Die Print- und dazugehörigen Online-Medien widmen ihm sehr viele, schön geschriebene und umfangreiche Nachrufe. Auch die ganzen Leserkommentare online geben ein schönes Bild davon, wie sehr dieser Mann noch immer geliebt und verehrt wurde.
Schade, dass sich die arrogante Hollywood-Schickeria nie durchringen konnte, ihm einen Ehrenoscar zu geben.
Interessant finde ich aber auch die vielen Fehler in den Nachrufen: die Anzahl seiner Filme schwankt von 220 bis 300, den Dracula spielte er zwischen 6 und 18 mal (die Details der letzteren Zählung würden mich interessieren). Neben Dracula spielte er für Hammer auch "den Frankenstein" und sogar den Dr. Fu Man Chu. In einer Reihe britischer Sherlock Holmes-Filme spielte er "mal als Detektiv, mal als Moriarty". Den Kardinal Richelieu spielte er auch. Bela Lugosi hat ihn übrigens als seinen würdigen Nachfolger auserchoren. Das machte er offenbar auf der Promotiontour zu "Plan 9 From Outer Space", drei Jahre nach seinem Tod. Einige der besseren Printmedien konnten sich einen Anflug von Snobismus nicht verkneifen und setzen die Hammer-Klassiker mit Trashfilmen gleich, was sie nie waren (sehr wenige Hammer-Filme generell kann man als Trash bezeichnen). Auch habe Lee niemals die Bedeutung von Max Schreck und Bela Lugosi erreicht, weder künstlerisch noch ikonografisch. Nun ja - für amerikanische Verhältnisse mag das zutreffen, in Europa, aber auch Teiles Asiens (vor allem in Japan) spielte Lugosi nie eine Rolle. Aber ein wenig müssen gewisse Medien den Speck ja madig machen, das gehört dazu.
Seltsamerweise neigten alle Nachrufe dazu, Lees Bond-Bösewicht zu überstilisieren. Er hätte das absolute Zeug gehabt zu einem der Top-Gegenspieler des Agenten, leider nutzte man das Potential nicht und sein Abgang war auch nicht sehr originell oder würdevoll. Aber er hätte, was in Ansätzen zu sehen ist, das absolute dunkle Spiegelbild zu 007 abgegeben. Vielleicht hätte es in einem härteren Film mit Sean Connery besser funktioniert.
Lustig die Beziehung zu Harry Saltzman: dieser wollte Lee nicht in "Luftschlacht um England" haben, weil das Horrorimage das nicht zulasse, Lee als Held zu zeigen. Auch favorisierte er Jack Palance als Scaramanga. Interessant deshalb, weil es ohne die Auswirkungen der Hammer-Filme die Bond-Filme wohl kaum so gegeben hätte, wie sie waren. Es ist schon längst vergessen worden hinter der Selbstherrlichkeit vieler Produzenten und PR-Manager: "Dr. No" sollte im Stil eines Hammerfilms gemacht werden und über weite Strecken ist er das sogar. Lee sollte übrigens auch Dr. No spielen, aber es kam nicht dazu. Dass es ohne Hammer kein "Psycho" gegeben hätte (oder erst sehr viel später) ist auch schon längst unterschlagen worden.
Als "Mann von La Mancha" hätte man Lee gerne auf die Bühne geholt und auch in eine Verfilmung. Dem Komponisten war Lees Image aber ein Dorn im Auge. Immerhin hat er später auf der CD "Revelation" zwei Lieder daraus gesungen. Und andere seiner Favoriten: "Wandrin' Star" oder "Do not forsake me, oh my Darling". Und er sang auch "My Way" - in einer ganz verblüffenden Manier. Üblicherweise singen alle Künstler dieses Lied so selbstreflektiv, als wäre es für sie geschrieben worden. Lee fand offenbar, dass das Lied wenig mit ihm gemeinsam hatte oder dass es niemanden etwas anginge. So sagte er zu seiner Interpretation: "It's a song about a man, who...". Und erklärte, wie er den Mann sah, der dieses Lied singt und genau so interpretierte er es. Und entlarvte es damit irgendwie fast als Farce.
Seine Präsenz war gewaltig. Ich habe ihn im Rahmen zweier Veranstaltungen in Wien aus nächster Nähe gesehen, die Atmosphäre war erstaunlich. Sehr nahe kam ich ihm nicht, aber als er auf die Bühen trat: absolute Stille. Das ist ein Star, ein echter - eine umwerfende Persönlichkeit. Kein Retortenprodukt der Filmindustrie: er war echt!!!
