Zitat Allerdings wird ein Film nicht allein deswegen zum Meisterwerk, nur weil die Story hier mal rückwärts erzählt wird, was ihn zwar unkonventionell macht, mehr allerdings erstmal nicht.
Das wird leider so oft behauptet. Doch ist die Story von Memento IMHO auch vorwärts noch sehr ausgeklügelt und nimmt es locker mit der von Inception auf. Lediglich die Dramaturgie wäre etwas anders geworden bei einer Vorwärtserzählung, da gewisse Szenen ja nur existieren, weil man die Voraussetzungen dafür zunächst nicht kennt.
Zu Inception kann ich nix sagen, weil ich den noch nicht gesehen habe, aber mein Senf zum Thema: Ich finde auch Memento und Prestige die besten Filme von Nolan. Memento durch seine schöne Grundidee (auch wenn am Anfang/Ende ein kleiner Fehler auftritt, weil er eigentlich mehr weiß, als er laut Konzept wissen dürfte). Prestige fand ich beim ersten Gucken okay, beim zweiten großartig, weil alle Puzzlesteine schon da sind, auch wenn man sie, ohne das nötige Wissen, nicht zuordnen kann. Was ich als mitdenkender Zuschauer sehr schön fand war eben, DASS man sich Gedanken gemacht hat und DASS alles paßt, wenn man es zum zweiten Mal sieht. Schön konstruiert und der Zuschauer wird nicht verarscht - wie so oft sonst. Hier paßt die Handlung. Und Michael Caine erzählt eine Lüge mit seeeeehr unangenehmen Folgen...
Zitat von JaydenMoin moin Mücke, kannst du das näher erläutern? Ich verstehe nicht, wie du, wenn du dich nur noch äußerst schwach an die Story erinnerst, zu der Aussage kommst, die Story sei nichts Neues Ich empfand das doppelte Spiel - die Antagonisten opfern jeder auf ihre eigene Art ihr Leben - sehr gelungen und die Story hat zu stundenlangen Diskussionen im Freundeskreis über Moral und das Körper-Seele-Problem geführt. Kurzum: The Prestige rangiert in Nolans Gesamtwerk bei mir unter den ersten drei. Und wenn du schreibst, dass solche Filme in den 50ern bereits besser gemacht worden sind - bitte nenne mal entsprechende Titel, damit ich eventuell versäumte Klassiker nachholen kann.
Ich kann mich in dem Fall leider nur noch auf das berufen, was ich damals in etwa empfunden habe, den Rest habe ich einfach verdrängt, weil mich der Film echt enttäuschte. Es kann aber durchaus sein, dass ich das Ding damals in den falschen Hals gekriegt habe. Ich empfand den Film auf alle Fälle als sehr wichtigtuerisch - ich finde es beinahe schon amüsant, wie schnell es ein Nolan tatsächlich schaft, "grundsätzliche Fragen" in Menschen zu wecken, während dutzendweise hochklassige, kleine Filmchen, teilweise aus trashig behafteten Genres einfach übersehen werden... Im Grunde kam mir der Film (zumindest damals) genau wie das vor, was Toby erst kürzlich hier als "Filme, die selbst auf intellektuell machen, aber gar nicht merken, wie doof sie sind" bezeichnete.
Fakt ist auf jeden Fall, dass mich "The Dark Knight" und "Inception" WELTEN besser unterhalten haben. Und zu Unterhaltung zählt für mich auch Tiefsinn, da ich völligen Schwachsinn selten hinreichend unterhaltsam finde. Ich werde mir das Ding bei Gelegenheit nochmal zu Gemüte führen. Die Synchro habe ich allerdings positiv in Erinnerung. Jörg Hengstler für Andy Serkis war hervorragend und das war auch der Film, in dem mir, dank eines Gegenparts, auffiel, wie gut Hans-Werner Bussinger auf Michael Caine gepasst hätte. Zwar nicht besser als Thormann, aber wäre ein perfekter Nachfolger gewesen. Dass Thormann nach wie vor in der Branche ist, freut mich allerdings um so mehr. Dass Bussinger hingegen schon so früh abtreten musste: sehr traurig und tragisch! Beweist zumindest: Ich hab mir durchaus die Sachen an dem Film gemerkt, die ich für nennenswert hielt...
