Ich habe gerade einen schönen alten Filmsoundtrack herausgekramt: John Barrys Musik zum italienischen SF-Trash "Star Crash".
Eine durch und durch gelungene und sehr hörenswerte Filmmusik. Barry war Individualist genug, um nicht einen Score im John Williams-Stil zu schreiben und ging seine eigenen Wege und seinen eigenen Stil.
Zwei Reminiszensen an andere Komponisten gibt es aber: zu Beginn des Titelthemas wird ein klitzekleines Motiv eingebaut, das an Williams' "Star Wars" erinnert, auch wird ein wenig Richard Strauss zitiert ("Also sprach Zarathustra") in Anlehnung an "2001". Aber das sind kleine Ehrerbietungen - beginnt Barrys Titelthema auch mit Blechbläsern, verschwindet der erwartete Hollywood-Weltraumabenteuerklang gleich danach ins nichts und kehrt nicht wieder.
Das Hauptthema ist ein fast poppiges, leichtfüssiges Werk, dass einen typisch dynamischen Barry-Rhytmus hat (ähnlich "007" oder der Büffeljagd in "Der mit dem Wolf tanzt"), darüber liegt eine ruhige, epische Melodie, die aber nie in Pathos übertritt.
Man merkt allein schon an der regelmäßigen Verwendung eines Flügels zur Bassverstärkung, dass das Musikbudget eher klein war - dennoch schöpft Barry aus dem Folgen und macht das beste daraus.
Die Musik ist teils sehr düster und mysteriös, vermeidet typischen Hollywoodsound und betont die unendlichen Weiten des Weltalles mehr als das Getose der Sternenkrieger.
Zwischendrin gibt's echt spannungsgeladene Titel und auch für Romantik ist Platz, wobei hier Barry ein Liebesthema eher andeutet, als es schmalzig großorchestral anzukurbeln.
Das Hauptthema kommt natürlich immer wieder mal zum Einsatz, vor allem beim großen Kampf. Hier macht Barry kein "Mickeymousing", sondern lagert die Melodie einfach drüber als verbindendes Element - eine sehr kluge Entscheidung.
Die originelle Perkussionslinie der Titel- und Schlußmusik gibt allem eine besondere Note.
Teils könnten die Titel aus einem James Bond-Film stammen, stilistisch ist der Score auch "Moonraker" nahe (ohne eine gleiche Melodie) - aber dennoch ergibt Barrys individueller Stil mit den Bedürfnissen dieses Filmes ein erstaunlich homogenes, nicht austauschbares Klangbild.
Selbst bei der Musik zu diesem billigen "Star Wars"-Abklatsch ist die hochprofessionelle Kompositionsqualität Barrys durchwegs zu spüren - er war einer der besten seiner Zunft!
Höre derzeit wieder sehr viel vom japanischen Filmkomponisten Akira Ifukube, einem sträflich unterschätzten Meister-Komponisten, dessen Musik im Westen weitgehend unbekannt ist, weil von seinen über 200 Filmen nur gut 30 hierzulande gelaufen sind. Bleibe immer wieder bei diesem Track
hängen. Unfassbare Musik von eigenartiger Melodik und bestechender Klarheit ohne jegliche Mätzchen. Hört euch das schön laut 3 oder 4 mal hintereinander an, falls es nicht gleich funken sollte.
In seiner unprätentiösen Schlichtheit und genial simplen Struktur ist das verlinkte Stück sogar sehr beeindruckend.
Viele ahnen das gar nicht, mir war es auch nicht bewußt: einfache Musik ist viel schwieriger zu komponieren und orchestrieren wie die komplizierte Abart davon.
Gerade bei der Filmmusik neigen manche Komponisten zur Übertreibung, als wollten sie zeigen, was sie nicht alles können - dabei nimmt man es im Film nicht wahr und selbst bei einer losgelösten Aufnahme muss man "vom Fach" sein, um es zu erkennen. Da ist dann mal für den Bruchteil einer Sekunde eine Piccoloflöte zu hören, gibt es 43 Kontrapunktionslinien und sonstigen Schnickschnack.
Schon gewusst? RAIN MAN wurde ursprünglich Ennio Morricone angeboten, der den aber abgelehnt hat aufgrund schlechter Erfahrungen mit US-Regisseuren. Die nächsten beiden Filme von Barry Levinson hat er dann aber doch übernommen (Bugsy / Enthüllung). Leider beides schwache Filme und schwache Musik.
In dem Zusammenhang vielleicht interessant: Stanley Kubrick engagierte Morricone 1971 für UHRWERK ORANGE. Bei einer Begegnung mit Sergio Leone erfuhr Kubrick, dass Morricone gleichzeitig auch für dessen TODESMELODIE arbeitete. Das war für Kubrick unvorstellbar, dass jemand an 2 Filmen gleichzeitig arbeitete, und aus Ärger darüber entzog er Morricone den Auftrag und engagierte Walter Carlos (der das sehr gut gemacht hat).