Wegen seiner Präsenz wurde er oft besetzt, dabei vergaß man mitunter leicht, was für ein hervorragender Schauspieler er war. Sein Rasputin war unglaublich, leider der Film ein paar Nummern zu klein. In "Pass des Todes" als Zigeuner spielte er fantastisch, vor allem die Sterbeszene. Auch als Komödiant war er hinreissend, leider machte man nur sehr selten etwas aus diesem Potential.
Zwei Filme mit ihm stehen noch in der Warteschlange. Man darf gespannt sein, wie dieser Abschied von der Leinwand sein wird.
"Draculas Rückkehr" war als Kind meine erste Begegnung mit ihm und das hinterließ nicht nur bleibende Eindrücke. Mit dem Satz "Ich habe Dracula gesehen!" stieg mein Ansehen in der Schule. Dass ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte, verschwieg ich.
Lees Dracula muss damals eine immense Wirkung gehabt haben. Heute kann man sich das nur mehr schwer vorstellen. Meine Schwiegermutter hat ihn im Kino gesehen, beschrieb das als Mischung aus Faszination und Grauen. Erst Anthony Hopkins als Dr. Lecter habe wieder eine ähnliche Wirkung ausgelöst. Lustigerweise wurde dieser Vergleich schon mehrfach angestellt.
Mit Betroffenheit habe ich heute die Nachricht von Christopher Lees Tod gelesen, zumal ich vor kurzem erst einen Film mit ihm gesehen habe, der auch hier im Forum Erwähnung fand: "Die Todeskarten des Dr. Schreck".
Gesehen habe ich Christopher Lee das erste Mal in der Hammer-Version vom "Hund von Baskerville", der damals passend zu der Tatsache, dass wir dieses Buch im Englischunterricht lasen, zu später Stunde in der ARD lief (etwa 1996/97). Damals wusste ich noch nicht, was sich für ein toller Schauspieler hinter diesem Mann verbirgt, aber meine Mutter erwähnte beim Film gucken beiläufig, dass er immer den Grafen Dracula gespielt habe, was ich zu diesem Zeitpunkt schon in diversen Anzeigen in TV-Zeitschriften gesehen hatte.
Das erste Mal, dass ich ihn als Schauspieler wahrgenommen haben dürfte, war im "Herrn der Ringe", wo er den Saruman spielte und absolut präsent war, weswegen man ihm den finsteren Herrscher auch abnahm. Nicht weniger war seine stimmliche Präsenz, die er in "Corpse Bride - Hochzeit mit einer Leiche" von Tim Burton zum Besten geben konnte. Mittlerweile habe ich ihn in so einigen Filmen gesehen und durchweg konnte er überzeugen, auch wenn die Filme manchmal eher mäßig waren; siehe "Dr. Fu Man Chu". Was seine Deutschkenntnisse anbelangt; in "Das Geheimnis der gelben Narzissen" hat mich seine Aussprache beeindruckt. Er sprach hier mit erstaunlich wenig Akzent.
Da hier auch seine musikalischen Fähigkeiten angesprochen wurden: Er hat in den letzten Jahren noch einen Ausflug in den Bereich "Heavy Metal" unternommen und hat in diesem Bereich zwei Alben aufgenommen: "Charlemagne - By the sword and the cross" (2010) und "Charlemagne: the Omens of Death" (2013).
Wer sich dafür erwärmen kann: die Studioaufnahme "The King an I" mit Lee ist sehr empfehlenswert. Bedauerlich, dass er den König von Siam nie auf der Bühne vor großem Publikum spielen durfte. Viele Lieder hat der König ja nicht, aber "A Puzzlement" ist einfach großartig interpretiert, Lee legt sich ziemlich ins Zeug und schafft es, die Macht, Ohnmacht, aber auch Naivität des Königs perfekt rüberzubringen.
Mein Neffe Fabian, elf Jahre, hat durch "Star Wars" und "Herr der Ringe" ganz ohne mein Zutun Christopher Lee für sich entdeckt. Seine älteren Filme findet er "seltsam", er ist eben doch die Gegenwartsästhetik gewohnt, aber viele davon begeisterten ihn ausgesprochen. Er hat mir heute nachmittag als erster die Nachricht via Sms übermittelt: Count Dooku ist tot.
Gezeichnet hatte Lee ja durch die Mitwirkung in besagten Filmen auch einige Auftritte in den "MAD"-Heften, die herrlich mit seinem Image spielten.
Sammy Davis, Jr war ja ein großer Verehrer der Hammer-Filme und Lee und Cushing waren seine großen Helden. Das Cameo der beiden in "Die Pechvögel" ist herrlich: Sammy betritt den Keller und da unten stehen Baron Frankenstein und Dracula, wollen ihn zu einem Drink einladen. Nur eine kleine Szene, aber das Publikum hob sie überall hervor. Falls es überhaupt einen solchen Beweis bedurfte, dann war es doch einer, wie sehr diese Filme in der Pop(ulär)kultur einen Platz einnahmen.
