Seit den frühen Neunzigern gibt es Versuche, realistische 3D-Animationen von Menschen zu erstellen - Gott sei Dank alle mit Pauken und Trompeten gescheitert. Der Durchbruch kam erst mit dem Motion Capturing - und dafür wird der Schauspieler benötigt. Man ist sozusagen sogar zu ihm zurück gekehrt, denn der Drache in "Dragonheart" wurde nach Connerys Vorbild, aber nicht mit Motion Capturing erstellt - King Kong dagegen schon direkt mit Serkis' Spiel. Und das Ohr ist feinfühliger als das Auge. Die technische Umsetzbarkeit ist also glücklicherweise noch nicht absehbar und an Schauspieler gebunden. Das rechtliche Problem ist das eigentliche - ob Peter Cushing (vielleicht sogar trotz möglicher Faszination von der Möglichkeit) seiner "Wiederauferstehung" zugestimmt hätte, bezweifle ich. Das Projekt "Gemini Man" ist angeblich viele Jahre lang gescheitert, weil kein Altstar sich mit seinem computerverjüngten Ich konfrontiert sehen wollte - Will Smith sieht noch erstaunlich jung aus und hat wohl nur deshalb zugesagt und Jeff Bridges ("Tron") ist in der Hinsicht wohl eine Ausnahme. Die Lebenden können es verhindern, aber wie sieht es mit den Verstorbenen aus? Da sehe ich ein riesiges moralisches und in diesem Fall glücklicherweise auch rechtliches (aber leider nicht so groß wie das moralische) Problem. Wenn es tatsächlich gelänge, die Stimme bspw. von GGH zu klonen - was wirft es für ein Licht auf sein Andenken, wenn zweitrangige Sprecher sich hinter seinem Stimmklang verstecken und damit den Eindruck seiner großen schauspielerischen Fähigkeiten ins Bedeutungslose verzerren? Schauderhafter Gedanke! Den ich auch mal einem Aprilscherzbeitrag ausführlich verfolgt habe.
Ich würde das ganze mal beispielhaft in einem richtigen fiktionalen Werk hören. Auf der Basis kann ich mir nicht wirklich ein Bild von machen. Bei solchen Off-Text/Voice-Over Sachen kann man zur Lokalisierungen auch eine Handvoll Sprecher holen die das mal einsprechen. Das wäre nicht so zeitaufwendig wie bei einer richtigen Synchronisation.
Selbst in diesen wenigen Sekundenschnipseln spüre ich da etwas befremdliches, was ich bei Deepfakes auch habe. Da steckt die Technologie noch in ihren Kinderschuhen. Ich würde aber nicht ausschließen das das tatsächlich in Zukunft mal der nächste große Schritt sein wird. Die Filmsynchronisation entstand vor Urzeiten auch deshalb weil es günstiger war als die Filmszenen nochmal in anderen Sprachen abzudrehen.
Die Erklärung dafür liefern fogende beiden Sätze aus dem Artikel:
Zitat Die Brüder Krakowski sind außerdem stolz darauf, dass ihre Kunden wählen können, ob die ursprünglichen Schauspieler und Schauspielerinnen die Landessprache perfekt sprechen oder mit Akzent. So kann Morgan Freeman etwa für den italienischen Markt wunschgemäß entweder "molto bene" wie ein geborener Römer parlieren oder auch Italienisch mit amerikanischem Akzent.
Was für italienisch mit amereikanischem Akzent gilt, trifft sicherlich dementsprechend auch für Deutsch mit - für mich dezent bayerischer - Sprachfärbung zu. Für die deutschen Satzschnipsel wurde vermutlich ein solches Beispiel genommen.
Wäre sicherlich hilfreich für Dokumentationen, die heute schon oft Voice Overs haben. Also da wo Authentizität wichtiger als Qualität ist. Aber mal schaun, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt.
"Localisation needs time" - so weit, so gut, so richtig. Statt dessen einfach nur auf einen Button klicken - graust es da nicht euch allen? Ich bin ja schon entsetzt über die Faulheit vieler Menschen, die sich für mich in einem Satz erschöpft: "Alexa, spiel populäre Musik ab." Eigener Geschmack - ach woher denn, Präzision - kein Gedanke, eigene Wünsche - niemals. Digitaler Algorithmus, füttere mich mit dem, was die Masse ebenfalls akzeptiert. Uaaaaah! Das Schlimme ist doch nicht, dass solch eine Art der Synchronisierung oder wie man es auch nennen mag künstlich, aber auf künstlerisch akzeptable (oder gar gute!) Weise möglich wäre oder jemals sein wird - das halte ich für ausgeschlossen - nein, dass man uns GLAUBEN machen will, dass es möglich wäre und dass auch so mancher geneigt ist, es zu glauben, ohne die qualitativen Einbrüche und Einbußen zu erkennen - oder erkennen zu können? Schauspiel ohne Schauspieler - nicht möglich!!! Oder will jemand, der klassische Musik liebt, allen Ernstes eine vom Computer eingespielte Beethoven-Sinfonie hören?