Die Filmmusik zu ENTHÜLLUNG fand ich eigentlich gar nicht mal so schlecht. Passt sich halt dem ziemlich mäßigen Film an. Wobei tatsächlich recht wenig Markenzeichen übrig sind, die typisch Morricone waren. Für Nicht-Kenner kann man den hier ja fast mit sowas wie Tangerine Dream verwechseln.
ENTHÜLLUNG fand ich keineswegs schlecht, im Gegenteil sogar. Wenn man von dem spekulativen Aufhänger absieht, ist es ein gut gespielter, angenehm unaufgeregt und flüssig erzählter workplace thriller - ich ziehe ihn jedenfalls ähnlich gelagerten bedeutungsschwangeren Filmen wie GLENGARRY GLEN ROSS deutlich vor. Da mir der Film damals so gut gefallen hatte, hatte ich sogar die Romanvorlage von Crichton gelesen - obwohl ich so gut wie keine aktuellen Bestseller lese.
Im Übrigen finde ich, dass Morricones Score zu THE UNTOUCHABLES - obwohl eine US-Produktion - einer seiner besten ist:
Bei ENTHÜLLUNG hatte ich geschrieben: ein schwacher Film; bei THE UNTOUCHABLES schreibe ich jetzt: ein schlechter Film.
Die De-Palma-Filme mag ich allesamt nicht, obwohl ich zugebe, dass er einer der wenigen US-Regisseure ist, der der Filmmusik einen gebührenden Stellenwert einräumt. Die Musik zu THE UNTOUCHABLES brachte Morricone seine dritte Oscar-Nominierung und ist nicht schlecht, aber verglichen mit manch italienischem Film doch ein bisschen zu beliebig, um wirklich zu seinen besten Arbeiten zu gehören. Sein nächster De-Palma-Film schneidet da deutlich besser ab: CASUALTIES OF WAR ist zwar erst recht kein guter Film, aber die Musik ist hier ein wahres Meisterwerk. Melodik und Instrumentierung sind hier wesentlich klarer und intimer und ohne den Bombast der UNTOUCHABLES. Das höre ich mir gerne auch ohne den Film an.
Es wird berichtet, dass De Palma bei seinem Kriegsfilm auf keinen Fall Panflöten haben wollte, Morricone aber darauf bestanden hat und De Palma ihm letztlich freie Hand gab. Das spricht für De Palma! Bei den meisten anderen US-Filmen hat man Morricones Arbeit - aus seiner Sicht, und da bin ich derselben Meinung - nicht gebührend respektiert, bis bei WHAT DREAMS MAY COME sein atemberaubend schöner Score gar abgelehnt und durch einen schwülstigen anderen ersetzt wurde, was den Film völlig ruiniert hat. Da war für Morricone das Maß voll - seitdem nimmt er keine US-Angebote mehr an.
Der erste, der darunter leiden musste, was ausgerechnet Terrence Malick, der ihn nach DAYS OF HEAVEN gern für seinen THE THIN RED LINE wieder genommen hätte...
Brian de Palma mochte ich nie, bzw nur ansatzweise. Ein Vorgänger von Quentin Tarantino: er klaut alles zusammen und hat dabei die Arroganz an Bord, als könne er das alles aber viel besser machen.
Musik in de Palma-Filmen ist generell ein eigenartiges Kapitel. Warum das so ist, weiss ich nicht, aber viele Komponisten schlagen bei ihm maßlos über die Stränge.
Bernard Herrmann, ein kongenialer Komponist, fing nach dem Ende der Hitchcock-Phase an, aller Welt zeigen zu wollen, das er der beste und größte und genialste aller Filmkomponisten ist und trotz Qualität der Kompositionen selbt verschmolzen diese immer weniger mit den Bildern und Herrmann nahm sich wichtiger als den Film. Bei de Palma war er allerdings noch weniger zu halten und hat besonders bei "Schwarzer Engel" Musik geliefert, die jeglicher Vernunft widerspricht.
Pino Donaggio ist generell ein Komponist, der auch etwas in seine Musik vernarrt ist und schon mal Grenzen überschreitet. Für sich genommen sind zahlreiche seiner Kompositionen gut, aber in Zusammenhang mit den Bildern absolut überreizt und kaum erträglich.
