In der Originalfassung des französisch-rumänischen Abenteuerfilmes "Sieben Mann und ein Luder" ist einer der im Titel genannten Männer namens Latouche ein kleines Kerlchen, dass zum Gottserbarmen stottert und kaum einen vollständigen Satz herausbringt. Solcherlei Spott über menschliche Schwächen war bei der DEFA nicht salonfähig - das dürfte DEFA-Blödelbarde Heinz Nietzsche ("Adolars phantastische Weltraumabenteuer") ganz schön ins Schwitzen gebracht haben, denn da Latouche ständig den Mund bewegt (auch wenn fast nichts heraus kommt), musste er praktisch die Dialoge für eine ganze Figur fast neu erfinden. So wurde aus dem dem Stotterer ein Schwätzer, der fast >mit dem Hintern< Luft zieht. Allerdings - hätte ich nicht auch mal die Originalfassung eingestellt, wäre es mir an keiner Stelle aufgefallen.
Bill Cosby wurde beim ZDF ja von Joachim Kemmer synchronisiert. Tatta meinte mal, er hätte sowohl die väterliche als auch die witzige Seite der Rolle gleichermaßen rübergebracht, während Engelbert von Nordhausen aus Cliff Huxtable zu sehr einen "Clown" gemacht hätte:http://215072.homepagemodules.de/topic-t...message=7099296
Ich persönliche kenne nur die Kombination Cosby-von Nordhausen. Würde jemand von denen, die sich noch an die ZDF-Synchro erinnern können, auch sagen, dass es sich hierbei um eine Charakterveränderung handelte?
Zitat von bertiIrgendwo in einem Text über Synchronisationen wurde eine Kritikerin zitiert, die John Wayne nur mit Marquis´ Organ kannte und beim Anhören des O-Tons über seine im Vergleich dazu fast geschmeidige Stimme überrascht war.
Komischerweise wurde Clint Eastwood noch nicht erwähnt, bei dem die Sache ähnlich aussieht: Seine eigene Stimme stellte einen interessanten Kontrast zu Gesicht und Rollentyp dar, was bei Klaus Kindler so nicht der Fall war, gerade weil dieser so gut zum Gesicht passte. Siehe auch diesen Artikel:http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-51955615.html Im drittletzten Absatz wird erwähnt, dass Dirty Harry in Synchros "stets markig" sprach, während Eastwood ihm "mit seiner fragilen Stimme" eine "Brüchigkeit" verlieh, die damit kontrastierte. Im vorletzten Absatz wird Antonio Banderas ziiert, dem es mit Marlon Brando ähnlich ging: In spanischen Synchros habe Brando hart und tief geklungen, und später hätte ihn dessen leise und heisere Stimme überrascht.
Zitat Bill Cosby wurde beim ZDF ja von Joachim Kemmer synchronisiert. Tatta meinte mal, er hätte sowohl die väterliche als auch die witzige Seite der Rolle gleichermaßen rübergebracht, während Engelbert von Nordhausen aus Cliff Huxtable zu sehr einen "Clown" gemacht hätte:topic-t...message=7099296
Ich persönliche kenne nur die Kombination Cosby-von Nordhausen. Würde jemand von denen, die sich noch an die ZDF-Synchro erinnern können, auch sagen, dass es sich hierbei um eine Charakterveränderung handelte?
Falls du meinst, ob Nordhausens Cosby eine "Veränderung" gegenüber Kemmers Cosby war/ist: ja. Allerdings scheue ich mich ein bisschen (weil die ZDF-/Kemmer-Zeit so lange zurückliegt und die Erinnerung verblasst ...) vor dem Begriff "Charakterveränderung"; eine andere "Charakterinterpretation/-betonung/-nuancierung" als Kemmer scheint mir Nordhausen aber doch zu liefern. Zumindest habe auch ich Kemmer - hm - "weicher", "variabler" und "nuancierter" bzw. "subtiler komisch" in Erinnerung, während Nordhausen mir mit seiner "gewichtigen" Stimme etwas mehr "brachialkomisch" vorkommt (ohne dass ich seine Stimme oder Leistung diskreditieren wollte!).
