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Dieses Thema hat 254 Antworten
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 Off-Topic
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John Connor



Beiträge: 4.883

02.08.2015 00:27
#76 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

@Isch: ändere doch bitte mal die Überschrift deines Threads!

Was macht man, wenn man mit 38° Fieber das Bett hüten muss und sein Hirn bei der nächtlichen Suche nach passenden Fiebertraum-Inhalten entlasten will? Man schaut (fast) die komplette 1. Staffel von TWILIGHT ZONE – was sonst?

Achtung: es wird im Folgenden kräftig gespoilert!

TWILIGHT ZONE-Marathon, erster Teil.

Die erste Episode trägt den Titel ‚Die leere Stadt‘, ist von Rod Serling himself geschrieben und hat eine klassische Synchro (Schürenberg: „Ort der Handlung: hier. Zeit der Handlung: jetzt“), das ist schon mal ein gehöriger Pluspunkt.
Earl Holliman kommt in seiner Piloten-Montur in eine Kleinstadt, die wie eine typische amerikanische Kleinstadt aussieht, also ganz und gar nicht wie eine Geisterstadt. Trotzdem ist der Ort wie ausgestorben, er ist offenbar das einzige Lebewesen hier, obwohl im Restaurant Radio-Musik läuft und es heißen Kaffee gibt. Anfangs verwirrt, verliert er nach und nach die Fassung. Am Schluss erfahren wir, dass es sich beim zuvor Gesehen um Halluzinationen von Holliman handelte, der seit zwei Wochen in einer dunklen Kabine zu Simulationszwecken eingeschlossen war – man wollte nämlich seine Belastbarkeit beim anstehenden Flug zum Mond testen.
Dämliche Pointe, die das sehr starke Szenario in den 20 Minuten zuvor einfach kaputtmacht. Außerdem gefällt mir Hollimans Synchronstimme nicht – sie macht aus ihm eine einfältige Person.

Die zweite Episode (‚Das Geschäft mit dem Tod‘) stammt ebenfalls von Serling und handelt von einem Kinder liebenden alten Mann, dessen Zeit gekommen ist. Murray Hamilton spielt den Tod, der ihn abholen will. Der Alte aber will den Tod austricksen; da jedoch sonst ein nerviges kleines Mädel an seiner statt sterben müsste, willigt er letzlich doch ein. Schnarch. Ein wie immer nerviger Ed Wynn, keine gescheite Pointe, uninteressante Geschichte. Bemerkenswert aber, dass Hamiltons Sprecher Siebenschuh hier wie Borchert klingt, auch die Intonation kommt der Borcherts verblüffend nah.

Die dritte Episode (‚Mr. Dentons zweite Chance‘), erneut von Serling, spielt im Western-Setting. Der wie immer großartige Dan Duryea spielt einen ehemaligen Revolverhelden, der offenbar unter dem Druck, dass jeder ruhmsüchtige Möchtergern-Gunslinger im Duell sich mit ihm messen wollte, zum Säufer geworden ist. Nun wird er für jeden Schluck Whiskey von Martin Landau permanent gedemütigt. Die Pointe besteht darin, dass er mit Hilfe eines Fremden seine Selbstachtung wiedererlangt, trocken wird und auch das Problem los wird, sich ständig duellieren zu müssen. Langweilige Geschichte, noch langweiligere Auflösung, nur die Darsteller reißen es durch ihre pure Präsenz raus.

Grundgütiger, die vierte Episode (‚16mm Traumwelt‘) ist die bislang dämlichste, mal wieder von Serling geschrieben. Es geht um einen abgehalfterten ehemaligen Filmstar, den Ida Lupino spielt und die partout nicht einsehen will, dass sie nicht mehr die Jüngste ist und folglich seit 20 Jahren keine Angebote mehr bekommt und sich die ganze Zeit ihre alten Filme anschaut. Das Ganze erinnert an SUNSET BOULEVARD und an die COLUMBO-Episode mit Janet Leigh, die Pointe an Woody Allens PURPLE ROSE OF CAIRO. Dass ich diese später entstandenen Werke bereits kenne, dafür kann das Episödchen nix, öde ist das aber trotzdem. Martin Balsam kann da auch nichts retten.

Da ich mir die Staffel per Stream im Internet anschaue, um nicht ständig die Discs einlegen zu müssen, muss ich auf die fünfte Episode mit Gig Young verzichten. Der Uploader hat diese Episode nicht hochgeladen. Hole ich mal demnächst nach.

Das Buch zur sechsten Episode (‚Die Rücktrittsklausel‘) hat wieder Serling verfasst. Es geht um einen Hypochonder, der dem Teufel für ein ewiges Leben seine Seele verkauft inklusive der Möglichkeit eines Rücktritts, von dem er annimmt, dass er diese nie in Anspruch nehmen werde. Er tut es natürlich doch, weil das ewige Leben doch nicht das Wahre ist. An die genaue Auflösung erinnere ich mich gar nicht mehr, wird schon nicht so der Hammer gewesen sein. Ich bin kurz davor, den Marathon abzubrechen, um mich naiver 08/15-Unterhaltung zuzuwenden.

Hmm, der Uploader hat die siebte Episode auch übersprungen. Was soll das? Nein, Kommando zurück. Andreas schreibt im TWILIGHT ZONE-Thread, dass es davon keine deutsche Fassung gab. Na, dann is ja gut. Guck‘ ich dann später im Original.