Die Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben: vielleicht erreicht "Jinnah" auch nochmal den deutschen Sprachraum. Ich kenne nur Ausschnitte daraus, aber Lee muss großartig sein.
Lee hat es heute tatsächlich auch auf die Titelseite der "FAZ" geschafft - mit einem schönen Foto aus "Dracula jagt Minimädchen".
Und unterhalb des Bildes begann der Text mit einer schönen Frage: was denn die heutigen digitalen Eingeborenen noch von der Sinnlichkeit des Saugens verstehen?
ein übles Jahr. Nach Nimoy und Brice eine dritte Ikone moderner Popkultur.
Ich sah ihn immer sehr gerne. Lee, das ist ein Schauspieler, der in fünf Minuten auf einen Film verteilt trotzdem Hauprollenwirkung hatte. Seine reinen Gastauftritte hingen oft länger nach als die Filme, in denen er diese absolvierte.
Er verkraftete sehr viele Synchronstimmen, nur Paul Bürks war darunter wirklich grotesk.
Er wird mir fehlen. König Haggard war eine meiner ersten Begegnungen mit dem Unheimlichen, und so kannte ich seine Stimme, bevor ich ihn selbst in ganzer Glorie zu sehen bekam: zunächst zwei Einsätze bei Edgar Wallace (objektiv betrachtet keine wirklich guten Filme, aber immerhin spricht er hier mit eigener Stimme), dann "Die Schlangengrube und das Pendel" - mein Erstkontakt der Kombi Lee/Weicker.
Ein faszinierender, unheimlich charismatischer Schauspieler, der sich oft unter Wert verkaufen mußte und unterschätzt wurde, aber stets seine Würde bewahrte. Und er lebt in seinem Gesamtwerk fort, nicht nur in seinen Filmen. Und so schließe ich mich "fortinbras" an:
"Mit Dankbarkeit und Freude in Erinnerung an einen einzigartigen Künstler: Christopher Lee (1922-2015)"
Dass man mal kurz daran dachte, Lee den Winnetou spielen zu lassen, ist ja bekannt - es existieren noch Testfotos davon. Vermutlich hätte das eine ganz andere Art Karl May-Film ergeben, also war die Entscheidung gegen ihn sicher vernünftig. Lee hatte ja einiges übrig für Westernfilme und war begeistert, als er in welchen mitspielen durfte. Im Prinzip war es ja nur "Hannie Caulder" und die Episode einer Fernsehserie.
Anbetracht seiner Popularität und seiner Mitwirkung in italienisch-spanischen Filmen fand ich es immer eigenartig, dass kein einziger Italo-Western drunter ist.
Lee wäre doch ein idealer Kandidat dafür gewesen. Ich hätte ihn mir sehr gut zusammen mit Lee Van Cleef vorstellen können.
Ein Freund von mir meinte mal, als er den US-Italoabklatsch "Bandolero" sah, dass doch Peter Cushing statt James Stewart und Lee statt Martin eine faszinierende Sache gewesen wären.
In "Hannie Caulder / In einem Sattel mit dem Tod" macht Lee eine tolle Figur, besser als so sämtliche andere Darsteller. Schade, dass er nicht die männliche Hauptrolle spielte.
Bei den deutschen Programmen weiss ich es nicht, aber beim ORF "sind derzeit keine Programmänderungen zum Tode von Christopher Lee geplant".
Privatsender machen das ja generell nicht, die "In Memoriam"-Praxis bei öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern hat sich sehr verändert. Pierre Brice konnte der ORF bequem ins Nachmittagsprogramm gesteckt werden, das scheint bei Lee nicht so zu sein. Der ORF widmet zu Geburtstagen oder zum Gedenken ohnehin nur mehr einer klitzekleinen Auswahl an Verdächtigen einen mehr oder weniger umfangreichen Schwerpunkt. Davon sind selbst einheimische Schauspielgrößen betroffen.
Zum 80. Geburtstag, wohl weil gerade "Star Wars" und "Herr der Ringe" aktuell war, widmete der ORF Lee ganze fünf Filme (u.a. "Dracula", "Ich, Dr. Fu Man Chu" und "Der Mann mit dem goldenen Colt"). Der 85. und 90. Geburtstag war irrelevant. Allerdings gab es vorab zu Geburtstagen Lees im ORF auch nur zum 60. und 70. Geburtstag ein kleines Fernsehgeschenk, wie ich herausfand.
Zitat von fortinbras im Beitrag #94Lee hat es heute tatsächlich auch auf die Titelseite der "FAZ" geschafft - mit einem schönen Foto aus "Dracula jagt Minimädchen".
