Paul Bürks kenne ich normalerweise eher in ruhigen Rollen, mitunter fast hauchend; selbst sein Kater Sylvester wirkt nicht sonderlich energetisch. Panisch schreiend, mit wirklich überzeugender Angst in der Stimme, habe ich ihn bisher nur einmal gehört: in "Kara Ben Nemsi Effendi", als er als Kaufmann Galingré verzweifelt durch die leeren Gänge des Gefängnisses ruft.
Gruß Stefan
S.T.O.F.F.E.L.
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03.05.2014 22:28
#227 RE: Synchronstimmen, die man eigentlich ganz anders kennt
Hat zwar Fortinbras schon mal erwähnt, hat mich aber auch absolut beeindruckt und begeistert: Heinz Drache für Richard Widmark in DIE HEILIGE JOHANNA. Da ist er kaum würdevoll und überlegen, sondern recht einfältig, fast infantil und aufgedreht.
Manfred Schott hatte eine Stimme, die für mich eine enorme Nüchternheit ausstrahlte: oft sprüde, trocken oder sarkastisch. Zwar konnte er durchaus überzeugend emotional werden oder lauter klingen (etwa für Dustin Hoffman), aber als er in einer Szene der "Schlemmerorgie"* plötzlich kiekste, war ich verblüfft, wie sehr er mich an Randolf Kronbergs berühmten Eddie-Murphy-Tonfall erinnerte!
*Als bei dem Treffen der französischen Köche Jean Rochefort mit einer Pistole herumfuchtelt, diese dabei losgeht und George Segal kreischt, er solle diese endlich weglegen.
Den gleichen Gedanken hatte ich beim "kleinen Cäsar" (1930), wo er auch in einer Szene rumkiekst, weswegen ich mir früher nicht sicher war, ob hier Schott oder Kronberg zu hören ist. Also, wie ich schon woanders schrieb: Ähnlicher Stimmtyp.
S.T.O.F.F.E.L.
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26.05.2014 14:19
#230 RE: Synchronstimmen, die man eigentlich ganz anders kennt
Ich finde, daß zumindest zeitgenössisch betrachtet, Joachim Kemmer für Marty Feldman (vor allem in FRANKENSTEIN JUNIOR) eine ziemlich erstaunliche Leistung bot. Sicher, später hat er viel Animation gemacht, aber doch meistens "coole", beherrschte und überlegene Typen gesprochen - oder zumindest solche, die sich dafür hielten. Aber so ne überdrehte Marty Feldman-Rolle sticht da schon stark heraus wegen ihrem Gegensatz.
Zitat von S.T.O.F.F.E.L. im Beitrag #230Sicher, später hat er viel Animation gemacht, aber doch meistens "coole", beherrschte und überlegene Typen gesprochen - oder zumindest solche, die sich dafür hielten. Aber so ne überdrehte Marty Feldman-Rolle sticht da schon stark heraus wegen ihrem Gegensatz.
Allerdings waren auch unter seinen späteren Disney-Rollen manche, für die er ziemlich aufdrehen und chargieren musste (Sebastian in "Arielle" oder Rafiki in "König der Löwen").
Kemmer war ein Synchronschauspieler, den ich gerade wegen dieser faszinierenden Gegensätze sehr schätze - kaum ein anderer dürfte die coolen Helden ebenso überzeugend gesprochen haben wie die schrillen Typen. Für den gleichen Zeitraum wie seine Einsätze für Feldman fallen mir auf jeden Fall auch Jim Dale in "Elliott das Schmunzelmonster" und vor allem Tomas Milian in "Zwei Companeros" ein - deshalb könnte ich persönlich ihn nie in diesen Thread setzen.
Gruß Stefan
S.T.O.F.F.E.L.
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27.05.2014 14:31
#233 RE: Synchronstimmen, die man eigentlich ganz anders kennt
Ich kann das Statement absolut nachvollziehen, aber nicht auf mich anwenden.
Unglaublich, aber weder kenne ich ELLIOT, noch die COMPANEROS. Ich kenne Joachim Kemmer während der Siebzigerjahre nur von "toughen" Typen a la Bogart oder Gould. Deshalb tanzen da die Feldman-Arbeiten für mich aus der Reihe. Aber mein Beispiel uählt nur zeitgenössisch, später dann habe auch ich die großartige Gegensätzlichkeit wahrgenommen.
Der sonst so vornehm klingende Lothar Blumhagen synchronisiert Fritz Weaver in der Episode "Expedition ins Tierreich" des Horrorfilms "Creepshow - Die unheimlich verrückte Geisterstunde" (1982) - selbstverständlich perfekt zur Rolle - völlig hysterisch und ausgeflippt inklusive eines Abstiegs in die Fäkalsprache.
