Was technisch möglich ist, wird langfristig auch umgesetzt werden. Die bisherige Zurückhaltung ist ja nur darin begründet, weil es immer noch etwas unperfekt und künstlich wirkte. Vielen Zuschauern, die keine ausgeprochenen Star Wars Kenner sind und es nicht wußten, ist beispielsweise der CGI-Tarkin in Rogue One gar nicht aufgefallen. Zunehmend werden dort, wo früher Stuntleute eingesetzt wurden, auch kurzerhand CGI-Versionen der Schauspieler genommen, ohne daß es auffällt, solange man es nicht weiß. In wenigen Jahren wird in dieser Hinsicht Perfektion erreicht sein.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese technische Entwicklung im Audiobereich auf die Synchronbranche übergreift. Zunächst wird man das wahrscheinlich nur mit Einverständnis der jeweiligen Sprecher machen können oder nur bei lang verstorbenen Sprechern, wenn etwaige postmortalen Persönlichkeitsrechte oder Erbrechte der Hinterbliebenen zurücktreten. Vergütungsrechtlich wäre die Neuentwicklung vielleicht sogar willkommen. Der Sprecher oder dessen Erben könnten für das "Leihen" der Stimme trotzdem eine Gage erhalten, obschon er/sie gar nicht selbst anreisen und sprechen mußte, sondern die Stimme von einem Computer aus einer Textvorlage generiert wurde.
Zweifelsohne wird es mittelfristig auch möglich sein, Lautstärke, Emotionen und Sprachmelodie perfekt nach den Wünschen des Regisseurs anzupassen. Der Computer muß nur noch das Dialogbuch "einlesen", der Regisseur bestimmt mit einigen "Klicks" welcher Sprecher bzw. welche Sprecherin mit welchen Worten und welcher Stimmung zu hören sein soll. Dann benötigt es keine aufwändigen 20 Takes im Studio mehr, um den gewünschten Satz "auf den Punkt" zu bekommen, sondern der Regisseur kann einfach mit dem Laptop auf dem Sofa herumspielen, Sätze umstellen, Stimmungen variieren, etc., bis ihm die Szene gefällt. Für Leute, die heute in der Synchronbranche tätig sind, ist das wahrscheinlich eine künstlicherische und technische Horrorvorstellung. Auf sehr weite Sicht gedacht, könnte es auch dazu führen, daß man überhaupt keine Rücksicht mehr auf Sprecher und deren Rechte nehmen muß, sondern sich jede beliebige Stimme einfach von vornherein künstlich erschafft. Eine Mischung aus Rolf Schult und Christian Brückner? Ein paar Klicks und der neue "Synchronstar" ist im Computer geboren.
Zitat von Taccomania im Beitrag #16... Für Leute, die heute in der Synchronbranche tätig sind, ist das wahrscheinlich eine künstlicherische und technische Horrorvorstellung.
Nicht nur die Synchronbranche - ich empfinde das als geradezu pervers und nicht anstrebenswert.
Und ich finde auch die Vorstellung, Stimmen verstorbener Sprecher am Computer nachzubilden, wirklich gruselig. Nein, danke. Da höre ich lieber z. B. Otto Mellies für Sean Connery als eine am Computer entstandene GGH-Imitation...
Wer Synchron als Teilgebiet des Schauspieler-Berufs und damit auch der Kunst ansieht, kann sowas eigentlich nicht gutheißen...
Wie soll denn das überhaupt akzeptabel funktionieren können. Die Stimme ist mehr als nur der bloße Klang, was man aus den Lautsprechern raushört. In der Stimme spiegelt sich die Persönlichkeit und der Charakter, die Begabung, die Leidenschaft, die Ansicht, im Grunde genommen so ziemlich alles was diesen Menschen ausgezeichnet hat ab. All das müsste ein Computer nachbilden können, damit dies wirklich authentisch und schauspielerisch gut rüberkommen kann. Genau daran hapert es und bis ein Computer all das abbilden kann werden noch Jahrzehnte vergehen, wenn überhaupt. Solange ist ein richtiger Mensch hinterm Mikro einem Computer Lichtjahre überlegen.
