Zitat von SlartibartfastBeim DRITTEN MANN klappt es jedoch prächtig, da es für jeden Touristen Sprachprobleme in Wien geben würde ("o'draht" etc.), erst recht für einen hochdeutsch sprechenden Ami. (Wer sagt denn, dass Martins in der deutschen Fassung nicht hochdeutsch beherrscht? Wienerisch sicherlich nicht.) Somit ist das Original perfekt transportiert, ohne einen Bruch in der Logik der Synchro zu erzeugen.
Zumindest im Bezug auf die Szene, in der Holly Martins verdächtigt wird, den Portiert ermordet zu haben, sehe ich das nicht so. Schon beim ersten Sehen des Films war ich sicher, dass er so lange herumsteht, weil er die Sprache der Passanten nicht versteht. Indiz war in erster Linie das Rufen des kleinen Jungen "Der ist der Mörder! Mörder, Mörder"), das (ebenso wie das Meckern der Wirtin) nach O-Ton klang. Bei den meisten anderen Szenen hat man das Problem allerdings ziemlich elegant gelöst.
Zitat Schon beim ersten Sehen des Films war ich sicher, dass er so lange herumsteht, weil er die Sprache der Passanten nicht versteht.
Auch als Martins Dr. Winkel (Erich Ponto) aufsucht um etwas über die Umstände des Todes von Harry Lime zu erfahren, ist man irritiert, als Dr. Winkel ihn einige Male bei der Aussprache des Namens korrigiert, den Martins in der deutschen Fassung korrekt aber in der Originalfassung falsch ausspricht (englisches W).
Was ganz interessant ist: Es wurden auch einige Szenen geschnitten, die Sprachbarrieren beinhalten, siehe hier.
Zitat von Slartibartfast Viele Synchros leben überhaupt erst dadurch, dass sie eigenständige Interpretationen eines Werks sind.
Ist halt immer die Frage. Will man das Original kennenlernen oder gibt man sich mit der Interpretation zufrieden? Bei mir eigentlich immer ersteres, allerdings ist das in vielen Dingen heutzutage ja geradezu unmöglich. Besonders bei Romanen bekommt man heute ja nur total überarbeitete Fassungen vorgesetzt. Und zum Teil muss ich das dann auch dankend annehmen, da ich kaum Altenglisch etc. verstehe. Aber ich ärgere mich dann hinterher schon sehr, wenn ich im Internet lese, dass die Ausgabe von "Robinson Crusoe", die ich gerade gelesen habe, gekürzt ist.
Zitat 2.) Man bricht die Logik der deutschen Fassung auf und erinnert den Zuschauer daran, dass er eine Synchro sieht, indem zwei vermeintlich deutsch Sprechende sich im Film nicht verstehen (wie in U-571), oder indem ein gerade noch deutsch Sprechender plötzlich doch Englisch oder gebrochenes Deutsch spricht (wie in DIE KANONEN VON NAVERONE). Das kann funktionieren, wenn durch klar erkennbare Nationalitäten ohnehin klar ist (z.B. bei Kriegsfilmen), dass die Figuren eigentlich nicht deutsch sprechen.
Diese Möglichkeit finde ich sehr interessant. Sie ist mir in der letzten Zeit selbst mal durch den Kopf gegangen. Hätte nicht gedacht, dass sie tatsächlich mal umgesetzt wurde. Muss ich mir mal ansehen. Wüsstest du zufällig noch mehr Beispiele?
Zitat Das ist natürlich auch ein Problem, allerdings nicht so gravierend, dass es den ganzen Szenenverlauf und das Verhalten der Figuren betreffen würde.
Nein, aber man wundert sich schon, warum er ihn immer wieder korrigiert obwohl es scheinbar keinen Anlass dazu gibt.
Zitat von wassieOkay, danke fuer die Antworten. Aus mir wird kein Fan der Synchronisation mehr.
