STOSSTRUPP GOLD ist nach AGENTEN STERBEN EINSAM und WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND der dritte und finale big budget-Film, in dem Eastwood nach seiner Rückkehr in die USA mitwirkte – und er sollte bis IN THE LINE OF FIRE 23 Jahre später auch der letzte Film sein, in dessen Herstellung er mit seiner Produktionsfirma Malpaso nicht involviert war. 1968 ursprünglich aus Gründen der Steuerersparnis als Abschreibungsunternehmen gegründet, funktionierte Eastwood Malpaso nach negativen Erfahrungen mit diesen verschwenderischen Megaprojekten zu einer vollwertigen Filmproduktionsfirma um. Neben Effizienzgesichtspunkten waren auch künstlerische Aspekte ausschlaggebend für Eastwoods Motivation zur Intensivierung seiner Produzententätigkeit. Eastwood wurde auch in späteren Jahren nicht müde, seine Bemühungen um ökonomische und künstlerische Unabhängigkeit bevorzugt am Beispiel von STOSSTRUPP zu illustrieren: die Produzenten hätten dem Regisseur Brian G. Hutton den Film aus der Hand gerissen, diesen seiner Antikriegs-Haltung beraubt und zum pyrotechnischen Actionfeuerwerk marginalisiert.
Es gibt zwar - etwas überspitzt formuliert - im Zeitraum von Mitte der 1960er bis Mitte der 1970er keinen US-Film mit einem auch nur rudimentärsten Kriegsbezug, der nachträglich von journalistischen und akademischen Hobbysoziologen nicht zu einer Allegorie auf den Vietnam-Krieg stilisiert worden wäre. Im Gegensatz zu vielen dieser Filme gehört STOSSTRUPP aber zu jenen Werken, die diesen Bezug auch klar herstellen. Das (im Falle von STOSSTRUPP sind dies etwa die diversen Anachronismen) allein macht einen Film freilich nicht deshalb auch gut – oder umgekehrt schlecht. Und ob eine Antikriegsbotschaft per se einen Film alsFilm besser macht, sei auch dahin gestellt – aber die von Eastwood monierten Actionszenen von STOSSTRUPP gehören mit Sicherheit zu den schwächsten und langweiligsten Segmenten dieses uneinheitlichen Streifens. Er schafft es letztlich nicht, die dramatischen und satirischen Versatzstücke des Genres mit dessen Action-Elementen zu einem überzeugenden Ganzen zusammenzuführen. Was bleibt, ist ein möglicherweise ambitionierter, über weite Strecken aber langatmig erzählter Film mit dennoch vielen erinnerungswürdigen Einzelszenen.
Eastwood spielt die aufgrund eines falschen Angriffsbefehls vom Ex-Leutnant zum Gefreiten degradierte Titelfigur Kelly – das macht ihn zwar nominell und auch gemäß den opening sowie closing credits zum Hauptdarsteller, in der Narration selbst wird das jedoch nicht ganz bestätigt.
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Von der Regieführung her scheint nämlich mindestens auch der kraftvoll aufspielende Telly Savalas als Alphatier diese Funktion für sich zu reklamieren. Savalas hatte sich bereits mit dem drei Jahre zuvor erschienenen Hit DAS DRECKIGE DUTZEND für das Genre des Kriegsfilms empfohlen. In jenem Film hatte auch Donald Sutherland mitgewirkt, der hier in der Rolle des anachronistischen Hippies „Spinner“ als der heimliche Star des Films in Szene gesetzt wird – es sollte allerdings nicht STOSSTRUPP, sondern der kurz zuvor im gleichen Jahr angelaufene, ebenfalls als Antikriegsfilm vermarktete M A S H sein, der ihm den endgültigen Durchbruch brachte.
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Im Grunde wirkt STOSSTRUPP wie die Kinoadaption einer Episode von EIN KÄFIG VOLLER HELDEN, worauf zumindest die Ähnlichkeit der US-Titel einen Hinweis gibt: KELLY’S HEROES – HOGAN’S HEROES.
Während eines Fronturlaubs in Frankreich soll Eastwood für seine Kompanie die Amüsementmöglichkeiten in der nächstgelegenen Stadt auskundschaften und entführt zu diesem Zweck kurzerhand einen Oberst des deutschen Nachrichtendienstes. Als er diesen verhört, erfährt er zufällig von einem geheimen Goldschatz, der in einer französischen Bank versteckt wird. Er überredet seinen Vorgesetzten Savalas, den Versorgungsoffizier Don Rickles, den durchgeknallten Panzerführer Sutherland und den restlichen Haufen der Truppe, sich die 14.000 Goldbarren im Wert von 16 Millionen Dollar als Privatiers unter den Nagel zu reißen. Zu den vielen Hindernissen, die sie dabei überwinden müssen, gehört neben der deutschen Armee auch ein ruhmsüchtiger amerikanischer General, der die Funksprüche von Kelly und seinen Leuten fehldeutet, eine Invasionsaktion vermutet und sich ebenfalls auf den Weg macht in die Stadt, wo sich die Bank befindet…
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Krieg als Hintergrund für die Jagd nach Gold – das klingt wie eine Neuauflage von ZWEI GLORREICHE HALUNKEN im Gewande eines WWII-Films. In der Tat wird im Finale des Films auch auf diesen Eastwood-Klassiker angespielt – inszenatorisch und musikalisch -, wenn Eastwood, Savalas und Sutherland sich dem letzten Hindernis vor der Einnahme der Bank nähern.
