · antworten

Nostalgisch? Nun, ich bin ja kein Salzburger Nockerl. Die Burg Hohenwerfen hält oben In keinster Weise, was sie von unten verspricht - das Innenleben ist im Studio viel aufregender. Und was die Alpen betrifft, nun:

"Immer diese Radfahrer":

Hans-Joachim Kulenkampf (sinngemäß): "Na, ist es nicht schön da unten?"
Heinz Ehrhardt (sinngemäß): "Wenn es da unten so schön ist, warum sind wir dann hier rauf?"

Ich bin hier in der Erhardt-Rolle.

Obwohl, der Schnee, das hat schon was...nostalgisch sehne ich mich vielleicht nach einem echten Winter...

John Connor



Beiträge: 4.883

14.05.2015 21:25
#43 WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND Zitat · antworten

WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND (PAINT YOUR WAGON [USA 1969])
Wagon_Poster-001.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Ich gebe zu: WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND ist ein Film, den ich mir ohne meine selbstverpflichtende Retrospektive kein zweites Mal freiwillig angeschaut hätte. Nach erneuter Ansicht muss ich allerdings mein altes Urteil revidieren und gestehen: der Film ist viel besser als sein Ruf – und er macht zeitweilig sogar richtig Spaß.

Dabei wäre es ein Leichtes, eine Reihe von Belastungsmaterial gegen den Film zusammenzutragen: er ist einfach zu lang, Lee Marvins overacting bewegt sich hart am Rande des gerade noch Erträglichen, in dramaturgischer Hinsicht scheint dem Film die Stringenz zu fehlen, der plot zerfällt in mehrere Einzelteile – und vor allem: was bringt eigentlich mehr oder weniger vernunftbegabte Menschen dazu, urplötzlich in Gesang auszubrechen und so den Zuschauer einfach aus dem Erzählfluss herauszureißen?

So oder so ähnlich war meine Meinung über WESTWÄRTS auf Grundlage einer früheren Sichtung. Zu sagen, Musicals seien generell nicht mein Genre, wäre eine Untertreibung. Es gibt zwar ein paar klassische Musical-Filme, die ich ganz nett finde – die unbeschwerten, kunterbunten Technicolor-Musicals aus den 50ern mit Fred Astaire oder (vor allem) Gene Kelly, aber für die Genre-Variationen der 60er Jahre, wie sie etwa mit MY FAIR LADY oder THE SOUND OF MUSIC angestoßen wurden – in Richtung überlanger, exzessiv ausgestatteter, aufgeblasener Prestigeproduktionen – hatte ich nie viel übrig. WESTWÄRTS ist aber unverkennbar ein Produkt und auch sowas wie der Abschluss genau dieser Welle.

WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND ist ein komödiantisches Western-Musical, das in epischer Breite zwei parallele Geschichten erzählt: die Geschichte vom Aufstieg und Niedergang einer Goldgräberstadt namens „No Name City“ einerseits, die polyamouröse Geschichte zweier Männer (Lee Marvin und Eastwood) mit einer Frau (Jean Seberg) andererseits.

Während des kalifornischen Goldrausches tun sich ein Farmerssohn (Eastwood) und ein vagabundierender Abenteurer (Marvin) zusammen und suchen an einem Flussufer nach Gold. Die anderen – ausschließlich männlichen - Mitglieder des Siedlertrecks, mit dem sie unterwegs waren, tun es ihnen gleich. Bald entsteht um das Flussufer herum eine notdürftig zusammengehauene Stadt, in die sich eines Tages ein Mormone mit seinen zwei Ehefrauen verirrt. Die unter Frauenarmut leidenden Goldschürfer überreden den abgebrannten Mann, eine seiner Frauen zur Versteigerung freizugeben. Im alkoholisierten Zustand und ohne recht zu wissen, wie hoch sein Gebot ist, ersteigert Marvin Jean Seberg. Da Seberg aber weit und breit die einzige Frau ist, regt Eastwood zum Wohle seines krankhaft eifersüchtigen Partners an, dass die Stadt ein paar Frauen mehr „herholt“, z.B. jene französischen Prostituierteb, die eigentlich in das nahegelegene Sonora einreisen sollten. Während Marvin die Übersiedlungsmission anführt, verlieben sich Eastwood und Seberg ineinander. Da Seberg Marvin jedoch ebenfalls liebt und nicht möchte, dass einer der Männer das Feld räumt, schlägt sie erfolgreich ein Liebes-Arrangement zu dritt vor. Damit endet der erste Akt nach ca. 90 Minuten. Eigentlich hätte so auch der Film enden können – er hätte sogar ein happy ending, wie unkonventionell auch immer.

Wagon_1.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Als der zweite Akt beginnt, scheint einige Zeit an Land gezogen zu sein. Das provisorische Städtchen hat sich dank der Prostitution zu einem florierenden Amüsierzentrum entwickelt. Auch die menage a trois scheint ziemlich harmonisch zu verlaufen, wie einige hübsche Szenen dies andeuten. Beide Handlungsstränge werden nun durch zwei Faktoren von außen in Schwingung versetzt. Während die Ankunft eines frömmelnden Priesters die moralisch flexiblen Einwohner relativ kalt lässt, wird das Beziehungsarrangement der Hauptfiguren auf eine harte Probe gestellt, als Seberg einer konservativen Siedlerfamilie in Not Unterschlupf gewährt…