Und unterhalb des Bildes begann der Text mit einer schönen Frage: was denn die heutigen digitalen Eingeborenen noch von der Sinnlichkeit des Saugens verstehen?
Die Schlagzeile dazu lautete übrigens: "Der Untote ist tot"
Bei Christopher Lee ist es tatsächlich nicht abgedroschen, wenn man sagt, dass hier eine echte Leinwandpersönlichkeit abgetreten ist. Einmal natürlich, weil er der letzte Star des "klassischen" Horrorfilms war, aber auch, weil er einen Typ verkörperte, den niemand sonst so spielen konnte: Selbst in schwachen, eindimensionalen oder sogar lächerlichen Rollen (die er oft bekam) konnte er zumindest für einige Momente noch ein enormes Charisma einbringen. Viel dazu trug natürlich seine Stimme bei.
Zitat von Lord Peter im Beitrag #96König Haggard war eine meiner ersten Begegnungen mit dem Unheimlichen, und so kannte ich seine Stimme, bevor ich ihn selbst in ganzer Glorie zu sehen bekam: zunächst zwei Einsätze bei Edgar Wallace (objektiv betrachtet keine wirklich guten Filme, aber immerhin spricht er hier mit eigener Stimme), dann "Die Schlangengrube und das Pendel" - mein Erstkontakt der Kombi Lee/Weicker.
Ich habe ihn erstmals bewusst mit seiner eigenen Stimme in zwei Wallace-Filmen wahrgenommen, weshalb ich einige Jahre Probleme hatte, ihn mit der anderer Sprecher zu akzeptieren. Seine Mischung aus einem gewaltigen Stimmvolumen und einer zugleich präzisen Betonung trafen nach meinem Eindruck Heinz Petruo und Helmo Kindermann am besten, wobei ich Petruo beim Volumen und Kindermann von der Diktion her den Vorzug geben würde. Angesichts der Vielzahl seiner Filmautritte konnte sich niemand für ihn fest etablieren, aber zumindest als Rollencast funktionierten überraschend viele und teilweise extrem unterschiedliche Sprecher. Herbert Weicker war nach meiner Erinnerung der erste, bei dem ich den O-Ton nicht mehr vermisste: Ihn habe ich aus Lees Mund zuerst im "Mann mit dem goldenen Colt" und kurz danach in "Ich, Dr. Fu Man Chu" gehört.
Zitat von fortinbras im Beitrag #91Als "Mann von La Mancha" hätte man Lee gerne auf die Bühne geholt und auch in eine Verfilmung. Dem Komponisten war Lees Image aber ein Dorn im Auge. Immerhin hat er später auf der CD "Revelation" zwei Lieder daraus gesungen.
Eines davon gibt es hier:https://www.youtube.com/watch?v=oN8OYvD4ejQ Daneben hätte er (laut Rainer Dick) gerne Iwan den Schrecklichen gespielt. Und dass es sein großer Traum war, Dracula einmal in einer Stokers Roman vollkommen entsprechenden Weise zu spielen, dürfte bekannt sein.
Eine seiner besten Rollen, vor allem wegen der Selbstparodie seines Images, hatte Christopher Lee in "Captain Invincible".
Diese herrliche Persiflage auf Superhelden des Kinos war leider kommerziell kein Erfolg und wird sträflicherweise kaum mal gezeigt. Lee synchronisierte sich hier übrigens selbst für die deutsche Fassung.
Mr. Evil Midnight, so der Name des Schurken, versucht in einer Szene den gerade trocken gewordenen Invincible mit Alkohol zu verführen. Das ist der Höhepunkt des Filmes und wenn man sich das ansieht, dann wird einem nicht nur Lees Vielseitigleit, sein Humor und sein Talent bewußt, es zeigt auch, was das Kino versäumt hat:
Einer der ganz Großen (im wahrsten Sinne des Wortes) ist von uns gegangen. Und obwohl er in über 280 Filmen mitgewirkt und damit sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde erreicht hat, wird er in seiner Paraderolle als Graf Dracula für immer unsterblich bleiben. Trotz seiner unfassbar vielen Rollen fand ich ihn als Superschurken Scaramanga in "Der Mann mit dem goldenen Colt" ganz besonders gut und als Captain Zantor hatte er auch einen Gastauftritt in der gleichnamigen Episode von "Mondbasis Alpha 1", wobei er hier mal einen "Guten" spielte. Ich werde den Menschen und Schauspieler Christopher Lee sehr vermissen.
Möge Graf Dracula endlich für immer in Frieden ruhen.
Zitat von Klaus im Beitrag #104...und als Captain Zantor hatte er auch einen Gastauftritt in der gleichnamigen Episode von "Mondbasis Alpha 1", wobei er hier mal einen "Guten" spielte.