Zur geschwärzten Passage: eben, und weil das so ist, fragt man sich die ganze Zeit: warum veranstaltet Poirot das ganze Theater und wartet so lange? Vor allem ist ja Poirots Begründung, warum er Hastings nicht einweiht, schlicht absurd, weil man als Leser über die ganze ERzählung hinweg das Gegenteil demonstriert bekommt, dass Hastings als Erzähler die ganze Scharade nämlich doch ganz gut gelingt und er sich nicht gleich zu Beginn mit einer unachtsamen Äußerung verrät.
Zitat von John Connor im Beitrag #61Zur geschwärzten Passage: eben, und weil das so ist, fragt man sich die ganze Zeit: warum veranstaltet Poirot das ganze Theater und wartet so lange? Vor allem ist ja Poirots Begründung, warum er Hastings nicht einweiht, schlicht absurd, weil man als Leser über die ganze ERzählung hinweg das Gegenteil demonstriert bekommt, dass Hastings als Erzähler die ganze Scharade nämlich doch ganz gut gelingt und er sich nicht gleich zu Beginn mit einer unachtsamen Äußerung verrät.
Auf die Frage, warum Poirot zögert, könnte man entgegenen, dass es in diesem Fall kein Roman geworden wäre. Jenseits davon geht er in seinem Brief darauf ein und begründet es damit, dass er hier in einen Konflikt zwischen seinen beiden Grundprinzipien geraten sei: Einerseits achte er das menschliche Leben und könne daher "Mord nicht billigen", andererseits sei es die wichtigste Aufgabe eines Detektivs, Unschuldige zu schützen (sowohl vor der Ermordung als auch davor, zu Unrecht in Verdacht zu geraten). Da beide Prinzipien in früheren Erzählungen erwähnt wurden, erscheint sein Dilemma hier durchaus überzeugend. Und zu Hastings Erzählperspektive: Es scheint so, als habe er die Beschreibung des Falles bereits in den Monaten vor Erhalt des alles klärenden Briefes neidergeschrieben, da er zuvor immer wieder seine Fehlschlüsse beschreibt. Der einzige Punkt, der dagegen sprechen könnte, wäre eine Passage am Ende eines Kapitels, in der er meint, es sei noch nicht der Tag gewesen, an dem er sagen konnte "Sie hatten recht...". Aber das ließe sich noch damit erklären, dass er diese Stelle erst bei der Endkorrektur hinzugefügt haben könnte. Eher überrascht hat es mich, dass Hastings ernsthaft erwartet, Poirot würde ihn ins Vertrauen ziehen, obwohl er es anhand ihrer jahre- bzw. jahrzehntelangen Zusammenarbeit besser wissen müsste, ihn auch nach der Absage noch damit nervt und damit an einer Stelle sogar einen Tobsuchtsanfall auslöst.
Mensch, berti, fehlt bloß, dass du hier die Auflösung verrätst. Dass du hier so viele spekulative Begründungen bemühen musst, spricht aus meiner Sicht aber eher für die Konstruktionsprobleme der Geschichte.
Zitat von berti im Beitrag #62Eher überrascht hat es mich, dass Hastings ernsthaft erwartet, Poirot würde ihn ins Vertrauen ziehen, obwohl er es anhand ihrer jahre- bzw. jahrzehntelangen Zusammenarbeit besser wissen müsse...
Das wiederum lässt sich leicht erklären mit einer altbewährten Narrationsstrategie: wenn Autoren eventuell aufkommende Glaubwürdigkeitsprobleme umschiffen wollen, empfiehlt es sich, diese ausdrücklich zu thematisieren. Hätte Christie dies in diesem FAlle unterlassen, hätte der Leser sich gefragt, warum Poirot Hastings nicht ins Vertrauen zieht. Im Umkehrschluss enthüllt Christies Vorgehen aber auch, dass ihr das Plausibilitäts- bzw. Konstruktionsproblem sehr wohl bewusst war.