Zitat von bertiBud Spencer wurde sowohl in den englischen als auch in den italienischen Fassungen seiner Filme fast immer fremdsynchronisiert. Mücke hat darauf hingewiesen, dass man ihm in Italien offenbar bewusst "eine andere Note" verleihen wollte und oft einen Sprecher wählte, der vom Klang her eher Wolfgang Hess als Spencers eigener Stimme ähnelte.
Christian Heger widmet dem Thema in seinem Buch "Die rechte und die linke Hand der Parodie" ein eigenes Kapitel. Zur Erklärung für die langjährige Nachsynchronisation von Spencer und Hill in Italien schreibt er: "Tatsächlich erwies sich Hills sanftes, warmes Timbre für die Darstellung seiner frühen harten Italo-Rollen ebenso ungeeignet wie für überdrehte Schelmen-Figuren der Marke Trinitá. Spencers Stimme hingegen ging trotz ihrer Tiefe die charismatische Bärbeißigkeit ab, die den stets leicht genervten Charme seiner Leinwand-Figuren ausmachte. Sie erinnerte eher an Barry Wwhite statt an einen griesgrämigen Western-Helden. Glücklicherweise glichen (Glauco) Onorato, die italienische Stammbesetzung für Arnold Schwarzenegger, Charles Bronson und Danny Glover, und (Pino) Locchi, das verbale Alter ego von Roger Moore, Tony Curtis und Sean Connery, diese Mängel perfekt aus. Sie wurden später durch Sergio Fiorentini und Michele Gammino ersetzt, bevor Spencer und Hill erst im Alterswerk zur Nutzung ihrer eigenen Stimmen übergingen. Auf Grund des nun veränderten Rollenprofils erschien diese Authentizität ca. ab dem Jahr 2000 durchaus vertretbar, zumal die weitgehende Beschränkung auf den heimischen Markt nun Dreharbeiten im italienischen O-Ton erlaubte. Zuvor wurde Bud Spencer in den englischsprachigen Versionen oft von Edward Mannix oder Richard McNamara gesprochen, während beider Kollege Roger Browne Terence Hill die Stimme lieh." (S. 120) In einer Fußnote Heger noch, dass Terence Hill allerdings nach einiger Zeit dazu überging, sich selber zu sprechen, da er durch seinen Wohnsitz in den USA "ein recht akzentfreies Amerikanisch" beherrschte.
Zu den deutschen Stimmen von Bud Spencer meint er, dass Arnold Marquis aus dem "raubeinig-imposanten Haudegen (...) einen gutmütigen, schon leicht ins Infantile tendierenden lieben Onkel" gemacht habe (S. 126).
Zitat von PhilInteressant! Schreibt er in diesem Zusammenhang auch etwas über Martin Hirthe?
Ja, und zwar dass "dessen vergleichsweise glattes, rabaukenhaftes Organ allerdings noch weniger zum Profil des Darstellers passte". (Da sind einige hier vermutlich anderer Meinung.) Der Wechsel von Hess zu Marquis wird von Heger übrigens als "eine beträchtliche Veränderung des Rollentyps" bezeichnet.
Bekanntlich gibt es von der in drei Episoden unterteilten Poe-Verfilmung zwei Synchronfassungen: Die auf VHS und DVD veröffentlichten erste und eine zweite, die im Auftrag des ZDF erstellt wurde. In der Geschichte "Die schwarze Katze" spielt Peter Lorre den arbeitsscheuen Säufer Montresor, der seine Frau unterdrückt und ausbeutet. Als sie ein Verhältnis mit einem anderen Mann anfängt, endet es für alle Beteiligten unangenehm. Lorre wird in der Kinofassung (wie meistens zu dieser Zeit) von Alfred Balthoff synchronisiert, in der Neusynchro von Hugo Schrader. Mit Schrader wirkt Montresor nur wie eine Witzfigur und man versteht nicht, warum seine Frau sich von ihm tyrannisieren lässt und ihn nicht schon längst verlassen hat. Balthoff dagegen bringt durch beeindruckendes Brüllen und Knurren (das ich ihm vorab so gar nicht zugetraut hätte) überzeugend rüber, dass Montresor nicht nur ein Trinker, sondern auch ein gewalttätiger Mensch ist, so dass die Angst seiner Frau vor ihm weitaus einleuchtender wirkt.