Neeeein, jetzt kommt die dümmste Episode überhaupt: ‚Gefangen in der Einsamkeit‘ (Buch: Serling). Ein unerträglicher Burgess Meredith mit Brillengläsern, so dick wie der Boden einer Cola-Flasche, spielt einen lesesüchtigen Bankangestellten, der zu Hause dank seiner nörgelnden, zänkischen, lesefeindlichen Ehefrau seiner Lieblingsbeschäftigung nicht nachgehen kann, daher nur während der Arbeitszeit hinter dem Bankschalter (*an-die-Stirn-klatsch*) und in der Mittagspause im Banktresor die Zeit findet, seine geliebten Bücher zu lesen. Es kommt, wie es kommen muss, eine Wasserstoffbombe geht hoch, vernichtet alles Leben, nur Meredith überlebt, weil er ja im Tresor war. Endlich hat er jetzt alle Zeit der Welt, den Gesamtbestand der Ortsbibliothek sich einzuverleiben. Dann kommt die Hammer-Pointe, die jedes Kind vorhersehen kann: er zertrampelt seine Brille. Der absolute Tiefpunkt bislang.
Dennoch ist mir diese Episode es wert, dass ich sie mir auch auf Englisch ansehe, denn es kommt mir doch sehr merkwürdig vor, dass Meredith unter all den englischsprachigen Klassikern nicht nur von Rilke und Kafka schwärmt, sondern bei der verbalisierten Ansicht der „Gesammelten Werke von Bert Brecht“ gänzlich aus dem Häuschen gerät. Hihi, Brecht als Klassiker der Weltliteratur!? Dafür musste unter anderem Robert Frost rausfliegen. Aber als Charles Bronson- und Donald Pleasence-Fans kennen wir den doch alle: „… Meilen gehen, bevor ich schlafen kann!“. Immerhin: Kafka passt schon sehr gut zur TWILIGHT ZONE, ein netter Einfall des Übersetzers bzw. der Redaktion [der Abspann sagt: Buch Hanelore –Grünberg. Redaktion: Dieter Kühnel])

Die neunte Episode ‚Die Macht der Träume‘ (Buch: Charles Beaumont) ist okay, vor allem dank Richard Conte, aber nach der Meredith-Episode kann es nur bergauf gehen. Conte spielt einen Herzkranken, der es sich nicht leisten kann zu schlafen, weil er weiß, dass er im Schlaf zu Tode erschreckt werden würde. Die Pointe ist aber sehr lahm. Eigentlich doch keine okaye Episode.

Das Buch zur zehnten Episode hat wieder Serling beigesteuert: ‚Das Geisterschiff‘. Eine Klassik-Synchro – na, wenigstens ein Attraktionsfaktor. Aber: die Zeitschleifen-Geschichte a la MURMELTIER um einen skrupellosen Nazi-Kapitän, dargestellt von Persoff (mit der Stimme von Martienzen), der immer erst kurz vorher kapiert, dass er sich auf dem von ihm torpedierten Schiff befindet (ja, und?), ist ganz und gar saftlos.

John Connor



Beiträge: 4.883

02.08.2015 00:27
#77 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

TWILIGHT ZONE-Marathon, zweiter Teil:

Die elfte Episode ‚Der Testflug‘ hat eine interessante Geschichte und immerhin Rod Taylor in der Hauptrolle zu bieten. Es geht um drei Piloten, die nach einem misslungenen Flug ins All wieder auf der Erde gelandet sind, aber bald einer nach dem andern buchstäblich ausgelöscht werden. Als Rod Taylor Jim Hutton, der wie alle anderen auch glaubt, sie wären nur zu zweit gewesen, klarzumachen versucht, dass sie ursprünglich zu dritt waren, löst auch er sich in Luft auf. Erst dann kapiert Hutton, dass auch ihn das Schicksal seiner beiden Kameraden ereilen wird. So la la…

In der zwölften Episode geht es um einen ‚Hausierer‘ (Buch: Serling), der offenbar in die Zukunft sehen kann und Menschen, die zufällig seinen Weg kreuzen, ganz alltägliche Dinge schenkt, die sich alsbald als sehr nützlich für diese erweisen. Ein Ganove, der Zeuge dieser seltsamen Vorkommnisse wird, zwingt den Hausierer, auch ihn in den Genuss dieser umgekehrten Kausalmechanismen kommen zu lassen. Hübsche Geschichte, temporeich und abwechslungsreich erzählt.

In der nächsten Episode wird die „willing suspension of disbelief“ auch des geneigtesten Zuschauers ganz schön auf die harte Probe gestellt. Es geht um einen ‚Mann mit den tausend Gesichtern‘ (Buch: Serling), der jederzeit sein komplettes Erscheinungsbild verändern kann, wenn er in der Klemme sitzt, sofern er die Fotografie einer Person zur Hand hat. Schon während der Erzähler in der Einleitung die Infos vermittelt, ahnt man, dass man es hier mit einer Geschichte zu tun hat, die nach dem Muster „poetische Gerechtigkeit“ gestrickt ist. Und so kommt es auch. Gähn.

Endlich! Endlich! Eine meiner Lieblingsepisoden: ‚Und der Name sei Erde‘ (Tststs, ganz böser Spoiler der deutschen Fassung). Serling hat die Vorlage des genialen Matheson zum Drehbuch verarbeitet. Es geht um zwei Wissenschaftler (einen von ihnen spielt Fritz Weaver), die ahnen, dass es in Folge eines Nuklearkrieges mit der Welt bald zu Ende geht. Um wenigstens sich und ihre Familien zu retten, planen sie per selbstgebautem Raumschiff die Flucht zu einem benachbarten Planeten, wo ähnliche Lebensverhältnisse zu herrschen scheinen. Kurz vor dem Exitus und bevor ihnen ein misstrauischer und übereifriger Bürokrat einen Strich durch die Rechnung machen kann, gelingt ihnen die Flucht. Kurz vor der Ankunft erwähnen die Wissenschaftler ganz beiläufig den Namen dieses Planeten: die Erde. Eine einfach gestrickte Geschichte, aber sehr spannend erzählt, mit großartiger Pointe. 9 Punkte (10 hätte es gegeben bei einer klassischen Synchro inklusive).

