Da das ohnehin alles reine Hirngespinste sind, habe ich mich für geografische Begebenheiten nicht interessiert. Es ging ja nur darum, welche Rollen ich mir für ihn hätte vorstellen können. Aber Professor Abronsius war schon eine schöne Rolle, um damit Abschied zu nehmen vom Synchronstudio(ob freiwillig oder unfreiwillig). In Polanskis Vorgänger-Film "Wenn Katelbach kommt" hatte Jack MacGowran ein ähnliches Outfit. Habe den leider nur OmU gesehen bei einer Polanski-Retrospektive (ein toller, schräger Film), aber wenn in der deutschen Fassung (sollte die mal veröffentlicht werden) nicht Balthoff zu hören wäre, bekäme ich die Krise. MacGowran war ja nie so ein bekannter Schauspieler bei uns und hatte wechselnde Stimmen (ein paar habe ich in seinem Thread ja zusammengesammelt). Das störte mich nie, aber in den beiden Polanski-Filmen schaut er optisch so ähnlich aus (im Unterschied zu sonst), darum täte mir eine andere Stimme als die Balthoffs irgendwie "weh".
Zitat von fortinbras im Beitrag #44Natürlich war Balthoff wie aus einer anderen Zeit, aber hätte er weiter synchronisiert, wäre auch er irgendwie in die 70er mitgewachsen. Für die 80er hätte ich aber meine Probleme.
Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Er hätte vielleicht in den 70ern und 80ern nicht direkt wie ein Fremdkörper gewirkt, allerdings hätte es vielleicht schon mal Irritationseffekte geben können. Als Nebenrollensprecher hätte ich ihn mir aber dennoch über die 60er bzw. über 1967 hinaus doch noch vorstellen könne.
Zitat von bertiVielleicht meinte er, seine Stimme passe nicht mehr in das "veränderte" Kino? Oder er bekam weniger Angebote und meinte, lieber selber einen Schlussstrich zu ziehen? Vielleicht hatte es auch mit dem Streik von 1967 zu tun, an dem er möglicherweise beteiligt war oder zumindest die anschließende Absstrafung mancher Kollegen abschreckend fand?
Ersteres wäre zumindest eine Erklärung. Ich weiß nicht, wie es im Synchrongeschäft war, aber um die Zeit trat ja eine neue Generation von Filmemachern auf den Plan (Fassbinder, Kluge, Geissendörfer u.a.), die "Opas Kino", zu dem Balthoff gewissermaßen ja auch gehörte, für tot erklärte und alles anders machen wollten. Vielleicht gab es etwas vergleichbares auch in der Synchronisation.
vielen Dank für diesen spannenden Einblick in das Leben von Balthoff, den ich persönlich nur durch seine Arbeit an den Camillo-Filmen wahrgenommen habe. Es ist ernüchternd zu lesen, was Balthoff in seinem Leben durchmachen musste, und wie auch in der Synchronbranche "alte Kameraden" einem Opfer des Nationalsozialismus nach Kriegsende noch psychisch zusetzen konnten. Ich gestehe, ich wäre interessiert daran zu erfahren, um welche Münchner Sprecher es sich hierbei handelt, aber evtl. ist es auch besser, es nicht zu wissen -> ich habe keinen Lust auf den "O.J. Simpson"-Effekt (die Nackte-Kanone-Trilogie ist in allen Nordberg-Szenen dank Mr. "If I Did It" nicht mehr so unbeschwert zu genießen wie früher).
@ fortinbras: Ich hoffe auf noch mehr solche Threads, dank derer man ungeahnte Einblicke in das Leben und Wirken von (Synchron-)Schauspielern bekommt! Diese sind eine enorme Bereicherung des Forums.
