Bei Pasetti gibt es allerdings gleich zwei Probleme: Zum einen wurden seine Synchronrollen bereits im Verlauf der Fünfziger seltener (wahrscheinlich wegen seines vollen Terminkalenders), zum anderen scheint er fast nur in München synchronisiert zu haben (sein Einsatz bei der BSG in "Wir sind keine Engel" hat mich deswegen früher überrascht). Marquis kann ich mittlerweile in "Gangster in Key Largo" akzeptieren, in "Tote schlafen fest" fand ich ihn sogar sehr gelungen für den schon etwas älteren und selbstironischer spielenden Bogart.
Zitat von fortinbras im Beitrag #90An sich verblüffend, wieviele Sprecher Bogart rein auf's Kino bezogen hatte bis zu seinem Tod. System erkenne ich da auch keines.
Ob es damit zu tun gehabt haben könnte, dass Bogart erst nach seinem Tod zu einer Legende war, man ihn damals hierzulande nicht als großen Star betrachtete und eher nach Rolle besetzte, als jemanden zu etablieren? Allerdings könnte man zumindest Lukschy denjenigen nennen, der ihn in dieser Phase regelmäßig sprach.
Das mit Pasetti ist mir natürlich klar, ich fand ihn nur besonders passend. Ein Bekannter von mir (Jahrgang 1940) war immer schon riesiger Kinofan (samt Onkel als Kinobetreiber), der hat mir schon ein wenig deine Theorie bestätigt. Bogart mochten die Leute, aber in "Sabrina" ging man wegen Hepburn/Holden, "Die barfüßige Gräfin" war ein Ava Gardner-Hit, Ingrid Bergman zog in "Casablanca" wesentlich mehr und "Die Caine war ihr Schicksal" wurde scheinbar eher des Filmes, als Bogies wegen ein Hit. Laut Manfred nahm er das große Revival dann in den späteren 60ern richtig wahr. Lukschy ist sicher der, den man als wichtigsten Sprecher in den 50ern betrachten kann. Ähnlich wie Bogart war es ja auch mit Gary Cooper oder Errol Flynn, die ja doch relativ viele wechselnde Stimmen in der vergleichbaren Zeit hatten.
Zitat von fortinbras im Beitrag #92Ähnlich wie Bogart war es ja auch mit Gary Cooper oder Errol Flynn, die ja doch relativ viele wechselnde Stimmen in der vergleichbaren Zeit hatten.
Wobei im Falle von Flynn allerdings zunächst Hans Nielsen, danach Axel Monjé und schließlich Wolfgang Lukschy dominierte. Dein Bekannter kann sich aber nicht zufällig daran erinnern, die legendäre "Casablanca"-Erstsynchro damals gesehen zu haben?
Natürlich kann sich der Manfred an den Kinostart von "Casablanca" erinnern, aber natürlich nicht wirklich an die Synchronfassung. Er kann sich so gut erinnern, weil Ingrid Bergman damals in allen Klatschzeitungen präsent war und ein Kino sogar plakatierte, hier würden nur rechtschaffene Bergman-Filme aus ihrer amerikanischen Schaffensperiode gezeigt. Soviel ich weiss, war er etwa 12 Jahre alt und fand den Film stinklangweilig. Sein Interesse an der Synchronisation (nicht so ausgeprägt wie bei uns) hatte den Auslöser, daß zwei seine neue Ikone Sean Connery die Stimme seines geliebten Lex Barker hatte. Also etwas mehr als 10 Jahre später...
Zitat von fortinbras im Beitrag #94Natürlich kann sich der Manfred an den Kinostart von "Casablanca" erinnern, aber natürlich nicht wirklich an die Synchronfassung. (...) Soviel ich weiss, war er etwa 12 Jahre alt und fand den Film stinklangweilig.