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Überhaupt sind es einzelne Szenen wie diese, die haften bleiben: wie Eastwood beim Verhör des deutschen Offiziers eben keine Foltermethoden anwendet, sondern diesen betrunken macht; wie er in Manier des Führers der GLORREICHEN SIEBEN die Mitglieder seiner Privatarmee rekrutiert; wie Rickles einen Rechenfehler zugibt, dass nämlich der Gesamtwert des Goldes 16 Millionen Dollar beträgt, nicht 1,6 – und Eastwood sich davon überhaupt nicht beeindruckt zeigt (offenbar geht es ihm um mehr als nur um Geld); wie Sutherland seinen missmutigen Kameraden ständig seinen anachronistischen Esoterik-Spruch von „negativen Wellen“ an den Kopf wirft; wie Savalas in bester Kojak-Manier seine Leute zusammenbrüllt, sich aber doch um sie sorgt und verantwortlich für sie fühlt; wie Rickles den Vorschlag macht, dem letzten deutschen Bankbewacher ein Angebot zu machen („vielleicht ist er ja Demokrat“) – und wie dieser beim Abschied seinen Heil-Gruß nach Eastwoods missbilligender mimischer Reaktion dann doch neutralisiert. Es sind solche denkwürdigen Momente, die den Film in der Erinnerung besser dastehen lassen als er eigentlich ist.
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Man hätte dem Film gar nicht vermeintlich kriegskritische Passagen hinzufügen müssen, man hätte ihn lieber um mindestens 30 Minuten kürzen sollen – allen voran die Szenen mit Carroll O’Connors schmierenkomödiantischen Auftritten als General: diese Szenen unterstreichen den satirischen Gehalt des Films vielleicht am deutlichsten, aber gerade deshalb leisten sie dem Film im Ganzen auch einen Bärendienst. Auch in Kontrast zu Eastwoods einmal mehr sehr unterkühltem Spiel wirken diese Szenen sehr überzogen; das gilt letztlich auch für Sutherlands zugegebenermaßen schillernde Performance – aber auch in seinem Falle wäre weniger mehr gewesen.
Eigentlich trifft Savalas den Ton des Films am optimalsten; überhaupt gehört sein „Big Joe“ zu den besten Leistungen seiner Karriere überhaupt – glücklicherweise hat er in der deutschen Fassung erneut Martin Hirthe, der wunderbar zu Savalas sprödem Charme passt. Michael Chevalier ist eine sehr ungewöhnliche Besetzung für Clint Eastwood, eine Besetzung, die man hier zum ersten und letzten Mal auf diesem Schauspieler hören kann. Schauspielerisch ist Chevaliers Leistung einwandfrei, er interpretiert den resignativen Zug der Figur auch vorzüglich, doch ertappe ich mich immer bei dem Gedanken, dass Schult auch hier eigentlich viel passender gewesen wäre.
Zitat von John Connor im Beitrag #61Im Grunde wirkt STOSSTRUPP wie die Kinoadaption einer Episode von EIN KÄFIG VOLLER NARREN
Womit Du wohl KÄFIG VOLLER HELDEN meinst, denn die Vorstellung von Clint und Telly im Fummel hat was Schräges für sich, aber nichts mit diesem Film gemein.
Mich überrascht, dass Du Chevaliers Besetzung als überraschend empfindest - für mich ist er weitaus naheliegender als GGH oder Stass, sogar als Cramer (auch im Hinblick darauf, dass er sich mit Kindler später Richard Harris "teilte"), auch wenn sie alles andere als einfallsreich ist und - ja, ich in Bezug auf Schult absolut zustimme (aber das tue ich generell, selten habe ich einen Zweit-Sprecher so rückhaltlos akzeptiert wie in diesem Fall).
Oh ja, freilich! Den Verschreiber hätte ich mir bis DIE LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE aufsparen sollen.
Ja, prinzipiell hast du schon recht, aber als ich vor Jahren den Film das erste Mal sah, hatte sich schon ein Stimmenprofil von Chevalier mir eingeprägt, das sich sehr schwer mit Eastwoods Erscheinungsbild vereinbaren ließ. Aber je öfter ich ihn auf Eastwood höre, umso mehr akzeptiere ich ihn auch als Eastwood-Sprecher - dennoch finde ich, dass Schult hier wunderbar gepasst hätte. Und GGH? Er war eben mein Erstkontakt.
Ich habe den Film sicher seit 15 Jahren nicht mehr gesehen und von der Hintergrundgeschichte wusste ich bislang gar nichts.
Direkt gesagt: mir ist keine Szene mit Eastwood in nachhaltiger Erinnerung geblieben. Ich habe so dunkle Erinnerungen an Donald Sutherland und dass er hier so eine Art "Rampensau" war, was aber vielleicht auch gewollt war. Seltsamerweise kann ich mich aber sehr gut an Telly Savalas erinnern und da kommen gleich mehrere Bilder vor mein inneres Auge.