Da ich selbst Filmwissenschaft studiere, möchte ich hier übrigens nochmal hinzufügen, dass ich die Kritik daran durchaus verstehen kann. Ich schüttele da auch oftmals den Kopf, was Dozenten einem teilweise zu verkaufen versuchen. Man sollte allerdings nicht alles, was irgendwie mal ne neue Richtung aufzeigt, als "auf zu hohen Sockeln stehend" bezeichnen. Ich fühlte mich bei den entsprechenden Beiträgen irgendwie angesprochen, da die Kritik an meinen Vorstellungen von O-Ton im Kino auch sehr in die Richtung ging. So nach dem Motto: Ich würde das alles völlig überbewerten, hätte viel zu hochtrabende Vorstellung etc.pp. Etwas, was in vielen Ländern bereits existiert, und wovon nur Deutschland eine krasse Ausnahme darstellt, mit pseudo-intellektuellem Blabla à la "Liebe im Zeitalter des postmodernen Materialismus" gleichzusetzen, finde ich kontraproduktiv. Ich finde es nun wirklich nicht abgehoben, etwas zu fordern, das zu kapieren nur wir Deutsche zu dumm sind. Mal davon abgesehen finde ich es fragwürdig, wie hier immer versucht wird, darzulegen, wie wenig doch der "normale" Zuschauer mitbekommt, zumal der Zuschauer sowieso nur abgestumpft WORDEN ist...und dann heißt es immer, was wir ja alles Überflüssiges fordern würden...absurderweise wird anderenorts dann ausgerechnet mooniz unterstellt, ER meine immer fälschlicherweise, im Namen aller Otto-Normal-Zuschauer zu sprechen...Verkehrte Welt. Wer das Publikum UNTERschätzt, steht nämlich selbst auf zu hohen Sockeln. Und dass das hier getan wird, ist mittlerweile sogar offenkundig.
Mit MEMENTO beginnend, habe ich bislang jeden Nolan-Film gesehen. Und ich halte ihn für einen der am meisten überschätzten Filmemacher der jüngeren Zeit. Ich finde seine Filme extrem kühl, emotionslos, knallhart kalkuliert, zu bombastisch und unsympathisch. Gewiss gelingen ihm in jedem Film einige inszenatorische Kabinettstückchen, perfekt getimte Actionszenen, aber seine Schauspielerführung ist unter aller Kanone. Unter seiner Regie agieren alle Hauptfiguren wie Zombies. Im Vergleich mit dem anderen whiz kid des US-Films, M. Night Shyamalan, zieht Nolan in meiner Gunst eindeutig den Kürzeren. Aber immerhin: INCEPTION ist sein unterhaltsamster, am wenigstens ärgerlichster Film, obwohl auch er ein hochstaplerischer Film ist - aber Leo DiCaprio stattet den Film mit genug Menschlichkeit aus, dass man dran bleibt.
Zitat von Jaydenb) Nicht lang schnacken, die Titel aus den 50ern nennen
Deinen Schilderungen zufolge könnte mich der Eindruck hier getäuscht haben, wobei es natürlich immer ne Frage ist, wie man das fasst. Die Idee, zwei Kontrahenten aufeinander zu hetzen und die Fragwürdigkeit egozentrischen Handelns bis auf's Messer zu treiben, ist an sich zumindest erstmal nix Neues. Allein Vincent Price hat, glaube ich, sogar mehrere Filme zu dem Thema gedreht, einen gar direkt aus dem Zauberer-Bereich ("The Mad Magician"). Das ist zwar regietechnisch kein guter Film und auch inhaltlich auf den ersten Blick keine Glanzleistung, aber Price selbst macht seinen Job so ausgezeichnet, dass er vergleichsweise doch klar den bleibenderen Eindruck hinterlässt, wenn ich das mit "Prestige" vergleiche...den Film gibt's hierzulande auch auf DVD. Wie gesagt: Nur weil ein Film pro forma trashig ist, muss er deswegen nicht weniger Botschaft in's Ziel bekommen, als so ein Intellektuellen-Werk aus dem Hause Nolan.