Aber ich nehme an, als er Jahrzehnte später erfuhr, wie krass hier ein Film verfälscht wurde, ging es ihm so:
Eine Person, die 30 Jahre alt war beim Ansehen im Kino und begeistert war, hat die Neufassung wegen dem wiederhergestellten Inhalt bewundert, aber es hat ihr die "Harmonie" der alten Version gefehlt und die Stimmen von Kirstein, Gentzen und Biederstaedt störten sie gewaltig. Kemmer war ok, nur Christian Rode hat sie stets bewundert, wie gut der auf Paul Henreid passte. Allerdings sagte mir die Grete dazu, dass so blöd die Leute damals nicht waren-meistens wussten viele, worum es wirklich ging. Und laut ihr konnte jeder, der von GI's oder so in die "internen" Filmvorführungen eingeladen wurde, sämtliche dieser Filme unzensiert sehen-vorausgesetzt er verstand Englisch. Wird euch Profis hier nicht neu sein, aber die Verfälschungen dieser Filme waren ja nicht nur ein Ausdruck mangelnder deutscher Vergangenheitsbewältigung. In einem wunderbaren (englischen) Buch über die Verbindungen zwischen Hollywood und dem NS-Regime war nicht nur zu lesen, dass die US-Filmmogule (vor Pearl Harbor) ungerne Filme zum Thema "Nazis" wollten, weil man den deutschsprachigen Raum noch immer als potentiellen Abnehmer sah und niemanden beleidigen wollte. Sämtliche Groß-Studios hatten eigene Leute angestellt, die dann nach dem Krieg US-Filme mit Bezug zur NS-Zeit genau unter die Lupe nehmen mussten, wie man Dialoge und Szenen abmildern, bzw verändern kann. Da ging's um Geld, also wollte man das Publikum nicht beleidigen. Hatte auch unlängst das "Jüdische Museum" dazu einige Informationen im Zusammenhang mit einer Ausstellung zu jüdischen Migranten in Hollywood publiziert. Manche dieser Verfälschungen waren regelrechte Auftragsarbeiten der US-Firmen. Die Motivation, das später zu ändern, kam zögerlich-aber immerhin aus eigenem Antrieb.
Zitat von fortinbras im Beitrag #96In einem wunderbaren (englischen) Buch über die Verbindungen zwischen Hollywood und dem NS-Regime war nicht nur zu lesen, dass die US-Filmmogule (vor Pearl Harbor) ungerne Filme zum Thema "Nazis" wollten, weil man den deutschsprachigen Raum noch immer als potentiellen Abnehmer sah und niemanden beleidigen wollte. Sämtliche Groß-Studios hatten eigene Leute angestellt, die dann nach dem Krieg US-Filme mit Bezug zur NS-Zeit genau unter die Lupe nehmen mussten, wie man Dialoge und Szenen abmildern, bzw verändern kann.
Interessant, dass hier die US-Studios anscheinend auch selbst am Werk waren. Das war mir bis jetzt noch nicht bekannt. Das Buch würde mich jedenfalls mal interessieren. Wie ist denn der Titel ?
Erstmal, um den Rahmen nicht zu sprengen, hab ich das oben simplifiziert. Es waren weniger die Studios, als politisch Verantwortliche, die für diese "Waschstrassenfilme" hauptverantwortlich waren. Vor allem Warner war ja immer fehement gegen das NS-Regime angetreten-vor allem Chefzensor Joseph Breen wusste das bis Pearl Harbor zu unterdrücken. Und aus dessen Büros kamen auch die Leute, die von den Studios halb freiwillig für diese Art Filmbegutachtung herangezogen wurden. Allerdings war das sehr gut für die Kasse und der Protest flaute ab. Kriegsfilme mit amerikanischen Helden oder Deutschen, die von Amerikanern "bekehrt" waren, durften brav im Kino laufen ohne Verfälschungen. Nur politisch hatte mans nicht gerne. Anscheinend sei "Rommel, der Wüstenfuchs" auch schon in der alten Schnittfassung fast ohne Hitler-Szenen in Deutschland angekommen. Diese Methode betrifft aber nur die Zeit bis maximal 1953! Was danach zensiert wurde, ist auf deutschem Mist gewachsen. Eine Doku zum Thema, die hieß "Hollywood und die Nazis" lief mal im ORF, auch eine über die seltsam schrägen Beziehungen des Disney Konzerns zum NS-Regime. Ich hab mich vor ein paar Jahren mal im Zusammenhang mit der Dissertation eines Freundes damit beschäftigt und zahlreiche seiner Bücher gelesen, die ihm als Quelle dienten. Ich schick dir ein paar Titel dazu nach. "Hollywood and the Nazis" war eines davon, "Joseph Breen and the american Censorship" ein anderes (da gab's ein langes Kapitel dazu). Detaillierter dann in den nächsten Tagen!!!