Die Handlung der 15. Episode ‚Wie ein Pfeil im Wind‘ erinnert an Peter Hyams‘ UNTERNEHMEN CAPRICORN (sollte ich mal wieder anschauen). Nach der Notlandung auf einem Planeten dreht einer der drei überlebenden Astronauten durch, weil ihre Wasservorräte zur Neige gehen und tötet nacheinander seine Kollegen, nur um kurz nach dem letzten Mord zu entdecken, dass sie die ganze Zeit auf der Erde waren und hinter dem nächsten Hügel sich eine Autobahn-Tankstelle befindet. Gute Episode, auch wenn sie sich etwas zieht und die Pointe doch vorhersehbar ist. Größtes Manko erneut: die Spätsynchro.

Die beiden nächsten Episoden hat unser Uploader nicht hochgeladen. Die Sichtung dieser wird vertagt und bestimmt nachgeholt, denn die Staffel nimmt langsam Fahrt auf.

Weiter geht’s mit Episode 18 also: 'Flug ohne Wiederkehr'. Das Buch stammt von Matheson. Das kann nur gut werden. Und eine Klassik-Synchro auch noch? Fein, fein, das ist ja schon die halbe Miete. Noch dazu ein junger Mannkopff in der Hauptrolle. Es geht um einen alles andere als heldenhaften Piloten im I. Weltkrieg, der auf einem Militärstützpunkt landet und bald feststellt, dass er sich im Jahre 1959 befindet. Im Bemühen, diesem Kuriosum auf die Spur zu kommen, erkennt er, dass er zurückfliegen muss, um einem künftigen Helden das Leben zu retten, auch wenn er selbst dafür sterben muss. Etwas umständliche Geschichte, die aber sehr spannend erzählt wird.

Episode 19 (‚Die Farbe des Todes‘) ist wieder sehr belanglos und öde. Ein Soldat kann in den Gesichtern seiner Kameraden lesen, dass sie bald sterben werden und am Ende sieht er im Rasierspiegel, dass er der Nächste ist. Nix gut.

In ‚Friedhof der Träume‘, der 20. Episode, geht es einmal mehr um drei Astronauten (einer von ihnen ist der spätere Doc Baker aus UNSERE KLEINE FARM), die auf einem Planeten notlanden, die der Erde sehr ähnelt, inklusive dem Aussehen ihrer Bewohnern. Nur: diese Menschen sind wie erstarrt, sie bewegen sich und atmen nicht, es ist fast wie in einem Wachsfigurenkabinett. Das Zuschauen macht Spaß, weil man sich fragt, wie die das gemacht haben mit den vielen Darstellern, die sich nicht bewegen. Man will wenigstens jemanden dabei erwischen, wie er blinzelt, was aber nicht passiert. Plötzlich dreht sich eine dieser vermeintlich leblosen Figuren auf einem Stuhl zur Kamera. Dann erfahren die Astronauten, dass sie auf einem Spezial-Friedhof gelandet sind und ihnen auch bald das gleiche Schicksal bevorsteht. Gute Folge.

John Connor



Beiträge: 4.883

02.08.2015 00:35
#78 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

TWILIGHT ZONE-Marathon, dritter Teil:

Episode 21 hat wieder Serling geschrieben: ‚Spiegelbilder‘, und sie hat erfreulicherweise wieder eine Klassik-Synchro. Vera Miles spielt eine Frau, die nächtens in der Wartehalle auf ihren Bus wartet. Irgendwie versteht sie die Welt nicht mehr, denn die Leute in der Wartehalle behaupten, dass sie kurz zuvor Dinge getan und gesagt haben soll, an die sie sich nicht erinnern kann. Langsam keimt in ihr der Verdacht auf, dass sie eine Doppelgängerin hat. Inhaltlich ist diese Episode eigentlich sehr simpel gebaut, aber die paranoide Stimmung, die mit dem Fortgang der Handlung immer intensiver wird, ist phantastisch.

Der Uploader tut mir den Gefallen und überspringt Episode 22, damit ich schneller zu einer weiteren Lieblingsepisode von mir gelangen kann. In ‚Doppelleben‘ (Buch: mein Mann Matheson wieder) spielt Howard Duff einen Geschäftsmann, der eines Morgens routiniert in sein Büro kommt - und kurz darauf plötzlich im Hintergrund eine Stimme hört: „Und Schnitt“. Ein Kameraschwenk enthüllt: das Büro ist ein Drehset! Aber: Duff, der offenbar ein Schauspieler ist, ist völlig perplex. Er kann nicht glauben, dass es sich bei den ganzen letzten Minuten um eine Aufnahme handelte. Im Folgenden will ihm jeder klar machen, dass er kein glücklich verheirateter Familienvater ist, sondern ein geschiedener Schauspieler mit Alkoholproblemen, dessen Ex-Frau nur an Unterhaltszahlungen interessiert ist. Dass diese starke Ausgangsprämisse bis zum Schluss durchgehalten wird, gebührt zum Großteil einem phantastisch aufspielenden Howard Duff und einem ebenso brillanten Christian Rode.