Warum der Film meiner Meinung nach nicht wirklich funktionierte, kann ich nicht mehr genau sagen - das ist alles stark verblasst. Lalo Schifrins Musik blieb mir noch etwas im Gedächtnis, allerdings mit einer gewissen Ambivalenz, sie kommt mir in der Erinnerung eher dominant vor, exaltiert und überreizt.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #62Mich überrascht, dass Du Chevaliers Besetzung als überraschend empfindest - für mich ist er weitaus naheliegender als GGH oder Stass, sogar als Cramer (auch im Hinblick darauf, dass er sich mit Kindler später Richard Harris "teilte")
Daneben wurden auch James Caan und Steve McQueen von beiden öfter gesprochen, bei Sean Connery hatte Kindler bekanntlich zwei Einsätze und Chevalier einen. Gerade wegen der häufigen Überschneidungen überrascht es mich, dass Chevalier (trotz seiner schwereren Stimme) in Berlin nur dieses eine Mal auf Eastwood besetzt wurde. Naheliegender als Michael Cramer oder Herbert Stass wäre er eigentlich gewesen.
Zitat von fortinbras im Beitrag #64mir ist keine Szene mit Eastwood in nachhaltiger Erinnerung geblieben. Ich habe so dunkle Erinnerungen an Donald Sutherland und dass er hier so eine Art "Rampensau" war, was aber vielleicht auch gewollt war. Seltsamerweise kann ich mich aber sehr gut an Telly Savalas erinnern und da kommen gleich mehrere Bilder vor mein inneres Auge.
Dass Eastwood hier so unauffällig wirkt, liegt einerseits an seiner üblichen zurückhaltenden Spielweise und an seiner Erscheinung: sein Haupt verschwindet z.B. beinahe völlig unter seinem übergroßen Soldatenhelm, sein Outfit ist ihm auch mindestens eine Nummer zu groß, sein schlacksiges Auftreten kommt so gar nicht "soldatisch" rüber (da scheinen sich seine Mitspieler verhältnismäßig wohler in ihren Uniformen zu fühlen) - im Gegensatz zu seinem durchtrainierten Sergeant Highway in HEARTBREAK RIDGE etwa. Andererseits liegt sein Unbeteiligtsein auch daran, dass sein Kelly irgendwie keine typenmäßigen Äquivalente im Figurenarsenal des Militär- und Kriegsfilms hat: er ist kein tougher Anführertyp mit einem sentimentalen Kern, kein widerwilliger, genervter Fußsoldat, kein romantischer Anarchist, kein entspannt-fauler Schreibtischsoldat etc. So gesehen ist seine Figur an sich schon nicht uninteressant, aber die Narration kann damit nicht allzuviel anfangen.
Bei Sutherland trifft, vermute ich, beides zu: dass die Rolle schon so angelegt war, und dass Sutherland dies mit seinem Spiel noch einmal verstärkt hat.
STROSSTRUPP gehört wohl zu jenen Filmen, die von wiederholtem Sehen profitieren - sofern man an dieser Art von Film Gefallen findet. Er genießt erstaunlicherweise schon so etwas wie einen Kultstatus, hat auch heute noch eine große Anhägerschaft. Das liegt wohl zum großen Teil daran, dass die Figuren sehr sympathisch gezeichnet sind, und die Schauspieler auch gut harmonieren.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #62Mich überrascht, dass Du Chevaliers Besetzung als überraschend empfindest - für mich ist er weitaus naheliegender als GGH oder Stass, sogar als Cramer (auch im Hinblick darauf, dass er sich mit Kindler später Richard Harris "teilte")
Daneben wurden auch James Caan und Steve McQueen von beiden öfter gesprochen, bei Sean Connery hatte Kindler bekanntlich zwei Einsätze und Chevalier einen. Gerade wegen der häufigen Überschneidungen überrascht es mich, dass Chevalier (trotz seiner schwereren Stimme) in Berlin nur dieses eine Mal auf Eastwood besetzt wurde. Naheliegender als Michael Cramer oder Herbert Stass wäre er eigentlich gewesen.
Auf dem Papier klingt das alles freilich sehr plausibel, aber das muss nicht unbedingt auch bedeuten, dass diese Dopplungen auch in allen Fällen optimal oder zumindest gut funktionieren: ich finde z.B., dass Chevalier großartig zu Harris passte, Kindler aber gar nicht; und umgekehrt funktionierte McQueen mit Kindler fabelhaft, mit Chevalier aber gar nicht.
BETROGEN, nach COOGANS GROSSER BLUFF und EIN FRESSEN FÜR DIE GEIER bereits die dritte Zusammenarbeit von Eastwood und Regisseur Don Siegel innerhalb von drei Jahren, lässt sich am ehesten als ein psychosexuelles Gothicdrama beschreiben.
Eastwood spielt einen verwundeten Soldaten der Unionsarmee, der in den letzten Tagen des Sezessionskrieges hinter feindlichen Linien von den Insassinnen eines Mädcheninternats entdeckt und gesundgepflegt wird – um später bei voller Genesung an die Truppen der Konföderiertenarmee ausgeliefert zu werden. Die einzige Chance, wie er seinem Schicksal entgehen kann, sieht Eastwood darin, die Sympathien der Frauen und Mädchen zu gewinnen. Sehr bald merkt er, dass diese seit Ausbruch des Krieges so gut wie keinen Kontakt zu Männern hatten und wohl deshalb auch sehr empfänglich für erotische Avancen sind.