Natürlich war der Autorin dieses Problem bewusst. Aber eine andere Dramaturgie hätte die Lösung vorab verraten, da sah sie wohl keine andere Möglichkeit.
Zitat von John Connor im Beitrag #63Mensch, berti, fehlt bloß, dass du hier die Auflösung verrätst. Dass du hier so viele spekulative Begründungen bemühen musst, spricht aus meiner Sicht aber eher für die Konstruktionsprobleme der Geschichte.
Inwiefern "spekulative Begründungen"? Poirot spricht das Dilemma selbst an, und da er die beiden Prinzipien in früheren Fällen, die lange vor "Vorhang" verfasst wurden (selbst wenn man bedenkt, dass das Manuskript jahrzehntelang in der Schublade blieb), öfter erwähnt hat, erscheint es zumindest als eine in sich schlüssige Erklärung. Und dass Hastings bei der Niederschrift die Auflösung nicht zu kennen scheint (wenn man von der einen kurzen Passage absieht) erschien mir offensichtlich, da er sich vor Erhalt des Briefes immer wieder den Kopf darüber zerbricht und dabei nicht z. B. schreibt "Damals gab es für mich keinen Zweifel/war ich fest überzeugt, dass ..." (was aber auch der Spannung nicht gerade von Vorteil wäre).
So gesehen, wäre praktische jede theoretische Überlegung "spekulativ". In diesem Fall wurden aber mögliche Indizien für eine bestimmte Erklärung genannt, auf die sich blose "Spekulationen" nicht unbedingt stützen müssen. Jedenfalls würde ich so den Unterschied zwischen Theorie und Spekulation definieren.
Da das Thema "James Bond" gerade in anderen Threads diskutiert wird, möchte ich ein Sachbuch erwähnen, welches 1995 im Vorfeld von "Goldeneye" erschien, das Bond-, Eurospy- und Agentenparodien-Universum behandelte und für mich mehrere Jahre eine wichtige Quelle war, da es dort auch um Bücer und Filme ging, die man nicht so leicht zu Gesicht bekam und es in diesen Bereichen als eine Art Wikipedia-Ersatz fungierte: Klaus-Peter Walters "James-Bond-Buch" http://www.amazon.de/Das-James-Bond-Buch...e/dp/3548237126 Jenseits vom Informationsgehalt fand ich es auch amüsant geschrieben. Beispiele gefällig? Der Autor weist darauf hin, dass im Laufe der Serie bestimmte Motive immer wieder variiert wurden (was natürlich offensichtlich ist), über das Beispiel der Autoverfolgungsjagden schreibt er: "Die Entwicklung verläuft vom einfachen Absturz die Klippen hinunter über den schwierigen, vom Computer berechneten Sprung über ein Brückenfragment bis zum spektakulären Autounfall, bei dem der Flugverkehr gefährdet wird: Eine vom Einfachen kontinuierlich zum immer Raffinierteren und Aufwendigeren anteigende Spirale, eine einzige Fuge mit Variationen in Blech-Müll." (S. 99f.) Über die Tatsache, dass James Bond zwar immer wieder in die Hände seiner Gegner gerät, dabei aber selbst in den Romanen abgesehen von "ein paar Narben an unauffälliger Stelle" nicht "körperlich nachhaltig geschädigt" würde, da seine Gegner "alle kein Blut sehen" könnten. Nach Überlegungen, ob er nach einer Folter durch "echte" Sadisten nicht im Rollstuhl landen würde, heißt es: "Ein Serienkiller wie Dr. Hannibal Lector gar, der Hirn, Leber oder noch delikatere Körperteile verzehrte: James Bonds Lämmer wären für immer zum Schweigen gebracht." (S. 69) Die einzige wirkliche Schwäche des Buches besteht aus meiner Sicht darin, dass es mir gefallen hätte, wenn er die bis dahin vorliegenden Bond-Filme und Flemings Romane kurz besprochen hätte, analog zu Kingsley Amis´ (ebenfalls sehr lesenswerten und amüsanten!) "Geheimakte 007. Die Welt des James Bond").