Sofern dein erster Beitrag nicht sowieso, wie ich stark vermute, eine rein rhetorische Frage war, die als Informationsfrage getarnt war, möchte ich dazu folgendes sagen, weil das Problem in regelmäßigen Abständen immer wieder auftaucht:
Ich finde diese Position extrem dumm, und wer diese vertritt, disqualifiziert sich m.E. für jegliche Qualitätsdiskussion.
Man muss sich nämlich immer darüber im Klaren sein, auf welcher Grundlage man ein Werturteil abgibt, auf normativer oder empirischer. Wer auf normativer Basis argumentiert wie ein religiöser Fanatiker, für den steht das Resultat schon vorher fest, da ist jede weitere Diskussion überflüssig. Wer aber auf empirischer Basis argumentiert, kann ein Werturteil nur für den Einzellfall und nur ex post aussprechen – und dabei muss klar sein, dass folgende drei Optionen gleiche Startchancen haben: A ist besser als B A ist schlechter als B A ist genauso gut wie B.
In der Empirie kann A (ich spreche vorurteilsfrei lieber von ‚Vorlage’ anstelle von ‚Original’, da hier immer die Ideologie vom Original mitschwingt) niemals per se besser sein als B (die Synchronfassung). Viele Forumsteilnehmer, z.B. Martin, haben stichhaltige Gründe dafür genannt, in welchen, gar nicht mal so seltenen, Fällen die Sychronfassung eine eigenständige Qualität haben bzw. die Vorlage sogar übertreffen kann; es gibt sogar einen Thread mit dem Titel „Wenn die Synchro das Original verbessert“.
Auch diejenigen, die gönnerhaft der Synchronfassung eine Daseinsberechtigung nicht absprechen, aber unerschütterlich von der besseren Qualität der Vorlage ausgehen, lügen sich selbst in die eigene Tasche.
Danke fürs Lesen meiner Beiträge. Freut mich immer, wenn man mal auf jemand trifft, den fanatische Positionen genauso "ankasen", vor allem wenn sie jegliche Differenzierung von vornherein ausschließen. (Nur eins: "Original" ist ideologisch belegt, ja. Aber stellt die Vermeidung des Begriffs und deine Ersetzung durch "Vorlage" nicht schon eine Wertung dar?)
Zum Thema:
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Zitat von Slartibartfast2.) Man bricht die Logik der deutschen Fassung auf und erinnert den Zuschauer daran, dass er eine Synchro sieht, indem zwei vermeintlich deutsch Sprechende sich im Film nicht verstehen (wie in U-571), oder indem ein gerade noch deutsch Sprechender plötzlich doch Englisch oder gebrochenes Deutsch spricht (wie in DIE KANONEN VON NAVERONE). Das kann funktionieren, wenn durch klar erkennbare Nationalitäten ohnehin klar ist (z.B. bei Kriegsfilmen), dass die Figuren eigentlich nicht deutsch sprechen.
Diese Möglichkeit finde ich sehr interessant. Sie ist mir in der letzten Zeit selbst mal durch den Kopf gegangen. Hätte nicht gedacht, dass sie tatsächlich mal umgesetzt wurde. Muss ich mir mal ansehen. Wüsstest du zufällig noch mehr Beispiele?
-Aktuell zum Beispiel INGLORIOUS BASTERDS bei der Figur Brad Pitts. -Auch bei DUELL IM ATLANTIK, als Mitchum (der den ganzen Film deutsch spricht) den besigten deutschen Kommandanten Curd Jürgens am Ende fragt, ob er ihn "verstehe". In dem Augenblick wird dem Zuschauer klar, dass Mitchum eigentlich Englisch redet.
Noch eine Interessante "Parallele" zu dem Problem: Es gibt diese Methode zum Teil schon bei der Inszenierung eines Filmes (und nicht nur bei Synchros): In STIGMATA sieht man anfangs einen italienischen(!) Wissenschaftler, der Bibeltexte übersetzt. Seine Notizen sind klar als ENGLISCH erkennbar, obwohl sie natürlich italienisch sein müssten. Der Regisseur erklärt dies im Kommentar als legitimen Eingriff in die Logik der Handlung, damit er die Texte nicht untertiteln musste.