Er kommt auch rasch dahinter, welche (sexuellen) Phantasien seine Wohltäterinnen jeweils haben: Die Internatsleiterin Miss Martha (Geraldine Page) sucht in vielerlei Hinsicht einen Nachfolger für ihren Bruder, mit dem sie offenbar ein inzestuöses Verhältnis hatte; die einzige Lehrerin des Internats, die jungfräuliche und romantisch orientierte Edwina, wartet auf den Prinzen, der sie wachküsst; die Phantasien der frühreifen Nymphe und ältesten Schülerin des Internats, Carol, sind unverhüllt sexuell: sie sieht in Eastwood einen attraktiven Liebhaber; für die zwölfjährige Amy, die den verletzten Soldaten beim Pilzesammeln im Wald entdeckt hatte und von ihm geküsst wurde, ist er der Inbegriff des Männlichen überhaupt; Hallie schließlich, der schwarzen Haushälterin des Internats, suggeriert Eastwood, dass sie beide Gefangene sind: er als Kranker, sie als Sklavin.
Im Grunde kehrt BETROGEN ein klassisches Geschlechterklischee um: statt der Frau, setzt nun der Mann seine körperliche Attraktivität ein, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Er knüpft dabei freilich auch an das Kulturmuster des männlichen Verführers an, allerdings macht die Dramaturgie des Films deutlich, dass es dem männlichen Protagonisten in erster Linie nicht um Erotik geht; und wenn er einmal doch sein eigentliches Ziel aus den Augen verliert und seiner Libido nachgibt, dann nur, weil er vom Verführer zum Verführten wurde - wofür er auch einen hohen Preis zahlen muss.
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Don Siegel hielt THE BEGUILED für seinen besten Film. Das ist überraschend in mehrfacher Hinsicht. Siegel wird heutzutage – und wurde auch schon zum Entstehungszeitpunkt dieses Films – als einer der Großmeister des schnell und schnörkellos erzählten Populärfilms geschätzt, als Regisseur solcher Klassiker wie TERROR IN BLOCK 11, DIE DÄMONISCHEN, NUR 72 STUNDEN und DIRTY HARRY. THE BEGUILED jedoch flirtet deutlich mit der Programmatik des art house-Kinos – einer Programmatik, an der Siegel sich weder davor, noch danach wieder orientiert hat. Dies zeigt, dass selbst anerkannte Populärfilmer nicht gegen das klassische Ideal des bedeutungsschwangeren, symbolträchtigen Kunstwerks immun sind, diesem Ideal zumindest in der Eigen-PR den Vorzug geben (warum auch immer).
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Seine art house-Zugehörigkeit demonstriert der Film merhfach. Er weist z.B. eine betont zirkuläre Struktur auf: er beginnt und endet mit einem von Eastwood aus dem Off gesungenen Lied; die Lage des verletzten und gefangenen Eastwood wird mit Aufnahmen einer verletzten Krähe parallelisiert, die ans Geländer festgebunden ist und schließlich auch stirbt; eine Sequenz stellt das Pietà-Bildnis an der Wand der Internatsleiterin nach, mit Eastwood in der Rolle von Jesus; dialogfreie, stakkatoartige oder entschleunigte Rückblenden psychologisieren die Figuren ebenso wie innere Monologe; der Film versucht, selbst das für die 70er Jahre nicht mehr zimperliche Publikum mit Tabubrüchen zu irritieren: Eastwood küsst ein minderjähriges Mädchen, zwei Frauen küssen sich bei einer ménage à trois (wenn auch in einem Tagtraum), die weibliche Hauptfigur ist in erotisch gerahmten Szenen mit ihrem Bruder zu sehen usw. usf.
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Allerdings scheint der Film der Kompetenz seiner Zuschauer auch nicht allzu viel zu vertrauen, denn viele symbolträchtige Szenen werden dialogisch vorsichtshalber verdoppelt und vereindeutigt, damit man die Pointen auch ja nicht verpasst: Eastwood ist im wahrsten Sinne des Wortes 'Hahn im Korb'; Amputation bedeutet Kastration; es wird vom im Bett liegenden Eastwood per Rückblende-Montage zum Bruder in derselben Position überblendet; Eastwoods Nachthemd sieht aus wie ein Totenhemd etc.
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Sieht man von derlei Kunstfilmmätzchen ab, ist der Film so schlecht nicht. Sämtliche Darsteller sind vorzüglich, allen voran Geraldine Page und Elizabeth Hartman. Auch Eastwood ist entgegen der Meinung vieler Rezensenten keine Fehlbesetzung. Seine Rolle erinnert in vielem gar an seinen Fremden aus dem ersten Dollar-Film, wo er ja auch aus opportunistischen Gründen mit konkurrierenden Parteien flirtete, nur dass er dort diese gegeneinander ausspielte und dabei viel souveräner und auch erfolgreicher war.