Da werde ich ja rot, wenn ich so gelobt werde. Danke! Es war mir hier schon ein Bedürfnis, auch den Menschen und sein Leben zu präsentieren und nicht nur die Stimme samt Leistung in den Vordergrund zu stellen. Die Glorifizierung mancher Synchronsprecher oder Schauspieler generell ist oft etwas überbordernd, wenn ich auch selbst sehr gerne ins Schwärmen komme und viel dazu schreibe. Da ich etwa Erich Fiedler sehr mag, ist es für mich schon ein wenig irritierend, daß er offenbar eine sehr belastete Vergangenheit hatte. Aber das gehört eben zum Leben dazu. Ich habe mir schon so meine Gedanken gemacht, wie es etwa für Balthoff war, mit Erich Fiedler zusammenzuarbeiten-was sie ja oft mit einem immensen Effekt taten (siehe "Tanz der Vampire"). Ob Fiedler betreten war? Wenn auch Friedrich Joloff, wie ich in dessen Thread herausgearbeitet habe, ein Leidtragender jener Zeit war, ist sicher Balthoffs Lebensgeschichte von besonderer Tragik-die vor allem in seinem späteren Leben eine immer schlimmere Dimension annahm.
Ich hätte gerne auch etwas tiefer eine Diskussion in Gange gebracht über die Hintergründe dieser Menschen und ihre Zusammenarbeit, aber das kommt nicht ganz so gut an. Bei Balthoff wurde Bedauern ausgedrückt, Fiedlers persönliches Leben absolut ignoriert.
Die Münchener Kollegen standen schon des Öfteren im Ruf, etwas von Vorgestern zu sein. Die Namen und Hintergründe hat der mit unglaublichem Gedächtnis ausgestattete Kurt Jaggberg erzählt, der alle diese Personen kannte und auch mit ihnen gearbeitet hat. Aber auch in einschlägiger Literatur (Künstler-/Geschichts-/Filmbücher) werden die Namen stets genannt. Beide hätten sehr wohl die ganz schlimmen Greuel der NS-Zeit verurteilt, aber der Vaterlandsliebe und Ordnung nachgetrauert, immer wieder mal eine fehlende starke Hand gewünscht und waren auch gesellschaftspolitisch nicht sehr modern. Einer hat in seinen Memoiren sogar sehr detailliert zu den Vorwürfen, er wäre ein "Nazi" Stellung genommen-aber im Grunde war es nur ein recht allgemein gehaltenes, geschickt formuliertes Plädoyer. Beide waren sympathische, geschätzte Schauspieler-feine Kollegen und nur selten auffällig. Einer der beiden hatte eine starke Aversion gegen Homosexuelle und weigerte sich deshalb angeblich, einem schwulen US-Schauspieler in einer Filmreihe weiterhin die Stimme zu leihen (das ist aber ein Jaggberg zugetragenes Gerücht, das er selbst jedoch für glaubwürdig hielt.) Derselbe wollte auch keine Synchronrollen annehmen, in denen das Militär beleidigt wird oder die zu progressiv waren. Da sich Film und Fernsehen zu einem "unmoralischen Sauhaufen" entwickelt hätten, zog er sich auch vor der Kamera sehr zurück. Im Synchrongeschäft blieb er bis zum Tod, aber ab den frühen 70ern nahmen die Rollen merklich ab. Beides Schauspieler die ich sehr schätze. Erfolgreiche Fernsehkommissare und Synchronprofis. Der Erste hörte allerdings in den 60ern damit auf, als er mehr und mehr beim Fernsehen eingespannt war. Wie heisst es so schön-"es gilt die Unschuldsvermutung". Auch für die Herren Ode und Engelmann. Nicht alle Künstler sind weltoffen und links engagiert. Es ist unter Künstlern populär, sich so zu geben-gehört oft zum Image im Business. Rollen sind eben Rollen und haben meist nichts mit dem Privatmenschen zu tun. Aber ab und an lässt sich das wie bei jedem Menschen nicht trennen. Darüber darf und soll man auch sprechen.
Thomas Bräutigam zitiert in seinem Artikel über Alfred Balthoff zunächst Rainer Dick, dass Balthoffs Stimme "teils quengelnd, ,teils brüchig sentimental (...) die Gratwanderung zwischen Resignation und bewusster Flucht ins Absonderliche" suggeriert habe, um anschließend hinzuzufügen, dass "er mit seinem sanften, weichen Nasalieren den Figuren nicht selten einen veredelnden Zug" verliehen habe. Auch dies war ein Fall davon, dass mir beim ersten Lesen klar war, auf welche Stimme sich diese Beschreibung beziehen musste. Beiden Urteilen werden viele sicher nur zustimmen können.