In der übernächsten Episode ‚Samuel Conrad und die Reise zum Mars‘ spielt Roddy McDowall einen Astronauten, der auf dem Mars landet und von den menschlich aussehenden Marsbewohnern auch äußerst gastfreundlich aufgenommen wird, die ihm sogar ein nach Erdenmaßstäben gebautes Appartement zur Verfügung stellen. Als er die Gardinen aufzieht, merkt er, dass er sich in einem Käfig befindet, damit die Studenten ihn als Versuchsobjekt studieren können. Na, ja – hübsche Idee, langweilig umgesetzt. Im Mittelteil fehlt einfach die Spannung, die zum Dranbleiben motiviert.

Dann eine weitere Episode nach dem „poetische Gerechtigkeit“-Strickmuster. In ‚Die Zeitmaschine‘ (Serling) landet ein Bandit aus dem Wilden Westen, der gerade aufgehängt wurde, im Jetztzeit-Labor eines Wissenschaftlers, der mit seiner Zeitmaschine herumexperimentiert. Der grobschlächtige Killer, der einen Kulturschock erlebt und sich insbesondere vom Lärm der Großstadt bedroht fühlt, dreht durch, tötet den Wissenschaftler, flieht, um von den unerträglichen Sinneseindrücken der Stadt getrieben wieder in der Praxis des Wissenschaftlers zu landen und dort von einem Einbrecher getötet zu werden. Dieser wiederum landet ungewollt in der Zeitmaschine, die ihn zum Beginn der Geschichte und damit an den Galgen befördert. Eine immerhin in der Machart sehr modern wirkende Episode.

In der 27. Episode ‘Der Traum vom Comeback‘ geht es um einen abgehalfterten Boxer, für den jener Traum selbstverschuldet nicht in Erfüllung geht, weil ihm der Glaube fehlt, der Glaube an ein Wunder, das ein Knirps für ihn per Wunsch beinahe hätte wahr werden lassen. Eine der langweiligsten Episoden.

Die 28. Episode ‚Mr. Valentine’s Neuanfang‘ ist nicht besonders originell, aber ganz amüsant und temporeich erzählt. Nachdem ein Kleinganove erschossen wird, erweckt ihn Sebastian Cabot, der hier wie Monty Woolley aussieht, zum Leben und erfüllt ihm jeden nur erdenklichen Wunsch: Glück mit den Weibern, Glück am Spieltisch. Anfangs ganz begeistert (und auch etwas irritiert) von seinem Leben im Himmel, beginnt der Ganove sich zu langweilen, weil er ein Leben ohne Überraschungen führt. Es gefällt ihm im Himmel nicht mehr, er will „an den anderen Ort“. Freilich: er ist an dem anderen Ort, schon die ganze Zeit gewesen. Die Pointe haut jetzt nicht so vom Hocker, ist aber doch recht hübsch. Bemerkenswert sind einige äußerst freizügige Anspielungen.

Es folgt wieder eine sehr starke Episode: ‚Das Kind auf der Treppe‘. Ohne zu ahnen, dass es sich dabei um ihr frühes Ich handelt, wird eine junge Lehrerin im Treppenhaus vor ihrer Wohnungstür von einem kleinen Mädchen angesprochen, das eine Menge Intimes von ihr weiß. Wie es sich bald herausstellt, hat die Lehrerin Teile ihrer Kindheit komplett ausgelöscht, weil sie Zeugin des Mordes an ihrer Mutter wurde. Bei dem Mann, der nun in ihrer Wohnung steht, handelt es sich um keinen Geringeren als den Mörder von damals. Ohne die phantastischen Elemente hätte die story auch gut in Hitchcocks TV-Serie gepasst. Bauschulte als Bösewicht ist große Klasse.

Isch


Beiträge: 3.402

02.08.2015 14:02
#79 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

Zitat von John Connor im Beitrag #76
@Isch: ändere doch bitte mal die Überschrift deines Threads!grin]

Mach doch deinen eigenen Serien-Thread auf, Junge!

Aber im Ernst ich hatte wirklich schon mal überlegt so einen Thread für Serien zu machen und wenn ich mir so die Dimension deiner Postings anschaue, halte ich das auch für sinnvoll. Admin *ruf* !?!

John Connor



Beiträge: 4.883

02.08.2015 20:55
#80 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

Och, so oft krank werde ich nu auch wieder nicht.

TWILIGHT ZONE-Marathon, vierter und letzter Teil.

Episode 30 (‚Nicht nach Fahrplan‘), erneut aus der Feder Serlings, handelt von einem Mann in der Krise: er hat einen Job als Werbefachmann, der ihm keinen Spaß macht, zu Hause eine Frau, die nur am Materiellen interessiert ist. Die Inversion des Amerikanischen Traums. Der arme Kerl hat einfach keinen Lebenswillen mehr, aber er beißt sich durch und schleppt sich jeden Tag zur Arbeit– was soll er sonst machen? Auf der alltäglichen Heimfahrt im Zug träumt er davon, wie es wäre, keine Verpflichtungen mehr zu haben – er könnte an der imaginierten Haltestelle ‚Willoughby‘ aussteigen und mit Tom Sawyer und Huckleberry Finn fischen gehen. Aber er traut sich einfach nicht auszusteigen und wacht immer auf, während er noch zaudert. Irgendwann steigt er doch noch aus an diesem utopischen Ort, wo immer die Sonne scheint, denn er ist mittlerweile einem Herzinfarkt erlegen, wie der Schaffner in der Jetztzeit feststellt. Eine traurige und beinahe subversive Geschichte.