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Es sind schon zwei recht originelle Geschichten, die der Film erzählt. Prostitution und Freizeitkultur als Stützpfeiler des Gemeinwesens ist ein Sujet, das der Mainstreamfilm bis dahin selten so offen aufgegriffen hatte, ebensowenig wie das Erzählmotiv einer polyamourösen Beziehung in dieser Konstellation. Es scheint, als hätten die zeitliche Verlegung der Geschichte in den Wilden Westen und die Wahl eines so surrealistischen Genres wie dem des Musicals hier verfremdend und relativierend zugleich gewirkt. Vergleichbares wird man im US-Mainstreamfilm lange suchen müssen, mir fällt auf Anhieb lediglich Billy Wilders DAS MÄDCHEN IRMA LA DOUCE ein – ursprünglich kurioserweise ebenfalls als Musical geplant, wurde der Musical-Rahmen am Ende komplett gekappt. Als Ersatz für den fehlenden Musical-Verfremdungseffekt griff Wilder zum Mittel des absurden Theaters und ging letztlich doch recht schlüpfrig mit seinem Gegenstand um. WESTWÄRTS ist in dieser Hinsicht naiver, weniger kalkulierend und vielleicht deshalb auch sympathischer.

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Eastwoods Rolle ist hier gar nicht mal so marginal, wie ich sie in Erinnerung hatte – und seine zurückhaltende Offenherzigkeit im Kontrast zu Marvins exaltiertem Spiel trägt viel dazu bei, dass der Film weniger spekulativ ausfällt als er sonst hätte werden können. Im Grunde ist sein ‚Partner‘ (man erfährt den Namen der Figur erst ganz am Schluss, eine hübsche Anspielung auf Eastwoods Fremden ohne Namen aus den Dollar-Filmen) die Fortführung seines Rowdy Yates aus RAWHIDE – und auch hier spielt Eastwood die zweite Geige, wirkt neben Lee Marvin auf dem Höhepunkt seiner Popularität schon etwas blass, erst recht im Vergleich ihrer beiden gesanglichen Darbietungen.

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Letztlich sind es auch die Musical-Elemente, die bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, was das Gesamturteil betrifft. Ich kann zwar nachvollziehen, dass der Musical-Rahmen seine erzählstrategische Berechtigung hat, aber ich denke, als reine Komödie würde der Film wesentlich besser funktionieren – und er hat in der Tat viele, sehr amüsante Momente, etwa wenn Eastwood während der Trauung bei den Fragen an die Brautleute für Braut und Bräutigam einspringt und an ihrer statt antwortet („Ja, sicher.“, „Ja, natürlich.“) oder wenn Eastwood mit umgekehrter Psychologie bei der Gemeindeversammlung für die Entführung der Prostituierten wirbt.

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Rolf Schult hat hier seinen ersten Einsatz auf Eastwood (bzw. seinen zweiten nach EIN FRESSEN FÜR DIE GEIER, wenn man nach den deutschen Erstaufführungsdaten geht) – und er passt prima (nach GGH mein Favorit für Eastwood), insbesondere in den komischen Szenen. Zwar könnte der Kontrast zwischen Schults warmem und dunklem Timbre zu Eastwoods fast gehauchter Stimme in den Gesangseinlagen nicht größer sein, aber da die Gesangsszenen den Zuschauer so oder so aus dem Geschehen herausreißen, ist dies so problematisch nun auch wieder nicht. Erstaunlich allerdings, wie nahe Carl Raddatz an Lee Marvins Stimme ist, zumal man Raddatz (wie bei Marvin auch) die Spielfreude sehr deutlich anmerkt, was die deutsche Fassung auch in dieser Hinsicht sehr hörenswert macht.

Nächster Film: EIN FRESSEN FÜR DIE GEIER

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

16.05.2015 12:08
#44 RE: WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND Zitat · antworten

Wen's interessiert: von "Wandrin' Star" gibt's eine interessante Coverversion mit Christopher Lee...

Mein Vater war (zumindest früher) ein großer Anhänger von Marvin, Eastwood und dem Westerngenre. Musicals mied er, allerdings mochte er diesen Film sehr und in seiner LP-Sammlung, die zu 99,99 % aus Hardrock, Heavy Metal, Punkrock, etc, besteht, fand sich tatsächlich der Soundtrack zum Film...

Wie viele Musicalfilme würde "Westwärts zieht der Wind" schlichtweg besser und unterhaltsamer sein, wären keine Lieder drin. Im Unterschied zu manch anderen Musicals bliebe hier die Handlung nahezu unberührt, sofern man Handlung sagen kann. Immerhin eine unterhaltsame Belanglosigkeit - nur die Songs hält man fast noch schwerer durch als in anderen Werken. Natürlich - "Wandrin' Star" ist ein Klassiker, was aber auch an Lee Marvins eigentümlicher Interpretation liegt. Sein Gespür für die Atmosphäre des Liedes entschuldigt seine mangelnde musikalische Begabung und er hat damit ein Standard gesetzt: dieser Song wirkt zumeist unerträglich, wenn er wirklich professionell gesungen wird...

Clint Eastwood in einem der letzten Musicalgroßfilme Hollywoods zu sehen hat natürlich insgesamt betrachtet einen enormen Kuriositäts-Bonus.

John Connor



Beiträge: 4.883

16.05.2015 22:40
#45 RE: WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND Zitat · antworten

Hehe, ja, das hätte ich gerne mal gehört - leider habe ich auf die Schnelle nichts finden können auf youtube & Co.

Ja, ich werde mir bei Gelegenheit mal eine um die Musicalnummern dezimierte Fassung zusammenschneiden und lediglich Lee Marvins Wandrin' Star drin lassen. Es hat schon irgendwie einen eigentümlichen Charme:

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