Ich nehme an, Walters Buch ist zumindest Einigen hier bekannt? Nach fortinbras´ Urteil über deutschsprachige Bücher zum Thema schwant mir leider nichts Gutes:Nobody twangs it better (4)
Zitat von berti im Beitrag #67Da das Thema "James Bond" gerade in anderen Threads diskutiert wird, möchte ich ein Sachbuch erwähnen, 1995 im Vorfeld von "Goldeneye" erschien, das Bond-, Eurospy- und Agentenparodien-Universum behandelte und für mich mehrere Jahre eine Quelle war, da es dort auch um Bücer und Filme ging, die man nicht so leicht zu Gesicht bekam und es in diesen Bereichen eine Art Wikipedia-Ersatz war: Klaus-Peter Walters "James-Bond-Buch"
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Ich nehme an, Walters Buch ist zumindest Einigen hier bekannt? Nach fortinbras´ Urteil über deutschsprachige Bücher zum Thema schwant mir leider nichts Gutes:Nobody twangs it better (4)
Als dieses Buch auf den Markt kam, interessierte mich die publizistische Behandlung des Bond-Themas längst nicht mehr, weil immer wieder die altbekannten Fakten durchgekaut wurden und die Bewertung der aktuelleren Bond-Filme aufgrund fehlender Zeitdistanz eher Momentaufnahmen gleichkamen. Jedenfalls habe ich mir Walters Buch seinerzeit nicht angeschafft, dafür aber war folgendes Buch lange Zeit meine Hauptquelle, wenn es um die Hintergründe der Bond-Filme und ihre Einordnung in den popkulturellen Kanon ging: Kocians Heyne-Buch in der Erstauflage. Daran dürfte unter Bond-Fans kein Zweifel bestehen ... oder?
Zitat von fortinbras im Beitrag RE: Nobody twangs it better Das mieseste deutsche Buch zu der Filmreihe war "Die James Bond-Filme" von Erich Kocian, das auch in der von ihm stark überarbeiteten Fassung teils haarsträubend war und bisweilen lächerlich. Mag man von George Lazenby halten, was man will - er polarisiert bis heute - Kocian hat sich in einer Art über ihn lustig gemacht, die nicht mal ironisch oder amüsant war, sondern im Grunde beleidigend. Generell gibt es kaum ein Bond-Buch, das so undifferenziert über das Thema schreibt.
Ganz im Ernst. Ich habe dieses Buch geliebt, bei der ersten Lektüre regelrecht verschlungen und auch danach immer wieder mit Vergnügen gelesen - jedenfalls bis einschließlich des DIAMENTENFIEBER-Kapitels. Dass Kocian sich unverhüllt als Connery-Anhänger outete war nicht nur kein Manko für mich, sondern bestätigte mich in meiner Präferenz völlig (womöglich hat das Buch auch sehr begünstigend in meiner Präferenzbildung gewirkt, ganz bestimmt sogar). Keine anderes Buch hat mir je wieder eine Ahnung davon vermittelt, wie es zur Hochzeit der Bonditis wohl gewesen sein mochte - und was für ein unvergleichbares Kulturphänomen Bond damals wohl war.
Die Aufnahmen Kocians von den Dreharbeiten, beginnend mit GOLDFINGER, fand ich faszinierend, besonders das von der Geburtstagsfeier während der Dreharbeiten zu YOU ONLY LIVE TWICE fand ich so schnucklig. Ob Kocian sich nun über GEbühr - böse Zungen würden vielleicht sagen: parasitär - selbst in den Vordergrund rückte, als deutschsrachiger Intimkenner Bonds Nr. 1, störte mich keinewswegs, zumal Kocian sich oft genug mit Connery ablichten ließ, nahm ich ihm den Insiderstatus völlig ab. Und dass Kocian die post-Connerys hektisch und im Schnelldurchgang abhandelte, fand ich auch den Filmen angemessen (wie ich später feststellen konnte, als ich alle gesehen hatte). Kurz: der Kocian hat in meiner Film-Bibliothek einen ganz besonderen Platz.