In der nächsten Episode (‚Für einen Dollar Liebe‘) geht es um einen Durchschnittsmann, der vergeblich einer allseits begehrten attraktiven Frau den Hof macht, bis er von einem genervten Mitmenschen den Tipp bekommt, das Antiquariat von John McIntyre aufzusuchen, wo es nicht nur Berge von Büchern gibt, sondern auch Tinkturen gegen jedwedes Leiden, auch Liebesleiden. Statt der teuren Allheilvariante für 1000 Dollar, nimmt der Liebeskranke doch lieber das Fläschchen für einen Dollar – es reiche ihm, die Frau in sich verliebt zu machen. Zeitsprung: mittlerweile ist ein Jahr vergangen, die beiden sind verheiratet, aus dem einstigen Vamp ist eine anhängliche Ehefrau geworden, was dem Mann nun aber auch nicht gefällt. Jetzt muss er sich doch das Tausend-Dollar-Fläschchen besorgen. Aber, ach: kurz vor dem Einsatz lässt er das Fläschchen fallen – seine Frau hat ihm gerade eröffnet, dass sie Nachwuchs bekommen. Trotz Klassik-Synchro eine sehr zähe Episode, einziger Lichtblick ist McIntyre in alternativer Kluft und die Perspektive, in der das Antiquariat gefilmt ist.

Der Mann mit der Trompete‘ (Buch: Serling) mit Jack Klugman als ein dem Alkohol verfallener Ex-Trompetenstar ist wieder eine jener Episoden, in der einfach nichts passiert. Durch ein Nahtod-Erlebnis geläutert, gelobt Klugman Besserung und wird dafür auch noch mit einer potentiellen Frau belohnt. Fad!

In der 33. Episode (‚Mr. James B.W. Bevis’) geht es um einen gutmütigen Pechvogel, dem ein Schutzengel eine Alternativversion seines Lebens zeigt, in der er ein gut funktionierendes, aber freudloses Rädchen im Getriebe ist. Er will dann lieber doch weiterhin der Optimist bleiben, der nichts auf die Reihe kriegt. Keine originelle Geschichte, aber die Spielfreude des Hauptdarstellers, der mir irgendwie sehr bekannt vorkommt, ist ansteckend. Der Abspann klärt mich auf: Orson Bean. Ach, deer – der miesepetrige Ladenbesitzer aus DR QUINN.

Jetzt kommt wieder eine Top-Episode (Buch: Serling), eine der drei besten der ersten Staffel. Die süße Anne Francis (die mit dem aparten Leberfleck unter dem rechten Mundwinkel) spielt darin eine junge Kundin, die in einem Kaufhaus einen ‚Goldfingerhut‘ kaufen möchte. Sie wird von einem Liftboy dafür in den 9. Stock geleitet, der eigentlich gar nicht existiert – die Etage sieht denn auch eher wie eine Lagerhalle aus. Tatsächlich aber wird sie als einzige Kundin dieser Abteilung auch von einer etwas mysteriösen Verkäuferin bedient und kann den Fingerhut erwerben. Im Aufzug jedoch merkt sie, dass die Ware beschädigt ist und will sie umtauschen. Aber weder der Verkaufsmanager (Wolfgang Spier spricht ihn, wie immer ein Genuss) noch dessen Chef können sich einen Reim darauf machen: es gibt keinen 9. Stock, und schon gar nicht gibt es eine Verkaufsabteilung im 9. Stock. Die Auflösung, die dann serviert wird, ist sehr sympathisch und doch auch etwas traurig. Anne Francis ist wie die Verkäuferin und der Liftboy eine Schaufensterpuppe, die mit vielen Artgenossen nach Feierabend im 9. Stock in der Lagerhalle abgeladen, dort zum Leben erwacht. Jede dieser Puppen hat einmal im Jahr für einen Monat Urlaub und kann unter Menschen. Anne Francis hatte dieses Leben unter Menschen so sehr gefallen, dass sie einfach verdrängt hatte, dass sie eine Puppe ist und ihren Urlaub überschritten. Goldig.

Die vorletzte Episode ist nicht nur im Vergleich dazu sehr enttäuschend. In ‚Baseball mit Herz‘ spielt Jack Warden den Manager einer Baseball-Mannschaft, die seit Jahren schon auf dem letzten Tabellenplatz dümpelt – bis ihm ein Wissenschaftler seine neueste Errungenschaft vorstellt: ein menschlich aussehender Roboter, dessen Würfe unhaltbar sind für die gegnerische Mannschaft. Mit dem etwas debil aussehenden Roboter als Werfer klettert Wardens Team die Tabelle unaufhaltsam hoch, bis vor dem entscheidenden Endspiel der Roboter kaputt geht, dessen Nichtmenschlichkeit rauskommt, er nur unter der Bedingung wieder mitspielen darf, wenn er ein Herz verpflanzt bekommt – so geschehen, lässt er die gegnerische Mannschaft gewinnen, weil er es nicht ertragen könnte, wenn deren Spieler traurig würden ob der Niederlage. Eine an Fadheit kaum zu überbietenden Episode, wo man nicht mal die Gelegenheiten für Actioneinlagen, die das Ganze aufgelockert hätten, genutzt hat.