Ein Computer könnte vielleicht in fernerer Zukunft perfekt die Stimme eines Joachim Kemmer oder GGH nachbilden, aber sicherlich nicht deren schauspielerisches Talent und Persöhnlichkeit, die mit ihrer Stimme einherging und für die wir sie so sehr verehrten nachstellen.
Sehr gute Replik, Nyan. Wenn dies zum Thema/Problem im Synchronwesen wird, haben wir alle längst ganz andere Sorgen... denn vorher wird das Sozialsystem zusammengebrochen sein, da die K.I. Menschen in diesem perfekten Ausmaß auf einem so filigranen Gebiet repliziert.
Jahrzehnte wird es nicht mehr dauern. Wie eine Software das alles bewerkstelligen soll? Durch das Nachahmen der Tonlage vorhandener Aufnahmen.
Sicherlich würde man die künstliche GGH Stimme nur behutsam einsetzen, etwa für die fehlenden Szenen in OHMSS.
Das ist natürlich keine unbedingt wünschenswerte Zukunft, realistisch ist es schon. Wen einmal damit angefangen wird, könnte es schwer zu stoppen sein.
Zitat von Duck Blur im Beitrag #22Wie eine Software das alles bewerkstelligen soll? Durch das Nachahmen der Tonlage vorhandener Aufnahmen.
Genau deshalb lehne ich sowas strikt ab (außer für Nachsynchros von ein paar neuen kurzen Szenen vielleicht). Wie langweilig wäre das denn?
Um mal wieder den guten Joachim Kemmer als Beispiel zu bedienen: Er hatte sich vor allem dadurch ausgezeichnet, dass er im Synchron extrem Wandlungsfähig war und dadurch wie ein unberechenbares Chamäleon wirkte, der immer für eine Überraschung gut war. Ein Computer könnte natürlich alles bekannte mit vorhandenen Aufnahmen reproduzieren und abbilden, jedoch niemals etwas völlig neues schaffen. Computer sind berechenbar und vorhersehbar. Das ist der Mensch nicht. Die deutsche Synchronlandschaft wäre künstlerisch ärmer, wenn man in Zukunft alles Computern überlassen würde.
Niemand in diesem Forum wird das wirklich herbeisehnen.
Aber sollten Adobe oder Avid "DubbingActor 1.0" herausbringen, glaubst du wirklich die Pro7 Chefetage würde nicht zuschlagen? Vorausgesetzt es klingt auch nur etwas besser als heutige Text-to-Speech Programme.
Zitat von Duck Blur im Beitrag #22Jahrzehnte wird es nicht mehr dauern. Wie eine Software das alles bewerkstelligen soll? Durch das Nachahmen der Tonlage vorhandener Aufnahmen.
Sicherlich würde man die künstliche GGH Stimme nur behutsam einsetzen, etwa für die fehlenden Szenen in OHMSS.
Auf diese Idee ist auch früher schon einmal jemand gekommen: GGH 2.0
Ich denke (oder hoffe) auch nicht, dass Computer eine menschliche Persönlichkeit jemals täuschend echt simulieren können und eine Synchronrolle wirklich spielen können.
Abr ehrlich gesagt sehe ich bei manchen aktuellen Entwicklungen, in denen beliebige Sprecher fast nur noch unwichtige Bildfüller werden, und man das dem Zuschauer offensichtlich verkaufen kann, auch nicht mehr so goßartig den Abstand zu künstlichen Emulationssynchros.
Wirklich tragisch, um Dubbers Gedanken aufzugreifen, wird es nämlich nicht sein, wenn der Mensch KIs irgendwann als täuschend echt empfindet, sondern wenn ihm überhaupt das Gespür dafür degeneriert ist.
Im Übrigen denke ich, dass die Befürchtungen aus der Synchronbranche weniger künstlerisch, sondern finanziell wären.