An Bales relativ bösartige Präsenz in "Prestige" erinnere ich mich noch einigermaßen. Jackman hingegen hat kaum Eindruck hinterlassen. Außerdem waren mir die Rollen etwas zu klar in Gut und Böse geteilt, als dass der psychologische Hintergrund des Handelns der beiden tatsächlich hätte interessant werden können. Absurderweise hat der Price-Film selbst in diesem Punkt die Nase vorn, obwohl das alte Hollywood nun nicht gerade Stereotypen-feindlich war und wir von nem Trash-Film reden...
Sehr präsent sind mir derartige Konkurrenz-Geschichten neben dem gehobeneren Horror ansonsten auch aus dem Zirkus-Film der 50er...in dem Topf hat sogar Cecil B. DeMille mitgewühlt und gegen den kann "Prestige" nun wirklich seine Koffer packen und Nolan selbst die meisten seiner Filme gleich mit dazu.
Zitat von John ConnorIm Vergleich mit dem anderen whiz kid des US-Films, M. Night Shyamalan, zieht Nolan in meiner Gunst eindeutig den Kürzeren. Aber immerhin: INCEPTION ist sein unterhaltsamster, am wenigstens ärgerlichster Film, obwohl auch er ein hochstaplerischer Film ist - aber Leo DiCaprio stattet den Film mit genug Menschlichkeit aus, dass man dran bleibt.
Genau diese "Menschlichkeit" ist es, die mich hier an das heutzutage unerträgliche Pathos eines Steven Spielberg erinnert (am besten zu sehen in "A.I." - immer noch mein Hassfilm Nummer 1 von "Mr. Jaws"). Sowas will ich in einem Nolan Film nicht sehen! "Hochstaplerisch" ist was schönes, wann man es schafft, den Zuschauer einzulullen und am Ende eben nicht zu verärgern. Das hat Nolan viel besser drauf als der uninspirierte Shymalan, der es schon mit seinem Erstlings(mach)werk THE 6th SENSE nicht geschafft hat, den Zuschauer bis zum Ende im Dunkeln tappen zu lassen. Seine Fiilme waren allesamt Seifenblasen. One-Trick-Ponys, die mit melodramatischen Szenen darüber hinweg täuschen, dass sie eine Geschichte erzählen, die auf einen Bierdeckel passt.
Naja, Ich habe von M. Night Shyamalan bisher nur Unbreakable gesehen, der mir echt Gut gefiel. Aber Ich glaube nicht das Er besser ist als Christopher Nolan! Und Slartibartfast hat in einen Punkt auf jeden fall Recht: Zuviel Pathos kann ganz schön nerven...
Hehe, ich halte es mit der alten Hollywoodweisheit: Ein Film, dessen Geschichte sich nicht mit einem Satz wiedergeben lässt, ist es nicht wert, erzählt zu werden!
Wohlgemerkt: Ich habe nicht menschelnde Filme als das Non plus ultra der Filmkunst bezeichnet (das ist die Spezialität des deutschen Betroffenheitskinos bzw. des larmoyanten Franzfilms), sondern Figuren/Darsteller gelobt, die nicht wie lebende Tote durch die Handlung staksen (Guy Pearce in MEMENTO, Al Pacino in INSOMNIA, CHRISTIAN BALE in sämtlichen Nolan-Filmen) oder wie Schmierenkomödianten eine schlechte Zirkusnummer abziehen (Robin Williams in INSOMNIA, Heath Ledger in THE DARK KNIGHT). Klar wirkt DiCaprios Rolle in INCEPTION so, als hätte ein Erstsemester in Psychologie die Figur entworfen, aber DiCaprio mit seinem konzentrierten, klassischen Schauspiel ohne die üblen Manierismen, zu denen Nolan seine Hauptdarsteller offenbar immerzu treibt, rettet den Film eindeutig.