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Man hat den Misserfolg des Films – er gilt bis heute als der Eastwood-Film mit den niedrigsten Zuschauerzahlen – auf Eastwoods damals vorherrschendes Image zurückgeführt: das Publikum habe Eastwood in dieser Rolle nicht akzeptiert, da er radikal mit seinem Image aus den Italo-Western gebrochen habe etc. Dies trifft aber auch auf mehrere Filme Eastwoods zu, die er in dieser Übergangsphase bis DIRTY HARRY machte – ganz krass etwa in WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND, der trotzdem verhältnismäßig populär war. Auch haben Eastwood und Siegel den Verleiher Universal wegen ungenügender und unpassender Publicity für den Misserfolg verantwortlich gemacht. Mag sein. Aber vielleicht ist die Antwort auch viel einfacher als man zugeben mag: der Film selbst ist womöglich nicht gut genug.
Irgendwie fühle ich mich immer so eigenartig, wenn ich hier etwas zur Eastwood-Retrospektive schreibe. Ich fühle mich beinah etwas einsam. Ich dachte mir eigentlich, dass die Beteiligung reger sein dürfte. Aber nun zum Kern der Sache:
Erstmal alles Gute zum Geburtstag, Clint Eastwood! Einen Tag zu spät, aber nicht weniger herzlich.
Von den Eastwood-Filmen jener Tage ist "Betrogen" einer der ganz wenigen, die mir nicht nur fremd blieben: ich schaffe dieses Werk nicht.
Ich habe es zweimal versucht, aber ich bleibe immer stecken. Es gibt schlechtere Filme, es gibt schlimmere Filme. Eines ist wieder mal typisch Siegel - der Film geht in zwei Richtungen gleichzeitig und kommt nie so richtig ans Ziel. Auweiah, Fortinbras: am Ziel warst du ja noch nie.
Mein Hauptproblem bei dem Film ist aber Eastwood selbst. Er ist ein maskuliner Typ, fällt unter die Kategorie attraktiv. Aber er hat für mich kein sexuelles Image. Er ist ein ähnlicher Typ wie Patrick McGoohan. Eastwood kann mit Frauen im Film nur auf sehr unkonventionelle Art und Weise verkehren. James Bond wäre mit McGoohan nie James Bond geworden, wie wir uns das heute vorstellen - wegen dem Fehlen des sexuellen Images. Und das fehlt mir eben auch bei Eastwood - er braucht es auch gar nicht, es wäre irgendwie hinderlich und würde ablenken.
Ein Film wie "Betrogen" sollte aber doch einen Schauspieler haben, dem man beide Seiten der Figur abnimmt: Sean Connery zum Beispiel.
Ich will einen Clint Eastwood in keinem Erotikdrama sehen. Mag sein, dass diese Einstellung beschränkt ist und eine von mir verhasste Schublade darstellt, aber es ist so. Eastwood ist ein wandlungsfähiger, sehr guter Schauspieler und deutlich vielseitiger, als man auf den ersten Blick glaubt. Aber ein Film dieser Kategorie ist nicht mit ihm vereinbar.
Amüsant finde ich immer, wie wenige Künstler, mögen sie noch so bodenständig sein, einen Misserfolg bei sich selbst verbuchen. Die beste Publicity kann daneben gehen, während ein Film mit wenig Trallala ein Riesenhit wird. Das lässt sich doch nur bedingt kalkulieren und "Betrogen" ist generell ein Film, der wohl nur ein kleineres Publikum anspricht.
Das Bestreben eines Schauspielers, aus einem ihm zugeschanzten Eck zu kommen, das ist nachvollziehbar. Aber der Augenblick war im Fall von "Betrogen" sicher nicht der beste.
John Connors Eastwood-Retrospektive hat für mich einige Nebeneffekte gehabt: ich merke, dass ich deutlich mehr Eastwood-Filme kenne als gedacht, vor allem besser als angenommen. Eastwood war nie ein Favorit von mir, vor allem nicht mehr ab dem Ende der 70er-Jahre, aber ich merke auch: ich mag den Kerl ja eigentlich doch ganz gern.
Die Publicity-Abteilung von Universal hat auch im Falle dieses Threads versagt, schätze ich.
Auch wenn ich Eastwood hier in Hinsicht seines Schauspiels nicht unbedingt für eine Fehlbesetzung halte, weil er seine Sache objektiv betrachtet ganz gut macht, hast du sicherlich recht, dass Eastwoods Image hier dem Film nicht gerade förderlich war. Nicht dass er zum damaligen Zeitpunkt schon ein klar umrissines Image gehabt hätte (gerade in seiner unmittelbaren post-Dollar-Phase war er ziemlich experimentierfreudig, wenn man seine Rollenauswahl Revue passieren lässt), aber die Rolle verlangte schon einen Schauspieler, der einerseits das Image eines Verführertyps mitbrachte, andererseits aber auch damit überzeugend brechen konnte.