Am Scheingraber schätzte ich lediglich die großformatigen Fotos - dass er von den Filmen epische Inhaltsbeschreibungen ablieferte, fand ich doof, es erschloss sich mir nicht, wozu das gut sein sollte, schließlich lebten wir doch schon im Video-Zeitalter.
Gut fand ich damals auch Steven Jay Rubins THE JAMES BOND FILMS, mein allererstes englischsprachiges (Film-)Buch, das ich bei Filmlandpresse für 35 DM gekauft hatte. Dass es da auch eine von cinema besorgte deutschsprachige Übersetzung gab, erfuhr ich erst später - aber dieses Buch gefiel mir trotz der farbigen Fotos längst nicht so gut. In Sachen Bond habe ich mich später mehr auf die Bildbände konzentriert - denn wie gesagt: altbekannte Fakten, kein ausgeprägtes Fan-Interesse an den neueren Exemplaren.
Zitat von John Connor im Beitrag #68Als dieses Buch auf den Markt kam, interessierte mich die publizistische Behandlung des Bond-Themas längst nicht mehr, weil immer wieder die altbekannten Fakten durchgekaut wurden und die Bewertung der aktuelleren Bond-Filme aufgrund fehlender Zeitdistanz eher Momentaufnahmen gleichkamen.
Allerdings beschäftigt Walter sich neben den Filmen auch in größerem Umfang mit den Bücher (sowohl von Fleming als auch von Pearson, Wood, Gardner und Amis), Agentenromanen anderer Autoren, Bond-Comics (die teilweise nicht in deutscher Übersetzung erschienen sind) und versucht zumindest, einen Überblick über die Genres der Agentenparodien und des Eurospy. Übrigens meint er, die Anzahl der Parodien sei deutlich geringer geworden, sobald sich die Serie weniger ernst nahm, speziell nach Roger Moores Besetzung und kommt zu dem Urteil, bereits "Diamantenfieber" habe den Moore-Stil etabliert. Zwei amüsante Urteile, die ich gestern vergessen hatte: Rosa Klebbs Abgang im Finale von "Liebesgrüße aus Moskau" (dem Film) nennt er "unverdient schlicht", beschreibt kurz eine elegantere Variante (Bond halte ihr einen Stuhl hin, in dem ihr Stachel steckenbleiben, und befördere sie dann mit einem "Guten Flug, Madam!" aus dem Fenster) und fragt dann, ob sie im Nachfolger nicht als "Mrs. Goldfinger" gut aufgehoben gewesen wäre. An anderer Stelle meint er, theoretisch könne Blofeld wiederbelebt werden, falls den Machern keine originellen Gegenspieler mehr einfielen, und schlägt für diesen Fall Sean Connery vor.
Ein Problem bei gewissen Filmbüchern ist es natürlich, dass es nichts mehr Neues gibt zu erzählen. Deshalben ermüden mich Bücher über Bond oder Hammer-Filme teilweise auch, die immer nur dasselbe erzählen. Ein guter Autor kann aber immerhin mit anderem Stil etwas besser machen. Die jeweils aktuellen Bond-Filme sind klarerweise immer Momentaufnahmen und stets das Beste, das es je gab. Schon vor 50 Jahren war jeder Bond stets der beste Bond aller Zeiten, daran hat sich medial nichts verändert. Wenn aber jemand unterhaltsam die alten Geschichten neu erzählt, kann ich dem schon etwas abgewinnen.
Erich Kocians Buch ist sicherlich als Ausdruck der Bonditis ein brauchbares Werk, allerdings sollte das nicht die einzige Qualität eines Buches dieser Art sein. Ein Autor darf subjektiv sein und auch kritisch, aber wenn man über die James Bond-Filme ein Buch schreibt und es als Gesamtüberblick vermarktet, sollte es dies auch sein.
