Mein Hass-Satz ist das halb kapitulierende, halb zustimmende, nach oben gezogene "Okäääii!".
Sein kleiner Bruder ist das nachfragende Wiederholen einer unmittelbar zuvor getroffenen Aussage ohne die Stimme zu heben (wie in A:"Ich hab mit gestern Angela Merkel gepoppt" - B:"Mit Angela Merkel..." Anstatt ein Fragezeichen zu sprechen, senkt der B hier die Stimme und imitiert statt dessen den Tonfall des A. Diesen Unsinn findet man leider immer häufiger in Synchros.)
Ein drittes Phänomen betrifft die Übersetzungen der englischen Wendung "to lie about something", die es im Deutschen einfach nicht gibt. Man kann weder "über etwas lügen", wie es in den 80ern oft zu hören war, jedoch auch nicht "in Bezug auf etwas", wie es heute meist umschrieben wird. Letzteres ist zwar grammatikalisch richtig, aber kein Deutscher würde es so formulieren. Die beste Möglichkeit wäre, es ganz anders zu sagen und das trauen sich heute wohl viel zu wenige Autoren (womit wir wieder beim Thema wären): OV: "He lied about being there at this time." Nicht: "Er log in Bezug auf seinen Aufenthaltsort zu der Zeit." Sondern: "Er war zu der Zeit gar nicht dort, wie er sagte." Oder warum eigentlich nicht: "Sein Alibi ist erstunken und erlogen."
Erst wenn man solche freieren Versionen ausprobiert, kann man eine gute eigenständige Synchro zustande bringen. Das hat nicht mit Weglassen oder Ergänzen zu tun, sondern mit dem Wunsch, den Figuren auf Deustch eine gleich gute sprachliche Charakteriserung zu verpassen wie es im Original der Fall ist. Das geht aber erst, wenn man kapiert, dass inhaltliche Informationen nicht das einzige sind, was mit Dialogen im Film weitergegeben wird.
Man muss sich drüber im Klaren sein, dass solche Synchros wie oben beschrieben das öffentliche Sprachbewusstsein nachhaltig beeinfllusst haben. Das Gros der smarten 28-jährigen Auftraggeber heutzutage redet nämlich genau so wie in den platten Synchros und denkt entsprechend unscharf. Man wundert sich geradezu, wenn einer mal nicht dieses affektierte "Okäääi" bringt oder einem die Phrase "nicht wirklich" (statt "eigentlich nicht") erspart bleibt. Die meisten dieser Leute (wohlgemerkt fast ausschließlich Akademiker) würden einen Satz wie "Sein Alibi ist erstunken und erlogen" durchstreichen, um den kreativen Änderungsvorschlag zu machen "Er log (schönes Imperfekt!) über sein Alibi". Natürlich sind nicht alle jungen Leute ungebildet und blöde, aber die oft oberflächliche Art des Konsums heutiger Medien ist sicher nicht dazu geeignet, die Denkfähigkeit zu schärfen und entsprechend die Artikulationsfähigkeit zu schulen und einen präzisen Umgang mit Sprache zu üben. Es gibt auch unter den jüngeren Autoren und Regisseuren durchaus einige, die über hohe sprachliche Kompetenz verfügen - nur nützt das nicht immer was. Da es auch unter den kompetenteren solche gibt, die derartigen Veränderungen in der Sprachlandschaft kritiklos das Wort reden ("Ist doch toll, wenn die Sprache sich entwickelt"), tut man sich zusätzlich schwer. Zu schnell wird man als gestrig oder unmodern hingestellt, obwohl viele Neologismen aus dem Englischen durchaus ihre Berechtigung haben, aber eben nicht jeder Schmarrn eine Bereicherung ist. Mir hat bisher noch keiner erklären können, was daran so toll ist, wenn aus Unwssenheit sprachliche Fehler erst hirnlos wiederholt werden, bis sie schließlich als "umgangssprachlich verwendbar" eingestuft werden, weil man ja schließlich auch so "verstehe, was gemeint ist". Welch eine Maxime! Seit Synchronautoren/-regisseure fast nur noch aus Sprechern/Schauspielern rekrutiert werden, hat sich in der Branche zudem ein unglaublicher Opportunismus gegenüber den Kunden breitgemacht. Das geht so weit, dass inzwischen Kunden über die Besetzungen entscheiden und (zumindest bei den Mischungen) Regie führen. Dieser Trend ist irreversibel; wer dagegen opponiert, schießt sich raus. An der schlechten Synchronqualität sind also nicht immer nur und ausschließlich die Autoren/Regisseure schuld.
Aufgrund solcher Synchros dürfte in den letzten Jahren auch das englische "Upps" (anstelle von "Hoppla!") in den Sprachgebrauch gelangt sein. Wenn ich es höre (egal ob imn Filmen, Serien oder im Alltag) schmerzt es mich im Ohr!
Zitat Aufgrund solcher Synchros dürfte in den letzten Jahren auch das englische "Upps" (anstelle von "Hoppla!") in den Sprachgebrauch gelangt sein. Wenn ich es höre (egal ob imn Filmen, Serien oder im Alltag) schmerzt es mich im Ohr!
Der genannte Begriff wurde aber schon in den 80ern in der Sendung "Dingsda" verwendet. Wenn der zu erratende Begriff von dem betreffenden Kind aus Versehen gesagt wurde, wurde im Einspieler ein "Upps" drübergelegt.
Zitat von LammersDas stimmt. Seit etwa 10 Jahren, würd ich sagen.