Connery kam mir auch durchaus in den Sinn, auch wenn er vielleicht doch etwas zu maskulin gewesen wäre für die Rolle. Erstaunlicherweise wird von Tippi Hedren ja eine dazu passende Anekdote in Bezug auf MARNIE kolportiert: als sie von Connerys Besetzung für die männliche Hauptrolle erfahren habe, habe sie Hitchocks Casting-Entscheidung in Frage gestellt, weil doch angeblich keine Frau der Welt gegenüber diesem Darsteller in der Rolle einer Frigiden überzeugend sein könne, worauf denn Hitch geantwortet haben soll: “It's called acting, my dear.” Für die ersten Zweidrittel des Films könnte ich mir auch Tony Curtis gut vorstellen, allerdings den jüngeren Curtis, der ja in den späten 50ern, frühen 60ern auf die Rolle des charmanten Hochstaplers abonniert war.
Ironischerweise ist es aber gerade Eastwoods Beteiligung an BETROGEN, die dem Film heute noch Aufmerksamkeit verschafft.
SADISTICO – WUNSCHKONZERT FÜR EINEN TOTEN (PLAY MISTY FOR ME [USA 1971]) sadistico_poster.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) PLAY MISTY FOR ME ist Clint Eastwoods Debüt als Filmregisseur* und wird in der Regel als Psychothriller gelabelt. Diese Genrezuordnung ist auf den ersten Blick auch sehr einsichtig, ist es in der Tat doch der Thriller-Plot, an den man sich rückblickend am besten erinnert. Bei näherem Hinsehen fällt aber auf, dass der Film zwei Genres kombiniert: den Psychothriller à la Hitchcock mit dem Genre des romantic drama.
Dieser Genre-Mix, genauer: der romantic plot, schadet dem Film hinsichtlich seines Unterhaltungswerts zwar beträchtlich, sorgte später ironischerweise aber auch für seine Rehabilitierung bei den message-fixierten (feministischen) Kritikern, nachdem diese zuvor nur den Thriller-Plot ins Auge gefasst und den Film insgesamt als frauenfeindliche Machophantasie diskreditiert hatten.
Eastwood spielt hier einen Radio-DJ, der es dank seines Nachtprogramms, in dem er Gedichte rezitiert und romantische Musik abspielt, zur lokalen Berühmtheit gebracht hat. Er ist zugleich auch ein Schürzenjäger, der – wie man später erfährt – deswegen auch von seiner Freundin Donna Mills verlassen worden ist, als die Handlung einsetzt. Zu den treuesten Hörern seiner Radioshow gehört auch eine Anruferin, die jede Nacht denselben Musikwunsch äußert: „Spiel ‚Misty‘ für mich!“
Eines Abends lernt er in seiner Stammkneipe (den Kneipenwirt spielt Eastwoods Mentor Don Siegel) Jessica Walter kennen, wobei zunächst nicht so ganz klar ist, wer eigentlich wen angebaggert hat. Beim anschließenden Flirttalk bei ihr zu Hause erkennt Eastwood in seiner neuen Bekanntschaft die treue Anruferin.
Er stellt klar, dass er an einer Beziehung nicht interessiert ist, zeigt sich aber einem one night-stand ohne commitments nicht abgeneigt. Sie willigt ein – aber recht bald entpuppt sie sich als eine erst passiv-aggressive, dann mehr und mehr besitzergreifende und psychisch gestörte Neurotikerin. Als Eastwood auch noch versucht, die Beziehung zu seiner Ex-Freundin zu kitten, schreckt Jessica Walter auch vor rabiateren Mitteln nicht zurück…
Der plot erinnert nicht zufällig an Adrian Lynes EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE mit Michael Douglas und Glenn Close. Lynes Films folgt in seiner Dramaturgie und auch in seiner Auflösung unverkennbar Eastwoods Regie-Erstling – mit dem Unterschied aber, dass MISTY hedonistische Sexualität nicht dämonisiert, die Terroraktionen Walters eben nicht als moralische Bestrafung für Eastwoods Affären begründet.
Im Gegensatz zu Anne Archers Ehefrau in Lynes Film wird Donna Mills auch nicht als ein asexuelles Heimchen am Herd inszeniert. Eastwood zeigt nicht nur Sex-Szenen mit Walter, sondern auch mit Mills. Mills wird zudem vorgestellt als eine unabhängige Künstlerin und als emanzipierte Frau, die Eastwood auch keine Vorwürfe macht wegen seiner Lebensweise („Ich finde nichts abscheulicher als ein eifersüchtiges Weib, und genau das wurde allmählich aus mir.“)
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Der Liebesplot ist also ganz zentral für Eastwoods Film, er versteht sich wohl als so etwas wie ein Thesenstück über intime Kommunikationsprobleme (wie es Eastwood bereits in zeitgenössischen Interviews betont hat) und weist folgerichtig auch eine duale Struktur auf: sein Held versucht, sich von der einen Frau zu distanzieren und sich gleichzeitig der anderen anzunähern – dabei entwickelt sich der erste Handlungsstrang vom Drama zum Thriller, während der zweite vergleichsweise statisch bleibt. Das unterstreicht auch jene voll ausgespielte Montage-Sequenz zu Roberta Flacks „The First Time Ever I Saw Your Face", die aus heutiger Sicht doch reichlich kitschig und verstaubt wirkt.