Die 36. Episode ‚Requiem für eine Serie‘ strotzt dafür vor Ideen, die jedem Ausrufer der Postmoderne die Schamesröte ins Gesicht treiben dürften. In dem von Matheson geschriebenen Finale der ersten Staffel (ja, so voluminös waren die Seasons damals), das erfreulicherweise eine Klassik-Synchro spendiert bekommen hat, spielt Keenan Wynn einen Schriftsteller, der mit einer netten Frau ganz offensichtlich eine nette Zeit verbringt in seinem Arbeitszimmer. Doch seine zänkische und misstrauische Frau taucht außer planmäßig auf und sucht das Zimmer nach der Frau ab, die sie doch durchs Fenster gesehen hatte. Aber sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Da sie partout nicht locker lässt, verrät Wynn ihr sein Geheimnis: er kann Figuren in seiner Phantasie materialisieren, sofern er plastische Beschreibungen von diesen auf sein Tonband spricht – und kann sie verschwinden lassen, wenn er die entsprechenden Bänder im Kamin verbrennt. Da die Ehefrau aber weiter nervt und mit Scheidung droht, bleibt ihm nichts anderes übrig, als ihr zu enthüllen, dass auch sie ein Phantasiegeschöpf ist (man hat sich als Zuschauer tatsächlich gefragt, wie so ein alter Knacker wie Wynn sich so eine sexy Frau angeln konnte) – sie glaubt es nicht und kapiert erst im Verschwinden begriffen, dass Wynn nicht gescherzt hat. Ja, die nette Frau erscheint ihm jetzt doch als die passendere Gespielin. Es folgt der obligatorische Abschlussmonolog von Rod Serling, der diesmal aber etwas despektierlich ausfällt – was Wynn, obwohl auf einer anderen Realitätsebene verortet, ebenfalls mitbekommt und sehr konsterniert darauf reagiert: er verbrennt den Umschlag mit Rod Serlings Tonbandaufnahmen darin – und dieser löst sich nun ebenfalls in Luft auf. Eine hübsche Geschichte, mit einer augenzwinkernden Pointe, die bestens unterhält.

Isch


Beiträge: 3.402

07.08.2015 22:05
#81 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

Gerade habe ich
Fluß ohne Wiederkehr (USA, 1954)
gesehen. Der Film hat alles, was ein guter Western haben muss - Tiefsinn, schöne Landschaften und Musik. Und außerdem auch alles was Western typischerweise haben: Einen hadernden alten Einzelgänger, ein hübsches Showgirl, dass eigentlich gar nicht so ist und gefährliche Indianer. Vielleicht bin ich gerade deswegen so wenig inspiriert. Es gibt nichts an diesem Film, was mich in irgendeiner Weise umgehauen hat, gleichzeitig aber auch nichts, was mich irgendwie stört. Außer, dass der zweite Song geswingt wurde, was erst im 20. Jahrhundert aufkam und Kay Jeanshosen trägt, die ebenfalls zeitlich etwas daneben sein dürften. Als Marylin-Monroe- und vor allem Westernfan wurde ich mit diesem Streifen gut bedient, wenn ich jemandem einen typischen Western zeigen wollte, würde ich ihm diesen empfehlen; wenn ich jemandem allerdings einen herausragenden Film vorstellen möchte, dann nicht.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

10.08.2015 11:42
#82 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

"Fluss ohne Wiederkehr" hat mir als Kind sehr gut gefallen, mittlerweile habe ich meine Meinung dazu geändert.

Der Film hat durchaus seine Pluspunkte, aber auch wenn er als ein großer Klassiker gehandelt wird - das ist er auf keinen Fall! Und kein Film, den man gesehen haben muss oder der es meiner Meinung nach verdient, regelmäßig in Listen besonderer Meisterwerke geführt zu werden.

Die Handlung ist ok, da gibt es nichts dagegen zu sagen. Robert Mitchum spielt seinen üblichen Standard, die Monroe ist der übliche Aufputz. Die Lieder sind für die Handlung des Filmes absolut überflüssig und keines davon geht wirklich ins Ohr (auch wenn das immer behauptet wird).

Technisch und visuell ist der Film selbst für seine Entstehungszeit altbacken und das Übermaß an Rückprojektionen raubt einem das letzte bisschen Illusion. Otto Preminger hat viele wunderbare Filme gemacht, aber das Abenteuergenre (in welchem Gewand auch immer) war nicht sein Fach.

Aber wie es immer so ist, wenn ein Regiemeister in einem fremden Genre erfolglos wildert: er wird gefeiert, egal wie durchschnittlich der Film auch sein mag.

Isch


Beiträge: 3.402

10.08.2015 13:49
#83 RE: Kürzlich habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

An deinem Kommentar ist viel Wahres dran.

Was mich noch etwas beschäftigt ist, dass Kay (Monroe) auch nach dem Vergewaltigungsversuch von Matt am Ende keine Bedenken hat ihm zu folgen...

Lammers


Beiträge: 4.165

10.08.2015 14:05
#84 RE: [Off-Topic] Gerade habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

Zitat von fortinbras im Beitrag #82
Technisch und visuell ist der Film selbst für seine Entstehungszeit altbacken und das Übermaß an Rückprojektionen raubt einem das letzte bisschen Illusion. Otto Preminger hat viele wunderbare Filme gemacht, aber das Abenteuergenre (in welchem Gewand auch immer) war nicht sein Fach.


Bei mir ist es etwas länger her, dass ich diesen Film gesehen habe. Ein Klassiker ist er sicherlich nicht, aber immerhin ein schöner Film für einen gemütlichen Filmabend oder -nachmittag. Was mir auffällt, ist die Tatsache, dass Preminger zwar kein Experte für Abenteuerfilme gewesen sein mag, aber ein immer ein Händchen für interessante Kameraeinstellungen hatte. So war es auch bei diesem Film, wo er das Cinemascope-Format gut ausnutzen konnte. Das kann man u.a. in einer Szene sehen, wo eine Holzhütte im Hintergrund zu sehen ist. Die Szene ist über weite Strecken in einer Einstellung gedreht. Kay (Monroe) und Matt (Mitchum) sind im Vordergrund zu sehen und reden miteinander, während Kays Sohn im Hintergrund zu sehen ist, der sich im Hintergrund beschäftigt und rumläuft. Mancher andere Regisseur hätte seinen Kameramann sicherlich angewiesen, näher ran zu gehen und sich mehr auf die Hauptpersonen zu konzentrieren.