Gruß Stefan
ronnymiller
(
gelöscht
)
Beiträge:
05.05.2021 16:53
#54 RE: Wiederauferstehung verstorbener Sprecher per Computer?
ob man das will oder nicht: Möglicherweise wird irgendwann zwar ein Schauspieler ins Mikro sprechen - der Computer wird dann daraus aber die "Originalstimme" berechnen. Es wird also wohl weniger darum gehen, einen "Synchronsprecher" digital nachzumachen, sondern die Stimme des Originalschauspielers zu berechnen. Ein Computer wird aber nicht schauspielern können, das macht dann vermutlich immer noch ein Mensch. Wie motiviert dieser Mensch dann noch zu Werke geht, ist ne andere Frage.
Zitat von ronnymiller im Beitrag #54ob man das will oder nicht: Möglicherweise wird irgendwann zwar ein Schauspieler ins Mikro sprechen - der Computer wird dann daraus aber die "Originalstimme" berechnen.
Ich kann mich offenbar nicht recht verständlich machen: Das geht nicht und wird in dieser Qualität auch nie gehen! Auch der Synthesizer spielt nicht von allein, sondern der Mensch muss sich daran setzen und spielen, aber selbst das reicht nicht aus. Der beste Synthesizer kann den Klang eines echten analogen Instrumentes nicht ins Letzte herstellen, auch wenn das menschliche Element bereits dabei ist. Und so wird auch eine computererzeugte Stimme nie ganz echt sein. Aber je näher man dem Original kommt, je scheinbar (!!!) realistischer dieser Eindruck ist, umso größer wird die Gefahr, Gutes, gar Brillantes gegen schlechtes Mittelmaß einzutauschen und das dauerhaft. Wie schon gesagt: Was wirft das beispielsweise für ein Licht auf die großartigen Leistungen eines Gert Günther Hoffmann, wenn ein mittelmäßiger oder gar schlechter Schauspieler (fast) wie er klingen darf? "Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze" - das 20. Jahrhundert hat dieses Zitat glücklicherweise etwas relativiert, sonst würden wir uns nicht an einen vor einem Vierteljahrhundert verstorbenen Schauspieler erinnern. Dass das 21. Jahrhundert diesen Status quo wieder herstellt und das wegen Beliebigkeit - das ist ein grausiger Gedanke für mich.
Ich habe dazu zwei ganz pragmatische Gedanken. Erstens: Das deutsche Publikum hat sich an den Klang von bestimmten Stimmen für bestimmte Schauspieler gewöhnt. Feststimmen eben. Wenn morgen auf einmal Julia Roberts oder Brad Pitt mit ihrer eigenen, aus dem Original durch DeepDub extrahierten Stimme sprechen würden, würde es da nicht einen Aufschrei geben, dass die Schauspieler nicht ihre "richtige" Stimme hätten? Ich glaube kaum, dass es die breite Masse interessiert, dass diese Stimmen eigentlich ihre echten Stimmen sind, es sind nunmal nicht die gewohnten Stimmen. Zweitens: Ein lippensynchroner Text wäre immer noch notwendig. Die App kann ja wohl nur Rohübersetzung und kein lippensynchrones Buch schreiben. Es muss also in jedem Fall noch jemand ein Dialogbuch schreiben. Ob das dann aber mit den Haltungen und Betonungen der Originalsprache zusammenpasst, wage ich zu bezweifeln, was dann zu unnatürlichen Klängen führen wird. Ich glaube, diese Entwicklung kann auch nicht im Sinne der Originalschauspieler sein, denn auch wenn sie ihre Stimme im Deutschen an einen deutschen Synchronschauspieler abgeben, können sie sich in den meisten Fällen darauf verlassen, dass die Deutschen im Studio stehend die originale Intention des Schauspiels erkennen und dementsprechend nachspielen. Ihre Stimme und Sprache ist zwar eine andere, aber die darstellerische Intention bleibt bestenfalls erhalten. Bei einem Computerprogramm wird die Darbietung des Originalschauspielers dagegen auf den Klang der Stimme reduziert, bei der nur die Sprache übersetzt werden muss. Die schauspielerischen Nuancen zu übertragen, dürfte dagegen für ein Computerprogramm kaum möglich sein.
Eigentlich erschreckend, dass so eine Diskussion in diesen nicht nur moralisch erschöpften Zeiten überhaupt geführt wird. Stimmraub legitim, da Originaleigentümer halt tot? Wow. Da wird nicht "wiederauferstanden", da wird (im imaginären Fall) gestohlen. Sonst nichts.
Was als Nächstes? Heidi Klum stirbt, nach vier Wochen Trauer wird der Korpus mit warmem Kochsalz vollgepumpt und jeder darf mal reinschlunzen?