Hallo! Das war ein ausgesprochen knapper, aber großartiger Kommentar zum Thema! Es wird gerne von den deutschen Manipulationen gesprochen, aber kaum je davon, daß die Filmverleihe/-produzenten das gestört hätte. Stimmte ja die Kasse... Falls die Geschichte stimmt, soll der sehr politische Paul Henreid sich über "Casablanca" beschwert haben, als er es deutsch sah (er arbeitete ja wieder versuchsweise in Germany). Der Filmbeauftragte der US-Besatzung soll ihm sinngemäß geantwortet haben: "A good movie is always a good movie, with or without the bloody damned Nazis. As long as they like it and pay for it, as long we will do it that way." (Quelle: "Österreichische Migranten in Hollywood", Buch zur Ausstellung)
Zitat von Norbert im Beitrag #99Wer hätte denn sonst am Werk sein sollen?
Der deutsche Verleih würde ich mal sagen?!
Die großen Studios haben allesamt Niederlassungen in den wichtigsten Märkten, und letzten Endes waren bzw. sind die nationalen Niederlassungen bessere Befehlsempfänger der Studios. Der so genannte deutsche Verleih ist in der Regel das US-Studio, lediglich ein anderes Büro.
Zitat von Norbert im Beitrag #99Wer hätte denn sonst am Werk sein sollen?
Der deutsche Verleih würde ich mal sagen?!
Die großen Studios haben allesamt Niederlassungen in den wichtigsten Märkten, und letzten Endes waren bzw. sind die nationalen Niederlassungen bessere Befehlsempfänger der Studios. Der so genannte deutsche Verleih ist in der Regel das US-Studio, lediglich ein anderes Büro.
Das ist doch klar, dass US-Studios einen deutschen Ableger, sprich Büro haben. Ich war bloß erstaunt darüber, dass die Änderung von den US-Studios offensichtlich gewollt waren. Ich hätte sonst eher vermutet, dass die Änderungen von den Beauftragten bzw. von der deutschen Verleihfirmen ausgingen, die die Filme in die Kinos brachten. Zumindest bei den großen, amerikanischen Filmfirmen waren das die deutschen Standorte. Bei einigen Filmen war es aber auch ein anderer Verleih, wie z.B. die "Nobis" bei "Casablanca" (EA 1952) oder "prokino" (lt. Ofdb) bei "Rom, offene Stadt" (EA 1961; ok, das ist ein italienischer Film).
Auch die verstümmelte "Foreign Correspondent"-Fassung (Hitchcock) wurde nicht von einem amerikanischen Verleih in der BRD herausgebracht, sondern von Constantin, während Hitchcocks "Saboteure" (Universal) tatsächlich ungekürzt und originalgetreu synchronisiert gezeigt wurde - 1957 angesichts der Nazi-Thematik bemerkenswert.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #104während Hitchcocks "Saboteure" (Universal) tatsächlich ungekürzt und originalgetreu synchronisiert gezeigt wurde - 1957 angesichts der Nazi-Thematik bemerkenswert.
Wobei man allerdings sagen muss, dass die Thematik hier eine eher geringe Rolle spielt. Der Film war zwar seinerzeit Teil der Propaganda und strotzt vor Patriotismus (anders als "North by Northwest"), aber die Ideologie des "Feindes" bleibt ziemlich unbestimmt und Barry Kanes Charakterisierung ("Folter und Mord", etc.) enthält nichts, was nur für Nazis typisch wäre. Allenfalls fällt in der Episode bei den Zirkusleuten kurz das Wort "Faschist". Für die Dialogautoren dürften sich daher kaum Probleme ergeben haben. Im "unsichtbaren Dritten" ist zwar ebenfalls (durch die Entstehungszeit bedingt) klar, dass Philip Vandamm für die Sowjetunion arbeitet, aber die einzige "direkte" Anspielung im Dialog ist, dass der "Professor" einmal kurz vom "kalten Krieg" spricht.