Kocians Erlebnisberichte waren zwar durchaus unterhaltsam, viel davon aber auch aus anderem Material geborgt, denn dass er scheinbar dauernd überall dabei war, das ist nun doch ein klein wenig unglaubwürdig. Manche seiner Exklusivstorys brachten zig andere Filmreporter auch, aber das Klappern gehört ja zu diesem Handwerk. Die ganzen reichlich konstruiert wirkenden Anekdoten von Dreharbeiten fielen mir auch etwas negativ auf.
Kocians Vorliebe für Connery gut und recht, aber sein Kapitel über "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" ist nicht nur unprofessionell, sondern auch beleidigend. Den Film näher zu behandeln, fiel ihm nicht ein. Er machte sich nur über Lazenby lustig und dasselbe tat er im Grunde mit Roger Moore. Kritisch über diese Schauspieler und die Filme zu schreiben, wäre ok - allerdings sollte es nicht so heravlassend sein und rein negativ, denn letztendlich beleidigt der Autor damit auch einen nicht unerheblichen Teil der Bond-Fans.
Für die überarbeitete, umfangreiche Neuauflage korrigierte er aber auch gar nichts und stürzte sich recht schnell auf die Brosnan-Ära. Kocians Buch verdient seinen Titel jedenfalls nicht. Auch wenn ich es teilsweise informativ und unterhaltsam fand, hat es mich dennoch schon beim ersten Lesen als Teenager enttäuscht.
Ich halte es für ein polemisches und streckenweise arrogantes Buch und für mich bleibt es eines der entbehrlichsten Bücher zum Thema "James Bond". Es ist sicher kein Schaden, dass man es bis dato nicht nochmal aufgelegt hat.
Besonders bei Büchern zu Filmreihen, die schon seit Jahrzehnten existieren, kann man irgendwann schlicht nichts mehr Tolles erwarten. Bei modernen Produktionen sieht es noch schwieriger aus. In Zeiten des Internets tauchen viele Informationen noch vor der Premiere eines Filmes auf, beziehungsweise, werden von den Produzenten später selber über Specials auf DVD und BluRay verbreitet. Die Schauspieler plaudern in Interviews alles aus, oder es gibt TV-Specials vom Set. Insofern ist es heute schwieriger als damals, neuen und spannenden "Kram" zu neuen Filmen auszugraben. Wer als Autor dann auch noch die großen, alten Film-Kühe, wie "James Bond" melken möchte, steht heute vor einer fast unmöglich Aufgabe, da es schlicht zu viel an veröffentlichtem Material gibt. Bei Filmbüchern ist es wie bei wissenschaftlichen Arbeiten: irgendwann schreiben alle voneinander ab.
Ich besitze nur wenige Filmbücher, da es nur wenige Filme gibt, die mich so beeindruckt haben, dass mir der literarische Blick auf die Produktion wichtig war. Vielfach schrecken mich auch die Überinterpretationen der Autoren ab. Hier spaltet sich das Ganze dann in Autoren, die wirklich versuchen, objektiv über einen Film oder eine Reihe zu schreiben, Autoren, die ganz offensichtlich Fans der Materie sind und diese "ehren" wollen, und Autoren, die sich über jede Gelegenheit freuen, eine Produktion komplett zu verreißen.