Hallo Berti! Dem kann man ja auch schwer widersprechen. Gerald Grote hat in seiner teilweise schlampigen Balthoff-Kurzbio im Buch "Der Kommissar" auch aus Bräutigams Lexikon diese Passagen zitiert.
Nun von mir ein kleiner Nachtrag-Alfred Balthoff hat 1979 bei einer Kulturveranstaltung der sozialdemokratischen Studentenschaft teilgenommen und in der Parteizeitung ist zu lesen, daß er selbst sich schon seit den 20er-Jahren immer wieder (wenn auch auf stille Weise) aktiv daran beteilige, die allgemeinen Lebensbedingungen auch von Künstlern zu verbessern. Manchesmal werde man hintergangen, das gehöre dazu. Nur demütigen lassen solle man sich nicht, da nütze nur eines-nämlich konsequent einen Strich zu machen und aufzuhören, diesen einen Weg zu gehen.
Ob das ein Resümme des Synchronsprecherstreikes sein könnte? Bzw anderer Erfahrungen?
Zitat von berti im Beitrag #50Thomas Bräutigam zitiert in seinem Artikel über Alfred Balthoff zunächst Rainer Dick, dass Balthoffs Stimme "teils quengelnd, ,teils brüchig sentimental (...) die Gratwanderung zwischen Resignation und bewusster Flucht ins Absonderliche" suggeriert habe, um anschließend hinzuzufügen, dass "er mit seinem sanften, weichen Nasalieren den Figuren nicht selten einen veredelnden Zug" verliehen habe. [...] Beiden Urteilen werden viele sicher nur zustimmen können.
Das würde ich nur zu gerne tun, da ich vermute, dass dies alles positiv gemeint ist, aber ich habe in der zweiten Stunde meines Poesie-Crash-Kurses für Dummies nicht richtig aufgepasst: Was bedeutet "bewusste(.) Flucht ins Absonderliche" eigentlich? Was ist in diesem Zusammenhang mit "absonderlich" gemeint und wie kann man mit einer Stimme dorthin flüchten, vor allem: wer zwingt Balthoff dazu? Er selbst etwa ("bewusste Flucht")?
Zitat von John Connor im Beitrag #52Das würde ich nur zu gerne tun, da ich vermute, dass dies alles positiv gemeint ist, aber ich habe in der zweiten Stunde meines Poesie-Crash-Kurses für Dummies nicht richtig aufgepasst: Was bedeutet "bewusste(.) Flucht ins Absonderliche" eigentlich? Was ist in diesem Zusammenhang mit "absonderlich" gemeint und wie kann man mit einer Stimme dorthin flüchten, vor allem: wer zwingt Balthoff dazu? Er selbst etwa ("bewusste Flucht")?
Ich vermute, dass hiermit die Art gemeint ist, in der Herr Balthoff Figuren (auf der Bühne, vor der Kamera oder auch im Synchronstudio) anlegte, so dass sie etwas "absonderlich" wirkten. Bräutigam erwähnt in diesem Zusammenhang auch, seine "Domäne" (als Schauspieler) seien "Außenseiter, Sonderlinge, verschrobene Typen" gewesen.
@ Berti-betreffend deinem andernorts geschriebenen Beitrag zu "Vertigo", der Kinosynchronisation:
ich kenne leider nur die zwei späteren Fassungen. Allerdings bist du nicht der Erste, der die Kinoversion in manchen Bereichen als nicht so gelungen betrachtet. Vor allem kann ich mir Gisela Trowe absolut nicht für Kim Novak vorstellen. Hier beziehe ich mich auf dein Lob für die Synchronarbeit von Alfred Balthoff. Findest du, daß diese Rolle bei ihm auch etwas "aus der Reihe" tanzt? Ich hatte das nämlich irgendwie so verstanden.
Zitat von fortinbras im Beitrag #54Findest du, daß diese Rolle bei ihm auch etwas "aus der Reihe" tanzt?