Zitat von Slartibartfast2.) Man bricht die Logik der deutschen Fassung auf und erinnert den Zuschauer daran, dass er eine Synchro sieht, indem zwei vermeintlich deutsch Sprechende sich im Film nicht verstehen (wie in U-571), oder indem ein gerade noch deutsch Sprechender plötzlich doch Englisch oder gebrochenes Deutsch spricht (wie in DIE KANONEN VON NAVERONE). Das kann funktionieren, wenn durch klar erkennbare Nationalitäten ohnehin klar ist (z.B. bei Kriegsfilmen), dass die Figuren eigentlich nicht deutsch sprechen.
Diese Möglichkeit finde ich sehr interessant. Sie ist mir in der letzten Zeit selbst mal durch den Kopf gegangen. Hätte nicht gedacht, dass sie tatsächlich mal umgesetzt wurde. Muss ich mir mal ansehen. Wüsstest du zufällig noch mehr Beispiele?
-Aktuell zum Beispiel INGLORIOUS BASTERDS bei der Figur Brad Pitts. -Auch bei DUELL IM ATLANTIK, als Mitchum (der den ganzen Film deutsch spricht) den besigten deutschen Kommandanten Curd Jürgens am Ende fragt, ob er ihn "verstehe". In dem Augenblick wird dem Zuschauer klar, dass Mitchum eigentlich Englisch redet.
Ein anderer Kriegsfilm wäre "Gesprengte Ketten": Vor dem Massenausbruch werden die Häftlinge geprüft, was sie auf mögliche Fragen antworten sollen. Einer der Gefangenen spielt dabei den deutschen Beamten. Nachdem er zunächst eine Fragen zum Namen, zur Herkunft und zum Beruf gestellt hat, sagt er scheinbar beiläufig: "Your German is very well!", worauf der Geprüfte automatisch "Thank you!" erwiedert und getadelt wird, dass er auf diesen simplen Trick reingefallen ist.
Zitat von bertiZumindest im Bezug auf die Szene, in der Holly Martins verdächtigt wird, den Portiert ermordet zu haben, sehe ich das nicht so. Schon beim ersten Sehen des Films war ich sicher, dass er so lange herumsteht, weil er die Sprache der Passanten nicht versteht. Indiz war in erster Linie das Rufen des kleinen Jungen "Der ist der Mörder! Mörder, Mörder"), das (ebenso wie das Meckern der Wirtin) nach O-Ton klang.
Wobei die Szene eigentlich im Original schon recht unlogisch ist, da das deutsche Wort "Mörder" dem englischen "Murder" viel zu ähnlich ist, um nicht verstanden zu werden. Natürlich weiß ich, dass "Murder" eigentlich "Mord" bedeutet, aber das läuft ja auf's gleiche hinaus.
Ein weiterer Film, der mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, war "Das Leben ist schön". Roberto Begnini spricht die ganze Zeit Deutsch, soll aber plötzlich für seine Mitgefangenen ein paar Sätze der Nazis ins Italienische übersetzen.
Ebenso verbietet er in einer Szene seinem Sohn das Sprechen. Im Deutschen kommt man nicht unbedingt darauf, warum eigentlich. Im Original ist der Grund klar: Sein Sohn spricht nur Italienisch, die Nazis aber halten ihn für einen Deutschen. Sobald er den Mund aufmacht, ist seine Tarnung dahin. Dummerweise passiert das dann später im Film auch, hier sagt der Sohn auch in der deutschen Fassung: "Grazie!"
Diese Methode der Überwindung einer Sprachbarriere taucht also überdurchschnittlich oft in Kriegsfilmen oder Filmen mit Kriegsthematik (wozu auch DER DRITTE MANN gehört) auf. Gibt es denn Beispiele aus anderen Genres? Mir fallen grade keine ein.