Was habe ich ansonsten in meinem Bücherregal? Bunt gemischtes: viel wissenschaftliche Fachliteratur, Kunstbände, Architekturbücher, Bücher zur Geschichte der Fotografie, einige Fantasy-Bücher von früher, Gesellschaftsromane, wenige Horrorbücher und Thriller, klassische Literatur und Bücher aus meiner Kindheit und Jugend, die ich nicht weggeben wollte. Ich hole die Autoren nach, die eigentlich von vielen Schülern "gahasst" werden, da sie eines oder gleich zwei ihrer Werke als Lektüre lesen mussten. Sei es nun etwas für die Jüngeren, wie Preußler, oder etwas für die Oberstufe, wie Mann, Fontane, oder Salinge . Ich habe gemerkt, dass sich gerade diese Werke sehr schön zwischendurch lesen lassen (neben Studium und Arbeit), ohne dass man sich wirklich intensiv durcharbeiten muss. Da ich auf einem Wirtschaftsgymnasium war, wo ich Autoren, wie Brecht (Der gute Mensch von Sezuan) oder Döblin (Berlin Alexanderplatz) lesen durfte, die mir überhaupt nicht zugesagt haben, empfinde ich die zuvor genannten Autoren einfach als bedeutend lesbarer. Ich lese auch vermehrt die Romanvorlagen zu klassischen oder neueren Filmen, wie zu "Vertigo", "Bis das Blut gefriert" oder "Jurassic Park", einfach, weil ich gemerkt habe, dass man im inneren Vergleich Buch Film, einen besseren, umfänglicheren Einblick in die behandelte Materie gewinnt. Und sei es nur, dass man versteht, wieso ein Regisseur diese oder jene Schlüsselszene so oder so umgesetzt hat. Ganz zu schweigen davon, dass die Vorlage natürlich eine gewisse mehr oder weniger hohe literarische Qualität besitzt.
Hervorheben möchte ich allerdings hierbei besonders die Romanvorlage zu "Bis das Blut gefriert", nämlich "Spuk in Hill House" von Shirley Jackson. Es war die erste Vorlage, die ich nach Sichtung eines Filmes gelesen habe, und ich muss sagen, dass Buch war bedeutend besser als die filmische Umsetzung. Gerade bei "Spuk in Hill House" tut die Autorin etwas, was später von moderneren Autoren, wie Stephen King genutzt wurde: sie schafft das unheimliche Gefühl durch subtile Beschreibungen und die Schilderung von Atmosphäre. Das Ganze aber sehr langsam und niemals intensiv. Was mir an der Geschichte selber zugesagt hat, ist schlicht die Tatsache, dass Jackson die paranormalen Phänomene beschreibt und dem Leser keinen zu Einhundertprozent passende Erklärung für die Ereignisse serviert. Zentrales Thema des Buches bleiben dabei, die Spukerscheinungen und Nells (die Protagonistin) eigene Gedanken. Die Verfilmung hat ja versucht, dies aufzugreifen, was ihm auch sehr gut gelungen ist. Allerdings gefiel mir hierbei die Charakterzeichnung der Personen nicht vollumfänglich. Die Hysterie in die sich die Darstellerin der Nell teilweise hineinsteigert, finde ich übertrieben und teilweise nicht nachvollziehbar. Der Film macht allerdings all das richtig, was die "Neuverfilmung" (des Filmes, nicht des Buches) falsch macht. "Das Geisterschloss" spielt in einem gigantischen Anwesen. Jackson nennt Hill House zwar auch ein Anwesen, aber bei ihr ist das Innere des Gebäudes kleinteiliger, weniger gigantisch. Sie schreibt etwa, dass es in Hill House keine geraden Wände geben würde, und das manche Türen Tricktüren seien. Man gewinnt durch ihre Schilderungen das Gefühl, es handele sich beim Inneren des Hauses um ein Labyrinth. So kommt es auch, dass das Gefühl des Gefangenseins im Roman geschildert wird. In "Das Geisterschloss" hingegen, wollten offensichtlich der Requisiteur und der Setdesigner zeigen, was sie drauf haben, wodurch viel an Atmosphäre verloren geht. Neben dem Setdesign missfällt mir an der Neuverfilmung im Vergleich zum Buch, dass sie krampfhaft versucht, dem Zuschauer eine Erklärung für die paranormalen Phänomene zu liefern. Urheber ist demnach ein böser Geist, der im Finale in persona auftritt. Hm. Die Spukerscheinungen werden nicht subtil eingestreut. Sie werden den Zuschauern in einem Feuerwerk aus Lärm und Animation serviert.