Ist ja bekannt, dass ich kein Fan der "Stripes"-Neusynchro bin. Liegt vor allem an dem gelangweilten Arne Elsholtz und den teilweise unpassenden Besetzungen. Leider hat der schon so ausgezeichnete Elsholtz auch beim Dialogbuch kein gutes Händchen bewiesen. Kommt mir fast so vor, als hätte er es sich zur Aufgabe gemacht ja keinen Gag aus der 1. Fassung zu übernehmen und alle schön trockenen Stellen der OV auszuradieren. Eine Stelle ist mir da besonders negativ aufgefallen, die Murray in einer Szene viel unsymphatischer erscheinen lässt:
Murray hat gerade Job, Auto, Wohnung und Feundin verloren und wirft deswegen in seiner Bude ein paar Körbe zum Runterkommen. Einen schmettert er voll durch sein Küchenfenster. Er guckt raus auf die Strasse und redet mit jemandem, entweder 'nem Passanten oder 'nem kleinen Jungen:
OV: Need a little help. Hey. Yes, thank you. Toss that up here. Yo. Here we are, my man. All right, come to papa. Toss that thing. Let's go. [Typ wirft den Ball hoch und zerschmettert damit das andere Fenster] Thank you.
1. DF: Werft ihn wieder rauf! Ah, ich dank dir. Schmeiß ihn rauf. Ja, trau dich. Schmeiß ihn zu mir rauf! Papa wartet. Na, los. Werf. [Typ wirft den Ball hoch und zerschmettert damit das andere Fenster] Danke.
2. DF: Den brauch ich noch. Hey, du Arsch! Ich warte! He du! Ich kann auch runterkommen und ihn mir selbst abholen. Aber das wird nicht nett, ok?! [Typ wirft den Ball hoch und zerschmettert damit das andere Fenster] Toller Wurf, danke.
Spencer Tracy's Rolle in "Blinde Wut" (Fritz Lang) wird man in beiden Synchros nicht gerecht. Während er mit Elmar Wepper viel zu positiv und weich wirkt, klingt er mit Karl Sturm unnachgiebiger und fast schon unsympathisch. Brauchbare Alternativbesetzungen wüsst ich allerdings auch nicht. Bei der DEFA allenfalls noch so "spezielle" Stimmen wie Hans Oldenbürger, Hasso Billerbeck.
Die RTL-Synchro der "Columbo"-Episode "Schach dem Mörder" leistet sich auch eine recht nette Verfälschung. Während man sich hier fragt, warum Laurence Harvey so schreckliche Angst vor dem poltrigen, gutmütigen Onkel hat, daß er ihn umbringen will, wird die ARD-Fassung dem Original gerecht: hier ist Jack Kruschens Dudek ein schadenfroher Hund, der sich über Harveys Niederlage insgeheim lustig macht und sich schon darauf freut, ihn im offiziellen Turnier auseinanderzunehmen. Hans Hessling intoniert den Schachgroßmeister geradezu schlangenhaft, so daß Harveys (von Christian Rode adäquat rübergebrachte) Verzweiflung durchaus nachvollziehbar wirkt. Neugebauers geradezu liebenswerte Interpretation bei RTL versetzt (zusammen mit Höppners viel zu "gefasster" Darbietung) der Glaubwürdigkeit des Falls im Grunde den Todesstoß.
