Was ich mich in letzter Zeit manchmal gefragt habe:
Wie wird es bei ausländischen Synchronisationen eigentlich gehandhabt, wenn ein ursprünglicher Sprecher nicht mehr verfügbar ist und eine Ersatzstimme gesucht werden muss? Sind Sprecher-Imitationen à la Bernd Egger für Danneberg und TNW für Elsholtz hauptsächlich ein deutsches Phänomen oder gibt es sowas auch in Frankreich, Italien, Spanien, Japan usw.?
In den USA wird irgendein voice match gesucht, was dir vermutlich bekannt ist. Aktuell wurde mir aber ein Fall in die X-Timeline gespült, den ich teilen will. Bryce Papenbrook hat dieselbe Rolle seines Vater Bob (vor ~23 Jahren) neu eingesprochen: https://twitter.com/BrycePapenbrook/stat...437343493038080 Mal hören ob die Stimmähnlichkeit wie bei den Schults vorhanden ist.
Dass die Familie auch als Voice Actor arbeitet, kommt gefühlt in den USA nicht so häufig vor wie hier. Für eine handfeste Einschätzung fehlt mir die Expertise über die dortige Dub-Branche.
Zitat von CrimeFan im Beitrag #174Ich habe was interessantes aus der Ungarischen Synchro von "Go, Trabi, Go!" gefunden. Nachdem man im Vorspann die Namen der Hauptdarsteller genannt hat, werden scheinbar angaben zur Synchronisation durchgegeben.
Wird oder wurde auch gern bei tschechischen Synchronisationen gemacht - offenbar schon eine halbe Ewigkeit. "Der Schatz im Silbersee" erhielt 1965 noch einen komplett tschechischen Vorspann mit Sprechernennungen - bei "Winnetou 1" (immerhin auch ein Kinoeinsatz 1967) wurde der deutsche Vorspann bereits mit den Sprechernamen übersprochen.
Da die deutschen DVDs des Anime-Klassikers "Der gestiefelte Kater" unbezahlbar sind, bestellte ich mir die italienische (!) DVD (um sie deutsch zu unterlegen). Und was entdecke ich? Zwei italienische Synchronfassungen - eine zeitgenössische und eine moderne in stereo (naja, mittlerweile auch schon 20 Jahre). Beide auf der DVD. Nun kann ich nicht beurteilen, ob die Veröffentlichung mehrerer Synchros in Italien zum Standard gehört (wäre den Zuschauern zu wünschen), denn ich habe mitbekommen, dass offenbar dort gern neu synchronisiert wird (auf der deutschen DVD zu Lesters Musketier-Filmen findet sich bspw. eine zeitgenössische Synchro des 2. Films, der 1. aber in Neusynchro!). Weiß jemand Genaueres zu solchen Doppelspuren?
Neulich kam ich im Rahmen eines Urlaubsaufenthaltes mit einer Amerikanerin auf die "Sound of Music"-Tour in Salzburg zu sprechen, wo man mit dem Bus alle möglichen Drehorte des entsprechenden Films abfährt. Im weiteren Verlauf klärte ich sie über die deutschen Filme über die Familie Trapp aus den 1950ern auf, was sie sehr interessant fand. Das brachte mich zuhause darauf, einmal nachzuforschen, ob es auf YouTube noch untertitelte Versionen der Filme gibt (ja, es gibt sie). Was aber noch erstaunlicher war: Ich stieß in diesem Rahmen auf eine Kuriosität aus den USA, die ich euch nicht vorenthalten will. Es gibt nämlich tatsächlich eine englisch synchronisierte Version dieser Filme.
Als 20th Century Fox im Juni 1960 die Filmrechte des Musicals "The Sound of Music" erwarb (dieses war 1959 am Broadway angelaufen), kaufte sie etwa zur selben Zeit auch die Filmrechte der beiden deutschen Filme "Die Trapp-Familie" und "Die Trapp-Familie in Amerika". Diese Filme wurden dann zu einem Film zusammengeschnitten (Länge: 104 Minuten), der 1961 in den USA unter dem Titel "The Trapp Family" in den Kinos gezeigt wurde. Die amerikanische Synchronfassung stammt von Lee Kresel (Dialogbuch und -regie) und wurde in den Titra Studios in New York aufgenommen, wobei man die Lieder im deutschen Original belassen hat.