(Für kleinere Stellen wird auch jetzt schon immer wieder mal getrickst. Ich weiß von Fällen, dass man einen aus technischen Gründen vorgenommenen Re-Take statt von der eigentlichen Sprecherin von einer Ensemblesprecherin hat einsprechen lassen und den brauchbaren Rumpf des ursprünglichen mit dem Re-Take zusammengeschnitten hat. Bei der Mischung sei zwar, so wurde mit zugetragen, eine minimale Lautstärkenschwankung innerhalb des Flicktakes aufgefallen, sonst aber nicht weiter geargwöhnt worden.)
Gruß, Tobias
"Warum holt ihr mich immer noch nach Berlin? Bei dem, was ich hier alles unterschreibe und schon gesprochen habe, könnten die die meine Stimme bestimmt bald beliebig zusammenbasteln ..." - "Was glaubst du, woran die hier arbeiten ..." (Rolf Schult und Michael Erdmann sinngemäß)
Letztlich greift dieser Gedanke gar nicht weit genug.
Ich denke, dass wir innerhalb der nächsten 20 Jahre das Ende der klassischen Filmsychronisation erleben werden.
Lokalisierungs-Emulatoren werden das Original-Schauspiel in alle Zielsprachen umwandeln können. Tom Cruise spricht Deutsch. Und das perfekt.
Das wird anfangs noch A-Produktionen vorbehalten sein, später nicht mehr. Und "später" kann fünf Monate sein.
"Synchronisation" wird ab dann eine sehr viel kleinere Branche sein, die beim Qualitätsmanagement eingebunden ist. Tonmeister, Redakteure, auch eine Art Regie, die das replizierte Tonmaterial abnimmt und justiert. Da diese Programme über "Deep Learning" Adaptions-Cluster aufbauen, wird jedes einzelne Produkt dazu beitragen, dass die Fehlerquote immer mehr schwindet. Der Mensch immer mehr schwindet als relevanter Produktionsfaktor.
Die Branche in der jetzigen Form wird es nicht mehr geben. Vor allem keine Synchronschauspieler, Autoren, Übersetzer, Schreibbüros.
Letztlich ist das nur noch ein, zwei Steps entfernt - und kann auch sehr viel schneller kommen.
Von allen Wandlungen in der deutschen Synchronbranche dürfte das so ziemlich die radikalste sein, wenn sie wirklich so eintreten wird. Genau vorhersehen kann das niemand, höchstens spekulieren auf Basis der gegebenen Mitteln und der entsprechenden technischen Entwicklungstendenz.
Insofern halte ich deine "Zukunftsvorhersage" eher für eine Hypothese einer möglichen Zukunft, die so eintreten kann (vielleicht etwas abgeändert), aber nicht muss.
Ich weiß noch damals, dass so in den 90ern bereits vereinzelt mal im Synchronstudio geixt wurde, aber nur in Ausnahmefällen, wenn es terminlich nicht so richtig klappt. 10 Jahre später wurde dies Standard und gemeinsame Aufnahmen wurden die Ausnahmen. Daraus ableitend würde ich nicht sagen, dass es extrem schnell gehen muss mit Veränderungen und Neuerungen im Synchron. Es werden zunächst die ganz großen sein, die diese Emulatoren ausprobieren, aber bis es sich durchsetzt werden da mindestens noch weitere Jahre durchs Land ziehen.
Alles, was in der Zukunft liegt, ist eine Hypothese. Wir sprechen über Wahrscheinlichkeiten. Bedenke ich die mir bekannten Faktoren, komme ich zu dem Schluss, die geschilderten Abläufe mit einer sehr geringen Streuung zu erwarten.
Aus diversen Gründen würde ich mich dabei wahnsinnig gern irren. Müsste ich eine Zahl nennen, mit der ich die Wahrscheinlichkeit beschreibe, dass ich falsch liege, lautet meine ehrliche Antwort allerdings: gleich Null.
In der Statistik ist nichts zu 100% wahrscheinlich. Sagen wir mal die Wahrscheinlichkeit, dass du dich irrst beträgt 0,0000000000000000000000000000000000000001%.
Wie uns die Vergangenheit lehrt: aus der Entwicklung der letzten 30 Jahre einfach auf die kommenden 30 Jahre hochzurechnen hat noch nie funktioniert - wird es auch diesmal nicht. Auch wenn wir die Gründe dafür heute noch nicht benennen können.