Das deckt sich - siehe weiter oben - auch mit meinem Eindruck. Ich befürchte zudem, dass die Zuschauerschaft durch einen gewissen Gewöhnungseffekt heutzutage das Mittelmaß immer seltener als solches entlarvt, sondern im schlimmsten Falle sogar noch als gut oder gelungen empfindet. Die massive sprachliche Unschärfe hat übrigens leider bereits starken Einzug in den täglichen Sprachgebrauch unserer Teenager gefunden. Man achte nur mal darauf, wie oft man aus deren Mund die leeren Worthülsen "irgendwie", "oder so" und "keine Ahnung" zu hören bekommt. Die Verflachung unserer Muttersprache hat also leider schon weitreichende Ausmaße angenommen und speziell die Medienschaffenden müssen sich endlich ihrer Verantwortung für diesen Trend bewußt werden. Schließlich ist die Sprache ein hohes kulturelles Gut.
Ja eben so wie das "Es macht bzw. macht keinen Sinn!". Bei letzterem muss man die Schlacht schon fast als verloren betrachten. Bei den anderen Beispielen habe ich noch Hoffnung.
Dann muss ich mich mal hier als "Opfer" nein, nicht "outen" sondern offenbaren oder von mir aus auch entblößen. "Nicht wirklich" gehört zu meinem festen Alltagswortschatz. Wie schon so oft bei vielen Begriffen war ich mir bis ich eben deinen Text las gar nicht bewusst, dass dieser Begriff auch der Synchronisation verschuldet ist. Skurrilerweise neige ich manchmal in fllüchtigen Einfällen von Blödsinnigkeit deutsche Wendungen ins Englische zu übersetzen, nachdem Sprüche wie "I cannot more, because I break together" oder "And he made himself me nothing you nothing nothing out of the dust" oder der Klassiker "Heavy on the woodway" auch meinen Erfahrungshorizont erreichten. So sage - oder denke - ich manchmal "not really". Aber aus deinem Kommentar erschließe ich, dass dies ja offenbar sogar korrekt bzw. das Original ist. Was mich aber in der aktuellen Entwicklung der deutschen Sprache am meisten stört sind die endlosen überflüssigen Anglizismen. Warum muss man sich für einen Trip durch's Worldwide Web zuerst einloggen um auf der Home-Seite einer Community zu landen und sich dort um Jobs als Call-Center-Agent, Sales Manager oder Producer bemühen, damit man Cash bekommt, von dem man sich Camcorder oder Handys mit Prepaid-Tarif kaufen kann. Warum kann man sich nicht für eine Reise in das Weltweite Netz zuerst anmelden um auf der Start-Seite einer Organisation zu landen und sich dort um Stellen als Telefonist, Kaufmann oder Produzent bemühen, damit man Geld bekommt, von dem man sich Kameras oder Mobiltelefone mit Vorkasse-Abrechnung kaufen kann?
Zitat von IschWarum muss man sich für einen Trip durch's Worldwide Web zuerst einloggen um auf der Home-Seite einer Community zu landen und sich dort um Jobs als Call-Center-Agent, Sales Manager oder Producer bemühen, damit man Cash bekommt, von dem man sich Camcorder oder Handys mit Prepaid-Tarif kaufen kann.
Dieter Hallervorden hat in der Sendung "Hallervorden's Spottlight" mal einen tollen Sketch zu diesem Thema gebracht. Es geht darum, dass ein älterer Herr eigentlich nur zum Arbeitsamt will und dort auf einen jungen, dynamischen Typen trifft, der nur so mit Anglizismen um sich wirft; Zitat: "Herzlich willkommen im Personal Assessment Center. Ich bin ihr Job Manager". Der Herr will einfach nur einen neuen Job. Früher war er mal Müllmann, was nach einem Blick in den Computer nun "Local Rubbish Assistant" heißt. Es endet damit, dass er ältere Herr sofort seinen alten Sachbearbeiter haben will und dass der "Job Manager" sofort mit seinem Fachenglisch aufhören soll, weil er sonst handgreiflich wird. Der "Job Manager" sagt: "O.K., O.K. I call him" - "Wie bitte ?!"
Na den würd ich mir mal anschauen. "Spott-Light" habe ich immer gerne geguckt. Einige von euch kennen sicher auch das Lied "Denglisch" von den Wise Guys...?!
Zitat So sage - oder denke - ich manchmal "not really". Aber aus deinem Kommentar erschließe ich, dass dies ja offenbar sogar korrekt bzw. das Original ist.
Denk dir nichts, auch mir geht das ab und an so, nicht nur wenn ich flapsig daherfilsere... Was aber das konkrete Bsp. "nicht wirklich" angeht, so weiß ich hier hundertprozentig, dass ich das immer wie ein hochtrabendes Zitat verwendet habe (wie in "Das Problem tangiert mich maximal peripher"). Wen ich da nachgemacht habe, weiß ich heute nicht mehr, doch es kann eigentlich nur jemand aus einer Synchro gewesen sein. Als ernstgemeinte deutsche Redewendung habe ich es im Grunde nie benutzt.
Zitat von Slartibartfast"Das Problem tangiert mich maximal peripher".
Moin moin,
lass das "maximal" weg, dann ist der Satz sogar (halbwegs) zu gebrauchen ;-) Eine Tangente liegt schließlich immer peripher an. Mein "halbwegs" bezieht sich im Übrigen darauf, dass "peripher tangieren" ein "weißer Schimmel" ist.