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Auch der ausgewalzte Kontrast beider Handlungsstränge wirkt zu aufgesetzt und kalkuliert: die Szenen mit der dunkelhaarigen Walter spielen sich meist nachts und in Innenräumen ab, sind temporeicher inszeniert, mit überproportionalem Einsatz der Handkamera und schnelleren Schnittfrequenzen; der Segment mit der blonden Donna Mills wird dominiert von sonnigen Außenaufnahmen, er ist ruhiger, gemächlicher inszeniert, hat einen fast lyrischen Ton.
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Ob man in der Rückschau und in Kenntnis anderer Regie-Arbeiten Eastwoods bereits hier von so etwas wie einer Handschrift oder einem Eastwood-Style sprechen kann? Nur bedingt. Man kann schon hier Eastwoods Vorliebe für eine visuelle Erzählweise und reduzierte Dialoganteile erkennen, für Außenaufnahmen zu Lasten von Studioaufnahmen, für low-key-Fotografie anstelle ausgeleuchteter Bildkompositionen usw.
Aber man kann hier auch beobachten, dass Eastwood noch typische Anfängerfehler macht: er experimentiert zu viel mit der Kamera - es wirkt, als wolle er alle potentiell möglichen Kamerapositionen und –bewegungen ausprobieren, er setzt derart oft und auffällig Zooms ein, dass auch dem ungeübtesten Betrachter dämmern müsste, dass Eastwood auch „in der Kamera schneiden“ kann – und der Film enthält Streckmaterial, vieeeel Streckmaterial.
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Verglichen mit seinen späteren Regiewerken, die allesamt Überlänge haben, ist MISTY ein relativ kurzer Film, und er wäre wohl noch kürzer ausgefallen, hätte man die fünfminütigen Anfangscredits, die oben erwähnte Montage-Sequenz und jene vom Monterey-Jazz-Festival (beide ebenfalls jeweils 5 Minuten lang), welche die Handlung nicht voranbringen, abgezogen..
Trotzdem wirkt der Film etwas langatmig, was wiederum damit zusammenhängt, dass Eastwood wie später häufig auch hier mit unausgereiftem Script drehte – vermutlich die größte Achillesferse dieses Regisseurs: viele von dessen Filmen haben sehr interessante Ausgangsprämissen, erfahren originelle Stoffbearbeitungen, bemühen sich um ungewöhnliche Sichtweisen - sie wirken aber im klassischen Sinn wenig durchkomponiert.
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Und Eastwood als Schauspieler erprobt hier neben seinem Westerner und dem Cop einen weiteren Rollentypus, der es hinsichtlich der Popularität aber bei Weitem nicht mit seinen beiden action-lastigen Images aufnehmen konnte: wie später noch in BRONCO BILLY, HONKYTONK MAN, WEISSER JÄGER, SCHWARZES HERZ und DIE BRÜCKEN AM FLUSS spielt Eastwood in SADISTICO so etwas wie einen Bohémien, eine Figur, die dem artistischen Gewerbe näher steht als seine Männer der Tat. Und es wird wohl kein Zufall sein, dass bei all diesen Filmen Eastwood sich selbst inszeniert hat. Trotz der negativen Nebenbedeutungen, die beim Begriff „Selbstinszenierung“ mitschwingen mögen, kann man aber bereits bei MISTY ein Charakteristikum erkennen, das sowohl für den Schauspieler als auch für den Regisseur Eastwood typisch ist: die uneitle, generöse Behandlung seiner Co-Stars. Schauspielerisch gehört MISTY unzweifelhaft Jessica Walter, die das Vertrauen ihres Regisseurs mit einem sehr nuancenreichen und glaubhaften Spiel honoriert hat.
"Sadistico" habe ich mir als 15jähriger mal angesehen, wohl auch deshalb, weil er im "Lexikon des Horrorfilms" von Hahn/Jansen zu finden war: der Name Eastwoods tauchte in dem Werk an sich ja nirgendwo auf.
Damals war ich wenig angetan vom Film und trotz vieler interessanter Ansätze hat sich bis heute wenig daran geändert. Interessant finde ich immer, wie viele Regiedebutanten sich durch zu viel an "Kameragags" als Neulinge verraten.
Ohne die romantische Nebenhandlung wäre der Film besser. Generell habe ich ein ähnliches Problem bei "Sadistico" wie schon bei "Betrogen": Eastwood hat für mich kein sexuelles Image und da nutzt es auch gar nichts, wie gut er das spielt.
Dass der Film heutzutage noch ein kleines Publikum hat, dürfte an Eastwood liegen. Eine "Regisseuridentität" hat er sich mit diesem Film noch nicht geschaffen, allerdings zieht es sich wirklich wie ein roter Faden durch seine selbstinszenierten Filme, dass er auch mit sich selbst in der Hauptrolle nie eine One-Man-Show daraus macht. Stilistisch erinnern mich seine Filme häufig auch an jene von Don Siegel, vielleicht lag das an der Zusammenarbeit.
"Sadistico" stufe ich ein als einen weiteren Mosaikstein auf der Suche nach einem Image, einer filmischen Identität. Der Film hat ihm wohl wenig genutzt, aber auf keinen Fall geschadet. "Dirty Harry" hat ihm sicher gut getan, damit hat er wohl letztendlich das Ziel erreicht.