Au ja, die Titra Studios in New York. Das war mal 'ne institution. Die haben auch die Dollar-Trilogie synchronisiert. Ich habe zwar noch nicht viele englische Sychros gehört, aber von denen, die ich gehört habe, kam keine auch nur ansatzweise an die Qualität von Titra ran. Die Synchronsprecher kamen vor allem vom Theater, was ja immer ein riesiges Plus ist, und die Dialoge klangen nie so gezwungen. Natürlich sind sie manchmal in einen "synchronesischen" Dialekt abgedriftet, passiert bei uns ja auch, aber alles in allem waren deren Arbeiten immer recht gut anzuhören. Später wurden englische Synchronfassungen ja meist in den Produktionsländern erstellt, bzw. in der Nähe. Bestes Beispiel dafür sind die Godzilla-Filme, die bis in die frühen 2000er hinein in Hong Kong synchronisiert wurden, was nicht gerade vorteilhaft für die Qualität war und was glaube ich bis heute das Image der Synchronisation in englischsprachigen Gebieten versaut hat. Oder auch sehr aktuell, Die Schule der magischen Tiere von 2021. Die englische Synchro dieses Films kam von Think Global aus Berlin.
Auch als ich möglichst genau auf die Lippenbewegungen von Ruth Leuwerik, Hans Holt und Co. geachtet habe, hatte ich meistens die Illusion, dass sie selber tatsächlich alle englisch sprechen würden, , was mir bei "unseren" Synchros imho. höchstens punktuell auffällt. Die Stimmen resp. die Stimmenwahl empfand ich naturgemäß sehr "strange"...;))
Vielleicht noch erstaunlicher ist diese Illusion in der amerikanischen Bearbeitung von "Die Halbstsarken" (von Film Sync Inc., in den USA als "Teenage Wolfpack" gelaufen) - gelungen (die Synchrongrößen Paul Wagner, Eduard Wandrey und Stanislaw Ledinek haben übrigens auch mitgespielt). Dadurch hatte der Film - sieht man von einigen Details ab - auch glatt irgendwo in Nordamerika spielen können. Trotzdem scheinen sämtliche Dialoge sinngemäß nahe an der deutschen Vorlage übertragen worden zu sein:
Hier mal ein paar interessante Sachen, die ich in den letzten Jahren so über internationale Synchron-Industrien herausbekommen habe (bitte mit Vorsicht genießen):
Europa *Anscheinend sind Deutschland und Ungarn die einzigen beiden Länder in denen die Anredeformen Mr. und Mrs. nicht geändert werden.
*Vor ein paar Jahren gab es in Ungarn eine kleine Krise, da die Synchronsprecher für höhere Gagen gestreikt und immer mehr Sender ihre Aufträge nach Rumänien geschickt haben. (Quelle) **Verbunden damit ist auch interessant, dass in Rumänien ge-xt wurde, während man in Ungarn noch zusammen aufnahm.
*Frankreich ist wohl eines der wenigen Länder, wo nach Nationalität bzw. "Rasse" (mir fehlt gerade ein besseres Wort) besetzt wird. So war zum Beispiel Med Hondo lange die Stimme von Eddie Murphy und einem Großteil schwarzer Schauspieler (z.B. Michael Clarke Duncan in The Green Mile oder Duane Jones in Die Nacht der lebenden Toten). Auch deutsche Figuren werden vorzugsweise mit Deutschfranzosen besetzt, beispielsweise die Nihilisten in The Big Lebowski.
*Viele Verleiher schicken ihre Filme und Serien nach Belgien, um dort ins Französische synchronisiert zu werden, das ist billiger. Deshalb gab es vor ein paar Jahren sorge in Frankreich, weshalb die Gewerkschaften sogar vorschlugen die Honorare zu kürzen. (Quelle)
*Ein weiteres Land, in dem des öfteren auf Französisch synchronisiert wird, ist, ob ihr es glaubt oder nicht, Spanien. Dort werden vor allem B-Filme bearbeitet, zum Beispiel Winnie the Pooh: Blood and Honey. (Quelle)
*Wo wir gerade bei Spanien sind, dort wird ein Großteil der Synchronfassungen in Barcelona erstellt. Deshalb haben viele Schauspieler den gleichen Stammsprecher auf Spanisch und Katalanisch.