fortinbras
(
gelöscht
)
Beiträge:
03.05.2013 12:02
#90 RE: Charakterveränderungen in der Synchronisation
Ein für mich erschreckendes Beispiel einer Charakterveränderung ist in Michael Manns unterschätztem B-Movie "Manhunter" passiert, der ersten Verfilmung von Thomas Harris' "Roter Drache". Brian Cox spielt darin Dr. Lecter. Die Verfilmung ist eine wesentlich adäquatere, weniger stilisierte Adaption als das Remake. Lecter ist auch nur eine Nebenfigur. Cox spielt ihn ganz wunderbar-mit sanfter, unheimlicher Stimme. Harris sagte einmal, dass er sich Lecter oft wie James Mason oder Richard Burton vorgestellt habe. Das machte Hopkins sehr gut-unübertrefflich! Und auch Brian Cox hat diese Art und Weise des jovialen Gentlemans mit dämonischer Ebene. Nur hat man in der deutschen Fassung Manfred Lehmann den Dr. Lecter sprechen lassen. Von Subtilität keine Spur-aus der Figur macht er eine lächerliche Karikatur eines Finsterlings.
Die Figur des Ted Schmitt in der Serie "Queer as folk", dargestellt von Scott Lowell, hat im Original eine wohltönende, maskuline Bariton-Stimme. Deutsch wurde er mit Santiago Ziesmer besetzt, was natürlich eine gewaltige Veränderung ist. Durch diese Besetzung und einer teils konträren Diktion wird Ted in der deutschen Fassung etwas weniger wirkungsvoll. Mit Ziesmers Stimme wirkt Ted oft weniger verloren, als er es eigentlich ist. Wenn er auf der Suche nach "inneren Werten" feststellt, dass er ja doch nur an oberflächlicher Schönheit interessiert ist und seine Bekanntschaft sehr gemein behandelt, hört sich das an wie ein Kind, das über die Stränge schlägt. Die OF wirkt da kühler und härter. Ganz schlimm wirds, wenn später Ted in einem exklusiven Lokal als singender Kellner Karriere macht. Im Original wirkt es absolut glaubwürdig, wenn Ted anfängt, Operarien für klassischen Bariton zu singen. Deutsch ist das absolut lächerlich, weil er eben noch wie Ziesmer krächzt und kiekst, um dann plötzlich sehr sonor und maskulin zu singen!
In dem amüsanten Fantasytrash "Reise zur Insel des Grauens" spielt Peter Cushing den eleganten Multimillionär Kolderup. Ein kultivierter Gentleman, dem man abnimmt, dass er ein Imperium besitzt. Zudem ist er ein strenger, aber herzlicher Bilderbuch-Grossvater, der auch leicht schrullig wirkt. Durch die Besetzung mit Franz-Otto Krüger verändert sich die Figur total. Sie wirkt beinahe karikaturhaft lächerlich wie eine Figur aus einer billigen Klamotte.
Drastische Charakterveränderung gibt es aus meiner Sicht durch die wiederholte und scheinbar populäre Besetzung von Horst Gentzen für Kenneth Williams. Gentzen hat die Komi zwar manchmal gut drauf, aber er dröhnt schrill und hysterisch herum ohne Gefühl. Wer Williams original hört, erlebt einen Schauspieler mit einer wohltuenden Stimme. Wenngleich sie sich auch mal überschlagen kann, bleibt sie dennoch würdevoll und sonor. Das war ein wesentlicher Teil von Williams Komik. Vor allem sein versnobter Upper-Class Ton ist hinreissend. Lothar Blumhagen war ein idealer Sprecher für ihn, ebenso Stefan Behrens. Beide kamen der Originaldarstellung von Williams mehr als nahe. Denn sie schafften es perfekt, das Mittelding zwischen Schablonenfigur und jenen Nuancen zu kreieren, die auch Williams so unnachahmlich machte. Gentzen dröhnt nur schrill und macht alle Figuren von Williams einheitlich.