Außerdem: THE SIXTH SENSE ist für mich einer der besten Twist-Filme überhaupt, mit Bruce Willis in der Rolle seines Lebens; und wer behauptet, er hätte die Pointe frühzeitig erraten und dies gegen den Film wendet, ignoriert, dass das nicht gegen, sondern für den Film spricht, weil die Pointe eben konsequent und nicht aufgesetzt ist. Und dass dieser Film ein Longseller ist, den man sich öfter mal ansehen kann, lässt doch vermuten, dass er sich nicht auf die Pointe reduzieren lässt.
Wird hier wirklich jetzt darüber diskutiert, ob Shymalan besser ist als Nolan - wir reden doch über den Shymalan, der Mel Gibson einen Hut aus Alufolie aufgesetzt hat, oder?
Zitat von John ConnorIch habe nicht menschelnde Filme als das Non plus ultra der Filmkunst bezeichnet (das ist die Spezialität des deutschen Betroffenheitskinos bzw. des larmoyanten Franzfilms)
Zu dem Teil: Volle Zustimmmung!
Zitat von ronnymillerWird hier wirklich jetzt darüber diskutiert, ob Shymalan besser ist als Nolan - wir reden doch über den Shymalan, der Mel Gibson einen Hut aus Alufolie aufgesetzt hat, oder?
Wir reden doch dann aber auch über den Gibson, also den der mit zunehmender Konsequenz - schon mindestens seit "Braveheart" - versucht, sein Publikum mit kreuzkonservativem Pathos zu verpesten und dem insofern eine derartige Alufoliennummer BESONDERS gut zu Gesichte steht... Hätte Gibson nicht zwischenzeitlich auch mal was Gelungenes wie "Apocalypto" abgeliefert, wäre der wohl einer der ersten, die in Hollywood auf die Abschussliste gehören. Und ich bin im übrigen kein Gegner der Brutalität in "Die Passion Christi"...ehe hier gleich wieder eine Schublade aufgeht - das Problem bei Gibson liegt auf ner anderen Ebene.
Im übrigen ist der Einwurf aber sowieso Blödsinn, da er den Hut in der Szene - soweit ich mich erinnere - nur aufgesetzt hat, um seine (Film-)Kinder auf andere Gedanken zu bringen und die Situation in's Spielerische zu ziehen. Wo sowas einen Regisseur diskreditieren soll, erscheint mir unter logischen Gesichtspunkten vollkommen rätselhaft. Eigenartige, ja regelrecht merkwürdige, Argumentation.
Was an Heath Ledger in "The Dark Knight", mal abgesehen vom Make-up , schmierig gewesen sein soll, ist mir allerdings ein ebensolches Rätsel. Inmitten von ein Paar Tausenden eindimensionaler Schurkenperformances, mit denen auch noch heutige Blockbuster übersät sind, machen sich solche Auftritte m.E. "ganz gut" (um's mal vorsichtig auszudrücken).
Zitat und wer behauptet, er hätte die Pointe frühzeitig erraten und dies gegen den Film wendet, ignoriert, dass das nicht gegen, sondern für den Film spricht, weil die Pointe eben konsequent und nicht aufgesetzt ist.
Nur, dass es dann eben keine "Pointe" mehr im eigentlichen Sinne ist. Was man an dieser Stelle eher einwenden könnte, ist, dass der Film trotzdem funktioniert. Habe selbst den Twist nach dem ersten Gespräch zwischen Osment und Willis erfasst (zum Verdruss meiner damaligen Freundin), den Film selbst aber nicht weniger als intelligent gemachtes Unterhaltungskino genossen.