*Direct-To-Video-Veröffentlichungen gingen des öfteren ins Baskenland, wo Studios wie K2000 tätig waren. (Quelle)
Asien *Am meisten wird auf Japanisch synchronisiert.
*Viele alte Filme haben mehr als eine japanische Synchronfassung (durchschnittlich so ca. 2 bis 3) da die meisten Sender vermutlich keinen Bock auf Lizenzkosten haben und einfach selber Hand anlegen. (Quelle)
*Wenn mal auf Mandarin (Chinesisch) synchronisiert wird, kommt es manchmal vor, dass für Taiwan und China zwei unterschiedliche Synchros erstellt werden (Quelle: hier und da)
Lateinamerika *In Mexiko gab es lange ein Gesetz, dass die Synchronisation von Filmen fürs Kino verbat, da man damit eine Konkurrenz zur lokalen Filmindustrie sah. Erlaubt war das Synchronisieren nur für Kinderfilme und fürs Fernsehen. Allerdings war nur das Erstellen von mexikanischen Synchronfassungen fürs Kino verboten, sodass manche Filme einfach die Synchro aus Spanien übernahmen. (Quelle) **Lustigerweise war es bei Disney lange Zeit umgekehrt, da hat man die Fassungen aus Lateinamerika auch in Spanien gezeigt.
*Anders als bei uns in Deutschland sind Ami-Synchros in Lateinamerika etwas ganz normales, vor allem in den 1980ern kamen viele Synchronfassungen aus LA und Miami. Tatsächlich wurden die ersten spanischsprachigen Synchros in New York bei MGM erstellt. (Quelle) **Dieser Umstand [Ami-Synchros] machte später ein wenig Probleme, da sich Televisa, eine der größten mexikanischen Fernsehanstalten, weigerte, Synchros auszustrahlen, die nicht in Mexiko erstellt wurden. (Quelle)
*Neben Mexiko, dem Land mit der größten und bekanntesten Synchronindustrie, kommen viele Synchros auch aus Argentinien (z.B. Breaking Bad), Columbien (z.B. Halloween), Venezuela (z.B. Beetlejuice) und Chile (z.B. Die Schule der magischen Tiere).
*Von den 1950ern bis in die 1980er wurde auch viel in Puerto Rico synchronisiert, bei Film and Dubbing Productions. Zu den dort erstellten Synchros gehören unter anderem Citizen Kane, Bonanza und Brennpunkt Brooklyn (1. Fassung). (Quelle)
Kanada *Von manchen Filmen und Serien existieren nur Frankokanadische Synchros, entweder, da sie ihrerzeit nicht nach Frankreich geholt wurden, oder, weil es billiger war die Synchro zu übernehmen. Beispiele hierfür sind Raumschiff Enterprise, X (2022) und Heidi. (Quelle: hier, hier und da)
Orient *Im Iran hat man es nicht so mit Urheberrecht, weshalb von den meisten neuen Produktionen mehr als eine Synchro existiert. Bei Kinderfilmen und populären Franchises hat man dann manchmal über 15 verschiedene Fassungen. (Quelle)
Englischsprachige Synchros *Ähnlich wie in Frankreich, wird auch in den USA oft nach Herkunft besetzt. Das ist sogar soweit ausgeartet, dass man für How to Sell Drugs Online (Fast) die deutschen Schauspieler nach LA geholt hat, um sich selbst zu synchronisieren. (Quelle: Synchrontafeln) **VSI ist sogar schon mal so weit gegangen und hat autistische Schauspieler ins Studio geholt, um Autisten zu synchronisieren. (Quelle)
*Die meisten Studios in den USA haben heutzutage leider die Qualität von Legendary Units.