"The Untouchables" ist auch aus meiner Sicht ein schlechter Film, der nur aus Phrasen und Zitaten besteht und sich visuell wichtigmacherisch präsentiert. Morricone hatte generell aus meiner Sicht das Problem, dass er bei amerikanischen Großproduktionen gerne versuchte hollywoodesquer zu klingen, hier war er aber besonders weit von sich selbst entfernt. Auch ein Score, der ohne Bilder anhörbarer ist, denn im Film wirkt die Musik teils sehr aufdringlich. Vielleicht schrieb Morricone die Musik auch von Vornherein für die Kommerzialisierung - obwohl er damals ja schon viel Geld machte mit seinen Soundtrackalben. Aber Hollywoodschinken dieser Art lassen meist die Kasse klingeln.
Bliebe noch zu sagen dass Sean Connery für viele andere Filme einen Oscar verdient hätte. Er war auch hier gut und er ist sogar der einzige Grund, warum der Film so etwas wie einen Anziehungspunkt hat - aber oscarreif waren viele seiner anderen Leistungen auch, bzw noch mehr. Das wirkt immer so wie eine "Beim nächsten Film kriegt er ihn, egal was es ist!"- Auszeichnung.
THE UNTOUCHABLES ist zweifellos ein effekthascherischer Film, das Drehbuch von Mamet ist wie üblich schlimm, die Dialoge sind zum Davonlaufen. Aber: De Palma hat aus dem Material das Beste gemacht, was möglich war - die optische Umsetzung ist sehr interessant und es gibt einige herausragende Szenen. Und für Connery hat mich der immense Erfolg des Films sehr gefreut - und auch dass der Film noch heute viele Fans hat, freut mich.
Zitat von John Connor im Beitrag #109THE UNTOUCHABLES ist zweifellos ein effekthascherischer Film, das Drehbuch von Mamet ist wie üblich schlimm, die Dialoge sind zum Davonlaufen. Aber: De Palma hat aus dem Material das Beste gemacht, was möglich war - die optische Umsetzung ist sehr interessant und es gibt einige herausragende Szenen. Und für Connery hat mich der immense Erfolg des Films sehr gefreut - und auch dass der Film noch heute viele Fans hat, freut mich.
Naja, er ist schon etwas langatmig zwischendrin, aber weiß trotzdem zu unterhalten. Am bemerkenswertesten fand ich aber, dass fast alle Hauptdarsteller in diesem Film nicht ihre eigentliche Synchronstimme haben, was den Film auch synchrontechnisch interessant macht. Brückner hat Kerzel, Kevin Costner hat Heiner Lauterbach (ungewöhnlich, aber hat was), nur Sean Connery hat GGH (aber der war auch in München). Zur Musik: Bei einem Musikthema dachte ich "Verdammt noch mal, wo hast du das schon gehört ?" bis mir dann einfiel, dass Stefan Raab in den Anfangstagen von "TV total" eine kurze Sequenz davon für den "Raab der Woche" verwendete.
Am Wochenende habe ich von einem Nachbarn meiner Eltern eine betagte Schallplatte mit einer Aufnahme der Ouvertüre "1812" geschenkt bekommen. Eine Aufnahme, die echt klasse ist und mit echten Kanonen und Glockengeläute ausgestattet ist. Sie stammt vom Minneapolis Symphony Orchestra und Antal Doráti und wurde 1958 aufgenommen:
Zitat von Lammers im Beitrag #110 Am bemerkenswertesten fand ich aber, dass fast alle Hauptdarsteller in diesem Film nicht ihre eigentliche Synchronstimme haben, was den Film auch synchrontechnisch interessant macht. Brückner hat Kerzel, Kevin Costner hat Heiner Lauterbach (ungewöhnlich, aber hat was), nur Sean Connery hat GGH (aber der war auch in München).
Fehlen der eigentliche Synchronstimme ist aber fast etwas übertrieben - im Gesamtbild vielleicht schon, ja. Aber rein chronologisch gesehen sprach Glaubrecht Costner davor lediglich in "Fandango" (und der hatte sogar eine Hamburger Synchro). Und Brückners Abwesenheit wird schlicht in seine USA-Zeit fallen. Wobei ich mir 'Al Capone' mit Brückner beim besten Willen nicht vorstellen kann (ebenso eigentlich 'Louis Cyphre'). Da war Kerzel schon die beste Wahl.
Zitat von Lammers im Beitrag #110Naja, er ist schon etwas langatmig zwischendrin, aber weiß trotzdem zu unterhalten.
Also, als "langatmig" würde ich ihn überhaupt nicht bezeichnen. Er ist vielleicht zu oft angeberisch und mit dem Holzhammer inszeniert, aber seine Popularität bei Genrefans kann ich schon sehr gut nachvollziehen.
Lauterbach für Costner fand ich nicht schlecht, aber ich muss sagen, dass mir die übrigen Münchner überhaupt nicht gefallen haben hier - Bohlmann im Lisa Simpson-Tonfall, Musäus einmal mehr ohne jedwedes Gespür für seine Rollen, Paul Bürks als Richter und und und...