Ich würde gerne wissen, ob ihr selber durch einen Film zur literarischen Vorlage gekommen seid, und wie er diese jeweils im Vergleich seht.
Auf jeden Fall bin ich durch die Winnetou-Filme zu den Karl-May-Büchern gekommen (die Reihenfolge war durch die schleppende Veröffentlichung in der DDR vorgegeben). Natürlich sind die wenigsten Filme wirklich Verfilmungen der Bücher, aber als Filme schätze ich sie immer noch sehr. Beide Medien haben für mich nebeneinander Bestand. Wohingegen die Verfilmungen von "Scaramouche" (1952) und "Der Mann mit der eisernen Maske" (1978) für mich den Buchvorlagen, die ich erst erheblich später las, weit überlegen sind, da sie aus den eher wirren Strukturen straffe Handlungen mit starken Charakteren und exzellenten Dialogen formten. Und noch ein Buch, an das ich durch die Verfilmung heran geführt wurde - hier ist ein Vergleich nicht fair, da der Romanautor auch das Drehbuch schrieb: "Shogun". Der Film setzt andere Schwerpunkte, aber natürlich hat Clavell auf eine Wahrung der Essenz seines Buches und gleichzeitig eine filmgerechte Umsetzung selbst Wert gelegt - darum sind beide für mich gleichwertig.
Zwar kein Roman, aber eine "literarische Vorlage": 1998 habe ich die Verfilmungen des "Hauptmann von Köpenick" mit Heinz Rühmann und Harald Juhnke in der Titelrolle (die beiden anderen waren damals praktisch unerreichbar) verglichen und daneben das Theaterstück gelesen. Dabei stellte sich heraus, dass beide Versionen jeweils bestimmte Motive und Dialogstellen aus der Vorlage übernommen habe, die die andere nicht hat, und umgekehrt auch "Sondergut" enthielten. So waren zwei Interpretationen mit unterschiedlichen Akzentsetzungen und Interpretationen zustande, ohne dass eine für sich beanspruchen konnte, originalgetreuer zu sein.
Dem jetzigen (neuen) Berufszweig geschuldet, tummeln sich bei mir diverse Sachbücher. "Depressionen überwinden", "Arbeitsbuch Anatomie und Physiologie: für Pflege- und andere Gesundheitsfachberufe", "Krankenpflegehilfe: Alle Fächer für Ausbildung und Praxis"
und nicht zu vergessen: Tobi Katzes tragikomisches Buch "Morgen ist leider auch noch ein Tag - Irgendwie hatte ich von meiner Depression mehr erwartet". Der Autor leidet selbst unter Depressionen, begegnet dieser tückischen Krankheit aber mit viel Humor und Zynismus. Manchmal allerdings auch so, dass dem Leser das Lachen förmlich im Hals stecken bleibt.
Zitat von Begas im Beitrag #71Vielfach schrecken mich auch die Überinterpretationen der Autoren ab. Hier spaltet sich das Ganze dann in Autoren, die wirklich versuchen, objektiv über einen Film oder eine Reihe zu schreiben, Autoren, die ganz offensichtlich Fans der Materie sind und diese "ehren" wollen, und Autoren, die sich über jede Gelegenheit freuen, eine Produktion komplett zu verreißen.
Was die drei aufgezählten Kategorien betrifft, so gehört der früher erwähnte Hellmuth Karasek in die zweite, zumindest was das Buch über seine 100 Lieblingsfilme und die "Nahaufnahme" betrifft; allerdings sind das offen eingestandene Liebhaberbücher. Wenn es dich vor Überinterpretationen graust, solltest du besser nicht Donald Spotos Analysen von Hitchcocks Werken lesen, die ein perfektes Beispiel für "zu Tode interpretieren" sind! Hitchcocks selbst hätte vermutlich entweder geschmunzelt oder sich amüsiert darüber gezeigt, was er demnach mit seinen Werken alles "sagen" wollte.