Lustig, ich erinnerte mich auch an den Eintrag im Hahn/Jansen und hatte dort heute nochmal reingeschaut - ich wusste gar nicht mehr, dass der Film bei denen ziemlich gut wegkam ("... spannender Psycho-Thriller mit Gänsehaut-Effekt"), der Schauspieler Eastwood aber weniger ("... ewig steife Einheitsmiene...").
Ich schau den auch nicht sehr oft, hatte ihn aber als etwas besser in Erinnerung, als straighter Thriller wäre er jedenfalls auch m.E. viel unterhaltsamer geworden. Das Sujet war für einen ersten Gehversuch als Regisseur aber schon clever ausgewählt. Erstaunlich allerdings, dass Eastwood nur zwei Jahre später mit seinem dritten Regie-Werk EIN FREMDER OHNE NAMEN wesentlich stil- und selbstbewusster auftrat.
SADISTICO war seinerzeit schon ein solider Erfolg, spielte mit 5 Millionen das 5-fache seiner Produktionskosten ein, beachtlich für einen Film, der innerhalb von vier Wochen heruntergedreht worden ist.
Was die ökonomische Erzählweise angeht, hat Eastwood gewiss viel von Siegel gelernt. Von Leone hat er sich aber auch einiges abgeschaut, mindestens das gegen den Strich Bürsten von Genrekonventionen und Erzählmustern. Worin er über diese beiden hinausging, war aber wohl seine Schauspielerführung, was mir im vollen Umfang aber auch erst nach und nach klar wird - und das dürfte zweifellos auch mit Eastwoods Herkunft und Erfahrungen als Schauspieler zu tun haben.
Betreffend Schauspielerführung hatte Eastwood gegenüber Leone/Siegel sicher die Nase vorn. Sicherlich ein Vorteil, wenn man selbst dieser Zunft angehört.
Von den Schauspielern, die auch Regisseure sind, darf man Eastwood vermutlich als denjegen bezeichnen, der den meisten bleibenden Erfolg damit hatte. Wobei sich das auch langsam entwickelte und mir an ihm gefällt, dass er gerne experimentierte und etwas ausprobierte. Ich hatte immer den Eindruck, als würde er sehr kritisch mit seinen Werken umgehen und versuchen, beim nächsten Mal begangene Fehler zu vermeiden - um dafür andere zu machen. Vielleicht liegt es an einer gewissen Unvollkommenheit, die Eastwoods Filmen auch eine gewisse Persönlichkeit verleihen. Natürlich war er in erster Linie ein Regisseur für's kommerzielle Kino, auch wenn er ab und zu unerwartet persönliche Filme machte, die nicht unbedingt so mainstream waren. Was ich ihm aber diesbezüglich hoch anrechne ist sein Bestreben, sich nicht an einen visuellen Mainstream anzupassen oder zu 100% mit der Welle mitzuschwimmen. Es gibt vor allem in den rein kommerziellen Filmen natürlich Zugeständnisse an den Mainstream, die gehen aber nie so weit, dass sich Eastwood dem unterordnen würde. Das macht ihn mir wieder sehr sympathisch.
Zitat von fortinbras im Beitrag #73Ich hatte immer den Eindruck, als würde er sehr kritisch mit seinen Werken umgehen und versuchen, beim nächsten Mal begangene Fehler zu vermeiden - um dafür andere zu machen.
Das ist wohl wahr. Wobei "kritischer Umgang mit eigenen Werken" bei ihm wohl zweierlei bedeutet: zum einen, dass seine Filme sich in der Regel wenig mit künstlerischem "Perfektionismusideal" herumplagen, ohne dass Eastwood aber die Endergebnisse nachträglich bedauern würde, sondern beim nächsten Film zuvor nicht praktizierte Alternativen realisiert.
Zum anderen ist wohl kein anderer Regisseur nachweislich so konstruktiv mit "Kritiken" seiner Filme umgegangen. Auch hier ist es weniger so, dass (zumeist ideologisch motivierte) Kritiken seiner Filme ihn zu irgendwelchen Einstellungsänderungen veranlasst hätten, sondern dass er diese Kritikpunkte als künstlerische Inspirationsanlässe gesehen hat: hatten Kritiker seinen Filmen bzw. Filmfiguren - abstruse - Vorhaltungen gemacht (sie seien faschistoid, rassistisch, frauenfeindlich, nationalistisch etc.), hat er diese Kritikpunkt in Interviews brüsk zurückgewiesen, in seinen Filmen aber immer Aspekte solcher Kritiken aufgenommen und sie dramaturgisch integriert (z.B. im DIRTY HARRY-Zyklus und seinen anderen Cop-Filmen) - wohl, um damit zu zeigen, dass dies mehr oder weniger irrelevant ist, dass es in Filmen auf so etwas in erster Linie gar nicht ankommt, jedenfalls nicht, um Filme als Filme zu beurteilen.
Eastwoods Sonderstatus in der amerikanischen Filmlandschaft hat wohl auch damit zu tun, dass er einerseits dank eigener Produktionsfirma sein eigener Chef ist, dass er beim Vertrieb seiner Filme aber stets mit zwei Großverleihern kooperiert (zunächst mit Universal, ab Mitte der Siebziger dann mit Warner). Das erklärt auch teilweise, dass seine Filme sowohl Beständigkeit aufweisen, als auch Offenheit für Experimente erlauben.