Hab mich gerade gefragt wie es wäre, wenn Tobias Lelle heute noch Woody Harrelson sprechen würde. Gibt es eine Rolle, in der Lelle mal "als harter Mann" zu hören ist? (Blöde Formulierung, aber ihr wisst was ich meine)
fortinbras
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19.02.2015 18:20
#236 RE: Synchronstimmen, die man eigentlich ganz anders kennt
Die Fernsehsynchronisation von "Maigret stellt eine Falle" ist sicherlich nicht vergleichbar mit der Kinofassung, die man wohl nur mehr vom Hörensagen kennt. Auf der Dvd ist sie wirklich übetrieben bearbeitet worden, aber diese Fassung an sich würde ich keinesfalls als "grottig" bezeichnen.
Überrascht hat mich Wolfgang Völz für Jean Gabin. Mit Völz und seinem Hang zur Selbstdarstellung gehen viele hier hart ins Gericht, nicht zuletzt auch ich selbst (wenngleich mir Völz sehr sympathisch ist und ich ihn in bestimmten Rollen gerne höre).
Wer sich vom üblichen Pauschalbeschimpfen einer Neusynchronisation befreien kann, sollte ruhig mal ein Ohr der Leistung von Wolfgang Völz widmen.
Er ist hier nicht er selbst, er macht Maigret nicht zur Witzfigur und vergröbert die Charakterisierung. Völz ist hier sehr zurückhaltend, paßt stimmlich durchaus zu Gabins Äusserem und paßt sich hier erstaunlich an das Original an. Wenn Maigret wütend ist, betroffen, über sich selbst verärgert - Völz fängt das alles ein und verzerrt nichts davon in sein übliches Image. Entweder hat er sich hier nichts geschenkt oder es war der Synchronregisseur. Ich habe die Synchronisation mit gewissem Vorurteil angesehen und dieses wurde nicht bestätigt.
Völz empfand ich hier als ausgesprochen anders und deutlich differenzierter, als man es sonst von ihm gewohnt ist.
Zitat von berti im Beitrag #1Heinz Petruo kennt man meist nüchtern-kalt (Nachrichtensprecher/Erzähler), finster-bedrohlich (Oberschurken) oder auch vornehm-elegant (aristokratische Typen). In Sidney Lumets "Angriffsziel Moskau" spricht er Fritz Weaver und hat in einer Szene einen hysterischen Anfall (einschließlich Heulkrampf!)
Ähnlich hysterisch wurde er auch für Duncan Lamont in einer Szene aus "Das grüne Blut der Dämonen", als dieser aufgrund von Halluzinationen einen Nervenzusammenbruch erleidet.
Zitat von berti im Beitrag #72Horst Sachtleben sprach mit seiner krächzenden Stimme oft überdrehte Rollen. In "Ich, Dr. Fu Man Chu" hört man ihn auf Eric Young als großen Lama aber absolut sanft, weich und völlig in sich ruhend.
Ähnlich untypisch ist Horst Gentzen für Juzo Itami in "55 Tage in Peking": Gentzen spricht in dieser Offiziersrolle zwar nicht tiefer als sonst, aber dafür sehr nachdenklich und besonnen, weit weg von albernen Kieksereien oder tuntigem Tonfall. Dass Gerd Duwner in diesem Film mehrere Chinesen spricht, versteht sich von selbst. Einer davon ist jedoch alt und ehrwürdig, ebenso klingt er auch, weswegen er fast an Hans Hessling (in dessen tieferer Stimmlage) erinnert.
Ich finde, dass Gentzen auch als Mr. Moto trotz der Klischeebesetzung sehr besonnen und ruhig klang.
Ernst Meincke durfte sich in einer kleinen Rolle als Zuckerbäcker in "Eine zauberhafte Erbschaft" mit geradezu fistelig hoher Stimme herrlich überdreht geben - meilenweit weg vom nervigen Klischee des (neben Telloke) einzigen coolen Typen der DDR.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #239Ich finde, dass Gentzen auch als Mr. Moto trotz der Klischeebesetzung sehr besonnen und ruhig klang.
Natürlich; aber da er Peter Lorre zuvor bereits einige Male gesprochen hatte, lag hier eine gewisse Kontinuität vor, weshalb seine Besetzung nicht so überraschend war. Bei den "55 Tagen" dagegen war vom Rollentyp her nicht gerade naheliegend, das wäre z. B. Herbert Stass gewesen.