In gewisser Weise schon. Er klingt hier ähnlich eisig wie z. B. (in einigen Momenten) in der "27. Etage" oder "Wer den Wind sät", allerdings noch etwas härter. Wenn man in in erster Linie aus sanfteren oder "passiveren" Rollen kennt, wirkt es ungewohnt. Allerdings nicht ganz so untypisch wie in der "schwarzen Katze" oder dem "Zeichen des Bösen".
Zitat von John Connor im Beitrag #52aber ich habe in der zweiten Stunde meines Poesie-Crash-Kurses für Dummies nicht richtig aufgepasst
Was ist dann erst mit einem anderen von Bäutigam zitierten Kritikerurteil, diesmal dem des "Deutschen Bühnen-Jahrbuchs 1965" über Walter Suessenguth, dessen Stimme habe "aus jedem Wort den Herzschlag des Augenblicks" herausgeholt?
"Die meisten Kritiker sind ja verhinderte Dicht-Genies. Und wenn ich mir so anschau, wie sie ihre poetischen Anwandlungen in blumige Beschreibungen pressen, wird mir sofort klar, warum sie Kritiker und nicht Dichter sind-weil kein halbwegs vernünftiger Theaterdirektor sich getrauen würde, diese Eskapaden auf die Bühne zu bringen." (Fritz Eckhardt)
Ich möchte kurz den Faden aufnehmen zu dem, was du im Thread "Rückkehr der alten Stimme" zu Balthoff und Obinson geschrieben hast. Hier ist der spätere Bruch sicher am Deutlichsten, aber es ist auch interessant, daß es bei Fernandel und Lorre immer wieder größere Brüche gibt. Wobei bei Fernandel und Robinson bei einigen Filmen noch unklar ist, wer hier der Sprecher war. Bei Robinsons letzter Arbeitsphase ist das allerdings sehr gut dokumentiert. Ich glaube, daß diese Brüche schon mit Balthoffs verstärkter Theaterarbeit in Düsseldorf zu tun hatte, wo er ab 1957 ja auch einen Wohnsitz hatte und zum Ensemble des Schauspielhauses gehörte.
Zitat von fortinbras im Beitrag #58Ich glaube, daß diese Brüche schon mit Balthoffs verstärkter Theaterarbeit in Düsseldorf zu tun hatte, wo er ab 1957 ja auch einen Wohnsitz hatte und zum Ensemble des Schauspielhauses gehörte.
Schon seit 1957? Dann hieße das, dass er zehn Jahre lang regelmäßig eingeflogen wurde, denn in Berlin wurde er zu dieser Zeit noch sehr oft in Haupt- und Nebenrollen besetzt.
Die meisten Quellen, die ich vorliegen hatte, sagten alle klar und deutlich, daß Balthoff ab 1957 (und nicht 67) zum Düsseldorfer Schauspielhaus gehörte. Dort wird Balthoff von 57 bis 71 als Mitglied geführt. In einer alten Broschüre des Burgtheaters aus den 70er-Jahren, in dem die neuen Schauspieler und Gäste vorgestellt werden, ist auch zu lesen, daß Balthoff ab 1957 abwechselnd in Düsseldorf und Berlin gearbeitet hat, aber die meiste Zeit am Schauspielhaus verbrachte. Also nehme ich mal an, er wird immer dann vermehrt synchronisiert haben, wenn er gerade in Berlin war. Ich hatte lange genug mit Profi-Schauspielern zu tun um zu sehen, wie komplex diese Terminplanungen aussehen und wie oft man sich auch für den Zeitraum von-bis voranmeldet, daß man zur Verfügung stünde. Darum nehme ich mal stark an, wird Balthoff sich das genau eingeteilt haben oder wenn er unbedingt mal gefragt wurde, dann konnte er sich wohl auch mal freistellen lassen für ein paar Tage. Aber definitiv spielte er regelmäßig in Düsseldorf ab 1957 Theater. Ich habe wegen einem Auszug aus seinem Auftrittsverzeichnis angefragt, wurde aber auf Herbst vertröstet wegen der Sommerpause. Dann kann man vielleicht ein wenig mehr daraus ersehen. Aber mir scheint, daß längere Brüche schon mit seiner Theaterarbeit zusammenhängen können. Daß man ihn aber immer wieder holte, sagt auch etwas aus über die Qualität seiner Arbeit.