Nachtrag: Im Übrigen finde ich es sehr schade, dass Wolfgang Lukschy Robert Mitchum nur zweimal gesprochen hat. Hier in diesem Film und in "Yakuza" (1974). Diese Kombi hat mir gut gefallen und er hätte ihn ruhig öfter sprechen können.

John Connor



Beiträge: 4.883

10.08.2015 16:40
#85 RE: [Off-Topic] Gerade habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

Zur Qualität dieses Films will ich nichts sagen - außer, dass ich es skandalös finde, dass dies ein typisches Beispiel eines meiner Lieblingsgenres sein soll!

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 15.307

10.08.2015 16:58
#86 RE: [Off-Topic] Gerade habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

Wer behauptet denn sowas? "Stagecoach" - kein Widerspruch, "Magnificent Seven" - absolut kein Widerspruch, "High Noon" - streitbar, aber "River of No Return" - der ist doch nicht einmal bekannt genug dafür, trotz Preminger. Das kommt wohl aus der gleichen Schublade wie die Behauptung, Miklos Rozsas "Spellbound" wäre die typische Hitchcock-Filmmusik.

Gruß
Stefan

Isch


Beiträge: 3.402

10.08.2015 17:05
#87 RE: [Off-Topic] Gerade habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

@John: Hauptsache, du hast wieder mal einen Grund, mir zu widersprechen

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2015 15:08
#88 RE: [Off-Topic] Gerade habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #86
Wer behauptet denn sowas? "Stagecoach" - kein Widerspruch, "Magnificent Seven" - absolut kein Widerspruch, "High Noon" - streitbar, aber "River of No Return" - der ist doch nicht einmal bekannt genug dafür, trotz Preminger. Das kommt wohl aus der gleichen Schublade wie die Behauptung, Miklos Rozsas "Spellbound" wäre die typische Hitchcock-Filmmusik.

Gruß
Stefan


Das nenne ich Musik in meinen Ohren!!!

Übrigens sagen mehrere Filmpublizisten, u.a. Joe Hembus, dass "River of No Return" allein schon wegen seinem Symbolismus, dem man den ganzen film über begegnet, einem Meisterwerk nahe kommt. Wenn man zu einem einem ziemlich simpel gestrickten Unterhaltungsfilm solche Worte hört/liest, bedeutet das meist eines: ein im Grunde sehr guter Filmemacher hat einen recht schwachen Film geliefert und das will keiner zugeben.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2015 15:31
#89 RE: [Off-Topic] Gerade habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

"Früchte des Zorns" (1939)

Gestern habe ich andernorts John Fords Kino als konventionell bezeichnet, das ist natürlich etwas einseitig gewesen. Ausdrücken wollte ich damit, dass meiner Meinung nach John Ford großteils konventionelle Unterhaltungsfilme typisch dem amerikanischen Zeitgeschmack entsprechend inszeniert hat und vor allem ein guter Handwerker war, dessen Filme von der Nachwelt fast ausnahmslos glorifiziert werden.

Aber Ford hat eine kleine Anzahl herausragender Filme geliefert, die ihm seinen Platz im Olymp sicherten. Dazu zähle ich nicht "Faustrecht der Prärie", ein langweiliger Western, auch nicht "Der schwarze Falke". Für mich ist der interessante John Ford jener, der sehr sozialkritisch ist. Die Stärke von Filmen wie "Früchte des Zorns" erreichte kaum einer seiner späteren Filme, der film erinnert mich beinahe an einen Vorläufer des Neo-Realismus in Italien nach dem Krieg.

"Früchte des Zorns" hat natürlich das Glück, auf einem sehr guten Roman zu basieren. John Steinbeck hat hier meiner Meinung nach den besten seiner Romane geschrieben. Natürlich ist der Film zeitbedingt nicht ganz so eindringlich, aber er sticht absolut aus dem Gros der damaligen Hollywoodfabrik.

Ford zeigt darin ein Amerika, wie es vor allem das Etablishment nicht gerne sah und bis heute nicht sieht. Ein Drama um Menschen aus der Arbeiterklasse, die keine Zukunft haben. Der Film wirkt sehr nüchtern, auch wenn er zwischendrin sentimentale Züge trägt. Das kann man aber auch gar nicht verhindern, da einem die handelnden Figuren sozusagen ans Herz gehen und man mit ihnen mitfühlt. Das bisschen Optimismus und die Portion "Sentimentalität" benötigen sie vermutlich auch, um ihr Leben noch irgendwie zu meistern.

Arme, hungerleidende Menschen, die zur Zeit der großen Depression durch die USA ziehen in der Hoffnung auf ein besseres Leben, dabei nicht selten ausgebeutet werden, wie Aussätzige behandelt und sich das letzte bisschen Menschenwürde hart erkämpfen müssen. Das hört sich jetzt wie eine sozialromantische Sicht auf die Welt an, ist aber sehr realistisch und eindringlich geschildert.

Fords Inszenierung ist schnörkellos und vermeidet fast gänzlich den damals typischen Hollywoodpathos. Die Schauspieler agieren fast ausnahmslos naturalistisch, was besonders damals keine Selbstverständlichkeit vor der Kamera war. Die Arbeiterinnen tragen kein Makeup und Modefrisuren, die Arbeiter sehen genauso wie solche aus. Trotz Henry Fonda hat der Film für 1939 keine echte starbesetzung, Fonda war damals bekannt, aber nicht der Superstar späterer Jahre. Ford setzt vor allem auf Charakterdarsteller/innen mit echten Gesichtern, die aussehen wie das Leben. Es ist keine Schönheitsparade, keine aalglatten Männer und Frauen, die man mit centimeterdickem Makeup verändert - man nimmt praktisch allen Darstellern ihre rolle ab.

