Zitat von WB2017 im Beitrag #209Die Sache mit Promising Young Woman schon vergessen? Wo ein männlicher Stammsprecher durch eine weibliche Sprecherin nachträglich ersetzt wurde, obwohl die Figur im Original deutlich als "Männlich" zu hören ist.
Höre von dem Fall und dem Film(?) gerade zum ersten Mal.
Die Artikel sind allesamt interessant und erfreulich differenziert. Da einige hier aber die erwähnten Richtlinien nicht kennen, will ich sie dennoch einmal direkt teilen:
Zitat In den Inklusionsrichtlinien hießt es: „Es sollen nur noch Schauspieler engagiert werden, deren Identität (Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt."
Tatsächlich versucht amazon prime (und i.Ü. auch Disney in ähnlicher Weise) die Vorgaben auch beim Synchrongeschäft einzufordern. Und hier die (meiner Meinung nach) wichtigsten Argumente aus den Artikeln:
filmplus:
Zitat Drittens widerspricht Amazon mit der wohl gut gemeinten, aber schlecht bis gar nicht duchdachten neuen Politik einem Zugang namens „colorblind casting“, der im Grunde das genaue Gegenteil von den neuen Richtlinien will: Nämlich Casting-Entscheidungen völlig unabhängig von Hautfarbe, Herkunft etc. der Darsteller.
Zeit:
Zitat Was bedeutet es also für die Kunstform des Films, dass in den künftigen Kinoproduktionen und Serien der Amazon Studios nur noch mexikanische Schauspieler Mexikaner spielen sollen, nur noch lesbische Schauspielerinnen Lesben, nur noch transsexuelle Schauspieler*innen Transsexuelle, nur noch an bipolarer Störung erkrankte Schauspieler Borderliner? Für die viel beschworene "Authentizität" der Geschichten heißt das in erster Linie, dass die durch polizeiliche und medizinische Dokumente ausgewiesene Identität der Darsteller für die Glaubwürdigkeit des Erzählten bürgen soll.
Und - noch mehr auf den Punkt - die taz:
Zitat Wie soll so etwas überprüft werden? Wird man Nachweise verlangen, die belegen, dass eine Schauspielerin auch wirklich lesbisch ist wie die Rolle, die sie spielen soll? Was ist mit all den ungeouteten Schauspielerinnen? Werden sie auf diese Weise indirekt zum öffentlichen Outing gezwungen, weil sie ansonsten keine Rollen annehmen können, die nicht ihrer Identität entsprechen?
Und nochmal, weil das gefragt wurde: Ja, es gab bereits Vetos von Auftraggebern bezüglich bestimmter Besetzungen. Und da praktisch jede zweite Serie heute irgendwelche Woke-Elemente enthält, wird das Problem zunehmen.
Bemerkenswert übrigens, dass die Richtlinien meines Wissens weiße heterosexuelle Figuren beiden "klassischen" Geschlechts nicht inkludieren. Diese können also von jeder und jedem gespielt werden, und sind wohl auch freigegeben zur beliebigen Interpretation. Farbenblindes Casting, etc.
Zitat von Ozymandias im Beitrag #214Bemerkenswert übrigens, dass die Richtlinien meines Wissens weiße heterosexuelle Figuren beiden "klassischen" Geschlechts nicht inkludieren. Diese können also von jeder und jedem gespielt werden, und sind wohl auch freigegeben zur beliebigen Interpretation. Farbenblindes Casting, etc.
Korrekt, es werden nur Personen "inkludiert", die einen "Diskriminierungshintergrund" haben.
Zitat von Slartibartfast im Beitrag #213 Und nochmal, weil das gefragt wurde: Ja, es gab bereits Vetos von Auftraggebern bezüglich bestimmter Besetzungen. Und da praktisch jede zweite Serie heute irgendwelche Woke-Elemente enthält, wird das Problem zunehmen.
Uff. Klingt gut gemeint. Aber in erster Linie unfassbar kurzsichtig. In dem Melting Pot USA geht das natürlich, aber in anderen Nationen, die weniger gut durchmischt sind, stelle ich mir das sehr problematisch vor, und ich glaube gern, dass das im Synchron bei einigen Besetzungsaufgaben viel Kopfzerbrechen bereitet. Zumal die Synchronbranche im Grunde ziemlich klein ist. Fast schon ein Dorf.
Ich finde die Bezeichnung "Woke" nur unschön. Die Welt ist bunt und vielfältig. Wieso genau muss man dem so einen abwertenden Stempel aufdrücken?