*Seit den 1960ern hat sich ein zweifelhafter Trend in der englischsprachigen Synchronlandschaft entwickelt, der das Image dieser Kunst nicht unerheblich geschädigt hat. Regionale Synchros. Denn, während wir uns hier über Ami-Synchros aufregen, regen sich die da drüben über Italo-Synchros oder Asia-Synchros auf. **Viele europäische Produktionen wurden in Italien ins Englische synchronisiert, die hatten sogar eine eigene Gewerkschaft. Die Synchros waren gar nicht so schlecht, habe aber auch noch nicht viele gehört. (Quelle) **Qualitativ deutlich zweifelhafter sind dagegen die Synchros aus Japan und Hong Kong. Denn, während man in Italien noch viele Schauspieler aus den USA und so hatte, bestanden die Synchronbesetzungen in Asien vor allem aus Veteranen, Journalisten und Radiomoderatoren. Diese Synchros waren so schlecht, das sie inzwischen zu einem Meme geworden sind. Trotzdem wurden bis in die Nuller Jahre alle Godzilla-Filme in Hong Kong bearbeitet. (Quelle) **Auch nicht besser weg kommen englische Synchronisationen aus Deutschland. Filme, die hier synchronisiert wurden sind unter anderem Das Wunder von Bern, Das Haus der Krokodile und Die Schule der magischen Tiere (alle bisher erschienen Teile). An letzterem Beispiel wirkte auch Patrick Roche mit, Dialogbuch und Regie: Yolette Wunder, die Frau von Dietmar Wunder. (hier, hier und da)
Rythmographie *Die Rythmographie ist eine deutsche Erfindung, die in Deutschland recht verhasst ist, dafür aber anderswo noch der Industriestandard ist. **Zu diesen Gebieten gehört allen voran Frankreich, die diese Technik seit den 1930ern verwenden. ***Ein paar der ersten Filme, die mit dieser Technik synchronisiert wurden, waren die Horrorfilme von Universal. (Quelle: hier und hier) **Weitere frankophone Gebiete: Belgien und Kanada (ab und zu auch für englische Synchros). **In den USA wird inzwischen auch ab und zu die Rythmographie verwendet. (Quelle) **Das einzige lateinamerikanische Land, das mit dem "Bande Rythmo" synchronisiert hat, war Puerto Rico. (Quelle)
Seit der russischen Invasion auf die Ukraine haben so gut wie alle Verleiher ihre russischen Synchros nach Kazakhstan, Israel und Georgien geschickt. In Russland selbst werden jetzt eigene, illegale Synchros der meisten Filme angefertigt, die aber immer noch professionel besetzt werden.
Wow, das sind tolle Hintergrundinfos, wie die Synchronlandschaft in anderen Ländern ausschaut. Danke fürs zusammentragen.
Ein paar der Fakten kenne ich sogar bereits, wie etwa, dass es immer eine Synchronfassung für Taiwan und China gibt. Hat da denke ich politische Gründe, vor allem ist Festland-China wohl auch restriktiver.
In den USA gibt es eine sehr große Lateinamerikanische Community, sodass es mich nicht überrascht, dass die genug Ressourcen haben für spanischsprachige Synchros für den lateinamerikanischen Markt. Da sieht es (nehme ich mal an) mit den deutschsprachigen Synchros aus den USA deutlich dünner aus von der Besetzung her.
Capelight lässt einige Filme ins Englische synchronisieren. Ein paar davon von bei Think Global. Vorrangig deutsche oder russische Projekte, die von Capelight auch teilweise in Deutschland veröffentlicht worden sind. Beispiele: Coma, Attraction 2, Ein Weihnachtsfest für Teddy, Der Fall Colini oder Jim Knopf und die wilde 13.
In Puerto Rico ist die Synchronindustrie größtenteils ausgestorben. Aber, als dort noch regelmäßig produziert wurde, war einer der am öftesten eingesetzten Sprecher tatsächlich ein Deutscher, Axel Anderson. Er floh in den 1930ern mit seiner Familie erst nach Argentinien, bevor er nach Kolumbien ging und schließlich in Puerto Rico ankam, wo er 2012 starb.