Wenngleich der Film eine Art versöhnliches, hoffnungsvolles Ende in den Raum stellt, so bietet er dennoch kein Happy End im üblichen Sinne, schon gar nicht eines im Stile Hollywoods. Das ist schon einmal ein weiterer Grund, warum ich den Film sehr schätze. Weiters finde ich die musikalische Festaltung fantastisch, denn sie betont den realistisch-naturalistischen Zugang zum Geschehen. Alfred Newman als "Musical Director" benutzt hauptsaächlich Source-Musik, die auch im film live zu hören ist. Auf die übliche Untermalung wird verzichtet und das ist ein Segen, denn das ganze schmalzige Gefidel, mit dem die Herren Korngold, Steiner oder Stothart damals dem Zeitgeschmack geschuldet solche Filme unterlegten, hätte "Früchte des Zorns" niemals seine Wirkung entfalten können. Natürlich heisst das nicht, dass die genannten Herren schlechte Komponisten waren, sie meinten es nur oft zu gut mit ihrem Gefidel und Schwulst, der dem 19. und nicht dem 20. Jahrhundert entsprang und selten für Filme dieser Art geeignet waren.

Gestern nacht habe ich den film zum achten oder neunten Mal gesehen und er ist frisch und lebendig wie eh und je, er hat auch kaum etwas an seiner aktualität verloren. "Früchte des Zorns" ist eines der ganz wenigen wirklichen Meisterwerke des amerikanischen Filmes und dennoch finde ich es schade, dass der film weniger bekannt ist als viele von Fords "konventionellen" Unterhaltungsfilmen, die einer rein konservativen Ideologie folgen. Hier ist ford noch rebellisch und sozialkritisch, später ging ihm das häufig verloren oder war ein Aufhänger, um Bildnisse aufrechter amerikaner künstlich zu beschwören.

John Connor



Beiträge: 4.883

15.08.2015 18:01
#90 RE: [Off-Topic] Gerade habe ich folgenden Film gesehen... Zitat · antworten

Da bekommt man ja richtig Lust, sich den Film wieder anzuschauen - obwohl ich zugeben muss, dass FRÜCHTE DES ZORNS nicht zu meinen Favoriten gehört, wie viele Filme von John Ford eigentlich auch. Ich zähle ihn beileibe nicht zu meinen Lieblingsregisseuren, obwohl er primär mit einem Genre assoziiert wird, dem ich sehr zugetan bin.

Wenn ich seine Filmographie so Revue passieren lasse, gibt es eigentlich nur drei Filme von ihm, die ich verhältnismäßig oft gesehen habe - und die ich im Großen und Ganz auch mag: SPUREN IM SAND; DER SCHWARZE FALKE; DER MANN, DER LIBERTY VALANCE ERSCHOSS.
SAND ist einfach ein schön gefilmtes Drama, bisschen sentimental, etwas belanglos auch, aber doch ein netter Film.

Bei LIBERTY VALANCE bin ich im Zwiespalt: James Stewart ist hier schlicht unerträglich, mit seinem schlecht sitzenden Fiffi sieht er einfach albern aus, nicht nur für einen vermeintlich jungen Anwalt - und er chargiert, was das Zeug hält; wenn er seine übliche Jimmy Stewart-Show abzog und von der Regie nicht diszipliniert wurde, konnte er ganz schön nervig sein. Aaaber John Wayne - er ist einfach toll in dem Film, es ist SEIN Film, und es ist auch eine sehr schöne Rolle für ihn; und obwohl ich für den Wayne der Vor-Siebziger eindeutig Engelmann favorisiere, ist auch Marquis hier einfach phantastisch, so phantastisch, dass ich keine Sekunde Engelmann vermisst habe.
Ich weiß nicht, ob diesen schiefen Vergleich schon mal jemand gezogen hat, aber als ich gestern kurz reinzappte, kam mir in den Sinn, dass man in LIBERTY VALANCE doch mit etwas Phantasie als eine Art inoffizielles Remake von CASABLANCA sehen könnte: Vera Miles in der Rolle von Bergman zwischen dem idealistischen Stewart und dem zynischen Wayne, Woody Strode als 'Sam', Lee Marvin als 'Major Strasser'.

Dann DER SCHWARZE FALKE. Ich finde, er gehört zu Recht zu den Klassikern des Genres. Es ist ein unaufgeregt mit langem Atem, fast lyrisch gefilmtes, wunderschön in Pastelltönen fotogafiertes Western-Epos mit einem erneut tollen Wayne. Wie er Natalie Wood, die er doch umbringen wollte, am Ende in seine Arme nimmt, dieses Bild finde ich viel effektvoller als das Schlussbild mit dem Türrahmen. Ob der Film rassistisch ist? Keine Ahnung, habe nie darüber nachgedacht.

Ansonsten kann ich mit Ford nicht viel anfangen, seine Kavallerie-Western finde ich öde, seinem seltsamen Saufnasen-Humor kann ich nichts abgewinnen usw. Aber was heißt hier Handwerker? Wie bei jedem anderen Filmemacher auch, kann man auch bei Ford - wenn man den will - wiederkehrende Elemente, Stilvorlieben ausfindig machen, sei es auch nur das häufige In-Szene-Setzen des Monument Valley, das Scharen einer stock company um sich etc.

FRÜCHTE DES ZORNS hätte ich sehr gerne in einer zeitgenössischen Synchro gehört. Denn so sehr ich Kronberg selbst sehr mag und er zu Fonda auch sehr gut passt - die Synchro habe ich als typisch sterile TV-Bearbeitung in ERinnerung, ohne authentischen Raumklang, zu nah am Mikro eingesprochen usw.

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