Du empfindest "Woke" abwertend? Die Bezeichnung (oft auch die "erwachte Linke") stammt ja nicht von mir, sondern hat sich in dem Zusammenhang längst durchgesetzt. Auch die Inkludierten selbst benutzen diesen Begriff.
Zitat von Slartibartfast im Beitrag #217Du empfindest "Woke" abwertend? Die Bezeichnung (oft auch die "erwachte Linke") stammt ja nicht von mir, sondern hat sich in dem Zusammenhang längst durchgesetzt. Auch die Inkludierten selbst benutzen diesen Begriff.
Also meinem Empfinden nach, schwingt da dieselbe Polemik und negative Konnotation mit wie bei den Begriffen "SJW" oder "Schneeflocke", die generell in einem abwertenden Kontext verwendet werden. Aber das ist nur mein Empfinden und könnte bloß eingebildet sein, daraus möchte ich kein Geheimnis machen.
Darüber hinaus muss ich gestehen, dass ich mit dem Begriff "Woke" auch gar nichts anzufangen weiß. Woran definiert man das? Wenig weiße Männer, dafür viele Frauen und People of Color? Ist damit TENET ebenfalls woke? Es ist der erste Nolan-Film mit einer schwarzen Hauptfigur und einer Frau, die mehr als nur oberflächlich in die Handlung eingebunden ist. Oder was ist mit Serien wie Alle unter einem Dach oder Die Bill Cosby Show? Zählen die rückführend als woke, weil es mehr als nur den einen Alibi-Schwarzen gibt? Auf mich wirkt "woke" wie ein Stempel, den man Produktionen aufdrückt, die sich nicht an den Durchschnittsweißen in der werberelevanten Zielgruppe richten.
Ich muss aber auch sagen, dass das ein furchtbar kompliziertes Thema ist, in das ich mich nicht gerne einmische. Und ich will bestimmt nicht für irgendwen Fürsprache halten. Aber das waren zumindest meine bescheidenen Gedanken dazu (und auch nicht mehr).
Zitat Als "woke" werden seit den späten 2010er Jahren Menschen bezeichnet, die ihrem Bewusstsein für Ungerechtigkeiten, Ungleichheit und Unterdrückung von Minderheiten Ausdruck verleihen möchten und in den intersektionellen Feldern Rassismus, Sexismus und Klimawandel gut informiert sind. Der Begriff wird nicht nur mit antirassistischem, feministischem und LGBT-Aktivismus in Verbindung gebracht, sondern auch mit progressiver linker Politik und Identitätspolitik. Ab 2012 wurde das Wort sowie die Formulierung „to stay woke“ („wach bleiben“) vermehrt auf Twitter verwendet. Die Black-Lives-Matter-Bewegung griff ihn ab 2014 auf und rückte ihn verstärkt ins öffentliche Bewusstsein.
So weit so gut. Aber:
Zitat Unabhängig vom politischen Spektrum wird der Ausdruck "woke" auch genutzt, um Kritik am Vorgehen von Progressiven auszudrücken. Auf der linken Seite des politischen Spektrums wird damit ein aggressives, rein performatives Vorgehen kritisiert. Von konservativen und rechtsextremen Gruppen wird der Begriff – wie die Ausdrücke "politische Korrektheit", "Cancel Culture" und "Social Justice Warrior" – mit negativer Konnotation und häufig sarkastisch verwendet, um Linke und ihre Ziele abzuwerten.
Also hattest du durchaus recht damit, dass das Wort abwertend verwendet werden kann. Mir ging es darum, etwas zu benennen, dass ich kritisiere, und Kritik per se ist natürlich negativ konnotiert, deswegen aber noch nicht automatisch abwertend. Für mich ist wichtig, Kritik zu erläutern und und zu begründen und das habe ich getan.
Diesbezüglich habe ich übrigens in einem der verlinkten Artikel ein passus gefunden, den ich für grundfalsch halte, was mir beim ersten Lesen jedoch nicht auffiel:
Zitat Denn wie in allen anderen Bereichen des Lebens haben weiße, heterosexuelle und nicht behinderte Menschen auch in der Schauspielerei einen unfairen Vorteil. Wenn sie dann auch noch die Rollen spielen, die eigentlich nicht für sie gedacht sind, bleibt für andere Schauspielerinnen und Schauspieler wenig übrig.
Obwohl der Artikel später differenziert und sich sonst in großen Teilen der Kritik anschließt, wird auch hier - genau wie in den Amazon-Richtlinien - davon ausgegeangen, dass darzustellende Rollen für Schauspieler gedacht sind, die die gleichen Eigenschaften aufweisen.