Z. B. Hitchcocks "zerrissener Vorhang", in dem Julie Andrews und Paul Newman deutsche Passanten nach dem Postamt fragen, indem sie pantomimisch das Schreiben und Einwerfen eines Briefes markieren. Allerdings befinden sie sich in diesem Fall auch im "Feindesland" auf der Flucht, und die Situation ist mit der in Kriegsfilmen vergleichbar.
Zitat von Chow Yun-FatEin weiterer Film, der mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, war "Das Leben ist schön". Roberto Begnini spricht die ganze Zeit Deutsch, soll aber plötzlich für seine Mitgefangenen ein paar Sätze der Nazis ins Italienische übersetzen. Ebenso verbietet er in einer Szene seinem Sohn das Sprechen. Im Deutschen kommt man nicht unbedingt darauf, warum eigentlich. Im Original ist der Grund klar: Sein Sohn spricht nur Italienisch, die Nazis aber halten ihn für einen Deutschen. Sobald er den Mund aufmacht, ist seine Tarnung dahin. Dummerweise passiert das dann später im Film auch, hier sagt der Sohn auch in der deutschen Fassung: "Grazie!"
Eine sehr kluge Entscheidung der Synchro, die Flucht nach vorn anzutreten und den Originalkontext zu belassen. Wie schwierig dieses Problem zu lösen ist, zeigt der sowjetische Film "Befreiung": Im 1. Teil wurde alles synchronisiert und der Übersetzer wiederholte einfach den (bereits deutschen) Satz - sehr unglücklich. Konsequenter wurde es in Teil 5 gehandhabt - hier wurden nur die ausschließlich russischen Passagen synchronisiert; Szenen in deutsch und russisch blieben im Original. Die >Ausstellung< der nachträglichen Eindeutschung ist mitunter die elegantere Lösung - heutzutage weiß doch fast jeder, das ausländische Filme synchronisiert werden.
Zitat von Chow Yun-Fat Ein weiterer Film, der mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, war "Das Leben ist schön". Roberto Begnini spricht die ganze Zeit Deutsch, soll aber plötzlich für seine Mitgefangenen ein paar Sätze der Nazis ins Italienische übersetzen.
... was dann untertitelt wurde, genau! Durch diesen Film kam ich nämlich auf den Gedanken. Das fiel mir allerdings erst einige Zeit nachdem ich meinen Beitrag hier geschrieben hatte ein.
Ich habe die Ausstrahlung auf arte neulich verfolgt, leider wurde ich durch ein längeres Telefongespräch unterbrochen. Als ich wieder reinkam lief gerade diese Szene und ich nahm sie völlig umstandslos hin. Erst im weiteren Verlauf fiel mir dieser Kniff der Synchronisation auf. Eigentlich eine super Idee, wie ich finde. Gerade in diesem Film, ist ja unmissverstämdlich klar, dass er in Italien spielt.
Zitat Erst im weiteren Verlauf fiel mir dieser Kniff der Synchronisation auf. Eigentlich eine super Idee, wie ich finde. Gerade in diesem Film, ist ja unmissverstämdlich klar, dass er in Italien spielt.
Eine gute Lösung. Ich habe in irgendeinem Zusammenhang in irgendeiner Fernsehsendung genau diese Szene gesehen und mich gefragt, wie man so etwas lösen kann. Man könnte Benigni in der deutschen Fassung natürlich irgendetwas anderes sagen lassen, wie in etwa Brad Pitt in "Inglourious Basterds". Das man das aber offensichtlich so gelöst hat ist zwar die einzige Möglichkeit aber wie schon gesagt eine gute Lösung.
Ich stimme allem Gesagten zu, bin aber sehr überrascht, dass diese Methode so gelobt wird. Sie stellt immerhin einen Logikbruch dar und liefert damit Synchronkritikern jede Menge Munition. Ich ziehe sie allerdings auch einer neutralen Übersetzung vor, weil ich die Logik der Handlung der Logik der Synchronisation in dem Fall voranstellen würde. Der Zuschauer ist gottlob nicht so blöd, wie manche Verleiher denken.