Wie kommt man zu so einer Annahme? Kunst besteht zum Großteil aus Schein. Aus der Fähigkeit eines Schauspielers in eine Rolle zu schlüpfen, die eben nicht seiner wahren Persönlichkeit entspricht. Und die Leistung ist meist umso beeindruckender je weiter beide Persönlichkeiten auseinander liegen. Zweitens wird hier indirekt mit einer Art "Fairness" argumentiert, als müssten die zu besetztenden Parts unter den verfügbaren Schauspielern paritätisch aufgeteilt werden. Autoren schreiben ihre Werke aber nicht, damit sie irgendwer spielt, sondern für einen ganz bestimmten Typ, wenn nicht sogar für einen ganz konkreten Darsteller. Hier mit Benachteiligung von Minderheiten zu argumentieren, ist völlig abwegig.
Die Annahme kommt aus der Geschichte. Man siehe sich einfach den Cast aus Prince of Persia, Ghost in the Shell, Die Legende von Aang und Aloha (2015, mit Emma Stone) an. Hier wurden ganz bewusst Charaktere anders besetzt als Original vorgesehen. Am schlimmsten ist es, wenn man sieht wie in DLvAang der Stamm wie im Original aus Inuits besteht, aber die 3 wichtigsten Figuren des Stammes kaukasisch. Also ja, Benachteiligung von Minderheiten ist ganz und gar nicht abwegig.
Was heißt denn hier „Rollen, die nicht für sie [weiße, heterosexuelle Schauspieler] vorgesehen waren“? Das Wesen der Schauspielerei ist es doch, etwas zu verkörpern, das man nicht ist. Dieses homo auf homo und behindert auf behindert, sowie Ethnie auf Ethnie ist genauso oberflächlich wie es nervig ist. Wir reden von Kunstprodukten, und der damit verbundenen Vision eines Künstlers. Was interessiert mich als Zuschauer denn, ob die Rolle von einem echten Angehörigen einer Minderheit gespielt wird, oder nicht? Solange die Performance gut ist, kann man das auch mal anerkennen und den Mund halten.
Oder eben genau so, wie Slartibartfast geschrieben hat. ;)
Wenn die Welt nur nach Qualität handeln würde, gäbe es Weltfrieden. So wie jetzt bekommt man nur die ewiggleichen auf alles besetzt und der Rest bleibt auf der Strecke. (Kennt man im Synchron auch gut.) Und dass Kulturen und Ethnien nicht immer geschichts-/setting-irrelevant sind, sollte man nicht ausblenden. Man mag vllt "Mund halten", aber es fällt trotzdem auf, wenn es keinen Sinn ergibt. Wenn das Rollenbild wie in Tenet meist substanzlos ist (siehe den einfach genannten "Protagonisten"), schert es keinen, wer wen spielt. Wenn man aber einzelne Rollennamen und Figuren wie "Mahir"/"Priya" (an gewissen Schauplätzen) hat, dann ist die Besetzung sehr wohl von Bedeutung und da kann man nicht mal wieder Gerard Butler und Meryl Streep draufbesetzen. Sonst kann man es gleich lassen, und sich nur aufs Schauspiel konzentrieren statt die Welt fälschlich größer zu simulieren. In Bezug auf Sexualität ist es komplexer und eine schwer verdauende Forderung. Schlussendlich gehts um Authentizität. Man braucht sich die Welt aber nicht schwieriger als sie ist, vorstellen. Es wird nicht überall in den Ausschreibungen in der Art heißen wie "hier haben wir einen schwulen Autogauner (Luke Evans) und hier seinen Hetero-Bruder (Jason Statham)" (F6) oder "1,74cm großer Moderator, muss aber bisexuall sein". 90% von Rollen sind frei von solchen eingrenzenden Indikatoren.
Wie schon gesagt, es wird auch in der Produktion Wert darauf gelegt, dass immer mehr Beteiligte solche Indikatoren haben.
Zitat von UFKA8149 im Beitrag #221 Also ja, Benachteiligung von Minderheiten ist ganz und gar nicht abwegig.
Aus einer nicht stimmig authentischen Inszenierung kann ich noch keine strukturelle Benachteiligung bestimmter Gruppen erkennen. Wenn ja , müsste man z. B. auch in DIE BANDE VON DER BAKER STREET die ganz und gar anachronistischen schwarzen Darsteller kritisieren.